Was wäre wenn... von DonnaHayley ================================================================================ Kapitel 1: Väter haben es nicht leicht -------------------------------------- Geschickt fuhr Yasuo seinen Sportwagen durch den dichten Stadtverkehr. Seine Gedanken waren bei seinem zwölfjährigen Sohn, der  schon wieder Ärger in der Schule hatte und sich geprügelt haben sollte. Yasuo konnte sich schon denken was passiert war und das mal wieder ein ganz bestimmter Schüler auf seinen Jungen losgegangen war. Seit knapp drei Monaten ging sein Sohn nun auf diese Schule und so langsam bereute der junge Vater seinen Entschluss Atemu in eine Klasse mit 14 jährigen Teenagern geschickt zu haben. Zwar hatte er keine Probleme mit dem Unterrichtsstoff, aber offensichtlich mit den älteren Mitschülern. Es war nun das elfte Mal, das er einen Anruf aus der Schule bekam und so langsam riss Yasuo der Geduldsfaden. Zügig parkte er sein Auto vor der Schule und ging mit großen Schritten ins Gebäude. Den Weg in das Büro des Direktors kannte er inzwischen zu gut und er ging ohne anzuklopfen hinein, was ihn einen entrüstenden Blick der anderen Anwesenden einbrachte. Doch diese Unhöflichkeit interessierte Yasuo nicht und er ging sofort zu seinem Sohn, der einiges abbekommen und Blessuren im Gesicht und an den Armen davongetragen hatte. „Geht es dir gut, Atemu?“ Schmollend sah Atemu zur Seite. „Ich habe nicht angefangen. Der da ist Schuld!“ Atemu zeigte mit dem ausgestreckten Finger auf einen Jungen mit brünetten Haaren und Saphir-blauen Augen, der ebenfalls nicht ohne blaue Flecke davon gekommen war. Seine Wange war geschwollen und seine Lippe aufgeplatzt. Seto zog die Augenbrauen zusammen und sah Atemu giftig an. „Du bist wie ein wildes Tier auf mich losgegangen.“ Atemu bekam vor Wut rote Wangen. „Nur weil du diesem blöden Bakura gesagt hast, dass der mich in der Toilette einsperren soll.“ Die roten Augen fielen auf den Jungen neben Seto, der ihn finster an funkelte. „Du hast es nicht anders verdient, du Ekel.“, fauchte Atemu weiter. Yasuo sah zwischen den dreien hin und her. Der brünette Junge war deutlich größer als Atemu und sah eigentlich ganz vernünftig aus, wenn da nicht dieser gereizte Blick wäre. Den Jungen mit den weißen Haaren kannte er inzwischen mehr als ihm lieb war. Der Direktor räusperte sich. „Dr. Kaiba und die Eltern von Bakura werden gleich hier sein, dann können wir diese Angelegenheit klären.“ Yasuo war jetzt schon genervt. Doktoren konnte Yasuo beim besten Willen nicht ausstehen und mied sie wie der Teufel das Weihwasser. Der Bengel kam also aus gutem Hause und wurde von seinen Eltern wohl zu sehr verhätschelt. „Mit Bakura´s Eltern habe ich mich schon zur genüge auseinander gesetzt und ich weiß beim besten Willen nicht, was das noch bringen sollte?“ „Wir versuchen eine Lösung zu finden, die alle zufrieden stellt.“ „Bis mein Junge im Krankenhaus landet?“ „So schlimm ist es doch gar nicht.“ Yasuo konnte diesen Mann nicht ausstehen und es fehlte wirklich nicht mehr viel und er würde das letzte bisschen Geduld verlieren. Mit sanfterem Blick sah er wieder seinen Sohn an, der immer noch ganz rot im Gesicht war, aber entschuldigend aus seinen roten Rubinen schaute. „Bist du sehr böse?“ Yasuo kniete sich hin, um mit seinem Sohn auf Augenhöhe zu sein. „Sagst du mir, was genau passiert ist?“ „Dieser blöde Bakura hat mich in der Toilette eingesperrt, als wir Pause hatten. Der ärgert mich immer und Seto stachelt ihn dazu an. Deshalb hatte ich die Nase voll und habe ihm eine runter gehauen. Leider hat er sich gewehrt.“ Yasuo zog die Augenbrauen hoch. „Du kannst doch nicht einfach jemanden schlagen. Wenn du ein Problem hast, sollst du doch zu mir kommen.“ „Ich kann doch nicht immer zu dir rennen, wenn ich etwas habe.“ Yasuo strich seinem Sohn die blonden Strähnen aus dem Gesicht. „Du siehst ja, was dabei herauskommt.“ Warum mischten die Lehrer sich nicht ein? War es ihnen egal, oder bekamen sie diese ganzen Geschehnisse nicht mit? Yasuo stand auf, als es klopfte und sah einen hochgewachsenen Mann durch die Tür schreiten, den er jetzt schon nicht leiden konnte. Da war dieser geschniegelte Arzt, zu dem er so weit wie möglich Abstand haben wollte. Mit Krawatte und blauem Blazer stand er vor ihm, während Yasuo wie immer seine schwarze Lederjacke trug. Seth verschaffte sich einen kurzen Überblick und runzelte die Stirn, als er den kleinen Atemu sah. Seine blauen Augen wanderten zu Seto, der ihn am liebsten mit seinem Blick aufgespießt hätte. „Sag jetzt nicht, das du auf das kleine Kerlchen losgegangen bist, Seto?“ „So verzweifelt bin ich noch nicht. Der kleine Zwerg hat mir ohne Vorwarnung ins Gesicht geschlagen. Ich habe mich nur gewehrt, oder soll ich mich von so einem Giftzwerg etwa verprügeln lassen?“ „Nenn mich nicht klein.“, brauste Atemu auf. „Du ärgerst mich die ganze Zeit und deshalb hast du auch eine Abreibung verdient.“ Seth seufzte abgrundtief. Ja, er kannte Atemu von Erzählungen seines Sohnes und wusste, das Seto ein Problem mit ihm hatte. Allerdings hatte er sich den kleinen ganz anders vorgestellt. Seth´s Blick wanderte zu Yasuo, der ihn genauso böse ansah, wie Seto es tat. „Ich entschuldige mich für meinen Sohn und verspreche, das Seto ihn in Zukunft in Ruhe lässt.“ Damit hatte Yasuo nicht gerechnet, besonders nachdem Atemu zuerst zugeschlagen hatte. Doch er lies Vorsicht walten. Bei diesen Ärzten wusste man schließlich nie so genau wo man dran war. „Das will ich hoffen. Auch Atemu wird sich in Zukunft zurück halten.“ Damit war die Angelegenheit für Yasuo erledigt und er verabschiedete sich. Er wollte nur noch weg von diesem Arzt und seinen unerzogenen Bengel. „Lauf doch nicht so schnell, Papa. Meine Beine sind nicht so lang wie deine.“, beschwerte sich Atemu und sah seinen Vater anklagend an. „Entschuldige. Soll ich dich tragen?“ „Ich bin doch kein Baby mehr.“, schmollte Atemu, aber er nahm die Hand seines Vaters. „Erwachsen bist du auch noch nicht, mein Junge.“ Beinahe hätte Yasuo das Wort `kleiner´ benutzt und wäre prompt ins nächste Fettnäpfchen getreten. Dieses Wort hasste sein Sohn, weil er kleiner war als der Durchschnitt und das nagte an Atemu. * „Was hast du dir dabei gedacht?“, wollte Seth wissen und sah seinen Sohn streng an, als er neben ihm im Auto saß. „Der Zwerg geht mir auf die Nerven. Heute haben wir ein Referat in Chemie gehalten und der kleine Streber hat mal wieder eine Eins abkassiert, obwohl er durch den Schulwechsel in diesem Thema noch nicht einmal richtig drin war.“ „Und deshalb hetzt du diesen Schläger auf ihn? Der Kleine hat doch keine Chance gegen Bakura und du findest das auch noch witzig, ja?“ Seto schnaubte nur abfällig. „Dieses Papa-Söhnchen fängt doch gleich an zu heulen, wenn man was gegen ihn sagt.“ „Lass ihn einfach in Ruhe. Ich erwarte nicht, das du dich mit ihm anfreundest. Es reicht mir, wenn du ihn tolerierst.“ Seth ahnte schon worauf dass hinaus lief und das es noch einigen Ärger mit sich zog. Warum war sein Sohn auch so übermäßig ehrgeizig? Jeder der besser war als er, wurde als Feind angesehen und ausgerechnet ein Zwölfjähriger lies Seto seinen Staub schlucken. Klar das er gereizt und wütend war, doch dafür konnte Atemu am wenigsten etwas. * „Hast du irgend welche Hausaufgaben auf?“, wollte Yasuo wissen, als sie in ihre Wohnung kamen. „Ja, die mache ich nach dem Essen.“ Atemu drehte sich zu seinem Vater und sah ihn mit leuchtenden Augen an. „Was gibt es denn zum Nachtisch?“ „Zuerst wird zu Mittag gegessen und nur wenn du deinen Teller leer isst, gibt es etwas süßes.“ „Das war doch gar nicht meine Frage.“, kam es beleidigt zurück. Yasuo seufzte geschlagen. „Es gibt Cupcakes mit Creme-Füllung.“ „Hast du die selbst gemacht?“ Atemu liebte jede Art von Süßigkeiten, die sein Vater gebacken hatte. „Natürlich, du kleine Naschkatze. Interessiert es dich gar nicht, was es zum Mittagessen gibt?“ Atemu schüttelte den Kopf. „Krieg ich zwei Cupcakes, wenn ich alles aufesse?“ „Jaaa“, sagte Yasuo gedehnt und konnte das leuchten in den Augen seines Sohnes sehen. „Dann geh dir die Hände und dein Gesicht waschen und ich decke den Tisch.“ Atemu nickte eifrig, lies seinen Schulranzen fallen und stürmte ins Badezimmer. * Im Hause Kaiba sah es nicht ganz so harmonisch aus, denn Seto hatte sich in sein Zimmer zurück gezogen, um zu lernen. Jegliche Versuche von Seth ihn zum Mittagessen zu bewegen scheiterten. Manchmal fragte er sich, ob er es mit einem Partner an seiner Seite nicht leichter hätte. Es war nicht so das er keine Möglichkeiten hatte, doch vergraulte Seto sie mit seiner schroffen Art nach wenigen Tagen. Keiner hatte Lust auf einen bockigen Teenager, der alles kritisierte, was ihm nicht an dem anderen passte. So setzte Seth sich alleine an den Tisch und aß lustlos seinen Curryreis. Er musste sowieso gleich zu Arbeit und konnte dann hoffentlich den Kopf frei bekommen. * Atemu sah mit großen Augen seinen Vater an, der nur die Augen verdrehte. „Es gibt nicht noch einen. Du hattest schon drei, dabei solltest du nur zwei bekommen.“ „Warum denn nicht? Ich habe doch mein Mittagessen geschafft. Nur noch einen. Bitte! Dafür kümmere ich mich auch um die Wäsche.“ Yasuo schüttelte den Kopf. „Als du dich das letzte Mal um die Wäsche gekümmert hast, waren alle meine weißen Hemden rosa und ich musste mir neue kaufen.“ Schmollend sah Atemu auf seinen leeren Teller, auf dem nur ein paar einsame Krümel herum lagen. „Daran war das rote Tuch schuld. Ich konnte doch nicht ahnen, das es so färben würde.“ „Ich mach dir einen Vorschlag.“ Wenn Yasuo nichts unternahm, saßen sie noch bis zum späten Abend hier. Sein Sohn konnte sehr hartnäckig sein, wenn es um seinen geliebten Nachtisch ging. „Du machst deine Hausaufgaben, räumst deinen Schulranzen aus dem Wohnzimmer und gehst anschließend baden. Dann bekommst du die letzten Cupcakes, die noch da sind.“ Atemu schielte zu dem Teller, der auf der Arbeitsplatte stand. Drei von diesen kleinen Kuchen warteten noch darauf vernascht zu werden. „Unter einer Bedingung.“ Jetzt fing der Kleine an zu verhandeln. Da war Yasuo aber gespannt. „Ich bin ganz Ohr.“ „Du bekommst auch einen, wenn du morgen Bratnudeln zubereitest.“ Yasuo überlegte gespielt und lies sich absichtlich Zeit, was Atemu unruhig auf seinem Stuhl hin und her rutschen lies. „Einverstanden, dafür geht es heute Abend ohne zu murren ins Bett.“ „Abgemacht!“ * „Brauchst noch noch was, bevor ich gehe?“, wollte Seth wissen, der nur ein harsches „nein“ als Antwort bekam. „Dann sehen wir uns morgen Früh.“ „Ja ja.“, sagte Seto abwesend, der in sein Geschichtsbuch vertieft war. Egal was Seth versuchte, er kam nicht an seinen Sohn ran. Er versuchte viel Verständnis für ihn aufzubringen, weil er wirklich fleißig war und viel Zeit in die Schule investierte. Das einzige was ihn störte war, das Seto sich in seiner Freizeit mit Bakura traf, der einen extrem schlechten Einfluss auf seinen Sohn hatte. Früher war er viel umgänglicher und sie hatten eine richtige Vater-Sohn-Beziehung zueinander. Doch das war längst Vergangenheit und nun gerieten sie fast täglich aneinander. * „Papa?“ Yasuo sah von seinem Buch auf und runzelte die Stirn, als Atemu sich an ihn kuschelte. „Was hast du denn?“ „Mir geht es nicht gut.“ „Hast du dir doch mehr getan, als nur die blauen Flecken?“ Yasuo legte seine Hand auf Atemu´s Stirn, die sich heiß anfühlte. „Da wirst du wohl die nächsten Tage zuhause bleiben müssen.“ Das kam für Atemu nicht in Frage. „Dann hat dieser doofe Seto einen Vorsprung. Ich bin doch nur müde, da musst du doch nicht so einen Aufstand machen. Es reicht mir, wenn ich bei dir sein kann.“ „Wir fahren zum Arzt und lassen das abklären. Der entscheidet dann.“ Atemu sah auf die Uhr. „Um diese Zeit hat doch kein Arzt mehr auf.“ „Dann fahren wir in ein Krankenhaus. Die haben da auch eine Kinderstation für solche Fälle.“ „Ich will aber nicht.“   Yasuo zog sich seine schwarze Lederjacke über und schlüpfte in seine Schuhe. „Keine Widerrede, wir fahren jetzt. Wenn der Arzt sagen sollte, das es nicht so schlimm ist, kannst du morgen zur Schule. Abgemacht?“ Atemu murmelte ein „wenn´s sein muss“ und zog sich seine Jacke an. * Da viele Ärzte krank waren, konnte Seth nicht wie üblich seinen Papierkram erledigen und kümmerte sich heute um die kleinen Patienten, die mit verschiedenen Krankheiten und Verletzungen zu ihm kam. Dies war eine Willkommene Abwechslung von seinem Stress mit Seto, der ihn immer öfter ignorierte, egal was er auch tat oder sagte. Es war bereits 22 Uhr und heute schien es eine ruhige Nacht zu werden. „Der nächste Patient wartete mit seinem Vater.“, sagte eine junge Schwester, die zur Tür hinein kam. „Der Junge wurde in eine Schlägerei verwickelt und fühlt sich nicht gut.“ Seth stutze. „Der Junge heißt nicht zufällig Atemu Katsuro?“ Die junge Frau nickte. „Ich schick sie rein.“ Seth raufte sich die Haare. Das hatte noch gefehlt. Die giftigen Blicke seitens des Vaters vorhin waren ihm nicht entgangen und wenn es dem Kleinen nun schlecht ging, konnte er sich auf ein Donnerwetter gefasst machen. Yasuo blieb an der Tür stehen, als er Seth sah und wollte schon umkehren, doch sein Sohn war wichtiger. „Ich hätte nicht gedacht, das wir uns heute wiedersehen würden.“, murmelte Yasuo betreten. „Ich auch nicht. Es tut mir wirklich leid, was passiert ist und das es Atemu nun so schlecht geht.“ Yasuo stöhnte innerlich auf. Dieser Mann war so höflich. Was war das doch für ein Schleimer. Ohne ein weiteres Wort an Seth zu richten bat er seinen Sohn sich auf die Liege zu setzten und trat einen Schritt zur Seite. „Na mein Junge, wie geht es dir denn?“, lächelte Seth und hatte sofort Atemu´s Sympathie auf seiner Seite. „So schlecht geht es mir nicht. Mein Papa übertreibt manchmal. Das letzte Mal bin ich ein Stück die Treppe runter gefallen und er hat einen riesen Aufstand gemacht.“ Yasuo verdrehte innerlich die Augen. Atemu hatte sich übel den Knöchel verstaucht und er bekam von seinem Sohn auch noch die Schuld für dieses Malheur. „So sind Väter nun mal. Magst du deinen Oberkörper frei machen?“ Atemu nickte und zog sich seine Jacke und den Pullover aus. Im Gegensatz zu seinen Vater hatte er kein Problem mit Ärzten und lies sich bereitwillig untersuchen. Yasuo stand mit verschränkten Armen da und beobachtete jede Bewegung von diesem Arzt. „Angst, das ich was falsch machen könnte?“, schmunzelte Seth und beobachtete Yasuo aus den Augenwinkeln. „So ein quatsch. Ich will nur so schnell wie möglich hier raus.“ „Da kann ich leider nicht mit dienen. Atemu muss ich zum Röntgen schicken. Am besten setzen Sie sich solange ins Wartezimmer.“ „War ja klar, das Sie die Untersuchung in die Länge ziehen.“ Seth sah ihm blinzelnd hinterher und hörte ein belustigtes Kichern, was seine Aufmerksamkeit wieder auf Atemu lenkte. „Mein Vater hasst Ärzte und alles was mit ihnen zu tun hat. Nehmen Sie es ihm bitte nicht übel und es hat auch nichts mit Ihnen zu tun.“ Seth lächelte seinen kleinen Patienten an. „Keine Sorge, ich war nur überrascht. Er macht einen sehr reservierten Eindruck.“ „Er weiß nur nicht wie er mit Ihnen umgehen soll. Wenn er selbst mal zum Arzt muss, ist er schlimmer, als ein kleines Kind.“ „Ach so ist das.“, lächelte Seth. * Seto saß vor einem dicken Buch an seinem Schreibtisch und bereitete sich auf die kommende Prüfung vor, die in drei Tagen anstand. Noch einmal wollte er sich nicht von diesem kleinen Gartenzwerg übertrumpfen lassen, der immer alles besser wusste. Nebenbei schob er sich einen Löffel von dem Curryreis in den Mund und versuchte sich nicht zu sehr darüber zu ärgern. * „Die Untersuchungsergebnisse sind da.“, sagte Seth und setzte sich hinter seinen Schreibtisch. „Wollen Sie sich nicht setzten?“ Yasuo stand in der Nähe der Tür, während Atemu sich auf einen der beiden Stühle vor dem Schreibtisch gesetzt hatte. „Ich stehe hier sehr gut.“ Seth beließ es dabei. „Knochen sind nicht gebrochen und das Fieber könnte eine anstehende Grippe sein. Ich werde Ihnen Medikamente mitgeben und die nächsten Tage ist Bettruhe angesagt.“ Seth sah seinen Patienten an, dem das gar nicht passte. „Ich kann doch trotzdem zur Schule gehen. Wir schreiben in drei Tagen eine Arbeit.“ „Die wirst du dann nachschreiben. Ich gebe dir einen Krankenschein mit, damit die Lehrer Bescheid wissen und-“ Seth kam nicht weiter, denn Yasuo hatte sich seinen Sohn geschnappt, nahm sich das Rezept vom Schreibtisch und verschwand durch die Tür. Mit hochgezogenen Augenbrauen sah Seth den beiden hinterher. So fluchtartig hatte noch niemand sein Untersuchungszimmer verlassen. „Du hast es aber eilig.“, wunderte sich Atemu, der halb über die Schulter seines Vaters hing. „Ich will nur hier raus. Dieser Ort macht mich ganz nervös.“ Atemu musste lachen. Sein Vater war alles andere als schüchtern und hatte immer einen kessen Spruch auf Lager, doch wenn es um Ärzte und Krankenhäuser ging, schien er ein anderer Mensch zu sein. Kapitel 2: Probleme ------------------- Wütend stampfte Atemu in sein Zimmer und donnerte die Tür hinter sich zu. Yasuo schloss die Haustür und seufzte. Die ganze Fahrt nach Hause hatte Atemu mit ihm diskutiert, das er doch morgen zur Schule gehen könnte, weil es ihm doch gar nicht so schlecht ginge. Doch Yasuo blieb hart und musste zusehen, das er am nächsten morgen früh genug aufstand, sonst würde sich der Kleine noch heimlich zur Schule schleichen. Dieses Wettrennen mit Seto wurde langsam zum Problem für sie. * Müde von der Schicht zog sich Seth seinen Mantel aus und hängte ihn an die Garderobe. Auf dem Heimweg hatte er noch beim Bäcker gehalten und frische Brötchen geholt. In einer halben Stunde würde Seto aufstehen und bis dahin wollte er alles für das gemeinsame Frühstück fertig haben. Wie jeden Morgen deckte er den Tisch und brühte frischen Kaffee auf. Dieses kleine Ritual wollte er sich um jeden Preis bewahren, denn es war die einzige Tageszeit in der er sich mit Seto halbwegs vernünftig unterhalten konnte. * Yasuo stand mit verschränkten Armen an Atemu´s Zimmertür und wartete darauf, das er sich raus schlich. Seit einiger Zeit hörte er Geräusche und machte sich für den Kampf bereit. Tatsächlich öffnete sich die Tür ein wenig und rote Augen spähten durch den Türspalt. Yasuo stand so, das man ihn nicht gleich sehen konnte und beobachtete mit leichter Belustigung, wie sein Sohn die Tür immer weiter öffnete und einen vorsichtigen Schritt heraus trat. „Was machst du denn schon so früh?“ Yasuo versuchte ernst zu klingen. Leicht erschrak Atemu und fummelte betreten am Saum seines lilafarbenen Pullovers herum. „Wo willst du denn hin?“, versuchte es Yasuo erneut. „Aufs Klo!“ „Fertig angezogen?“ Atemu sah mit roten Wangen an sich runter und dann wieder zu Yasuo, der krampfhaft versuchte nicht laut los zu lachen. „Wie ist das denn passiert?“, versuchte Atemu es nun auf diese Weise. „Genug jetzt, kleiner Mann.“ Yasuo schnappte sich seinen kleinen Sturkopf und trug ihn zurück in sein Bett. „Du schläfst noch eine Runde und wenn du brav bist, werde ich dir deine Hausaufgaben aus der Schule holen.“ Damit konnte Atemu leben, aber er wollte noch ein wenig mehr raus holen. „Nur wenn du nachher noch einen Pudding kochst.“ Jetzt wurde wieder verhandelt. „Einverstanden, dafür bleibst du bis morgen im Bett und wenn dein Fieber bis dahin abgeklungen ist, bist du pünktlich zur Geschichtsarbeit wieder in der Schule. „Leistest du mir später Gesellschaft?“ „Klar, wir wollten uns doch zusammen deine Lieblingsserie ansehen. Das ist doch die perfekte Gelegenheit dafür.“ Eifrig nickte Atemu und lies sich seinen Pyjama reichen. * Seto zog die Augenbrauen zusammen, als er den fertig gedeckten Tisch sah und dann seinen Vater, der ihm mit einer Zeitung in der Hand einen guten Morgen wünschte. „Wir sind aber wieder herzlich.“, brummte Seth und stellte seinem Sohn eine Tasse mit Kakao hin. „Du weißt doch das ich Kaffee bevorzuge.“ „Und du weißt, das du in deinem Alter nicht zu viel von dem Zeug trinken solltest.“ Damit hatte sich eine halbwegs vernünftige Unterhaltung erledigt. Seto nahm sich die volle Kaffeekanne zur Hand und schenkte sich etwas ein. „Ich lass mir doch nicht vorschreiben, was ich morgens trinken soll.“ Seth rieb sich die Stirn. Egal was er tat oder sagte, Seto war immer dagegen. „Wollen wir heute Nachmittag etwas unternehmen? Heute ist mein freier Tag.“ Seto zog eine Augenbraue hoch und sah seinen Vater abwertend an. „Mit dir?“ „Ja, mit mir. Unglaublich!“ „Ich bin nach der Schule mit Bakura verabredet.“ In Seth kochte die Wut hoch. „Wollt ihr wieder kleine Jungen verprügeln?“ Seto verdrehte die Augen. „Das mit Atemu war keine Absicht. Der Zwerg hat angefangen.“ „Es ist mir egal wer angefangen hat. Wenn ich noch einmal mitbekomme, das du auf schwächere los gehst, kannst du was erleben.“ Wütend knallte Seto seine volle Tasse auf den Tisch, nahm sich seine Brotdose und verließ die Küche. Seth sank in seinem Stuhl zusammen. Er wusste nicht mehr was er machen sollte, um mit diesem pubertierendem Teenager fertig zu werden. Als Seto in der Schule ankam, war er immer noch wütend auf seinen Vater und setzte sich mit finsterem Gesicht auf seinen Platz im Klassenraum. „Was für eine Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?“, wollte Bakura wissen. „Mein Alter!“ „Ich habe es auch nicht leicht mit meinen Eltern. Nach dieser Sache gestern, haben sie mir zwei Wochen Hausarrest gegeben.“ Beleidigt verschränkte Bakura die Arme vor der Brust und hatte immer noch eine Riesenwut im Bauch. „Alles wegen diesem kleinen Hosenscheißer. Wo ist der eigentlich heute?“ Bist jetzt war es Seto gar nicht aufgefallen, dass der Platz leer war. „Der kommt wohl von seinem Papi nicht los.“ „Das wird es wohl sein.“ „Wir unternehmen doch trotzdem etwas nach der Schule?“, wollte Seto wissen und erhielt ein nicken. „Was denkst du denn? Ich lasse mir von meinen Eltern gar nichts vorschreiben.“ Seto wollte etwas sagen, als plötzlich der Lehrer das Klassenzimmer betrat. Der ältere Mann, dessen Unterricht etwas Monoton war, lies seinen Blick durch die Klasse wandern. „Atemu wird die nächsten Tage zuhause bleiben, bevor jemand fragt und nun schlagt die Bücher auf.“ Auf Seto´s Gesicht schlich sich ein breites Grinsen. Das hieß, der kleine Streber verpasste die Prüfung und wenn er sie doch noch mitschreiben würde, verpasste er den Unterricht um sich vorzubereiten. Der Tag war doch nicht so schlecht, wie er zuerst dachte. Er verstand den Grund zwar nicht, wie der Zwerg es schaffen konnte zwei Klassen zu überspringen. Keiner konnte so gut sein und doch schien er durch jede Prüfung durchzumarschieren, als wäre es eine Kleinigkeit. Seto stachelte es an noch härter zu arbeiten, aber leider konnte er seinen Neid nicht unter Kontrolle bringen. * Yasuo trottete Lustlos aus der Schule und hielt in seiner Hand einen Stapel Blätter. Was tat man nicht alles für seinen Sohn. Yasuo blieb wie angewurzelt stehen, als er diesen Arzt mit seinem missratenem Bengel und diesem Schläger erblickte, die ein lautes Gespräch führten. „Ich habe dir doch heute Morgen gesagt, das ich mit Bakura verabredet bin. Warum rennst du mir sogar bis in die Schule hinterher.“ Seth wusste wirklich nicht was er sagen sollte und zerknüllte die Kinokarten, die er extra gekauft hatte. „Dann geh und lass dir zeigen, was man im Leben alles falsch machen kann.“ Seto hatte nur ein abfälliges Schnauben übrig und machte das er hier wegkam. „Dein Alter ist echt peinlich.“, kicherte Bakura. „Schwieriges Alter.“, machte Yasuo auf sich aufmerksam. „Sie sind es, Herr Katsuro. Wie geht es Atemu?“ Seth fuhr sich durch die Haare und versuchte so freundlich wie möglich zu sein. „Schon besser. Mit süßen Nachspeisen lässt er sich leicht besänftigen. Anders als Ihr Bengel.“ „Leider kann ich nicht anderes, als Ihnen zu zustimmen. Freuen Sie sich, das Ihr Junge noch so kindlich ist. Wenn sie älter werden, werden sie immer schwieriger.“ Yasuo legte überlegend den Kopf schief. „Wenn Sie wüssten. Mein Junge ist nicht immer so einfach.“ Wenn dieser Mann nicht gerade einen Arztkittel trug, konnte man sich doch ganz gut mit ihm unterhalten. „Ihre Frau wird bestimmt ihren Teil dazu beitragen und Sie unterstützen.“, überlegte Seth. Yasuo winkte ab. „Sie hat sich gleich nach Atemu´s Geburt davon gemacht und ich bin seitdem Single.“ „Dann haben wir die gleiche Familienkonstellation.“, lächelte Seth. Dieses plötzliche Funkeln in den blauen Augen machte Yasuo leicht nervös. „Ich muss dann mal weiter. Mein Junge wartet.“ Mit großen Schritten ging Yasuo vom Schulhof und spürte deutlich den Blick von diesem Quacksalber in seinem Rücken. Warum hatte er ihn nur angesprochen? „Das ich auch nie meine Klappe halten kann.“ Niemals würde er sich einen Mediziner als Partner suchen, denn dann hätte er das Grauen direkt im Haus. * „Du hast so gute Laune.“, wunderte sich Yasuo, dessen Sohn eifrig seinen Kakao trank und sich sein Brötchen in den Mund stopfte. „Weif if zur Fule darf.“ „Erst runter schlucken und dann sprechen, mein Junge.“ Atemu kaute zu Ende und nahm noch einen großen Schluck seines Kakaos. „Weil ich zur Schule darf.“ „Ich fahr dich aber hin und hole dich nachher auch wieder ab.“ Atemu war das mehr als recht. So war er früher zuhause und verpasste nicht den Anfang seiner Serie. „Wenn du wieder Ärger hast, wirst du mich anrufen.“, sagte Yasuo bestimmender, als Atemu es gewohnt war. Deshalb nickte er etwas kleinlaut. * Entschlossen ging Atemu in den Klassenraum und setzte sich auf seinen Platz. Seto und Bakura beachtete er nicht und legte sein Geografiebuch auf den Tisch. „Der kleine Streber ist wieder da.“, brummte Bakura genervt. Auch Seto war nicht begeistert. „Pünktlich zur Prüfung. Wie sollte es auch anders sein.“ Atemu versuchte nicht auf diese Provokation einzugehen, doch fiel es ihm wirklich nicht leicht. Seto saß mit seinem Buch in der Hand an seinem Tisch und sah giftig auf Atemu, der zwei Plätze vor ihm saß. In der zweiten Stunden stand die Geschichtsarbeit an, auf die Atemu schon ganz ungeduldig wartete. Er hatte sich gestern noch einmal alles angesehen und sich auf alles vorbereitet. Der Lehrer verteilte die Blätter und gab die Erlaubnis sie umzudrehen, als er fertig war. Seto konzentrierte sich ganz auf die Antworten und schrieb alles so genau wie möglich auf. Er fügte sogar mehr als nötig in die Zeile ein, um alle Eventualitäten abzudecken. Atemu würde nicht wieder besser abschneiden, als er. Eher fror die Hölle zu. Als die Hälfte der Zeit zu Ende war stand Atemu mit seinen Blättern auf und gab sie vorne beim Lehrer ab. Seto zerbrach vor Wut seinen Stift. Er konnte sich nicht vorstellen, das Atemu wirklich alles richtig hatte, aber er schien wirklich fertig geworden zu sein. Atemu ging auf den Flur hinaus und strecke sich. Diese Arbeit war viel leichter als er dachte und fragte sich, wie weit Seto war. Normalerweise lag er immer dicht hinter ihm. Atemu schaute aus dem Fenster und beschloss heute mal Yugi anzusprechen. Er hatte hier noch keinen Anschluss gefunden und Bakura war in dieser Hinsicht ein großes Problem. „Papa meint, das ich mich einfach trauen soll. Was soll schon passieren, außer das er nein sagt?“ Nach zehn Minuten kam Seto aus dem Klassenzimmer und stellte sich mit verschränkten Armen neben die Tür. „Warst du dieses Mal nicht ZU schnell, du kleiner Zwerg?“ „Fällt dir zur Abwechslung nichts neues ein? Das wird langsam langweilig und du bist mit deinen Beleidigungen so unkreativ, das es schon weh tut.“ Seto trat drei Schritte auf Atemu zu, der ihn trotzig entgegen sah. „Du willst es wirklich drauf anlegen oder?“ „Du fängst doch immer an. Kannst du nicht aufhören, dich mit mir messen zu wollen? Mein Gedächtnis ist nun mal besser, als deines.“ Seto musste stark an sich halten und erschrak leicht, als Bakura neben ihm auftauchte und Atemu zu Boden rang. „Du solltest aufhören Seto zu provozieren.“ Atemu rieb sich den Hinterkopf. „Du solltest aufhören mich zu ärgern. Mein Vater versteht da keinen Spaß.“ Bakura und auch Seto lachten auf. „Im Ernst? Muss Papi wieder kommen? Da habe ich aber Angst. Diese Pfeife bekommt doch nichts gebacken.“ Bakura lies von Atemu ab und stellte sich mit Seto neben die Tür. Atemu stand langsam auf und funkelte beide wütend an. „Du bist so dumm.“ Krampfhaft versuchte Atemu nicht zu weinen. Auch wenn er versuchte stark zu sein, war es alles andere als leicht. In der Pause zog Atemu sich an einen ruhigen Ort zurück und aß sein Pausenbrot, dass sein Vater für ihn gemacht hatte. Traurig zog er sein Handy aus der Tasche und rief seinen Vater an. „Alles in Ordnung bei dir?“, fragte Yasuo sofort, was Atemu ein Lächeln ab rang. „Ja, ich wollte nur deine Stimme hören.“ Yasuo kannte seinen Sohn und hörte an seiner Stimme, das er wieder Ärger hatte. „Soll ich herkommen?“ Atemu schüttelte den Kopf. „Es reicht mir, wenn wir telefonieren.“ Yasuo war hin und hergerissen. „Was möchtest du denn heute Essen? Ich wollte gleich einkaufen?“ Atemu überlegte. „Über einen Meeresfrüchteeintopf würde ich mich freuen.“ „Ist notiert und was möchtest du zum Nachtisch?“ „Wir hatten lange keine Zitronenecken mehr.“ „Meinst du die mit der Füllung in der Mitte?“ Atemu´s Augen fingen an zu leuchten. „Ja, genau die meine ich.“ „Wird gemacht. Ich komme gleich nach dem Einkaufen zu dir.“ Yasuo war kurz davor sich einfach in den Klassenraum zu setzten und würde es auch durchziehen. Viel fehlte nicht mehr. „Okay, ich freue mich auf dich.“, hauchte Atemu. * Seto war immer noch sauer und hatte keinen Appetit. Er packte sein mitgebrachtes Essen zurück in die Brotdose und lies sie in der Schultasche verschwinden. „Lass dich von diesem Wicht nicht unterkriegen. Der bekommt noch seine Abreibung.“ „Machst du dir keine Sorgen, was er über seinen Vater gesagt hat?“ Bakura winkte ab. „Was will der schon machen? Es wird wie immer ablaufen und am Ende heult Atemu.“ In der nächsten Stunde stand Mathe auf den Plan und der Lehrer rief jeden nacheinander an die Tafel. Ausgerechnet Atemu sollte den Anfang machen und er versuchte sich auf seine Textaufgabe zu konzentrieren, was ihm in Anbetracht der Situation gar nicht so leicht fiel. „Sollen wir hier einschlafen?“, rief Bakura und ein leises Lachen ging durch die Klasse. Atemu schaute öfter zum Lehrer, der die Sticheleien aber ignorierte. Lange hielt er es nicht mehr aus und er war kurz davor das Handtuch zu schmeißen. „Du schläfst ja gleich ein.“, kam es aus der hintersten Ecke von Marik, was Atemu´s Wut und Ohnmacht noch weiter anfachte. „Geht das nicht schneller?“, stichelte Bakura weiter und hatte im nächsten Moment den nassen Tafelschwamm im Gesicht. Atemu stemmte beide Hände in die Hüften und war bereit diesem Großmaul eine reinzuhauen. So schnell wollte er nicht aufgeben. Sein Vater hatte ihm immer gesagt, das er sich nichts gefallen lassen sollte. „Du hast ganz offensichtlich ein Problem mit mir.“ „Wir haben alle ein Problem mit dir.“, knurrte Bakura und einige Schüler fingen an ihn auszulachen. „Mein Opa sagte immer, das nur dumme und beschränkte Menschen versuchen andere nieder zu machen. Wenn ich dich so ansehe, denke ich, das mein Opa recht hatte.“ Das war zu viel. Mit großen Schritten ging Bakura auf Atemu zu und donnerte ihm die Faust ins Gesicht. Atemu kam hart auf den Boden auf und hielt schützend die Arme vor sein Gesicht, weil Bakura anfing auf ihn einzuprügeln. „Das reicht!“, sagte Seto und hielt Bakura am Handgelenk fest. Der Lehrer löste sich aus seiner Starre und ging zwischen Atemu und Bakura. „Das wird nicht ohne Konsequenzen bleiben.“, sagte der Lehrer und führte Bakura aus dem Klassenraum, dem es jetzt viel besser ging. Atemu wischte sich mit dem Ärmel über die schmerzende Wange und sah zu Seto hoch, der mit geballten Fäusten da stand. „Danke. Was ist denn nur los mit ihm?“ „Woher soll ich das denn wissen? Meine Schuld war es jedenfalls nicht.“ Atemu stand langsam auf und wischte sich über die Augen. „Das habe ich auch nicht gesagt. Warum bist du denn gleich beleidigt?“ Seto schnaubte nur abfällig und setzte sich zurück auf seinen Platz. * Yasuo konnte es nicht glauben, schon wieder wurde er zur Schule zitiert und wieder waren Bakura und dieser Kaiba Bengel involviert. Wäre er vorhin doch losgefahren, aber er wollte seinen Sohn auch nicht blamieren. Nun war das Maß voll. Länger konnte und wollte er sich dieses Drama nicht mit ansehen und zusehen, wie sein Kind zu Grunde gerichtet wurde. Mit quietschenden Reifen hielt er vor der Schule an und stampfte in Richtung des Büros vom Direktor. Wieder ging er ohne anzuklopfen hinein und verschaffte sich einen Überblick. Natürlich war dieser Arzt vor ihm da und sah ihn entschuldigend an. Sein Blick wurde besorgt, als er seinen Sohn mit geschwollener Wange und den Tränen nahe auf einem Stuhl erblickte. „Das kann doch nicht die Wahrheit sein. Haben diese Scheiß Lehrer hier ihre Schüler nicht im Griff?“, wurde Yasuo laut und sogar Atemu zuckte zusammen, der seinen Vater nur selten so erlebte. „Muss ich jetzt jeden Tag Angst um meinen Jungen haben? Sind Sie so unfähig Ihre Arbeit vernünftig zu machen?“ Yasuo donnerte seine Faust auf den Schreibtisch und selbst der Direktor fuhr zusammen. Yasuo sah zu dem Klassenlehrer und packte ihn am Kragen. „Wenn mein Sohn noch einmal eine Verletzung durch einen anderen Schüler davon tragen sollte, werde ich Sie höchst persönlich spüren lassen, wie sich das anfühlt. Also bekommen Sie dieses Problem schnellstmöglich in den Griff, oder Sie lernen mich kennen!“ Yasuo stieß den Mann grob von sich und sah wieder zum Direktor, der sich sichtlich unwohl fühlte. „Wenn mein Junge wegen diesen Verletzungen wieder zum Arzt muss, schicke ich Ihnen höchstpersönlich die Rechnung.“ Der Direktor schluckte trocken und wollte etwas erwidern, als Yasuo ihn auch schon abwürgte. „Sie sollten Ihren Posten überdenken. Wo ich herkomme, würde jemand so unfähiges sofort die volle Härte des Lebens zu spüren bekommen.“ Yasuo sah zuerst zu Seto und dann zu Bakura, der mit leicht geduckter Haltung auf seinem Stuhl saß und den Augenkontakt mit ihm mied. „Atemu? Wer hat dich geschlagen?“ Atemu schluckte kleinlich und zeigte auf Bakura. Yasuo stützte einen Arm neben Bakura´s Kopf und sah auf ihn herab. „Hör mir gut zu, du kleines Arschloch. Du wirst meinen Jungen in Zukunft in Ruhe lassen und ihn weder ansprechen, noch ihn in jeglicher Form beachten. Sollte so etwas wie heute wieder passieren, mach ich kurzen Prozess mit dir und dabei ist mir dein Alter scheiß egal. Hast du verstanden?“ Bakura nickte kleinlaut. Dabei hatte er Atemu´s Vater immer für einen Versager gehalten, weil er die letzten Male alles stumm zur Kenntnis genommen hatte. „Lass uns gehen, Atemu.“, sagte Yasuo jetzt freundlicher und nahm die Hand seines Sohnes, der keine Widerworte von sich gab und brav seinem Vater folgte. Seth sah ihm mit einem Lächeln hinterher und wahr wirklich beeindruckt. Heute war er ganz anderes, als neulich in seinem Behandlungszimmer. „Atemu sollte in Zukunft seine Ruhe haben.“ Seth sah zu Bakura, der die Hände zu Fäusten geballt hatte. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass das eine leere Drohung war. Du solltest dich besser zusammenreißen.“ Am liebsten hätte Bakura diesem Arzt das Maul gestopft, doch hielt er sich zurück. Auch Seto war überrascht. „Das Herr Katsuro so laut werden kann, hätte ich nicht gedacht.“ Der Direktor atmete tief durch und wischte sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn. „Du solltest Atemu in Zukunft aus dem Weg gehen.“, sagte er an Bakura gewandt. „Herrn Katsuro würde ich besser nicht provozieren, auch wenn dieser Ausbruch wirklich äußerst unangebracht war.“ Seth fand das überhaupt nicht und konnte diesen Mann nicht verstehen. Atemu war auf Grund seines Alters und seiner Größe deutlich im Nachteil und hatte gegen Bakura keine Chance. „Lass uns gehen, Seto.“ * Als sie aus der Tür ins Freie traten, atmete Yasuo tief durch und hätte jetzt am liebsten eine Zigarette geraucht. Wenn sein Sohn dabei war hielt er sich zurück und versuchte seinen Nikotinkonsum auf ein Minimum zu beschränken. „Papa?“, kam es leise. „Ja?“ „Du bist ganz schön in die Luft gegangen.“ „Das war überfällig. Wir sollten am besten zu einem Arzt fahren.“ Das letzte Wort presste Yasuo nur mit Mühe hervor. „Entschuldigen Sie.“ Ausgerechnet diese Stimme. Musste es unbedingt dieser Schleimer von Arzt sein? „Jaaaa“, sagte Yasuo gezwungen freundlich. „Da ich Atemu bereits kenne, würde ich ihn mir ansehen. Wir müssten nur in mein Krankenhaus fahren.“ Damit war Atemu einverstanden. Er mochte Seto zwar nicht, aber dessen Vater. „Damit bin ich einverstanden.“ `Ich aber nicht.´, knurrte Yasuo in Gedanken. Auch Seto hatte keine Lust dazu und stand mit verschränkten Armen da und funkelte seinen Rivalen giftig an. „Dann sollten wir gleich gehen.“ Seth scheuchte seinen Sohn in Richtung Auto. Die Anspannung, die in der Luft lag war nicht zu übersehen und Seth war ein guter Beobachter. „Bist du sauer?“, wollte Atemu wissen, als sie im Auto saßen. Sofort vergaß Yasuo seinen Groll und setzte ein freundlicheres Gesicht auf. „Ach was, ich mach mir nur Sorgen um dich und wie du weiß, bin ich nicht gerne in der Nähe dieses Arztes.“ „Dabei ist er doch wirklich nett. Ich verstehe dich nicht.“ „Ist ein Erwachsenen Problem.“ Atemu verschränkte mit gerunzelter Stirn die Arme. Sein Vater war manchmal ein großes Rätsel für ihn. * „Musst du dich so aufdrängen?“, fauchte Seto, dem es nicht passte, das er jetzt mit musste. „Es ist nie verkehrt seine Hilfe anzubieten. Ich war sehr überrascht, als man mir sagte, das du dazwischen gegangen bist. Dann ist der kleine Atemu dir doch nicht so egal.“ „Das hat damit nichts zu tun. Bakura hat mich mit seinem Verhalten lediglich erschreckt und ich habe darauf reagiert. Mehr war da nicht.“ Vielleicht war bei seinem Sohn doch noch nicht alles verloren. Seth klammerte sich an diesen Gedanken und gab ihm Hoffnung. „Magst du diesen Katsuro? Du drängst dich doch sonst nicht so auf.“, bemerkte Seto, als er länger darüber nachdachte. „Wie kommst du darauf?“ Seto lächelte etwas gemein, aber schwieg dazu. Kapitel 3: Neue Freunde? ------------------------ „Du bist wirklich hart im nehmen.“, sagte Seth, als er mit seiner Untersuchung fertig wurde. „Meine Wange tut aber ganz schön weh.“, brummte Atemu und hielt sich schon die ganze Zeit einen Kühlpad auf die geschwollene Stelle. „Ich gebe dir Tabletten mit, dann ist es erträglicher.“ Seth lächelte seinem kleinen Patienten aufmunternd zu. „Jetzt hast du die ideale Ausrede um ganz viel Eis zu essen, damit deine Wange schneller abschwillt.“, zwinkerte Seth und wurde dafür geradezu angestrahlt. „Bringen Sie meinen Jungen auf dumme Gedanken?“, brummte Yasuo missgestimmt, der mit verschränkten Armen im Türrahmen stand. „Musst du immer aus dem Nichts auftauchen?“, murmelte Atemu leise, aber gerade so laut, das es jeder verstehen konnte. „Ich lass dich nicht grenzenlos Eis essen. Du bekommst schon genug Süßigkeiten.“ Seth räusperte sich. „Sonst geht es ihm gut. Außer der geschwollenen Wange hat er nicht viel abbekommen.“ „Was kostet mich der Spaß denn jetzt?“ Dieser Ton, den sein Vater an den Tag legte, gefiel Atemu überhaupt nicht. „Dr. Kaiba ist richtig nett. Benimm dich, Papa.“, ermahnte ihn der Zwölfjährige mit zusammengezogenen Augenbrauen, was Yasuo in Verlegenheit brachte und Seth ein leises Lachen entlockte. „Ist dein Vater immer so schlecht gelaunt?“, fragte er leicht belustigt. „Nur bei Ärzten, sonst ist er total nett. Seine Liebschaften haben sich noch nie bei mir beschwert.“ „So so, seine Liebschaften also.“, schielte Seth zu Yasuo rüber, der sich betreten räusperte. „Dr. Kaiba interessiert mein Liebesleben bestimmt nicht.“ „Ich glaube schon. Er hat mich die ganze Zeit über dich ausgefragt.“, sagte Atemu mit Unschuldsmiene. Jetzt war es Seth, der verlegen drein schaute. „Wir haben nur geplaudert. Der Junge ist sehr redselig.“ „Dessen bin ich mir bewusst. Wir werden dann jetzt lieber gehen!“ Seth seufzte innerlich, als es Yasuo wieder so eilig hatte. „Was halten Sie denn davon, wenn unsere Jungs etwas mehr Zeit miteinander verbringen würden? Vielleicht lernen sie so miteinander auszukommen.“ Tatsächlich überlegte Yasuo, als er schon fast draußen war. „Was schwebt Ihnen denn so vor?“ „Wir könnten etwas gemeinsam unternehmen.“ Atemu wollte etwas dazu sagen, als sein Vater schon antwortete. „Ich überlege es mir.“ Seth pustete sich einige Pony-Strähnen aus den Augen. „Ist das ein harter Brocken.“ „Das war wohl nichts.“ Die Belustigung in Seto´s Stimme entging Seth nicht und er sah seinen Sohn verärgert an. „Was mischst du dich denn da ein?“ „Es ist interessant zu beobachten, wie du dich zum Idioten machst.“ „Ich versuche jemanden besser kennen zu lernen, und?“ „Der will nichts von dir, was ich auch verstehen kann.“ Grummelnd stand Seth auf und ging an Seto vorbei. „Hör auf dich in meine Angelegenheiten ein zu mischen.“ „Nur wenn du aufhörst dich in meine mischen.“, knurrte Seto, als sein Vater längst weg war. * „Warum stellst du dich denn so an?“, wollte Atemu wissen, der kaum mit seinem Vater mithalten konnte. „Ich will mit so einem Quacksalber nichts zu tun haben.“ „Sonst hast du nie ein Problem mit neuen Leuten gehabt.“ Atemu war froh, das sein Vater langsamer wurde, als sie aus dem Gebäude raus kamen und auf einer Steintreppe nach unten gingen. „Ich will mit diesem Mann einfach nichts zu tun haben. Es reicht mir schon, das du mit seinem Sohn in eine Klasse gehst. Damit ist das Thema beendet.“ „Ich wäre froh, wenn mich ein Klassenkamerad mal fragen würde, ob wir etwas unternehmen wollen. Seit wir hier wohnen hat keiner von uns Freundschaften geschlossen, dabei ist dein Freundeskreis immer sehr groß gewesen. Jeden zweiten Samstag bist du ausgegangen, aber seit Opa gestorben ist und wir hier her gezogen sind, haben wir beide niemanden mehr und du hockst nur noch zuhause rum.“ Yasuo blieb stehen. Daher wehte der Wind. „Meinst du denn wirklich, das du mit Seto zurecht kommen kannst?“ „Sicher bin ich mir nicht, aber es käme auf einen Versuch an.“ Bittend sah Atemu aus seinen roten Augen. „Lass mich darüber nachdenken.“ Yasuo war nie aufgefallen, wie sehr sein Sohn auf ihn achtete. Er hatte absichtlich auf alles verzichtet, um ganz und gar für Atemu da zu sein, bis er sich hier eingelebt hatte. Dass das eine Belastung für ihn sein würde, hätte Yasuo nicht gedacht. Atemu jedenfalls atmete erleichtert durch. Seto interessierte ihn nicht wirklich, sondern er tat dies für seinen Vater. Zwar auch ein bisschen für sich, weil er Seth wirklich mochte, aber das musste er ja keinem verraten. * Am liebsten hätte Yasuo diesen Wecker in die nächste Mülltonne gepfeffert, als er anfing zu klingeln. Er stand immer eine Dreiviertelstunde vor Atemu auf, um das Frühstück fertig zu machen. Normalerweise hatte er keine Probleme mit dem frühen aufstehen, aber heute hätte er gerne noch etwas länger geschlafen. * Seth saß wie immer mit seiner Morgenzeitung am Frühstückstisch und las ihren faden Inhalt. Auch er hatte das Frühstück soweit fertig gemacht, doch Seto hatte sich lediglich einen Teller mit zwei Brötchen geschnappt und sich in sein Zimmer zurück gezogen. Heute morgen lies Seth dieses Verhalten ausnahmsweise unkommentiert und beachtete seinen Sohn nicht weiter. Zu so früher Stunde war ihm nun wirklich noch nicht nach streiten zumute. * Zum dritten Mal versuchte Yasuo seine kleine Schlafmütze aus dem Bett zu bekommen, die sich jedes mal die Bettdecke über den Kopf gezogen hatte. „Ich steh gleich auf.“, nuschelte Atemu in sein Kissen. „Du stehst jetzt auf, sonst gehst du mit leerem Magen zur Schule und wir wissen beide, das du dann immer ranzig wirst.“ „Man Papa, ich bin noch so müde.“ „Kein Wunder, du bist gestern Abend nicht ins Bett gekommen, weil du unbedingt den Film zu Ende gucken wolltest.“ Atemu rieb sie die müden Augen. „Es war doch so spannend.“ „Steh auf und zieh dich an.“, versuchte Yasuo etwas strenger zu klingen. „Ich mach ja schon.“ * Wie immer ging Atemu den Schulweg alleine. Zwar hätte ihn sein Vater auch mit dem Auto gefahren, doch er wollte heute zu Fuß gehen und die frische Luft genießen. Leider hatte sie in diesem Jahr einen kühlen Sommer und die Aussicht auf besseres Wetter lag in den Sternen. „Hey Atemu!“ Überrascht drehte Atemu sich um, als er die bekannte Stimme eines Klassenkameraden hörte und sah Joey mit Yugi und Thea im Schlepptau. „Guten Morgen, Joey.“ „Dein Vater soll gestern ja einen ziemlichen Eindruck hinterlassen haben.“ Es hatte schon die Runde gemacht? „Woher weißt du davon?“ „Bakura hat es überall herumerzählt und ein anderer Mitschüler soll es auch mitbekommen haben.“ „Oh!“ Atemu war das etwas peinlich und er senkte den Kopf. „Dein Vater ist echt der Knaller. Das hat sich bis jetzt noch kein Elternteil bei den Lehrern getraut. Selbst Bakura ist das Herz einige Etagen tiefer gerutscht.“ Atemu sah wieder hoch zu Joey, der über beide Ohren strahlte. „Wollen wir zusammen zur Schule gehen?“, fragte Yugi etwas zaghaft nach, was bei Atemu ein Gefühl des Glücks hervor rief. „Sehr gerne.“ In einigem Abstand lief Bakura mit seinem Freund Marik den Schulweg entlang und sah diesen kleinen Gartenzwerg wütend an. „Du hättest seinen Vater mal sehen sollen und meine Eltern haben einfach nichts dazu gesagt. Am liebsten würde ich dieses Arschloch anzeigen.“ „Glaubst du denn wirklich, das Herr Katsuro seine Drohung ernst meint?“, wollte Marik wissen. „Nach Spaß sah es mir nicht aus. Der hat einen gewaltigen Knall, wenn du mich fragst.“ „Halte dich einfach von Atemu fern und dann wird auch nichts passieren.“, riet ihm Marik, der keine Lust auf Streit mit einem Erwachsenen hatte. Bakura bliebt abrupt stehen und funkelte seinen Freund wütend an. „Auf wessen Seite bist du eigentlich? Der kleine Zwerg wird mir das noch büßen.“ Marik hob abwehrend die Hände. „Da mach ich nicht mit. Im Gegensatz zu dir habe ich vor Herrn Katsuro großen Respekt und werde mich nicht mit ihm oder seinem Sohn anlegen.“ „Seit wann bist du so feige?“ „Mit feige hat das nichts zu tun, aber ich will keinen Ärger mit meinen Eltern. In den Herbstferien will ich nach Hokkaido reisen und wenn ich wieder Ärger in der Schule mache, darf ich nicht fahren.“ „Dann mach ich es eben alleine.“, knurrte Bakura getroffen. So etwas nannte sich Freund. Seine Laune wurde besser, als er Seto sah und lies Marik einfach stehen. „Hey Seto, ich muss dringend mit dir sprechen.“ * Yasuo gähnte verhalten, als er zum Gewürzregal kam. Heute wollte er einfach nicht richtig wach werden. Normalerweise hatte er nicht solche Schwierigkeiten und ganz besonders nicht um diese Uhrzeit. Der heutige Einkauf gestaltete sich besonders mühselig und deshalb versuchte er seine Einkaufsliste zügig abzuarbeiten. „So siehst man sich wieder.“, lächelte Seth, der Yasuo mit seinem Einkaufswagen entgegen lief. „Auch das noch.“, murmelte Yasuo und versuchte ein weiteres Gähnen zu unterdrücken. „Geht es Ihnen heute nicht gut?“ „Ich bin nur müde.“, sagte Yasuo etwas hastiger als gewollt. „Ich werde jedenfalls nicht krank!“ Seth lachte leise. „Das habe ich auch nicht vermutet.“ Yasuo sah auf seine Einkaufsliste und nahm sich ein Päckchen Mehl aus dem Regal. „Was gibt es denn heute schönes?“, versuchte Seth das Gespräch am laufen zu halten. Heute koche ich Tempura mit Reis und zum Nachtisch mache ich einen Fruchtsalat. Atemu wird das zwar weniger gefallen, aber wenn ich nicht aufpasse, ernährt er sich nur noch von süßen Gebäck.“ „Für so eine Naschkatze hätte ich ihn gar nicht gehalten. Seto ist in dieser Hinsicht genügsam. Leider ist er zur Zeit sehr schwierig.“ „Das habe ich neulich mitbekommen. Hat das einen Grund?“ Seth nickte und sah besorgt aus seinen blauen Augen. „Der Grund ist Bakura, an dem er sich ein Beispiel zu nehmen scheint. Seto war noch nie das einfachste Kind und immer reserviert und eher der Einzelgänger. Doch seit er mit Bakura in eine Klasse geht, wird sein Verhalten mir gegenüber immer kühler und unbeherrschter.“ „Bakura scheint unser gemeinsames Problem zu sein.“, stellte Yasuo besorgt fest. „Bakura und Seto kennen sich schon etwas länger, aber sie gehen erst seit dem letztem Halbjahr in die selbe Klasse. Ich hatte vor einigen Monaten den Direktor darum gebeten einen der beiden in eine andere Klasse gehen zu lassen, doch Sie sehen ja, das meine Bitte kein Gehör gefunden hat.“ Yasuo wurde unruhiger. „Meinen Sie denn, das es heute wieder zu Handgreiflichkeiten kommt?“ „Das kann ich nicht beurteilen. Wenn es so sein sollte und Seto mitmacht, werde ich es nicht ohne Konsequenzen lassen.“ Yasuo verschränkte nachdenklich die Arme vor der Brust. „Sie machen mich ganz nervös. Atemu ist nun mal unterlegen und Hilfe von den anderen Mitschülern ist auch nicht zu erwarten.“ „Das lag nicht in meiner Absicht.“ Seth machte sich genauso viele Sorgen, wie Yasuo und hoffte inständig, das sein Handy heute einmal nicht klingelte. „Was halten Sie davon, wenn wir einen Kaffee trinken gehen?“, schlug Yasuo vor. Seth war wirklich überrascht und hätte nicht damit gerechnet. „Woher der Sinneswandel?“ Yasuo winkte ab. „Bilden Sie sich bloß nichts ein. Wir haben lediglich ein gemeinsames Problem.“ Seth tat so als würde er überlegen. „Und Sie glauben es bei einer Tasse Kaffee lösen zu können?“ Yasuo wurde leicht rot. „Nein, ja... Sie bringen mich ganz durcheinander.“ Das Lächeln auf Seth´s Gesicht wurde breiter. „Dabei habe ich noch gar nichts gemacht.“ Yasuo trat einen Schritt zurück. „Das wird auch so bleiben.“ „Keine Sorge, so interessant sind Sie nun auch wieder nicht.“ Seth beobachtete genau Yasuo´s Reaktion, dem deutlich die Gesichtszüge entglitten. „Wenn ich wollte, könnte ich Sie ganz leicht um den Finger wickeln.“ Seth zog eine Augenbraue hoch. „Das glaube ich eher weniger. Dafür sind Sie viel zu gehemmt.“ „Wie war das? Ich und gehemmt? Wenn ich wollte, könnte ich Sie heute noch ins Bett bekommen!“ Seth verschränkte nachdenklich die Arme vor der Brust. „So leicht zu haben bin ich auch wieder nicht.“ „Mir erst schöne Augen machen und dann einen Rückzieher machen.“, brummte Yasuo. „Wann habe ich Ihnen schöne Augen gemacht?“, spielte Seth das Unschuldslamm. „Ein paar Mal schon.“ „Davon weiß ich nichts.“ „Ist der Doktor etwa so vergesslich?“ Seth genoss dieses kleine Streitgespräch, das sie beide nicht sonderlich ernst nahmen und lenkte ihn von seinen Sorgen mit Seto ab. Dieser Mann interessierte ihn immer mehr und musste ihn um jeden Preis von Seto fern halten. Sonst machte er alles wieder zunichte, wie er es schon ein paar mal, mit vorangegangen Beziehungen gemacht hatte. * Der Lehrer räusperte sich, als er die Aufmerksamkeit seiner Schüler auf sich lenkte. „Heute bekommt ihr eure Geschichtsarbeit zurück und ich bin von einigen wirklich enttäuscht.“ Ein Rauen ging durch die Klasse und die Schüler wussten schon, wer gemeint war. Nacheinander wurden sie nach vorne gerufen, um ihre benoteten Arbeiten abzuholen. Seto war der nächste und lächelte zufrieden, als er die Eins auf seiner Arbeit sah. Selbst wenn Atemu mit ihm gleich auf sein sollte, war er wenigstens nicht besser. Joey legte betrübt den Kopf auf den Tisch. „Ich habe eine Fünf. Wie soll ich diese Note zuhause erklären?“ Yugi packte seine Arbeit schnell in die Schultasche, damit sein Freund die Eins Minus nicht sah. „Wir lernen für die nächste Prüfung wieder zusammen, dann wird das schon.“ „Du bist ein wahrer Freund.“, umarmte er Yugi. Atemu war der nächste und nahm seine Arbeit entgegen. „Wie immer eine gute Leistung. Du hast eine Eins Plus.“, sagte der Lehrer, wofür Atemu ihm am liebsten eine geklatscht hätte. Warum musste er ausgerechnet bei ihm die Note vor allen laut sagen? Der giftige Blick von Seto war ihm sicher und er setzte sich schnell zurück auf seinen Platz. „Der ist schon wieder besser gewesen.“, brummte Bakura. Seto hatte wie ein besessener gelernt und schon wieder war Atemu eine Spur besser gewesen. „Wie macht der das nur?“ „Lass uns das machen, was ich dir vorgeschlagen habe. Dann geht es dir besser.“, flüsterte Bakura. Seto zögerte noch, aber stimmte dennoch zu. Atemu hörte die beiden zwar tuscheln, aber verstand sie akustisch nicht. Was war denn nur immer Seto´s Problem? Er war doch immer nur ein ganz kleinen wenig besser, aber deswegen schien Seto ihn abgrundtief zu hassen. In der Pause saß Atemu zusammen mit Joey, Yugi und Thea an einem sonnigen Platz und sie unterhielten sich angeregt. Joey wollte unbedingt mehr über Atemu erfahren und hatte ihn einfach mitgeschleift. „Du bist wirklich mutig.“, sagte Joey beeindruckt und meinte die Sache mit dem Tafelschwamm, den Bakura ins Gesicht bekam. „Ist dein Vater wirklich so ein Draufgänger?“ „Ja, auch wenn er sonst eher einen ruhigen Eindruck macht, kann er richtig sauer werden.“ Atemu öffnete sein Bento und schüttelte lächelnd den Kopf. „Das sieht aber lecker aus.“, sagte Thea. „Hat das dein Vater gemacht?“ „Ja, er kocht sehr gut, aber backen kann er noch besser.“ Joey sah in seine Brotdose und seufzte. Ein einsames Brot lag darin, das er sich heute Morgen selbst geschmiert hatte. „Ich habe leider nicht so einen tollen Vater.“ „Ich gebe dir gerne etwas ab. Es ist für mich alleine eh viel zu viel.“, bot Atemu an, was bei Joey Begeisterungsstürme auslöste. Er nahm sich ein Reisbällchen und bediente sich an den Scampi. „Das ist so lecker.“ „Du sabberst.“, bemerkte Yugi und fing selbst an zu essen. „Na und, wenn es doch nun mal so lecker schmeckt.“ * Unterdessen saßen Seth und Yasuo in einem kleinen Café und behielten ihre Handys im Auge, die sie neben sich auf den Tisch gelegt hatten. „Es ist jetzt 12 Uhr und bis jetzt scheint alles in Ordnung zu sein.“, murmelte Yasuo und fing wieder an zu niesen. Das war in der letzten Stunde schon das vierte Mal und seine Nase lief auch noch. „Sieht nach einer Erkältung aus.“, bemerkte Seth und beobachtete genau Yasuo´s Reaktion. „So ein quatsch. Ich werde nie krank.“ „Vielleicht wird es auch eine Grippe?“, wurde Seth etwas gemein und erntete einen vernichtenden Blick aus rotbraunen Augen. „Ich kann es mir nicht erlauben krank zu werden. Atemu´s Kochkünste sind mehr als bescheiden und in Haushaltsführung ist er auch nicht sonderlich talentiert. Ich habe ihn neulich zum einkaufen geschickt und habe ihm eine Liste mit den Dingen mitgegeben, die wir brauchen. Zwar hat er alles mitgebracht, aber auch jede Menge Kekse, Schokolade und Bonbons. Beim Bäcker war er auch noch gewesen und nun muss ich ihn von diesem Küchenschrank fern halten, damit er sich nicht den Magen verdirbt.“ Seth konnte nicht anders, als zu lachen. „Du scheinst ein guter Vater zu sein.“ Nach ihrer kleinen Debatte hatten sie sich das du angeboten. Auch Yasuo lächelte. „Ich gebe mir mühe, auch wenn ich oft zu besorgt bin. Atemu ist mein einziges Kind und ich würde alles für ihn tun.“ „Das habe ich gestern gesehen und ich war zugegebener Maßen überrascht.“ „Das höre ich oft.“ Yasuo versuchte ein weiteres Niesen zu unterdrücken. „Seto wird sich hoffentlich zurückhalten. Je älter er wird, umso mehr Sorgen bereitet er mir.“ „Atemu ist auch nicht immer so einfach. Zwar macht er keinen Ärger in der Schule, aber er kann doch sehr tollpatschig sein und meistens bekomme ich dann die Schuld.“ Seth überlegte, während er seinen Kaffee trank. „Seto ist bis jetzt nur auf seine Schule konzentriert und macht neben der Schule bestimmt irgendwelchen Unsinn, von dem ich nichts weiß. Wenn ich ihn darauf anspreche, wird er wütend.“ Yasuo hatte auch keinen Rat, den er Seth geben konnte. „Vielleicht raufen sich unsere beiden Chaoten noch zusammen.“ Seth war zwar weniger überzeugt, aber nickte zustimmend. * „Wir sehen uns dann morgen.“, verabschiedete sich Joey und auch die anderen gingen ihrer Wege. Heute hatte Atemu einen schönen Tag gehabt und trat zufrieden den Rest seines Heimweges alleine an. So konnte es immer sein und vielleicht durfte er seine neuen Freunde morgen sogar zu sich einladen. „Ich bin zuhause.“, rief Atemu durch die Wohnung und warf seine Schultasche einfach auf den Fußboden. Er konnte es kaum erwarten seinem Vater alles zu erzählen und rannte in die Küche. Mit so einer stürmischen Umarmung hatte Yasuo nicht gerechnet und taumelte ein Stück zurück, als Atemu ihm am Hals hing. „So gute Laune hattest du lange nicht mehr.“ „Ich habe heute einen tollen Tag gehabt und muss dir jedes Detail erzählen.“ „Ich bin gespannt, aber zuerst decken wir den Tisch.“ Atemu fing sofort an und stellte zwei Teller auf den Küchentisch. Jeder bekam ein Paar Essstäbchen und ein Glas mit Orangensaft. „Heute gibt es Tempura? Das hatten wir schon lange nicht mehr.“ Yasuo wunderte sich, das Atemu ihn nicht nach dem Nachtisch fragte. Dann war dieser Tag wirklich anders, als die anderen. Jedem füllte er eine große Portion auf, die Atemu sofort anfing zu verschlingen. Yasuo kam kaum zum Essen, als Atemu begeistert von seinem Tag erzählte und sich zwischen den Sätzen frittiertes Gemüse in den Mund schaufelte. „Bakura hat echt Angst vor dir, sonst hätte er heute wieder etwas gemeines mit mir gemacht.“ „Wenn er dich jetzt in Ruhe lässt, hat sich die Sache ja zum Glück erledigt.“ Yasuo versuchte einen Hustenreiz zu unterdrücken und trank deshalb sein Glas Orangensaft leer. „Ist alles in Ordnung mit dir?“ „Ja, ich hätte mich nur fast verschluckt.“ „Dann ist gut. Heute werde ich abwaschen, dann kannst du dich ein wenig ausruhen.“ Dumm war Atemu nicht und er sah deutlich, das es seinem Vater heute nicht so gut ging. „Das schaffe ich schon, kümmere dich lieber um deine Hausaufgaben und außerdem wundere ich mich, das du nicht nach deinem Nachtisch gefragt hast.“ „Gedacht habe ich schon daran.“, kam es etwas verlegen zurück. „Heute gibt es einen Fruchtsalat.“ Wenig begeistert nahm Atemu das kleine Schälchen an sich. „Wären denn nicht wenigstens Kekse drin gewesen?“ „Ein paar Vitamine tun dir gut.“ Yasuo wusste worauf er sich einließ, wenn er Atemu so etwas vorsetzte und machte sich auf was gefasst. „Kann ich mir ein paar Kekse aus dem Schrank nehmen?“ „Nein, den Fruchtsalat oder sonst nichts!“ „Oder die Schokoriegel?“ „Nein!“ „Warum nicht?“ „Weil es heute davon nichts gibt!“ „Das ist unfair.“ Wütend lies Atemu sein Schälchen unangerührt stehen und stampfte in sein Zimmer. Yasuo konnte nur die Augen verdrehen, als die Tür lautstark zu gedonnert wurde. Bei seinem Nachtisch verstand Atemu keinen Spaß und doch versuchte Yasuo seinen Sohn für Obst und Früchte zu begeistern. Er aß sie sonst nur, wenn sie sich auf einem Stück Kuchen befanden. * Atemu öffnete seine müden Augen, als er von der Sonne geblendet wurde und sah erschrocken auf die Uhr. „Es ist bereits Elf Uhr? Ich hätte längst in der Schule sein müssen.“ Atemu hielt inne. Normalerweise wurde er doch von seinem Vater geweckt. Etwas panisch rannte er ins Schlafzimmer und zog die Gardinen auf. Nervös kletterte er zu seinem Vater ins Bett und rüttelte an seiner Schulter. „Papa?“ Träge öffnete Yasuo seine Augen. „Was ist denn?“ „Hast du den Wecker nicht gehört?“ Yasuo schaute auf die Uhr und schreckte hoch, was er aber sogleich bereute, denn sein Kopf fühlte sich an, als wäre er in einem Schraubstock eingeklemmt. „Jetzt bist du doch krank geworden.“, stellte Atemu fest. „Ich bin nicht krank, sondern habe nur verschlafen.“, kam es mit heiserer Stimme. „Das höre ich ganz deutlich.“, verdrehte Atemu die Augen. „Du hast sogar Fieber.“ „So ein Blödsinn, ich hatte nur die Heizung zu warm eingestellt.“ Atemu sah seinen Vater grübelnd an. Was sollte er jetzt machen? Sein Vater würde niemals zum Arzt gehen, eher würde er freiwillig in ein Gehege mit hungrigen Löwen springen. Da musste der Arzt eben hier her kommen. „Ich bin gleich wieder da.“ Yasuo legte sich zurück ins Kissen und schloss die Augen. Nur ein paar Minuten noch. Mit dem Telefon in der Hand kam Atemu zurück und sah seinen Vater fragend an. „Soll ich Dr. Kaiba anrufen, oder ist dir ein anderer Arzt lieber?“ Yasuo riss die Augen auf und stürzte aus dem Bett. „Ich brauche keinen Arzt!“ „Also Dr. Kaiba. Hoffentlich macht er auch Hausbesuche.“, murmelte Atemu und wich seinem Vater geschickt aus, der versuchte ihm das Telefon wegzunehmen. „Du wirst diesen Arzt nicht anrufen und außerdem wird er für so eine Lappalie nicht extra hier her kommen.“ Es dauerte nicht lange und jemand am anderen Ende nahm das Telefon ab. „Guten Tag, könnte ich Dr. Kaiba sprechen? Mein Name ist Atemu Katsuro.“ „Ich werde gleich sauer.“, fauchte Yasuo und konnte nicht glauben, das sein Sohn ihm das antat. „Hallo Dr. Kaiba, ich wollte Sie fragen, ob Sie einen Hausbesuch bei uns machen können. Meinem Vater geht es gar nicht gut und er hat hohes Fieber.“ Seth runzelte die Stirn. „Ist es denn so schlimm?“ Wieder wich Atemu seinem Vater aus, der ganz aus der Puste war und sich aufs Bett setzen musste. „Ja, es ist sehr schlimm.“ Seth sah auf die Uhr. „Ich kann heute Abend vorbei schauen.“ „Okay, dann bis heute Abend.“ Atemu legte auf und sah seinen Vater streng an. „Wehe du bist nachher nicht nett zu ihm.“ Yasuo lies sich rücklings aufs Bett fallen und strich sich eine verschwitze Haarsträhne aus dem Gesicht. „Was bezweckst du denn damit?“ „Auf diese Weise lernst du Dr. Kaiba besser kennen und du bekommst Medikamente gegen dein Fieber und für deinen Hals.“ „Ein heißes Bad würde es auch tun.“ Das konnte Atemu vergessen. Wegen ein bisschen Fieber würde er sich nicht extra von diesem Arzt untersuchen lassen und er war sich sicher, das auch Seth keine Lust auf diesen Abstecher hatte. Kapitel 4: Das bisschen Haushalt... ----------------------------------- Mit einer grünen Schürze um die Hüfte gebunden stand Atemu in der Küche und kochte eine Hühnersuppe. Er hatte einmal gehört, das man bei einer schlimmen Erkältung viel Salz zu sich nehmen sollte und deshalb war er nicht zu sparsam mit den kleinen weißen Kristallen. Dass er das gerade mit einer Magendarm Erkrankung verwechselte, kam Atemu nicht in den Sinn. Später wollte er noch einkaufen gehen und der Haushalt machte sich auch nicht von alleine. Die Suppe köchelte vor sich hin und brauchte nur noch ein paar Minuten. Mit einem Glas Saft ging Atemu ins Schlafzimmer und sah nach seinem Vater, der tief und fest schlief. „Bist du wach? Papa?“ Fordernd rüttelte er an Yasuo´s Schulter und war dabei sehr hartnäckig. „Jetzt schon!“, brummte Yasuo heiser und setzte sich auf. „Ich habe dir etwas zu Essen gemacht.“, kam es stolz, was Yasuo trocken schlucken lies. „Wirklich? Das wäre doch nicht nötig gewesen.“ Yasuo meinte es genau so, wie er es sagte, denn Atemu hatte weder Talent zum kochen, noch zum backen. „Natürlich! Du sollst doch schnell wieder gesund werden.“ Atemu drückte seinem Vater das Glas Saft in die Hand und verschwand zurück in die Küche. „Ein heißer Tee wäre mir lieber gewesen.“ Sein Hals kratze und brannte, deshalb stellte er den Saft beiseite und verzichtete lieber darauf. Die darin enthaltene Säure würde alles nur noch schlimmer machen. Mit einem Tablett in den Händen balancierte Atemu die Schüssel, die bis zum Rand mit der heißen Suppe gefüllt war, zu seinen Vater. Es sah gar nicht schlecht aus. Wie es roch konnte Yasuo nicht sagen, weil seine Nase komplett zu war. Gespannt beobachtete Atemu, wie sein Vater sich den ersten Löffel nahm und in den Mund schob. „Das schmeckt wirklich gut. Das hast du toll gemacht.“, versuchte Yasuo so überzeugend wie möglich rüber zu bringen, was Atemu ein glückliches Lächeln ins Gesicht zauberte. „Ich kümmere mich dann um die Wäsche. Iss alles auf, damit du schnell wieder fit bist.“ „Mach ich“, und kaum das Atemu die Tür hinter sich zugeschlagen hatte, spuckte Yasuo den Rest, der sich noch in seinem Mund befand aus. „Ist das salzig. Was habe ich nur verbrochen?“ Fieberhaft überlegte er, wie er es schaffen konnte, dieses ekelhafte Zeug los zu werden, ohne das Atemu etwas bemerkte. Er konnte Atemu einfach nicht die Wahrheit sagen, weil er sich so viel Mühe gegeben hatte. „Ich hab noch was vergessen.“, kam Atemu überraschend zurück. „Hast du noch Wäsche?“ Yasuo schüttelte den Kopf. „Du musst schön essen.“, mahnte Atemu und setzte sich zu seinem Vater ans Bett. „Ich warte solange.“ `Hassen die Götter mich so sehr?´, dachte Yasuo angewidert von dem Gebräu und würgte die total versalzene Suppe, Löffel für Löffel, hinunter. „Es ist das erste Mal, das du mein Essen aufisst. Ich scheine besser zu werden.“ `Schön wäre es!´ So musste sich die Hölle anfühlen. Yasuo spürte, wie sein Magen gegen das viele Salz rebellierte und die Übelkeit in ihm hoch stieg. War das Geflügel überhaut noch gut gewesen? „Ich nehme das Geschirr dann gleich wieder mit. Schlaf noch etwas.“ „Kannst du mir bitte noch eine Flasche Wasser bringen?“ Yasuo hatte unglaublich viel Durst und wollte nur noch trinken. „Mach ich, wenn ich die Wäsche fertig habe.“ „Solange soll ich warten?“ Doch Atemu hörte den letzten Satz nicht mehr, so schnell war er zur Tür hinaus geflitzt. Womit hatte er das nur verdient? Nach einer scheinbar endlos langen viertel Stunde hielt er es vor Durst nicht mehr aus. Deshalb quälte sich Yasuo aus dem Bett und latschte müde in die Küche. Als er das Wohnzimmer durchquerte, hörte er Atemu, wie er im Badezimmer über die Waschmaschine fluchte. „Ich will es gar nicht wissen.“, murmelte er vor sich hin und stieß die Tür zur Küche auf. Dort traf ihn der Schlag, als er das Chaos erblickte. Der Topf mit der Suppe schien mehrmals übergekocht zu sein, denn um ihn herum war das Ceranfeld mit einer dicken braunschwarzen Schicht umgeben. Die Gewürze lagen verstreut über die Arbeitsplatte und einige der teuren Gewürzkräuter schienen Atemu runter gefallen zu sein, denn der Boden wurde von grünen, roten und gelben Punkten geziert. Yasuo wollte das alles einfach ignorieren und nur seine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank holen. Seine rotbraunen Augen weiteten sich, als er seinen sonst so ordentlichen und besonders sauberen Kühlschrank sah. Atemu war das Marmeladenglas wohl zerbrochen und dessen Inhalt verteilte sich auf den unteren beiden Fächern. Die Masse war bereits fest geworden und klebte nun an den Kunststoffplatten. Auch das wollte Yasuo ignorieren und er griff nach der Flasche und verließ die Küche. Im Wohnzimmer stand Atemu mit beiden Händen in die Hüften gestemmt da und sah seinen Vater mahnend an. „Du sollst doch liegen bleiben.“ „Ich habe mir nur etwas zu trinken geholt. Was hast du-“ „Versuch jetzt nicht abzulenken.“, unterbrach Atemu seinen Vater. „Leg dich sofort wieder hin.“ Yasuo fuhr sich mit der Hand durch sein verschwitztes Gesicht. „Darf ich noch zur Toilette?“ Als Atemu hastig mit dem Kopf schüttelte, sah Yasuo zu, das er so schnell wie möglich ins Badezimmer kam. Er kannte seinen Sohn und wenn er sich so verhielt, dann lag etwas im argen. Im Badezimmer schäumte die Waschmaschine vor sich hin und der geflieste Boden war auch vom Schaum bedeckt. Sofort stoppte Yasuo den Waschgang und drückte den Knopf zum Abpumpen. „Wie viel Waschmittel hast du denn da rein getan?“ Atemu malte mit dem Fuß imaginäre Kreise auf den Boden und schaute schuldbewusst zur Waschmaschine. „Ich dachte, die Wäsche wird weicher, wenn ich mehr davon benutze.“ „Ist sie dir sonst zu hart?“ „Manchmal“, murrte Atemu, dem das furchtbar peinlich war. „Und was hast du in der Küche angestellt? Es sieht dort aus, wie auf einem Schlachtfeld.“ „Das war nicht meine Schuld.“, sagte Atemu sofort. „Jedenfalls nicht ganz. Ich hab die Schraubverschlüsse von den Gewürzen nicht aufbekommen und dann ist mir das Glas Marmelade aus der Kühlschranktür gefallen, als ich ihn aufgemacht habe. Die Suppe ist mir nur übergekocht, weil ich vergessen habe umzurühren.“ „Lass uns das Chaos beseitigen.“, stöhnte Yasuo, der doch nur etwas zu trinken holen wollte. „Ich mach das allein. Geh ins Bett.“, sagte Atemu kleinlaut. Wenn es ihm nicht so schlecht gehen würde, wäre Yasuo dieser Bitte nicht nachgekommen, aber heute tat er sich selbst diesen Gefallen. „Mach dir keine Sorgen. Ich habe alles im Griff.“ Yasuo lächelte gezwungen und wuschelte seinem kleinen Chaoten durch die wilden Haare. „Das sehe ich.“ * Seth sah zum gefühlt hundertsten Mal auf die Uhr. Heute wollte die Zeit gar nicht vergehen, dabei erstickte er fast in Arbeit. Immer wenn er auf die Uhr sah, waren erst ein paar Minuten vergangen, was seine Laune nur noch weiter hinunter zog. Zu allem Überfluss hatte er einen unglaublich nervigen Patienten, der alle zwei Tage bei ihm vorbei kam und jedes mal mit einer anderen Krankheit vorstellig wurde. Seth versuchte ihn davon zu überzeugen, das er kerngesund war, doch er stieß dabei nur auf taube Ohren. * Atemu war total kaputt von diesem Tag. Die Küche sah wieder annehmbar aus, nur das Ceranfeld hatte er nicht richtig sauber bekommen und nun die halbe Flasche Scheuermittel darauf gekippt. Mit einem Edelstahl-Schwamm für Töpfe begann er kräftig zu schrubben. * Endlich hatte es Seth geschafft und der sehnsüchtig erwartete Feierabend begrüßte ihn. Er schmiss seinen weißen Kittel in die nächst beste Ecke und warf noch einmal einen kontrollierten Blick in den Spiegel. Mit seiner Tasche bewaffnet, war er bereit für seinen kleinen Abstecher zu den Katsuro´s. * Yasuo zog die dicke Bettdecke über seinen Kopf, als er im Halbschlaf den belustigten Ton von einer ihm bekannten Stimme hörte. Noch registrierte er die Tragweite dieses Besuches nicht und wollte nur schlafen. „Papa? Der Arzt ist da!“ „Das ist mir doch egal.“, kam es so undeutlich zurück, das keiner der Beiden die Worte verstand. „Wach auf, Papa.“ Überlegend sah Atemu hoch zu Seth, der lächelnd mit den Schultern zuckte. „Wollen Sie etwas essen? Ich habe vorhin Suppe gekocht.“, bot Atemu an und seine Augen wurden vor Freude größer, als Seth nickte. „Dann setzen sie sich ins Wohnzimmer. Ich bin gleich wieder da.“ Lächelnd sah Seth diesem aufgeweckten Jungen hinterher. Was waren das für Zeiten, als es bei Seto noch so war und sein Sohn sich freute, wenn er von der Arbeit nach Hause kam. Atemu beachtete die Kratzer nicht, die er ins Ceranfeld geschrubbt hatte und stellte den Topf auf eine der vier Herdplatten. Wenigstens war es wieder sauber und man konnte schließlich nicht alles haben. Sorgfältig rührte er die Suppe, als sie anfing zu kochen, um und holte zwei Schüsseln aus dem Schrank. Diese stellte er auf ein Tablett und legte je einen Löffel daneben. Weil er nicht wusste was Dr. Kaiba gerne trank, entschied er sich für einen Apfelsaft und füllte zwei Gläser mit dem süßen Getränk auf. Die Schüsseln füllte er bis oben hin voll, damit Dr. Kaiba auch ja nicht verhungerte. Mit höchster Präzision trug er das volle und nicht ganz so leichte Tablett ins Wohnzimmer und stellte es auf dem weißen Holztisch ab. „Vielen Dank.“ Seth nahm sich eine der beiden Schüsseln und Atemu tat es ihm gleich. Der Duft verführte zum essen und mit hungrigen Magen nahm sich Seth einen vollen Löffel. Als er den ersten Bissen schmeckte und sich die salzige Brühe auf seiner Zunge verteilte, hinterließ sie nichts weiter als großen Ekel. Auch Atemu verzog angewidert das Gesicht und wollte dieses Ekelhafte Zeug aus seinem Mund bekommen. Während Atemu ins Badezimmer rannte, spülte Seth alles mit dem Apfelsaft hinunter. Mit tief roten Wangen kam Atemu zurück ins Wohnzimmer und konnte Seth nicht in die Augen sehen. „Ich wusste nicht, wie scheußlich die Suppe schmeckt.“ Trotz des Saftes hatte Seth immer noch den salzigen Geschmack der Suppe im Mund. „Hast du sie denn nicht probiert, als du sie gekocht hast?“ Atemu schüttelte den Kopf. „Mein Vater hat aber alles aufgegessen.“ Das konnte Seth jetzt nicht glauben. „Er hat eine volle Schüssel davon aufgegessen?“ „Ja!“ Nachdenklich biss Atemu auf seinem Fingernagel herum. „Er mochte mir wahrscheinlich nicht die Wahrheit sagen, weil ich so stolz auf mein Essen war.“ Seth konnte Yasuo verstehen, aber er selbst hätte die Suppe nicht hinunter würgen können. Dafür war sie einfach zu scheußlich. „Wir haben noch Brot und Aufschnitt da.“, sagte Atemu und wollte seinen Patzer wieder gut machen. „Ich decke schnell den Tisch, damit Sie etwas essen können.“ Seth wollte gerade etwas sagen, doch Atemu flitze schon in die Küche. „Dieser Junge.“ Seth´s Blick schweifte durchs Wohnzimmer und er entdeckte viele Bilder, auf denen Atemu zusammen mit seinem Vater abgebildet war. Sie schienen viel in der Welt herum zu reisen, denn auf einen Foto waren sie auf Hawaii und auf einem anderen in Ägypten. Seth war ganz vertieft, als Yasuo, der die Hand fest auf dem Mund presste, an ihm vorbei rannte und die Tür zum Badezimmer hinter sich zu knallte. Seth zuckte vor Überraschung leicht zusammen und sah zur Badezimmertür. „Scheint wohl doch schlimmer zu sein.“ Atemu steckte seinen Kopf aus der Küchentür und sah Seth fragend an. „Möchten Sie Tee oder Kaffee trinken?“ „Ich würde gerne einen Tee nehmen und für deinen Vater bitte auch einen.“ Seth überlegte kurz. „Hast du Kamillen- oder Ingwertee da?“ „Ingwertee habe ich.“ Schon war Atemu wieder verschwunden, was Seth zum schmunzeln brachte. Der Kleine war wirklich eifrig dabei. Die Badezimmertür öffnete sich und ein kreidebleicher Yasuo kam heraus. Er wollte in sein Schlafzimmer zurück, doch als er Seth erblickte runzelte er die Stirn und sah ihn lange an. Seth konnte genau sehen, wie es in Yasuo arbeitete und er seinen Kopf immer schiefer legte, weil er nicht drauf kam, warum er jetzt hier war. „Das kannst du vergessen!“, kam die Erkenntnis. Doch anstatt einer lauten und tiefen Stimme, kam nur ein heiserer und kratziger Ton aus seinem Hals, was dem ganzen die Dramatik nahm. „Du siehst richtig scheiße aus.“ Eigentlich wollte Seth es netter ausdrücken, doch konnte er bei ihm nicht anders, so verpeilt wie Yasuo da stand. „Wir sind heute aber Charmant.“, brummte Yasuo und wollte nur noch in sein Bett. „Du bist ja wach.“, freute sich Atemu. „Ich habe den Tisch für uns gedeckt. Du kannst dann auch Essen kommen.“ „Nein Danke, ich bin immer noch satt von vorhin.“ Yasuo konnte jetzt beim besten Willen nichts runter bekommen. Der Aufenthalt über der Toilettenschüssel hatte ihm den Rest gegeben. „Warum denn nicht? Ich habe dir auch einen Tee fertig gemacht.“, schmollte Atemu, was Yasuo tief seufzen lies. „Ich komm ja schon.“ „Das ich auch immer betteln muss.“, murrte Atemu und ging in die Küche. Seth lachte. „Es ist ganz offensichtlich, wer hier das Sagen hat.“ „Dann solltest du ihn mal erleben, wenn wir zusammen zum Bäcker gehen.“, verdrehte Yasuo die Augen. „Hast du wirklich eine ganze Schüssel von dieser Suppe gegessen?“, wurde Seth ernster. „Ja, was hätte ich denn machen sollen? Er hat sich so gefreut.“ „Sie nicht essen! Die Wahrheit hätte Atemu verkraftet, aber du siehst ja was dabei raus kommt. Du bist bestimmt auch dehydriert, durch das viele Salz. Deine Nieren werden dadurch auch unnötig belastet.“ Yasuo stellte auf Durchzug. „Rede nur. Ich hab´s doch überlebt.“ „Hast du genug getrunken?“ „Jaaa!“ Wie konnte ein einziger Mensch nur so nerven? Da trank man einen Kaffee zusammen und wurde diesen Mann dann nicht mehr los. „Sieht aber nicht so aus.“ Angriffslustig verschränkte Seth die Arme. „Woran willst du das denn erkennen?“ „Ich kann´s mir denken.“ Yasuo murmelte unverständlich vor sich hin und Seth hörte nur Bruchstücke, wie: „Besserwisser“ und „scheiß Ärzte.“ „Hast du irgendwann einmal schlechte Erfahrungen mit Ärzten gemacht?“, wollte Seth nun doch genauer wissen. „Wie kommst du denn darauf?“, kam es patzig zurück. Seth blinzelte ein paar Mal als Yasuo in die Küche stampfte. „Anscheinend ja doch.“ Seth ging hinterher und setzte sich auf den freien Stuhl, den ihm Atemu anbot. „Der isst mit?“, brummte Yasuo, was ihn einen wütenden Blick von Atemu einbrachte. „Ich habe ihn dazu eingeladen, also sei nett.“ „Ich bin doch nett.“ Yasuo konnte gerade kein Essen sehen und stöhnte innerlich, als Atemu ihm ein dickes Käsebrot auf den Teller legte. Seth war sich nicht sicher, wie das ganze enden würde. Es gab drei Möglichkeiten. Entweder verzichtete Yasuo, was die vernünftigste Entscheidung gewesen wäre. Möglichkeit zwei: Er aß alles auf und würde dann wieder über der Kloschüssel hängen, oder er kippte einfach um. So wie Yasuo aussah, würde er jedenfalls nicht mehr lange hier sitzen. Die Suppe zu essen war eine sehr dumme Entscheidung gewesen. „Der ist für Sie.“, sagte Atemu und überreichte Seth den Ingwertee. „Das ist mein Spezialtee.“ Yasuo verschluckte sich bei dem Satz an seinem Tee und sah seinen Sohn entgeistert an. „Dein Spezialtee?“ Atemu nickte. „Hast du Dr. Kaiba denn gefragt, ob er das möchte?“ Atemu schüttelte den Kopf. „Dann solltest du das nachholen.“ Beleidigt sah Atemu zu Seth, der Stirnrunzelnd in seine Tasse schaute. „Was ist denn mit dem Tee?“ „Wenn Atemu das Wort Spezial benutzt, dann ist da mindestens eine Tonne Zucker drin.“ „Gar nicht wahr. Es sind nur vier Teelöffel voll drin.“ „Oh!“ Seth war bereit zu probieren und bei diesem einen Schluck sollte es auch bleiben. „Dein Gesicht spricht Bände.“, lächelte Yasuo. „Wenigstens konnte ich dich noch vorwarnen.“ „So süß mag ich es wirklich nicht.“ Seth sah zu Atemu, der schmollend an seinem Brot kaute. „Es war aber eine liebe Geste von dir.“ Diese Worte stimmten Atemu etwas milder und er sah Seth freundlich an. „Ich mach es auch wieder gut.“ Seth und Yasuo beobachteten Atemu, der sich seinen Stuhl nahm, ihn vor die Arbeitsplatte stellte und drauf kletterte. Yasuo rieb sich die Stirn. „Da gehst du nicht bei!“ „Warum denn nicht? Wir haben seit langem einmal wieder Besuch und über etwas Süßes würde sich Dr. Kaiba bestimmt freuen.“ Jetzt wusste Seth worum es ging. Da oben war Atemu´s legendärer Süßigkeitenvorrat, von dem Yasuo ihm gestern erzählt hatte. „Nach dem Abendbrot gibt es nichts süßes mehr, auch nicht wenn ein Gast da ist.“ „Menno!“ „Gleich geht´s los.“, murmelte Yasuo. „Du bist gemein. Dann mach ich dir morgen auch kein Mittagessen mehr.“ `Gott sei Dank.´, dachte Yasuo erleichtert. „Jetzt setzt dich wieder hin. Du hast für uns extra den Tisch gedeckt und es wäre doch schade, wenn du dir die Mühe umsonst gemacht hättest.“ Atemu nickte kleinlich und kletterte vom Stuhl runter. „Gemein ist das trotzdem.“ „Ich weiß.“ Seth hätte jetzt mit einem Donnerwetter seitens von Atemu gerechnet, aber Yasuo konnte sich gut durchsetzten, ohne dabei laut zu werden. Er würde es nicht aussprechen, aber er war ein wenig neidisch auf Yasuo, wegen dem guten Verhältnis, das er zu seinem Sohn hatte. Schon heute Nachmittag hatte er Seto geschrieben, das es heute später wird, aber er hatte bis jetzt keine Antwort bekommen. Auch sein Anruf wurde ignoriert. „Alles in Ordnung?“, wollte Yasuo wissen, weil Seth so ernst drein schaute. „Ja, ich war nur in Gedanken.“ „Mit Seto wird es schon besser werden. Es ist bestimmt nur eine Phase.“ Yasuo nahm einen Schluck von seinem Tee, der unglaublich gut tat und dessen Wärme sich in seinem Körper ausbreitete. „Danke. Du kannst ja richtig nett sein, Yasuo.“ Atemu zog beide Augenbrauen hoch. „Ihr nennt euch beim Vornamen? Hab ich was verpasst?“ „Wir waren gestern Nachmittag nur einen Kaffee trinken.“ Yasuo verfluchte sich langsam für seine Heiserkeit und trank weiter seinen Tee. „Dann seid ihr jetzt zusammen?“ Yasuo verschluckte sich schlimm und hustete sich die Seele aus dem Leib. Zwar klopfte ihm Seth auf den Rücken, doch es brachte nur wenig. Jetzt tat sein Hals nur noch mehr weh und die Brust schmerzte ihm. „Alles in Ordnung, Papa?“ Auch Atemu war von seinem Stuhl aufgesprungen und stand hilflos daneben. „Ja, es geht wieder.“ Jetzt wollte er sich noch mehr als zuvor in sein Bett legen. „Du hast mir einen großen Schreck eingejagt. Geh am besten ins Bett, ich mach hier sauber.“ Yasuo wuschelte seinem Sohn durch die rote Mähne und stand auf. „Ich hab dich lieb, mein Junge.“ Atemu umarmte seinen Vater und gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Nur das keine Missverständnisse aufkommen.“, sagte Yasuo, bevor er die Küche verließ. „Wir sind natürlich nicht zusammen.“ „Warum denn nicht?“, wollte Atemu wissen. „Ja, warum denn nicht?“, fing jetzt auch Seth an ganz unschuldig zu fragen. Yasuo´s Blick wanderte von Atemu zu Seth, der ihn selten dämlich angrinste. „Du bist mir zu langweilig.“, versuchte Yasuo so ernst wie möglich zu klingen. Doch anders als erwartet war Seth nicht beleidigt, sondern eher nachdenklich. „Das kannst du schon nach einmal Kaffee trinken beurteilen?“ „Ja“, knurrte Yasuo. „Da könntest du recht haben. Ich bin in meiner Schiene ziemlich festgefahren. Dann weiß ich woran ich arbeiten muss.“, lächelte Seth falsch, was Yasuo nur noch mehr in Rage versetzte. „Dann komm ich auf den eigentlichen Grund meines Besuches zurück und das ist deine Gesundheit.“ Yasuo hob abwehrend beide Hände. „Vergiss es, du kannst wieder gehen.“ „Aber Papa, wenn ich krank bin, muss ich mich auch immer von einem Arzt untersuchen lassen. Beim letzten Mal hast du mich mitten in der Nacht zum Arzt geschleift, obwohl ich nicht wollte.“, sagte Atemu so vorwurfsvoll wie er konnte. „Das ist etwas anderes.“, versuchte sich Yasuo raus zu reden. „Finde ich nicht.“, sagten Seth und Atemu gleichzeitig. „Ihr versteht euch ja blendend.“, stellte Yasuo fest und hatte fast keine Stimme mehr. „Ohne Untersuchung gibt es keine Medikamente.“ Da war Seth streng. „Ihr gebt ja doch keine Ruhe, aber nur wenn es schnell geht.“ Wäre Atemu nicht hier gewesen, hätte er diesen Arzt längst rausgeschmissen. Atemu nahm seinen Vater an die Hand und führte ihn zur Couch. „Du musst dein Oberteil ausziehen.“ „Das geht doch auch so.“ Atemu schüttelte den Kopf und hob tadelnd den Zeigefinger. Seth beobachtete belustigt das Schauspiel, welches die beiden ihm boten. In diesem Moment war Atemu Erwachsener als Yasuo, der wie ein bockiges Kind auf der Couch saß und sich weigerte die Untersuchung über sich ergehen zu lassen. Atemu bekam rote Wange, weil er langsam richtig sauer wurde und er wollte schon schimpfen, als sein Vater plötzlich an ihm vorbei stürmte und die Badezimmertür hinter sich zu knallte. „Ist das noch wegen meiner Suppe?“, wollte Atemu wissen. „Ich fürchte schon. Der Körper kann so viel Salz nicht verwerten und er scheint nicht genug getrunken zu haben.“ „Können Sie ihm helfen?“ Atemu hatte ein furchtbar schlechtes Gewissen und sah bittend aus seinen roten Augen. „Ja, aber er lässt sich nicht dazu überreden. Am besten komme ich morgen noch einmal wieder. Vielleicht geht es ihm bis dahin auch schon besser und er braucht keinen Arzt mehr.“ Atemu nickte niedergeschlagen. „Mein Opa konnte ihn auch nie dazu überreden, zum Arzt zu gehen, wenn er krank war.“ „Kennst du den Grund?“ „Nein, ich hab zwar öfter gefragt, aber Papa wollte es mir nie erzählen.“ „Da kann man nichts machen.“ Seth drückte Atemu seine Visitenkarte in die Hand. „Wenn etwas sein sollte, kannst du mich jederzeit auf meinem Handy anrufen.“ „Wirklich? Danke!“ Manchmal verfluchte Atemu die Engstirnigkeit seines Vaters. Es war doch nur eine ganz harmlose Untersuchung. Kapitel 5: Schlaflos in Tokio ----------------------------- In dieser Nacht fand Yasuo keinen Schlaf. Ständig musste er ins Badezimmer laufen, was auch Atemu nicht entging. Dieser konnte sich dass Drama nicht mehr länger mit ansehen und beschloss etwas zu unternehmen. Besorgt und wütend zugleich ging er ins Schlafzimmer und stellte sich mit verschränkten Armen vor Yasuo, der alle Viere von sich gestreckt hatte und das Gesicht im Kissen vergrub. „Ich rufe jetzt Dr. Kaiba an und er gibt dir etwas, damit das endlich aufhört.“ Schwerfällig drehte Yasuo sein Gesicht in Atemu´s Richtung. Mit Kalk weißem Antlitz und tiefen Rändern unter den Augen sah er seinen Sohn an. Er versuchte etwas zu sagen, doch außer einem kratzigen Ton kam kein Laut aus seinem Hals. „Was hast du gesagt? Ich verstehe dich nicht, Papa.“ Yasuo richtete sich etwas auf, doch genau das war der Fehler, der die nächste Welle ankündigte. Mehr schlecht als recht stolperte er ins Badezimmer und übergab sich zum neunten Mal. Atemu wusste nicht was er machen sollte. Es war drei Uhr in der Nacht und er war mit der Situation komplett überfordert. Nur selten war sein Vater krank und dann war es immer nur eine leichte Grippe oder ein Schnupfen. Yasuo fiel bäuchlings auf die Couch und blieb wie ein nasser Sack liegen. Er konnte sich nicht erinnern, wann es ihm jemals so schlecht ging. „Papa?“ Yasuo sah zu seinem Sohn, der mit Tränen in den Augen da stand und leise schniefte. „Du stirbst doch nicht?“ Sofort setzte sich Yasuo hin und nahm dieses Häufchen Unglück in die Arme. Mit einem Lächeln schüttelte er den Kopf. „Du lügst auch nicht, wie Opa?“ Wieder schüttelte Yasuo den Kopf und seine Gedanken wurden schwer. „Darf ich trotzdem Dr. Kaiba anrufen? Nicht das du dich irrst und es ist doch schlimmer.“ Yasuo war hin und her gerissen. Er wollte weder diesen noch irgendeinen anderen Arzt hier haben. Wenn es nach ihm ginge, brauchte er auf dieser Welt keine Ärzte. „Bitte Papa“, schniefte Atemu und wischte sich über das tränennasse Gesicht. Geschlagen nickte Yasuo, was Atemu aber keinesfalls beruhigte, sondern noch viel mehr in Panik versetzte. „Dann ist es doch schlimmer! Sonst hättest du nicht ja gesagt.“ Total aufgelöst rannte Atemu zum Telefon und wählte die Nummer. Yasuo schüttelte heftig den Kopf, was Atemu allerdings nicht beachtete und sich den Hörer ans Ohr legte. „Ich hol ihn schnell her bevor es zu spät ist.“ Was lief hier heute nur falsch? * Träge tastete Seth nach seinem Handy, welches diesen nervtötenden Klingelton von sich gab. Schon längst wollte er die Melodie ändern und hatte es jedes mal vergessen. „Kaiba“, nuschelte er ins Smartphone. „Sie müssen sofort herkommen.“, weinte Atemu ihm panisch ins Ohr. Mit einem Schlag saß Seth kerzengerade in seinem Bett. „Atemu? Was ist denn passiert?“ „Mein Papa stirbt gerade!“ Yasuo hielt sich beide Hände ins Gesicht gepresst und wäre vor Scham am liebsten im Boden versunken. Vermittelte er wirklich so falsche Signale? Wenn er wenigstens sprechen könnte, dann hätte er alles sofort aufklären können und nun wurde der arme Mann unnötig in Aufregung versetzt. Jegliche Handzeichen ignorierte sein Sohn und auch die Notiz auf dem Zettel, die er hin gekritzelt hatte wurde nicht beachtet. Zu allem Überfluss fing sein Magen wieder an zu grummeln und die Übelkeit stieg erneut in ihm hoch. Dabei war sein Magen längst leer. `So eine Scheiße.´ Atemu`s Panik wuchs, als sein Vater an ihm vorbei hechtete. „Es dauert nicht mehr lange. Es geht ihm ganz schlecht.“ Seth zog sich hastig eine Hose an und stürzte zur Haustür. „Soll ich einen Krankenwagen zu euch schicken?“ Dieser Satz versetze Atemu noch mehr in Panik. Aufgewühlt weinte er in den Hörer. „Dann stirbt er wirklich?“ Seth versuchte ruhig zu bleiben. Er durfte sich jetzt nicht mitreißen lassen und ebenfalls panisch werden. „Ich bin in zehn Minuten da. Mach mir bitte die Tür auf.“ „Okay“, schniefte Atemu in das Telefon und legte auf. „Dr. Kaiba ist gleich da.“, rief Atemu und rannte ins Badezimmer. Yasuo wusch sich das Gesicht und lies sich dann auf den kalten Fußboden sinken. Er musst sowieso ständig hier her, da konnte er auch gleich im Badezimmer bleiben und sparte sich den leidigen Weg. „Ich hole dir eine Decke.“ Atemu rannte ins Schlafzimmer, nahm sich die Zudecke vom Bett und trug sie zu seinen Vater. Sorgfältig deckte er Yasuo zu und setzte sich zu ihm. „Dr. Kaiba wird dir bestimmt helfen können und ich koche auch wieder für dich, damit du schnell wieder gesund wirst.“ `Bitte nicht´, flehte Yasuo in Gedanken und hatte das Geflügel für sein Unwohlsein in Verdacht, welches Atemu für die Suppe genommen hatte. Von einer einfachen Erkältung würde man sich nicht übergeben und er hatte sich dadurch wahrscheinlich eine Lebensmittelvergiftung eingehandelt. Atemu schien zu seiner Erleichterung keine Verbindung darin zu sehen, was diese Situation nur noch mehr anheizen würde. Atemu fuhr zusammen, als es klingelte und er rannte zur Tür. Yasuo erhob sich ebenfalls. Nicht das Seth noch einen Herzinfarkt bekam, wenn er auf dem Boden lag. Atemu hatte ihn schon genug in Panik versetzt und es war so schon peinlich genug. Atemu rannte zum Fahrstuhl um Seth entgegen zu kommen. Ungeduldig wartete er darauf das sich die Tür öffnete und hibbelte nervös von einem Bein aufs andere. Seth kam nicht zu Wort als die Tür auf ging, denn seine Hand wurde sofort ergriffen und er wurde mit aller Kraft mitgezogen. „Kommen Sie ganz schnell.“ Seth’s Sorge wuchs und er dachte das ein Krankenwagen doch die bessere Wahl gewesen wäre. Als er Yasuo auf der Couch sitzen sah, fiel ihm ein Stein vom Herzen und sah zu Atemu, der sich die aufkommenden Tränen wegwischte. „Es ist alles gut, Atemu, ich mach das schon.“ Atemu nickte. „Er darf nicht sterben.“ „Das wird er nicht.“ Seth ging zu Yasuo und sah ihn fragend an. Dieser winkte nur ab und verschränkte bockig die Arme. `Er hat doch jetzt gesehen, das ich nicht im sterben liege. Dann kann er doch wieder gehen.´ Sein Magen fing wieder an zu meckern und langsam verlor Yasuo die Lust. Seth sah zu Atemu, der so freundlich war und ihn aufklärte. „Papa kann nicht mehr sprechen und hat sich die ganze Zeit übergeben.“ „Immer noch?“, zog Seth eine Augenbraue hoch und beobachtete Yasuo, der aufsprang und ins Badezimmer hechtete. „Atemu?“ „Ja?“ „Hast du noch etwas von deiner Suppe da?“ „Ja! Sie steht in der Küche.“ Zielstrebig ging Seth dorthin und suchte sich einen Löffel aus einer der Schubladen. Es kostete ihm einiges an Überwindung, doch er musste sicher gehen. Vorhin hatte er nur das Salz herausgeschmeckt, aber nun, da er sich darauf konzentrierte, nahm er auch den leicht fischartigen Geschmack von dem Geflügel wahr. „Hoffentlich hat er keine Angst vor Nadeln.“ Seth wappnete sich und ging zurück ins Wohnzimmer, in dem Yasuo bäuchlings auf der Couch lag. „Du hast dir eine Lebensmittelvergiftung geholt, weil...“, Seth sah zu Atemu und entschied sich den Satz nicht zu beenden. „Ich werde dir Medikamente geben, die die Symptome lindern.“ Yasuo verdrehte theatralisch die Augen. Auf eine Lebensmittelvergiftung wäre er ja nie gekommen. „Was machen Sie denn jetzt?“, wollte Atemu wissen und schaute Seth gespannt zu, der einige Dinge aus seiner Tasche holte und auf den Tisch stellte. „Ich werde ihm ein Medikamente gegen erbrechen geben und ihm eine Infusion legen, damit ich ihn mit Flüssigkeit versorgen kann.“ „Muss Papa ins Krankenhaus?“ Seth sah Atemu lieb an. „Nein, dieses Problem bekomme ich so in den Griff.“ Atemu strahlte seinen Vater an, der sich aufgesetzt hatte und ganz langsam ans andere Ende der Couch rutschte. „Gleich geht’s dir besser, Papa.“ `Mit geht’s auch so bald besser.´, ranzte Yasuo in Gedanken. „Ich beiße doch nicht.“ Seth konnte sich ein dreckiges Grinsen nicht verkneifen. „Das heben wir uns für später auf.“ Yasuo fiel alles aus dem Gesicht und schüttelte mit zusammengezogenen Augenbrauen den Kopf. „Du hast recht, wir sollten uns zuerst besser kennen lernen.“, sprach Seth weiter und beobachtete belustigt Yasuo’s Reaktion. Diese lies nicht lange auf sich warten, doch sie war anders als Seth erwartet hatte. Mit vorgehaltener Hand rannte Yasuo ins Badezimmer. Da halfen nur noch die richtigen Medikamente. Seth sah zu Atemu, der besorgt zum Badezimmer schaute. „Du solltest ins Bett gehen. Das war eine lange Nacht für dich.“ „Ich bin aber nicht müde und ich möchte Papa nicht alleine lassen.“ „Ich bin doch jetzt da und passe auf deinen Vater auf. In der Schule rufe ich morgen an und sage, das du erst am Montag wieder kommst.“ Atemu nickte geschlagen. „Na gut.“ Seth war erstaunt wie brav Atemu war und sogar auf ihn hörte, obwohl sie sich kaum kannten. Yasuo war fertig mit der Welt und wollte nur noch schlafen. Erschöpft lies er sich auf die Couch sinken und sah Seth müde an. „Du hast wirklich einen lieben Jungen und hast ihn gut erzogen.“ Yasuo winkte ab, aber war wirklich stolz auf seinen Sohn. „Darf ich mir mal deinen Hals ansehen? Oder soll ich dir zuerst eine Spritze gegen die Übelkeit geben?“ Yasuo schüttelte den Kopf, was Seth zum seufzen brachte. „Dir geht es so schlecht und trotzdem willst du keine Hilfe. Wenn das so weiter geht, musst du ins Krankenhaus, weil dein Körper immer mehr austrocknet und geschwächt wird. Willst du deinem Sohn wirklich so viel Kummer machen? Er hatte vorhin wirklich Angst um dich!“ Yasuo fing an zu hadern und schüttelte resigniert den Kopf. „Ich mache auch nichts, ohne es vorher zu erklären. Ist das in Ordnung?“ So wie Yasuo da saß und brav mit dem Kopf nickte, erinnerte er ihn eher an ein kleines Kind, als an einen erwachsenen Mann. „Ich werde dir zuerst etwas gegen das Erbrechen geben und dir dafür eine Venenkanüle legen.“ Kaum merklich nickte Yasuo und beobachtete mit Argusaugen, wie Seth den Ärmel seiner Pyjamajacke nach oben schob und seine Armbeuge desinfizierte. „Die Medikamente helfen schnell und du kannst danach gut schlafen.“ Seth versuchte so vorsichtig wie möglich zu sein, denn er spürte wie angespannt Yasuo war. „Glücklicherweise habe ich Kochsalzlösung dabei und kann dich mit ausreichend Flüssigkeit versorgen. Dir wird es schnell besser gehen. Ich rufe nachher noch in der Schule an und entschuldige deinen Jungen, weil du zur Zeit nicht sprechen kannst. Da wir morgen Freitag haben, kann er sich übers Wochenende von dem Schrecken erholen.“ Seth sprach die ganze Zeit und wollte Yasuo auf andere Gedanken bringen. Er arbeitete um ein vielfaches langsamer als normalerweise, weil er jederzeit damit rechnete, das sein Patient plötzlich aufsprang und die Flucht ergriff. „Man merkt deine Anspannung ganz deutlich. Was ist denn nur vorgefallen?“ Yasuo hätte auch nicht darüber gesprochen, wenn er gekonnt hätte. Das ging niemanden etwas an und ganz besonders nicht diesem Arzt. Atemu beobachtete die beiden noch eine Weile von seiner Zimmertür aus und er fühlte sich schon viel besser. Seth war genauso wie er dachte und er fand das er gut zu seinem Vater passte. Schließlich war er der erste Arzt, den sein Papa an sich ran lies. Nur Seto bereitete ihm Bauchschmerzen und er wusste nicht wie er sich mit ihm anfreunden konnte, so verbohrt wie er war. „Dein Hals sieht schlimm aus. Ich werde dir noch Schmerzmittel geben, damit du wieder vernünftig schlucken kannst. In den nächsten Tagen solltest du nur Suppe oder Brei zu dir nehmen, um deinen Hals und deinen Magen zu schonen.“ Besorgt musterte Seth Yasuo, der wie gebannt auf die Venenkanüle starrte. „Brauchst du Hilfe, oder schaffst du es allein in dein Bett?“ Yasuo wäre am liebsten an Ort und Stelle eingeschlafen, denn die Übelkeit war fast verschwunden und nun merkte er deutlich wie erschöpft er eigentlich war. Die Medikamente taten ihr übriges und auch wenn er es im Leben nie zugegeben hätte, war er über Seth’s Anwesenheit ein ganz klitzekleines bisschen froh. „Na komm, das Bett ist gemütlicher und wärmer, als die Couch.“ Seth zog ihn auf die Beine und half ihm ins Bett zu kommen. * Eine ganze Weile lag Seto wach in seinem Bett und schaute hin und wieder auf sein Handy. Er hatte mitbekommen, wie sein Vater mit seiner Arzttasche die Wohnung verlassen hatte. Zwei Stunden war er bereits weg und langsam fing er an sich Sorgen zu machen. Nicht einmal eine Nachricht bekam er, wie es sonst immer der Fall war. * Seth streckte sich und war zufrieden mit sich und seiner Arbeit. Gerne hätte er gewusst, warum Yasuo solche Panik vor Ärzten hatte. Doch dafür war das Vertrauen noch nicht da und wenn nicht einmal sein Sohn den Grund wusste, würde er es so schnell auch nicht erfahren. „Dann kann ich ja nach Hause fahren.“ Seth hinterließ eine Notiz auf dem Wohnzimmertisch und räumte seine Utensilien zusammen. * Mit einer Tasse Kaffee saß Seto am Küchentisch und wartete ungeduldig auf seinen Vater. Im Bett hielt ihn nichts mehr, denn er machte sich immer mehr Sorgen. Sonst hinterließ er immer eine Nachricht wenn er plötzlich weg musste, oder es später wurde. Doch dieses Mal kam nichts. Was wenn er einen Unfall hatte? So hastig wie er aus der Wohnung gestürzt war, würde Seto sich nicht wundern. Als er hörte, wie die Tür aufging hielt ihn nichts mehr an seinen Platz und ging schnellen Schrittes aus der Küche. Seth sah seinen Sohn verwundert an, als er seine Schuhe auszog. „Du bist schon wach? Jetzt sag nicht, das ich dich aufgeweckt habe.“ Seto schüttelte den Kopf. „Ich habe Kaffee gekocht. Soll ich dir eine Tasse fertig machen?“ „Sehr gerne. Nach so einer Nacht kann ich einen Kaffee gut gebrauchen.“ Seto verschwand in der Küche und atmete tief durch. „Mach das nie wieder.“, sprach er zu sich selbst und fühlte wie die Anspannung von ihm abfiel. Seth war hundemüde, doch es lohnte sich nicht mehr ins Bett zu gehen. Bald ging seine Schicht los und die Zeit reichte nur noch um gemütlich zu Frühstücken und anschließend zu duschen. „Wo bist du denn heute Nacht gewesen?“, wollte Seto wissen, als sein Vater sich an den Tisch setzte. „Bei den Katsuro’s!“ Fast hätte Seto sich an seinem Kaffee verschluckt. „Hast du es etwa mit dem Alten getrieben?“ Entgeistert schaute Seth seinen Sohn an, doch dann schlich sich ein süffisantes Grinsen in sein Gesicht. „Wäre das denn so schlimm?“ Seto knallte die Fäuste auf den Tisch. „Ja! Weil ich mit diesem kleinen Streber in eine Klasse gehe. Was sollen die anderen von mir denken?“ Seth rollte die Augen. „Komm wieder runter. Herr Katsuro hat sich eine Lebensmittelvergiftung zugezogen und es geht ihm ziemlich schlecht.“ Jetzt kam Seto sich dumm vor, weil er seinen Vater besser kannte und er ihn hin und wieder gerne ärgerte. „Musste er ins Krankenhaus?“ „Nein, aber ich werde am Nachmittag noch einmal nach ihm schauen. Freiwillig geht er nicht zum Arzt und Atemu hatte deswegen Panik bekommen, was auch verständlich ist.“ Seth’s Blick änderte sich und wurde viel ernster. „Wenn du Arzt werden willst, solltest du lernen, dich in andere Menschen hinein zu versetzten und ihnen Mitgefühl entgegen bringen. Dein Neid auf Atemu steht dir nur im Weg und versperrt dir die Sicht auf wichtigere Dinge.“ „Die Leier wieder.“ Gelangweilt stütze Seto sein Kinn auf die Handfläche. „Du kannst nachher mitkommen, damit du verstehst was ich meine. Herr Katsuro hat bestimmt nichts dagegen und nebenbei kannst du Atemu besser kennen lernen.“ „Da freue ich mich aber.“, kam es sarkastisch zurück. „Denkst du im Ernst, das wir dicke Freunde werden? Ich und dieser kleine Zwerg? Im Leben nicht!“ „Ich kann dich nicht zwingen, aber mit dieser Einstellung wirst du im Leben nicht sehr weit kommen.“ Seto glaubte seinen Vater nicht. Er hatte viele Freunde um sich herum, obwohl er nicht der umgänglichste war. Mitgefühl war etwas für Versager und bremste ihn seiner Meinung nach nur aus. Kapitel 6: Seto vs. Yasuo: Runde 1 ---------------------------------- Müde schlurfte Atemu in die Küche und holte sich Milch aus dem Kühlschrank. Um an die Tassen zu kommen musste er sich einen Stuhl zu Hilfe nehmen, weil er sonst nicht an die oberen Schränke kam. Für seinen Vater machte er Wasser heiß und brühte ihm einen Ingwertee auf. Ohne seinen Vater, der immer vor ihm aufstand, besonders wenn es bereits Nachmittag war, fühlte er sich einsam und deshalb ging er leise ins Schlafzimmer. „Papa?“ Von Yasuo war nur ein schwarzer Haarschopf zu erkennen, der Rest war unter der dicken Bettdecke vergraben. „Papa, geht es dir besser?“, fragte Atemu vorsichtig nach. Wieder bekam er keine Antwort, deshalb kletterte er aufs Bett und zog die Bettdecke ein Stück runter. „Papa? Bist du wach?“ Yasuo fing an sich zu regen und sah seinen Sohn verschlafen an. In Atemu’s Augen sah sein Vater nicht viel besser aus. „Wie geht es dir?“ „Etwas besser.“ Yasuo’s Stimme hörte sich zwar dünn und kratzig an, aber er konnte wieder sprechen. „Ich bin so erleichtert. Möchtest du etwas essen?“ Yasuo schüttelte den Kopf. „Du kannst dir aber was bestellen. Such dir aus, was immer du möchtest.“ „Alleine möchte ich nicht essen. Es reicht mir wenn du ein bisschen isst.“ Leicht beleidigt sah Atemu aus seinen roten Augen. „Na schön“, gab Yasuo sich geschlagen. „Dann bestellt mir einfach was mit, okay?“ Glücklich nickte Atemu. „Ich bring dir nur deinen Tee und dann such ich uns was aus.“ * „Der kleine Streber fehlt mal wieder zwei Tage, das ist doch ein Grund zur Freude.“, versuchte Bakura seinen Freund Seto aufzumuntern, als sie beim Essen saßen. „Der holt den Unterrichtsstoff eh wieder nach.“ Missgelaunt stocherte Seto in seinen Nudeln herum. Überlegend sah Bakura auf seinen Teller. „Du willst wirklich nachher zu den Katsuro’s gehen? Obwohl dir der Kleine so missfällt?“ „Ich habe meinem Vater bereits zugesagt und ich stehe zu meinem Wort.“ „Das gefällt mir nicht.“, wurde jetzt auch Bakura’s Laune schlechter. „Lass dich bloß nicht um den Finger wickeln. Nicht das du noch mit dieser kleinen Kröte hier anbandelst und ich abgemeldet bin.“ Seto konnte sich ein auflachen nicht verkneifen. „Ich und Atemu? Das glaubst du doch selber nicht?“ „Du zeigst schon Interesse an ihm und du hast mich neulich davon abgehalten ihn grün und blau zu prügeln.“ Seto konnte nur mit den Schultern zucken. „Ich weiß auch nicht, was da über mich gekommen ist.“ In Wirklichkeit wusste Seto ganz genau, was mit ihm los war. Sein Gewissen hatte sich gemeldet, weil ihm in diesem Moment klar wurde, das hier was ganz falsch lief und er nicht unschuldig daran war. * Zufrieden schaute Atemu sich den gedeckten Tisch an. Er wollte auf Nummer sicher gehen und hatte gleich fünf verschiedene Gerichte bestellt. Der Lieferdienst vom Restaurant brachte ihnen eine Miso Suppe, Sukiyaki, Tempura, Sashimi und Schweinefleisch mit Curry. Atemu richtete die Speisen so auf dem Esstisch an, das sich jeder nehmen konnte was er wollte. Stolz auf sein Werk flitze er ins Schlafzimmer und scheuchte seinen Vater aus dem Bett. „Du kannst essen kommen. Dr. Kaiba ist bestimmt auch gleich da. Dann kann er mit uns zusammen essen.“ Stirnrunzelnd richtete Yasuo sich auf. „Warum denn Dr. Kaiba? Der war doch erst hier?“ „Hörst du mir überhaupt zu?“, empörte sich Atemu. „Er hat uns eine Notiz auf dem Wohnzimmertisch hinterlassen. Er wollte heute Nachmittag nach dir sehen.“ Yasuo konnte seinen Sohn nur anstarren. Wurde er diesen Mann denn gar nicht mehr los? Das schlimmste an der ganzen Sache war Atemu, der aus welchen Gründen auch immer, einen Narren an diesem Kurpfuscher gefressen hatte. „Willst du einen frischen Pyjama, oder reicht dir ein Morgenmantel?“ „Mir egal“, brummte Yasuo und schlug die Bettdecke beiseite. Atemu wühlte im Kleiderschrank rum und warf seinem Vater eine schwarze Stoffhose und einen blauen Pulli aufs Bett. „Das ist kein Pyjama.“, wunderte sich Yasuo. „Du sollst wenigstens etwas vernünftig aussehen und deine Haare solltest du auch noch kämmen. Die stehen in alle Richtungen ab.“ „Willst du mich verkuppeln?“ „Ja!“, antwortete Atemu ganz unverblümt. Yasuo wuschelte sich absichtlich mit den Händen durch die Haare, damit sie noch schlimmer aussahen. „Da mach ich nicht mit.“ Grummelnd stampfte Atemu ins Badezimmer und holte eine Bürste. „Wehe du hältst nicht still.“ „Atemu, ich meine es ernst! Ich will von diesem Mann nichts wissen.“ „Du weißt nur nicht, das du es willst.“ Atemu kletterte aufs Bett und stellte sich hinter seinen Vater. Viel zu grob kämmte er die schwarzen Haare, die zum Glück nicht ganz so widerspenstig waren, wie seine eigenen. „Du tust mir weh.“ Yasuo hatte Tränen in den Augen und biss die Zähne zusammen. „Nur weil du nicht still hältst.“ Atemu betrachtete sein Werk und fand es gerade so in Ordnung. „Jetzt zieh dich um und hör auf zu meckern.“, befahl Atemu. „Die arme Frau, die dich mal abkriegt.“ „Was hast du gesagt?“ „Ich sagte, seit wann bist du nur so eine Nervensäge?“ „Seit heute!“ Als es klingelte rannte Atemu zur Tür und ermahnte seinen Vater nochmal sich schnell umzuziehen. „Den schmeiß ich sowieso gleich wieder raus.“, murmelte Yasuo vor sich hin und warf seinen Pyjama, nachdem er ihn ausgezogen hatte, auf den Boden. Ungeduldig wartete Atemu vor der Tür, doch sein Lächeln wurde ihm schlagartig aus dem Gesicht gewischt, als er neben Seth auch Seto erblickte. „Oh nein.“ „Hallo Atemu“, grüßte Seth ihn. „Wie geht es unserem Patienten?“ Atemu brauchte einen kurzen Moment um seine Sprache wieder zu finden. „Etwas besser, er hat lange geschlafen.“ „Das freut mich zu hören. Heute begleitet mich Seto. Vertragt euch bitte.“ „An mir liegt es nicht.“, versuchte Atemu nett zu klingen, was ihm aber nicht gelang. „Als ob ich es nötig hätte.“, ranzte jetzt auch Seto. Seth versuchte es zu ignorieren und stellte seine Tasche auf dem Boden ab. „Das Essen steht auf dem Tisch, wollt ihr mit essen ?“, begann Atemu und sah deutlich, wie Seth ein gezwungenes Lächeln aufsetzte. „Das Essen habe ich bestellt.“, setzte er hinterher. Erleichtert atmete Seth durch. „Dann liebend gerne.“ „Sie sind wieder da! Welch eine Überraschung.“, brummte Yasuo mit kratziger Stimme und ging schnurstracks in die Küche. „Wie immer gut gelaunt.“, lächelte Seth und lief gemächlich hinterher. Seto warf Atemu einen giftigen Blick zu, der versuchte diese stumme Geste zu ignorieren und ging zu den beiden Erwachsenen. „Du hast aber viel bestellt.“, wunderte sich Yasuo und sah seinen Sohn fragend an. „Wo hast du das alles her?“ „Aus dem Schlemmer Paradies.“ „Was? Du hast dir das teuerste Restaurant der Gegend ausgesucht?“ „Natürlich! Nachdem ich Dr. Kaiba gestern fast vergiftet hätte, muss ich es heute doch wieder gut machen.“ „Ich will gar nicht wissen, wie viel das alles gekostet hat.“ „Können wir jetzt essen?“, wollte Atemu wissen und setzte sich auf seinen Platz. „Muss ich dieses Theater wirklich mitmachen?“ Mit zusammengezogenen Augenbrauen sah Seto seinen Vater an, der ihn gekonnt ignorierte. Yasuo war so nett ihm zu antworten. Wobei man das Wort `nett´ relativ sehen konnte. „Mir passt das auch nicht, aber ich trage es wie ein Mann. Also hör auf zu zetern und iss so viel du kannst. Ich will von diesem sündhaft teuren Essen nichts wegschmeißen!“ Seto wollte zum Konter ansetzen, doch der mahnende Blick von Yasuo machte deutlich, das er keine Widerworte duldete. Mürrisch setzte sich Seto auf den letzten freien Stuhl. Wenigstens sahen die Gerichte appetitlich aus und es war sogar Sukiyaki dabei, welches er schon ewig nicht mehr gegessen hatte. „Sie sehen müde aus, Dr. Kaiba.“, bemerkte Atemu zwischen zwei Bissen. „Es war eine lange Nacht und meine Arbeit darf nicht auf der Strecke bleiben.“ Schuldbewusst senkte Atemu den Kopf. Inzwischen wusste er, das seine Panik unbegründet war und er die Kontrolle über sich verloren hatte. „Mach doch nicht so ein Gesicht.“, lächelte Seth ihm aufmunternd zu. „Deinem Vater geht es jetzt besser und dass ist das wichtigste.“ „Was machen Sie denn beruflich?“, redete Seto dazwischen, der Yasuo seinen vernichtendsten Blick schenkte den er drauf hatte. Yasuo wollte sich gerade einen Löffel mit Miso Suppe zu Gemüte führen. „Ich hacke Computersysteme.“ Zwar hatte er keinen großen Hunger, aber das Essen tat wirklich gut. Seto sah ihn ratlos an. „Das ist doch illegal.“ Atemu schluckte seinen Bissen runter, weil sein Vater nicht die Anstalten machte zu antworten. „Mein Vater ist IT-Security Consultant. Er hackt sich für Firmen in ihre Computersysteme und sucht so die Schwachstellen. Er greift sie also mit ihrer Erlaubnis an, damit sie wissen, was sie verbessern müssen.“ Seto sah wieder zu Yasuo und legte verwirrt den Kopf schief. „So intelligent sieht der aber nicht aus.“ Yasuo entgleisten die Gesichtszüge, während Seth rote Wangen bekam. „Aber Seto, so was kannst du doch nicht laut sagen!“ „Warum denn nicht? Ich hätte nicht gedacht, das er überhaupt arbeitet.“ Am liebsten wäre Seth laut geworden, weil sein Sohn es wieder tat. Wieder fing er an jemanden zu vergraulen, für den er sich interessierte. „Siehst du Papa.“, fing Atemu tadelnd an. „Du hättest dich doch mehr zurecht machen sollen.“ „Ich sehe auch so gut aus. Einen schönen Mann kann halt nichts entstellen.“, überlegte Yasuo gespielt. Ihm entging Seth’s betrübter Gesichtsausdruck nicht und er sah deutlich, wie sehr dieser sich für seinen Sohn schämte. „Da kann man auch anderer Meinung sein.“, stichelte Seto weiter. „Du sagst gerade heraus was du denkst. Eine Charaktereigenschaft die ich sehr schätze.“ Yasuo beobachtete Seto aus den Augenwinkeln und konnte genau sehen, das er mit dieser Antwort nicht gerechnet hatte. Atemu beobachtete gespannt Seto, der sich sichtlich ärgerte. Auch Seth verfolgte dass Geschehen und hoffte inständig das es nicht eskalierte. „Vergiss nicht vor lauter Ärger deinen Teller leer zu essen, kleiner Seto. Die Gerichte waren teuer.“, sagte Yasuo, der selbst nichts mehr runter bekam, aber dennoch weiter aß. „Kleiner? Das passt zu Atemu, aber doch nicht zu mir.“ Entrüstet sah Seto zu diesem Mann, der gemächlich seine Suppe löffelte. Yasuo lachte verhalten. „Du bist einen ganzen Kopf kleiner als ich. Also ist das schon richtig so.“ Seto bekam rote Wangen, etwas das Seth höchst selten bei seinem Sohn sah. „Arschloch!“ „Seto, es reicht.“, grätschte Seth dazwischen und stand auf. „Du entschuldigst dich sofort.“ „Bei dem? Niemals!“ Yasuo winkte ab. „Reg dich nicht auf. Der Junge muss nur Dampf ablassen. Ich war früher auch so und meine Brüder erst. Die waren noch viel schlimmer.“, grinste Yasuo, dem das wirklich nichts ausmachte. Er durchschaute Seto’s Provokation, die nur dazu diente ihn zu reizen. „Aber...“ Seth setzte sich wieder und sah Yasuo entschuldigend an. „Jetzt guck doch nicht wie ein geschlagenes Reh. Es ist doch offensichtlich, das er mich nur provozieren will. Nicht wahr, kleiner Seto.“ Leer schluckte Seto. Noch nie hatte ein Erwachsener so locker auf seine Provokationen reagiert. Vielleicht tat er auch nur so und in Wirklichkeit ärgerte er sich darüber. „Papa?“, fragte Atemu, den die Unterhaltung nicht länger interessierte. „Ja?“ „Da wir heute keinen Nachtisch haben, darf ich an den Schrank und uns was süßes raus holen?“ „Ja, heute darfst du.“, zwinkerte Yasuo. Glücklicherweise hatten alle gut gegessen und es war nicht mehr viel übrig geblieben. Atemu zögerte nicht und schob seinen Stuhl an die Arbeitsfläche. „Ich möchte mich trotzdem für meinen Sohn entschuldigen, Yasuo.“ Seth konnte und wollte es nicht so stehen lassen. „Du kannst nichts für das Verhalten deines Sohnes und eigentlich ist er doch ganz niedlich, wenn er so bockig ist.“ Yasuo wuschelte Seto durch die braunen Haare und man konnte deutlich sehen, das es ihm nicht passte. „Wollt ihr lieber Kekse, oder kleine Törtchen?“, wollte Atemu wissen. „Ich passe heute.“ Yasuo bekam wirklich nichts mehr runter. Dafür war er noch zu krank. „Mir ist das egal.“ Seth lagen Seto’s Worte noch schwer im Magen. „Dann nehme ich die Törtchen.“ Jedem legte Atemu zwei von den kleinen Süßgebäcken neben den Teller, außer seinem Vater natürlich. „Die sind total lecker. Die müsst ihr probieren.“ Seth kam nicht umhin zu lächeln. Atemu lockerte die Situation mit seiner unschuldigen Art wieder auf. Nach dem Essen wechselten die Väter von der Küche ins Wohnzimmer, während Atemu Seto sein Zimmer zeigte. Ersterer wollte seinen Vater mit Seth alleine lassen, damit sie sich in Ruhe unterhalten konnten. Doch anders als er dachte, waren die beiden alles andere als entspannt. „Hoffentlich vertragen sie sich.“, betete Seth. „Wird schon schief gehen. Wir sind ja hier.“, sah Yasuo die Sache lockerer. „Du hast gesehen, wie angriffslustig Seto sein kann. Er macht nicht mal vor dir Halt.“ „Dein Junge ist wirklich dreist, aber ich lass mich von einem halbwüchsigen Teenager nicht ins Bockshorn jagen.“ Seth fuhr sich leicht nervös durch die Haare. „Wie geht es dir denn inzwischen? Ich habe dir Tabletten mitgebracht, die du noch fünf Tage nehmen musst. Die Infusionsnadel muss ich auch noch raus ziehen.“ „Immer langsam“, hob Yasuo abwehrend die Hände. „Die Nadel kann ich mir selbst raus ziehen und Tabletten brauche ich nicht.“ „Natürlich brauchst du Tabletten, oder willst du das alles wieder von vorne los geht?“ „Wird es schon nicht.“ Seth wurde energischer. „Deine Stimme klingt wie eine kaputte Querflöte. Wenn du keine Medikamente nimmst, wird die Entzündung in deinem Hals wieder schlimmer.“ „Du tickst doch nicht richtig und komm gefälligst nicht so nah an mich ran.“ Yasuo rutschte ein großes Stück weg, was Seth nur noch mehr anheizte. „Für so schüchtern hätte ich dich nicht gehalten.“ „Bin ich auch nicht!“ „Warum bist du es dann bei mir?“ „Weil...weil du einer von ihnen bist!“, gestand Yasuo und war am Ende der Couch angekommen. „Einer von ihnen?“, wiederholte Seth langsam. „Wie meinst du das? Weil ich ein Arzt bin?“ „Ja!“ Seth entfernte sich ein Stück von Yasuo. „So ganz verstehe ich dich nicht. Ich habe dir letzte Nacht doch geholfen und du siehst viel besser aus. Wie kannst du da noch Angst vor mir haben?“ „Das Eine hat mit dem Anderen nichts zu tun. Das sind zwei völlig unterschiedliche Dinge.“ „Na gut, ich versuche das zu verstehen, aber kannst du vielleicht vergessen, was ich für einen Beruf habe und mich wie einen normalen Menschen behandeln?“ „Ausgeschlossen! Du hast deine Tasche wieder mitgebracht und ich will wissen, was du damit vor hast?“ Warum war dieser Mann nur so kompliziert? So kam Seth jedenfalls nicht weiter. Interessiert sah Seto sich um. Dieser Raum war eine Mischung aus Kinder- und Jugendzimmer. Das Bett stand vor dem Fenster und daneben fand der Schreibtisch seinen Platz. Auf der anderen Seite stand ein Regal mit einer kleinen Stofftierarmee, die Seto abfällig musterte. „Bist du nicht zu alt für so einen Kinderkram?“ Beleidigt verschränkte Atemu die Arme vor der Brust. „Mein Opa hat sie mir geschenkt. Sie sind ein Andenken an ihn.“ Seto ging nicht weiter darauf ein. Sein Blick fiel auf das große Bücherregal und er nahm ein Buch in die Hand. „Du liest Edgar Allan Poe?“ „Ja, mein Vater hat mir mal dieses Buch empfohlen und ich fand es echt interessant. Ich habe auch Shakespeare gelesen, aber ich fand ihn zu dramatisch und er hat so schwülstig daher geredet.“ Auch Seto kannte diese Bücher und hätte bei Atemu´s zum Teil kindlicher Art nicht gedacht, das er so etwas las. „Warum kannst du mich nicht leiden?“, wollte Atemu endlich wissen. Seto zuckte mit den Schultern. „Weil du immer gleich losheulst und allgemein nicht in unsere Klasse passt.“ Atemu´s Wangen bekamen ein gesundes rot und er sah seinen Gegenüber angriffslustig an. „Du würdest auch heulen, wenn dir jemand mit der Faust ins Gesicht schlägt.“ „Habe ich geheult, als du mir eine verpasst hast? Nein! Da hast du deine Antwort.“ „Warum bist du nur so ein Ekelpaket? Hältst du es überhaupt mit dir selber aus?“, wurde Atemu lauter, was Seto´s Grinsen nur noch breiter werden lies. Er provozierte diesen kleinen Giftzwerg für sein Leben gerne. „Ich komme gut klar. Was ist eigentlich mit deiner Mutter? Konnte sie so eine Heulsuse wie dich nicht mehr ertragen?“ Atemu ballte die Hände zu Fäusten und platze fast vor Wut. „Wenigstens mach ich meinem Vater nicht das Leben schwer und blamiere ihn vor anderen.“ „Damit triffst du mich jetzt aber richtig hart, du kleine Giftkröte.“, rollte Seto die Augen. Seth und Yasuo seufzten und ließen die Köpfe hängen. „Das hat ja nicht lange gedauert.“, grummelte Yasuo und stand auf. „Zu überhören sind sie jedenfalls nicht.“ Auch Seth erhob sich und ging hinter ihm her. Warum mussten die Zwei ausgerechnet jetzt ihr Gespräch unterbrechen? „Ich lasse mich von dir doch nicht beleidigen.“ Aufgebracht ging Atemu auf Seto los und versuchte ihm eine rein zu hauen. Dieser wich geschickt aus, denn er wollte sich dieses Mal nicht schlagen lassen. Jetzt setzte er selbst zum Gegenangriff an und holte mit der Faust aus. In diesem Moment ging die Tür auf und Yasuo wollte etwas sagen, doch dazu er kam nicht mehr, denn Seto’s Faust traf ihn mitten ins Gesicht. Atemu hielt sich vor Entsetzen beide Hände vor den Mund, während Seto nicht fassen konnte, was er da eben angestellt hatte. Yasuo sank auf die Knie und hielt sich die blutende Nase. Die letzte Nacht war ja nicht schon schlimm genug gewesen, da fehlte ihm noch ein satter Faustschlag ins Gesicht um das ganze Perfekt zu machen. Auch Seth stand zunächst wie versteinert da und musste erst einmal die Schrecksekunden verdauen. Das hatte sich dann mit Yasuo wohl erledigt. Am liebsten hätte Seth seinen Sohn an Ort und Stelle übers Knie gelegt, doch jetzt musste er sich erst einmal um Yasuo kümmern, der sich mit dem Ärmel seines blauen Pullis über die Nase wischte und aufstand. „Das kriege ich nicht mehr raus.“, murmelte er vor sich hin. Yasuo´s Blick fiel auf Atemu, der schuldbewusst den Kopf senkte. „Nachtisch fällt die nächsten Tage aus.“ Atemu nickte kleinlich und war froh, dass es seinem Vater soweit gut ging, wenn man mal davon absah, das seine Nase stark blutete. „Seto?“, kam es so streng wie schon lange nicht mehr von Seth, der sich noch nie so für seinen Sohn geschämt hatte. Seto sah seinem Vater trotzig in die Augen. „Jetzt brauchen wir wenigstens nicht mehr herkommen. Also reg dich ab!“ Seth wusste nicht wie er auf dieses Verhalten seines Sohnes reagieren sollte und fand keine Worte dafür. An Dreistigkeit war das nicht mehr zu überbieten. Yasuo sah zu Seth rüber, der machtlos da stand und nach den richtigen Worten der Entschuldigung suchte. Deshalb räusperte er sich, damit er Seto’s Aufmerksamkeit bekam. „Wenn du das nächste Mal zuschlägst, dann musst du mehr Gewicht rein legen.“, sagte er in einem spottenden Tonfall. „Außer viel Blut, wirst du mit so einem Schlag gar nichts erreichen und du machst dich selbst lächerlich.“ Damit drehte Yasuo sich um und ging ins Badezimmer, bevor er noch den Teppich mit Blut voll tropfte. Seth hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit. Ohne ein Wort an Seto zu richten ging er ihm hinterher und stellte sich in die Tür vom Badezimmer. „Kann ich dir behilflich sein?“ Yasuo schüttelte den Kopf. „Mit der herannahenden Faust eines Teenagers habe ich nun wirklich nicht gerechnet.“, lächelte Yasuo und drückte sich ein Tuch auf die Nase. „Bist du denn nicht sauer?“, runzelte Seth skeptisch die Stirn. Fragend legte Yasuo den Kopf schief. „Warum sollte ich denn sauer sein? Es sind Jungs und ich habe schon damit gerechnet, das sie sich die Köpfe einschlagen. Manchmal müssen sie sich zusammen raufen und mein Junge war auch nicht unschuldig daran.“ Mit allem hatte Seth gerechnet, aber nicht damit. „Du bist hart im nehmen.“ Yasuo winkte ab. „Ich habe schon schlimmeres abbekommen.“ Tief atmete Seth durch. „Soll ich schauen ob was gebrochen ist?“ Hastig schüttelte Yasuo den Kopf. „Bloß nicht! Ich geh mir nur einen neuen Pullover anziehen.“ Flink wie ein Wiesel hastete Yasuo ins Schlafzimmer und knallte die Tür hinter sich zu. „Einen Faustschlag steckt er weg, aber wenn es um eine Untersuchung geht, verwandelt er sich in ein Kleinkind.“, schmunzelte Seth. Atemu stand noch immer wie angewurzelt da und hatte ein furchtbar schlechtes Gewissen. „Ist dir das nicht unangenehm?“ „Ich wüsste nicht weshalb.“, log Seto und versuchte ein gleichgültiges Gesicht zu machen. So kaltschnäuzig konnte Atemu nicht sein. „Mein Vater kann ganz schön sauer werden.“ „Soll er doch mit mir schimpfen.“ Wenn Seto daran dachte, wie er neulich mit Bakura gesprochen hatte, wurde ihm ganz anders. „Glaub mir, das willst du nicht.“ Langsam wurde Seto nervös. „Dein Vater wird uns nicht mehr hier haben wollen. Ist auch besser so. Ich wollte sowieso nichts mit euch zu tun haben.“ „Was hast du nur gegen uns?“ Ratlos sah Atemu zu Seto, der es anscheinend selber nicht wusste, denn eine Antwort bekam er nicht. Yasuo lehnte sich gegen die Schlafzimmertür und war froh entkommen zu sein. Das hatte noch gefehlt. Wegen ein bisschen Blut so einen aufstand zu machen, kam für ihn gar nicht in Frage. Noch einmal lies er diesen Arzt nicht an sich ran und diese dämliche Nadel steckte immer noch in seiner Armbeuge. „Das hat dieser Hund absichtlich gemacht, damit der einen Grund hat wieder zu kommen.“ „Ist Papa schon fertig?“, wollte Atemu wissen, als er sich im Wohnzimmer zu Seth gesellte. „Noch nicht.“ „Blutet seine Nase immer noch?“ „Es geht, wie ist es denn so weit gekommen?“ Atemu senkte den Blick. „Das war wohl meine Schuld. Ich habe mich von Seto provozieren lassen und dann...“ Seth legte seine Hand auf die schmale Schulter. „Du solltest dich bei Seto und auch bei deinem Vater entschuldigen. Mit Seto werde ich natürlich auch noch sprechen.“ Atemu nickte geknickt. „Es tut mir wirklich leid.“ Was waren das noch für Zeiten, als Seto so Pflegeleicht war. Nun reichte ein einfaches Gespräch aus und sie würden wieder aneinander geraten. „Ich bin dann soweit wieder hergestellt.“ Yasuo zog beide Augenbrauen hoch, als Atemu mit gesenkten Kopf auf ihn zu kam. „Es war meine Schuld. Bist du noch sehr wütend?“ Yasuo konnte auf seinen Sohn nie lange böse sein. Besonders dann nicht, wenn er ihn mit seinen großen Augen so traurig ansah. „Versprichst du mir, dass das nie wieder passiert?“ „Versprochen.“ „Dann lass uns diese Angelegenheit vorerst vergessen, aber dein Nachtisch ist dennoch für die nächsten Tage gestrichen.“ Atemu zog eine Schnute. „Bist du sicher?“ Nein, Yasuo war sich nicht sicher. „Natürlich“, kam es gequält. Da Atemu zum zweiten Mal angefangen hatte seine Probleme mit Gewalt zu lösen, musste Yasuo jetzt Konsequenzen ziehen. „Geh mal Seto holen. Nicht das er sich nicht mehr aus deinem Zimmer traut.“ „Mach ich.“ Seth lachte leise. „Es ist nicht leicht ihn zu bestrafen, wenn er einen aus diesen großen Augen ansieht.“ „Da sagst du was. Er kann aber auch unglaublich stur sein, wenn er will.“ „Dann kommt er wohl ganz nach dir.“, konnte sich Seth diesen Kommentar nicht verkneifen, aber er meinte es nicht böse. Yasuo räusperte sich. „Ich weiß nicht was du meinst.“ Atemu setzte sich auf sein Bett und sah Seto entschuldigend an. „Da ich zuerst zugeschlagen habe, werde ich mich auch zuerst entschuldigen.“, begann Atemu. Seto’s Wut auf dieses Vatersöhnchen wuchst. „Jetzt hör doch auf. Was glaubst du damit zu erreichen?“ Atemu versuchte sich zusammen zu reißen, bevor er wieder die Kontrolle verlor. Sonst bekam er nie wieder seinen heißgeliebten Nachtisch vorgesetzt. „Ich habe einen Fehler gemacht und deshalb entschuldige ich mich auch.“ „Na gut.“ Genervt machte Seto eine ausschweifende Handbewegung. „Entschuldigung angenommen.“ Atemu lies das mal so stehen. „Dann kannst du jetzt zu meinen Vater gehen. Er will das du zu ihm kommst.“ „Warum das denn?“ „Keine Ahnung? Vielleicht weil du ihn geschlagen hast?“ Das wollte Seto nun wirklich nicht, aber was blieb ihm für eine Wahl? Dann ratterte er halt eine Entschuldigung runter und dann konnten sie endlich gehen. „Du solltest dich ins Bett legen.“, empfahl Seth. „Aber zuerst bekommst du deine Medikamente.“ „Vergiss es.“, ging Yasuo in Abwehrhaltung und wurde auf Seto aufmerksam, als dieser auf ihn zu kam. „Für den Schlag auf die Nase entschuldige ich mich bei Ihnen.“, versuchte Seto seine Entschuldigung runter zu rasseln, aber er konnte Yasuo dabei nicht in die Augen sehen. „Atemu hat dich provoziert und ich kann dich auch auf eine Art verstehen.“, begann Yasuo. Seto konnte sich nicht vorstellen worauf dieser Mann hinaus wollte und quiekte auf, als Yasuo ihn spielerisch in den Schwitzkasten nahm und durch seine Haare wuschelte. „Jungs müssen auch mal über die Strenge schlagen, hab ich recht?“ Mit so einer Reaktion hatte Seto nun wirklich nicht gerechnet und war dementsprechend perplex. Auch Seth war überrascht wie locker Yasuo diesen Vorfall hinnahm und hätte ihn in diesem Punkt anders eingeschätzt. „Sie sind nicht sauer?“, hakte Seto sicherheitshalber noch mal nach. „Auch quatsch! Ich war die ersten Minuten nur fassungslos, weil ich nicht damit gerechnet habe.“ Seto war sprachlos und stand verdattert da. „Dann ist gut, glaube ich.“ Wieso lies dieser Mann so ein unverschämtes Verhalten ohne Konsequenzen? Seine anfängliche Verwirrtheit verwandelte sich in Wut, denn dass hieße, sie würden sich aller höchster Wahrscheinlichkeit nach von nun an öfter sehen. „Mein Vater scheint dich zu mögen.“, lächelte Atemu Seto zu. „Ist nicht dein Ernst?“ Für Seto lief dieser Tag ganz anderes, als er sich das vorgestellt hatte und schoss Eisblitze aus seinen Augen. Yasuo entgingen die eisigen Blicke des jungen Kaiba Sprösslings nicht und fand das sehr amüsant. Breit grinsend sah er zu Seth. „Wie es aussieht haben unsere Jungs vorerst ihr Kriegsbeil begraben. Wir sollten das wiederholen.“ Yasuo beobachtete genau Seto´s Reaktion, dessen Kinnlade gerade aufklappte und ihn dann voller Unglauben anstarrte. Dabei entging ihm Seth´s Reaktion, dessen Herz einen kleinen Hüpfer machte. „Du willst uns wirklich wiedersehen?“, hakte Seth zur Sicherheit nach. „Warum nicht? Es scheint Seto und Atemu zu helfen, wenn sie ihre Freizeit zusammen verbringen. Sie sollten sich besser kennenlernen und dadurch lernen miteinander auszukommen.“ Atemu lachte in sich hinein. Es lief zwar nicht wie geplant, aber es lief. Seto konnte es einfach nicht glauben. So war es nicht geplant gewesen. „Ich habe noch was anderes zu tun, als hier meine Zeit zu verschwenden.“, platze es aus ihm wutentbrannt raus. Seth wollte seinen Sohn zurecht weisen, als ihm Yasuo zuvor kam. „Du meinst mit diesem Schläger um die Häuser ziehen? Das wird vorerst vorbei sein. Wir werden uns in nächster Zeit ganz oft sehen.“ „Da spiel ich nicht mit.“ Am liebsten hätte Seto einen ausgewachsenen Wutanfall bekommen, aber dafür war er dann doch zu stolz. Yasuo sah Seto mit leichter Belustigung an. „Du schuldest mir was!“ Seto zog Falten in seine Stirn. „Wie bitte?“ „Du hast mir eine runter gehauen und nun stehst du bei mir in der Schuld. Findest du nicht, das du Wiedergutmachung leisten solltest? Oder hast du so wenig Ehre im Leib, das du deine Fehler einfach so ungesühnt lässt?“ Seto biss sich auf die Unterlippe. Dieser Erwachsene war ganz anders, als die anderen, die sein Vater bisher angeschleppt hatte. „Selbstverständlich nicht!“ „Siehst du. Deshalb wirst du deine freien Nachmittage mit Atemu und mir verbringen. Fangen wir doch gleich mit diesem Wochenende an!“ Seto konnte nicht glauben, was hier gerade geschah. Das war der reinste Alptraum. Er hatte sich morgen mit Bakura verabredet und sollte ihm jetzt absagen? Für Atemu? „Mein Vater hat bestimmt keine Zeit.“ „Ich habe Zeit. Das ganze Wochenende!“, grinste Seth. Es hätte nicht besser laufen können. Zwar musste er seine Schicht tauschen, aber das war es allemal wert. „Wie schön für dich.“, knurrte Seto und bekam von Yasuo ein aufmunterndes Schulterklopfen. „Guck doch nicht wie sieben Tage Regenwetter. Wir haben bestimmt viel Spaß zusammen.“ „Ganz bestimmt“, sagte Seto mit zusammengebissenen Zähnen. „Dann brauchen wir uns nur noch um deine Gesundheit kümmern.“, versuchte es Seth erneut. „Ich sagte doch bereits, das es nicht nötig ist.“ „Jetzt stell dich noch nicht so an. Lass mich wenigstens die Infusionsnadel raus ziehen!“ „Das kann ich selbst.“ „Das lässt du sein.“ „Ich erkenne deine Hilfe an, aber damit hat es sich.“ „Mensch Papa, du bist echt peinlich.“ Atemu stellte sich vor seinen Vater und sah ihn eindringlich in die Augen. „Die letzte Untersuchung von Dr. Kaiba hast du doch auch überlebt und ich halte auch deine Hand.“ Zur Bestätigung ergriff Atemu die Hand seines Vaters und setzte sich mit ihm auf die Couch. „Du guckst einfach immer zu mir und schaust nicht zu Dr. Kaiba, okay?“ Gott, war das erniedrigend. „Ich schaffe das auch so, mein Junge.“ Yasuo schielte zu Seth rüber, der seine Tasche öffnete und seine Utensilien raus holte. „Du sollst doch zu mir gucken.“ Seto setzte sich angesäuert auf den Sessel und tippte Bakura eine Nachricht. ~Wir können uns und morgen nicht sehen. Mein Vater hat das Wochenende verplant. Gruß Seto~ Es dauerte keine Minute, da bekam Seto eine Antwort, die ihn die Augen verdrehen lies. ~Lass den Alten einfach sitzen. Ich wollte dir doch Ryuji vorstellen.~ Seto schaute zu dem Trio, welches ein wirklich albernes Bild abgab. Yasuo wollte seinen Arm nicht hergeben, während Seth versuchte ihn mit allen Argumenten die ihm einfielen zu überzeugen, das er vorsichtig sein würde. Atemu dreht das Gesicht seines Vaters zu sich, damit er nicht sah, was Seth mit ihm machte. „So ein Kindergarten.“ Seto Tippte wieder eine Nachricht. ~Ich komme morgen um 11 Uhr zu unserem Treffpunkt.~ „Kannst du nicht vorsichtiger sein.“, beschwerte Yasuo sich. „Ich bin vorsichtig.“ Seth klebte noch ein Pflaster drauf und drückte ihm zwei Packungen Tabletten in die Hand. „Je eine Morgens und Abends.“ „So was brauche ich nicht!“ „Ich kontrolliere es, wenn du mir keine Wahl lässt!“ Entrüstet starrte Yasuo diesen dreisten Arzt an. „Du tickst doch nicht richtig. Gar nichts wirst du kontrollieren!“ „So einen widerspenstigen Patienten hatte ich auch noch nicht.“ „Ich bin nicht widerspenstig, sondern habe einen Arzt schlicht und ergreifend nicht nötig!“ Seth dachte gespielt nach. „Das sah letzte Nacht anders aus.“ „Das war eine seltene Ausnahme.“ „Mag sein, aber es ändert nichts an der Tatsache, das du ab und an von einem Arzt Hilfe brauchst.“ Atemu ging zu Seto rüber und stellte sich neben ihn. „Ich bin bereit mit dir auszukommen.“ „Ich aber nicht.“, brummte Seto, dem diese Entwicklung nicht passte. „Das ist dann dein Problem.“ Für Atemu war klar, Seto durfte die aufblühende Freundschaft von ihren Vätern nicht zerstören. Er hielt Seto für keinen schlechten Menschen und wollte gerne herausfinden, warum er sich so abweisend verhielt. Kapitel 7: Vorbereitungen ------------------------- Eins musste Yasuo diesem Arzt lassen, er leistete hervorragende Arbeit, auch wenn er es niemals offen zugegeben hätte. Die Tabletten halfen gut und außer einem kratzen im Hals und einer leicht heiseren Stimme, war er wieder hergestellt. Frisch geduscht und rasiert ging er ins Zimmer seines Sohnes um ihn aufzuwecken. „Hey Schlafmütze, aufstehen.“ Atemu zog sich die Bettdecke über den Kopf, als Yasuo die lilafarbenen Vorhänge öffnete und die Sonne herein lies. „Du hast noch etwas Zeit. Das Frühstück steht auf dem Tisch bereit. Atemu lugte unter der Bettdecke hervor. „Wir frühstücken nicht zusammen?“ „Nein, ich möchte noch schnell einkaufen und uns Lunchpakete für unterwegs fertig machen.“ „Dann scheint es dir wieder besser zu gehen?“ „Du kennst mich ja, ich bin schnell wieder auf den Beinen.“, zwinkerte Yasuo. „Zum Glück.“ Atemu überlegte kurz. „Wo wollen wir heute eigentlich hin? Hattest du mit Dr. Kaiba schon etwas ausgemacht?“ Yasuo zog die Stirn in Falten. „Warum denn mit Dr. Kaiba?“ „Hast du vergessen was du gestern zu Seto gesagt hast?“ „Natürlich nicht!“ Atemu sah seinen Vater auffordernd an und versuchte so ernst wie möglich zu bleiben. „Dr. Kaiba wird Seto natürlich begleiten!“ „Er wird uns begleiten?“ Yasuo ging nochmal zurück und rief sich diesen Moment ins Gedächtnis. Atemu beobachtete seinen Vater genau und wunderte sich, wie verpeilt er manchmal sein konnte. „Scheiße!“, fluchte er laut als die Erkenntnis durchsickerte, was Atemu empört zur Kenntnis nahm. „Man benutzt solche Ausdrücke nicht. Das hast du selbst gesagt!“ „Wieso hast du mir nicht früher Bescheid gesagt?“ „Atemu legte fragend den Kopf schief. „Du hast das gestern voller Überzeugung gesagt. Was hätte ich da sagen sollen?“ Yasuo rieb sich die Schläfen. „Nachher denkt er noch ich habe mich für ihn so zurecht gemacht.“ „Hast du das nicht? Du solltest dir noch eine Krawatte umbinden finde ich.“ „Das hat mir noch gefehlt.“ Yasuo sah auf die Uhr. „Dann muss ich für den auch was fertig machen. Ich kann ihn ja schlecht zugucken lassen.“ Atemu blinzelte ein paar Mal, als sein Vater aus dem Zimmer stürmte. „Das wird ein spannender Tag.“ * Seth sah auf die Uhr. Um 13 Uhr wollten sie sich treffen und von seinem Sohn fehlte jede Spur. „Wieso kann er denn nicht hören? An sein Handy geht er auch nicht.“ Seth war hin und her gerissen. Sollte er Seto suchen gehen? Wahrscheinlich würde er ihn sowieso nicht finden. „Ob Yasuo dann noch etwas unternehmen will ist fraglich.“ dachte er sich. Es war ja noch etwas Zeit, vielleicht kam Seto rechtzeitig zurück. Ihm wurde wieder schmerzlich bewusst, das Seto dies mit Absicht tat und mit allein Mitteln verhindern wollte Yasuo besser kennen zu lernen. * „Elf Uhr. Viel Zeit zum kochen bleibt mir nicht mehr.“ Yasuo sah sich die Schlage an, als er an der Kasse stand. Das dauert noch ein Weilchen bis er dran war und deshalb beschloss er seine Pläne zu ändern. Er verließ die Schlange und packte noch einige andere Dinge in seinen Einkaufswagen. * „Da bist du ja.“, freute sich Bakura und ging auf Seto zu. Seto grüßte seinen Freund zwar, aber seine Gedanken waren bei seinem Vater. Er zweifelte an der Richtigkeit seines Handelns und er fühlte sich schlecht. Sonst hatte er nie Gewissensbisse, wenn sein Vater jemand neues kennen lernte. Warum also dieses Mal? „Wir müssen ein gutes Stück laufen. Es ist ziemlich weit von hier entfernt, aber wir haben ja heute genügend Zeit.“ Bakura fing an von Ryuji zu erzählen und wie er ihn vor wenigen Wochen kennengelernt hatte. Seto hörte nicht hin und schaute zwischendurch auf sein Handy. Bakura erlaubte sich einen Blick auf Seto’s Display zu werfen. „Sei bitte rechtzeitig zurück. Gruß Papa.“ Bakura fing an zu lachen. „Dein Alter ist echt peinlich. Zum Glück sind meine Eltern nicht so. Dann würde ich durchdrehen.“ „Er wollte mit mir und einem Freund etwas unternehmen.“ Seto wurde mit jeden Wort immer nachdenklicher. „Einem Freund? Stimmt ja, dein Alter ist ja ne Schwuchtel. Noch ein Grund mehr ihn heute sitzen zu lassen.“ Seto machte dieser Satz wütend. Er hatte damit nie ein Problem gehabt. „Das stört mich nicht.“ Bakura sah Seto fragend an. „Weshalb vertreibst du dann jeden, der sich in die Nähe deines Alten wagt? Bei einer Frau würdest du das doch ganz bestimmt nicht tun.“ „Du verstehst mich eben nicht.“, keifte Seto zornig. Bakura hob abwehrend die Hände. „Geht mich auch nichts an, welche Gründe du hast.“ „Der Typ ist ganz anders und ich kann ihn nicht einschätzen.“ Bakura hörte aufmerksam zu. „Wie meinst du das? Was macht er denn?“ „Gestern habe ich ihn versehentlich ins Gesicht geschlagen und ich dachte er rastet völlig aus. Aber nichts dergleichen. Er war nicht einmal wütend und...“ „Wie schlägt man denn jemanden versehentlich ins Gesicht?“ Seto war dieses Erlebnis immer noch unangenehm. „Ich wollte seinen Sohn treffen und dann ging die Tür auf.“ „Dann hat dein Alter sich also ein Vater-Sohn-Gespann angelacht. Ist doch sonst nicht seine Art.“ „Verstehe ich genauso wenig. Jetzt sollen wir natürlich etwas gemeinsam unternehmen. Wie im Kindergarten.“ „Der Kerl will dich nur verarschen und dich für sich gewinnen.“, war Bakura überzeugt. „Bei deinem Alten steht der dann gut da. Ist doch oft so.“ „Kann sein.“ Ob das wirklich der Grund war, wagte Seto zu bezweifeln. So zwiegespalten hatte er sich noch nie gefühlt. * Atemu hatte sein Frühstück hinter sich gebracht und beschloss, solange sein Vater noch nicht zuhause war, seine Tasche für den Tag zu packen. Er kletterte in der Küche auf die Arbeitsfläche und bediente sich an seinem Süßigkeitenvorrat. Ganz hinten lagen die Schokoriegel, die er sich für so einen besonderen Tag aufgehoben hatte. „Ich muss nächste Woche unbedingt einkaufen gehen.“ Der Vorrat musste dringend aufgestockt werden. Für solche Fälle sparte Atemu sein Taschengeld. Auf einen Süßigkeiten Notfall musste man schließlich immer vorbereitet sein. * „Da wären wir.“ Bakura klopfte ein paar mal an eine Metalltür, was Seto leicht nervös machte. Ihm gefiel dieser Ort nicht. Sie standen in einer schmalen Seitenstraße und überall lag Müll auf dem Boden. Diese Gegend war ziemlich heruntergekommen und sie gehörte normalerweise nicht zu Seto’s Ausflugszielen. „Bist du dir wirklich sicher mit diesem Ryuji? Schau dir doch mal die Gegend an.“ „Lass das bloß nicht Ryuji hören. Hier hat er halt die meiste Kundschaft.“ „Was für Kundschaft?“ Zum Antworten kam Bakura nicht mehr, denn die Tür öffnete sich und ein junger Mann von 17 Jahren steckte den Kopf durch den Spalt. „Da seid ihr ja.“ Ryuji musterte Bakura’s Begleitung von oben bis unten, was bei Seto Unbehagen auslöste. „Kann man dem wirklich trauen?“ Skeptisch sah Ryuji zu Bakura, der sofort nickte. „Seto ist mein bester Freund und er würde uns nie verpfeifen.“ Mit zusammengezogenen Augenbrauen sah Ryuji Seto an. „Wenn du nur ein Wort über mich verlieren solltest, mach ich dich kalt!“ Als Ryuji sich vor ihm aufbaute und auf ihn herabsah, war Seto sich noch unsicherer als vorher. Ob er wirklich die richtige Entscheidung getroffen hatte? „Antwortest du mir gefälligst?“ „Was soll ich schon erzählen? Natürlich sage ich nichts!“ Ryuji trat aus dem Gebäude und sah Seto argwöhnisch an. Die Tür lies er hinter sich ins Schloss fallen, packte Seto am Kragen und zog ihn zu sich hoch. Sofort mischte Bakura sich ein. „Was wird das? Ich habe Seto nicht mitgebracht, damit du ihn jetzt verprügelst.“ Mit Leichtigkeit schubste Ryuji Bakura, der ein gutes Stück kleiner war, mit seiner freien Hand zur Seite und sah Seto eindringlich an. „Ich habe ein Gespür für Typen wie dich.“ Seto versuchte sich nichts anmerken zu lassen, doch rutschte ihm das Herz einige Etagen tiefer. Das lange Messer in Ryuji’s Gürtel war ihm nicht entgangen. Sein Gesichtsausdruck blieb jedoch kühl und gleichgültig. „Du hast in deinem Leben noch nie etwas unrechtes getan.“, fuhr Ryuji fort. „Wie kommt Bakura also darauf, dich mitzunehmen? Einem Muttersöhnchen wie dir kann man nicht vertrauen.“ „Mach mal langsam.“, mischte sich Bakura wieder ein. „Seto ist in Ordnung!“ Ryuji’s Blick wanderte zu Bakura, der ihn bittend ansah. „Ich habe ein Gefühl für kleine Ratten und dein Freund wird mich anschwärzen, wenn er mitbekommt, was ich tue.“ Für Seto wurde der Griff allmählich schmerzhaft und er fing an gegen Ryuji anzukämpfen. * Zufrieden mit allem fuhr Yasuo sein Auto durch die leeren Straßen der Stadt. Er musste einen langen Umweg in Kauf nehmen, weil es einen Unfall auf seiner Standartstrecke gegeben hatte. Sein Blick fiel auf drei Jugendliche, die sich zu streiten schienen. Yasuo musste zwei Mal hinsehen bis er erkannte, wer da in Schwierigkeiten steckte. Er trat so kraftvoll auf die Bremse, das die Reifen quietschten. Die hupenden Autos hinter sich beachtete er nicht und stieg aus. „Was glaubst du da zu tun?“, brüllte Yasuo und eilte auf die drei zu. Bakura zog den Kopf ein und trat einige Schritte zurück. Das letzte Mal, als er diesem Mann begegnet war, lag ihm noch im Gedächtnis, auch wenn er es niemals zugegeben hätte. Ryuji stieß Seto grob von sich weg und dieser viel durch den Ruck zu Boden. Yasuo war sofort bei ihm und kniete sich zum ihm runter. „Ist alles in Ordnung?“ „Was soll schon sein?“, zischte Seto, dem das ganze furchtbar unangenehm war. Auch wenn er angefaucht wurde, war Yasuo froh darüber, das Seto unversehrt war. Er schaute zu Ryuji hoch und zog die Augenbrauen zusammen. „Vergreifst du dich immer an schwächeren?“ „Was geht dich das an? Pass lieber auf was du sagst!“ Ryuji lies sich doch von dem nichts sagen und legte seine Hand an den Griff seines Messers. „Ich soll also aufpassen?“ Yasuo fackelte nicht lange und drängte Ryuji an die Hauswand, in dem er ihn an der Jacke festhielt. „Solltest du Seto noch einmal bedrohen, wirst du es sein, der Hilfe braucht. Kleine Hosenscheißer wie du machen mir keine Angst.“ „Was fällt dir ein?“, keifte Ryuji und versuchte sich zu befreien in dem er sein Messer aus dem Gürtel zog. Yasuo packte sein Handgelenk und pinnte es an der Hauswand fest. „Ich habe früher oft mit Typen wie dir zu tun gehabt. Halte dich von Seto fern, sonst bekommst du es mit mir zu tun. Dein kleines Spielzeug wird gegen mich nichts nützen und wenn du schlau bist, machst du dich jetzt vom Acker.“ Er lies Ryuji los, packte stattdessen Seto’s Arm und zog ihn mit sich. „Lass mich los!“ „Du kommst mit. Das hier ist keine Gegend für dich. Was machst du überhaupt hier?“ „Das geht dich nichts an und spiel dich nicht auf, als wärst du mein Vater! Ich komme alleine zurecht.“, brüllte Seto und versuchte sich zu befreien. „Das habe ich gesehen. Dieser Bakura hat dich doch wieder angestiftet. Am besten nehme ich dich mit. Hier kann ich dich jedenfalls nicht lassen.“ „Lass Los!“ Seto konnte nicht glauben wie viel Kraft dieser Mann besaß. Bakura ballte die Fäuste. Wie konnte dieser Spinner es wagen Seto einfach mitzunehmen? „Lassen Sie gefälligst meinen Freund los!“ Yasuo blieb stehen und drehte sich zu Bakura um. „Du solltest dich auch von solchen Leuten fern halten. Noch ist es nicht zu spät für dich. Wenn du willst nehme ich dich auch mit.“ Bakura war für einen Moment perplex, aber fing sich schnell wieder. „Ich lass mir von dir doch nichts vorschreiben. Verpiss dich einfach, du alter Sack.“ „So eine Antwort habe ich erwartet.“ Yasuo forderte Seto auf in sein Auto zu steigen, der sich vehement weigerte. „Entweder steigst du freiwillig ins Auto, oder du wirst mit dem Kofferraum vorlieb nehmen!“ „Das wagen Sie nicht.“ „Oh doch!“ Yasuo warf Seto über seine Schulter und öffnete den Kofferraum.“ „Letzte Chance.“ „Lassen Sie mich runter. Das können Sie nicht machen.“ „Du würdest dich wundern was ich alles kann.“, grinste Yasuo. „Willst du wirklich im Kofferraum transportiert werden?“ Seto versuchte ruhiger zu werden. Er konnte sich so viel wehren wie er wollte, doch gegen diesen Mann war er Chancenlos. „Ich setzte mich ins Auto.“ Yasuo war wirklich froh darüber. Er hatte viel eingekauft und für Seto wäre es eng im Kofferraum geworden. „Warum nicht gleich so? Atemu ist genauso ein Sturkopf, wie du es bist.“ „Vergleichen Sie mich nicht mit diesem Kindskopf.“ Erleichtert abgesetzt zu werden setzte Seto sich auf den Beifahrersitz. Wenn er ehrlich zu sich gewesen wäre, hätte er sich eingestanden froh über Yasuo’s auftauchen zu sein. Dieser Ryuji war ihm zu aggressiv und ob er eine Chance gegen ihn gehabt hätte, war fraglich. Yasuo sah noch einmal zu Bakura bevor er einstieg. „Willst du wirklich nicht mitkommen?“ „Verpiss dich!“, sagte Bakura in einen scharfen Ton. Yasuo stieg Kopfschüttelnd ein und fuhr los. „Was war das denn für einer?“, wollte Ryuji wissen und sah dem Sportwagen lange nach. „Das war der Vater von einem Klassenkameraden. Der hat mir neulich gedroht, weil ich seinem Sohn eine geknallt habe.“ „Scheint ein Spießer zu sein. Was hat der denn mit deinem Kumpel am Hut?“ „Das wüsste ich auch gerne.“ * „Jetzt verrate mir mal was du dort zu suchen hattest?“, wollte Yasuo wissen. „In diese Gegend verirrt man sich nicht ohne weiteres. Dort halten sich viele Drogendealer und Kriminelle auf. Dir hätte alles mögliche passieren können.“ Mit vor der Brust verschränkten Armen schaute Seto wütend aus dem Fenster. „Ich wollte was spannendes erleben, zufrieden?“ „Nein, weil ich dich vernünftiger eingeschätzt habe.“ „Was geht Sie das eigentlich an? Sie hätten sich nicht einmischen dürfen.“ Yasuo musste an einer roten Ampel halten und nutze diese Gelegenheit um Seto anzusehen. „Dann hätte ich zusehen sollen, wie dieser Kerl dich verprügelt? Das ist aber nicht meine Art.“ Seto hatte nur ein abfälliges schnauben übrig. Lächelnd sah Yasuo wieder nach vorne und fuhr los als die Ampel auf grün schaltete. „Ich war in deinem Alter viel schlimmer, deshalb bin ich dir auch nicht böse.“ „Was wollen Sie schon angestellt haben?“, kam es patzig. „Ich kann dir Geschichten erzählen, da würden sich dir die Haare sträuben.“ „Aha.“ Das interessierte Seto nun wirklich nicht. „Setzten Sie mich zuhause ab?“ „Nein!“ „Wie nein?“ „Einfach nein! Du kommst mit zu mir. Ich habe noch einiges zu tun und wir wollten uns sowieso bei mir treffen. Ich rufe gleich nur noch deinen Vater an, damit er sich keine Sorgen macht.“ Yasuo sah aus den Augenwinkel, wie er empört angestarrt wurde. Jetzt nur nicht loslachen, sonst würde Seto es ihm nicht verzeihen. „Was soll ich denn so lange bei Ihnen?“ „Du kannst mir beim kochen helfen.“ Das wurde ja immer schöner. „Ich soll was? Das mach ich nicht! Außerdem kann ich nicht kochen.“ „Ein junger Mann in deinem Alter sollte aber kochen können. Wie willst du sonst die Mädchen beeindrucken? Mit deiner schlechten Laune vertreibst du sie lediglich und sie rennen schreiend vor dir davon.“ Man sah ganz deutlich wie es in Seto brodelte, aber er hielt sich zurück. Er wartete auf den richtigen Augenblick und dann würde er dieses Großmaul genauso vertreiben, wie alle anderen vor ihm. Das stand fest! „Mich vertreibst du nicht so leicht, also schlag es dir aus den Kopf.“ Entrüstet ruckte Seto’s Kopf zu Yasuo. Konnte der Mann jetzt auch noch Gedanken lesen? „Auf diesen Ausflug habe ich keine Lust, dafür bin ich zu alt.“, versuchte Seto es nun auf diese Weise. „Wo soll es eigentlich hin gehen?“ „Nach Nagaroto!“ Seto bekam Teller große Augen vor entsetzen. „Was wollen wir denn da? Das ist zwei Stunden vom Tokioter Bahnhof entfernt.“ „Wir werden dort wandern gehen und die Nacht in einem Hotel verbringen.“ Bockig zog Seto den Kopf zwischen die Schultern. „Da komme ich nicht mit.“ „Du wirst aber nicht gefragt. Hast du denn deine Tasche gepackt? Nein! Dann dürfen wir nicht vergessen deinem Vater bei unserem Anruf Bescheid zu sagen, damit er dir alles mitbringt, was du brauchst.“ „Das finden Sie auch noch witzig!“, stellte Seto entrüstet fest. „Warum habt ihr gestern nicht gesagt, wo es hingehen soll?“ „Wir wollten euch überraschen. Ist uns ja anscheinend auch gelungen.“, grinste Yasuo. „Was für ein Glück das sich unsere Wege heute gekreuzt haben, sonst hättest du den ganzen Spaß womöglich noch verpasst.“ „Ja, was für ein Glück.“, sagte Seto so sarkastisch wie es ihm möglich war. Yasuo parkte das Auto auf dem Parkplatz seines Wohnhauses und stieg aus. „Ich gehe davon aus, das du mir mit den Einkäufen hilfst!“ „Auch noch? Ich bin doch nicht Ihr Packesel!“ Yasuo hörte nicht hin und drückte Seto einfach eine der Einkaufstüten in die Hand. „Die ist mir zu schwer.“ Yasuo verdrehte die Augen und tauschte die Tüte gegen seine, die nebenbei genauso schwer war. „Besser?“ „Ja“, knurrte Seto und stampfte hinter Yasuo her. „Das bist du ja...“ Atemu wurde immer leiser, als er Seto sah und blieb wie versteinert stehen. „Was macht der denn schon hier und wo ist Dr. Kaiba?“ Atemu rutschte vor Schreck das Herz in die Hose. „Kommt er etwa nicht mit? Hast du ihn vergrault? Wie konntest du das tun? Er ist doch voll nett!“ Yasuo hob abwehrend die Hände. „Dein Doktor kommt um 13 Uhr wie geplant. Seto und ich sind uns unterwegs begegnet und er war so freundlich mir zu helfen.“ Atemu beruhigte sich und nahm, ohne Seto zu beachten, seinem Vater die Tüte ab. „Hast du auch an Kuchen gedacht?“ „Natürlich“, schüttelte Yasuo lächelnd den Kopf und wählte Seth’s Telefonnummer. „Musstest du meinem Vater hinterherrennen?“, fauchte Atemu, als die zwei in der Küche die Lebensmittel auspackten. „Ich bin ihm nicht hinterher gerannt. So weit kommt das noch.“ „Das glaub ich dir nicht. Bilde dir bloß nichts darauf ein, nur weil mein Vater dich mag!“ „Bist du etwa eifersüchtig?“ Seto zog fragend die Augenbrauen hoch, als Atemu nickte. „Woher willst du denn wissen, das er mich mag?“ Seto konnte sich das nun wirklich nicht vorstellen. „Das sieht doch ein blinder und außerdem kenne ich meinen Vater. Er ist immer direkt und würde dir nie etwas vormachen.“ „Aha.“ Seto wurde nachdenklich und zuckte leicht zusammen, als Yasuo die Küche betrat. „Ihr helft mir beim kochen?“ Während Atemu begeistert nickte, zog Seto ein finsteres Gesicht. „Atemu, du schneidest das Obst klein und du Seto...“ Das angesäuerte Gesicht des 14 Jährigen entging Yasuo nicht und brachte ihn zum Schmunzeln. „Du kochst die Eier und schneidest sie anschließend klein.“ Bei diesen einfachen Aufgaben konnte keiner von beiden etwas falsch machen. „Warum darf Seto die Eier kochen und ich bekomme das doofe Obst?“ „Okay okay, du kochst die Eier und Seto schneidet das Obst.“ Sofort nahm Atemu die Eier an sich und legte sie in einen Topf. Als sein Vater nicht hinsah steckte er Seto die Zunge raus, was dieser mit dem Mittelfinger quittierte. Yasuo machte sich an den Reis und wollte gerade den Kochtopf auf die Herdplatte stellen, als sein Blick auf sein teures Ceranfeld fiel, das komplett zerkratzt war. „Atemu!“ „Ja Papa?“ „Was hast du denn mit dem Kochfeld angestellt?“ Jetzt fiel es Atemu wieder ein. Nervös fing er an seine Hände zu kneten. Die Küche war seinem Vater heilig. Seto hörte auf zu schneiden und erwartete ein Donnerwetter. Eine ähnliche Situation hatte er mal bei Marik zuhause erlebt und dessen Vater war total ausgerastet. „Ich habe es nur sauber gemacht.“, erklärte Atemu kleinlaut. Yasuo seufzte schwer. „Aber warum ist es so zerkratzt?“ Andächtig strich er über die schwarz glänzende Oberfläche. „Ich habe dich immer gehegt und gepflegt und nun müssen wir uns trennen. Gleich Montag werde ich dich ersetzten.“ Atemu lies den Kopf hängen. „Es tut mir leid. Ich hätte vorsichtiger sein müssen.“ „Schon gut.“ Yasuo nahm den dünnen Katalog vom Tisch und blätterte eine Seite auf. Mit einem strahlenden Lächeln zeigte er auf einen Backofen mit großem Kochfeld. „Jetzt kann ich mir den hier endlich kaufen. Ich habe schon so lange darauf gewartet, dass dem alten Ding etwas passiert.“ „Das freut mich.“, lächelte Atemu gezwungen. Er kannte die Marotten seines Vaters, doch jedes mal überraschten sie ihn aufs neue. Auch Seto war überrascht und hatte mit einer anderen Reaktion gerechnet. „Sie sind aber Kleingeistig.“ Yasuo stellte den Topf auf die Herdplatte und schaltete sie ein. „Mag sein, aber hätte ich Atemu dafür bestrafen sollen? Er wollte mir nur helfen, als ich krank im Bett lag. Wie hätte denn dein Vater reagiert?“ Seto sah verlegen zur Seite. „Er hätte auch nicht geschimpft. Das tut er nie.“ Yasuo gefiel etwas an dieser Antwort nicht. „Das klingt so, als ob er schimpfe soll.“ „Das habe ich nicht gesagt. Ich finde es nur seltsam.“ Atemu runzelte die Stirn. „Mein Vater bestraft mich schon, wenn ich etwas angestellt habe. Wegen gestern bekomme ich ganze drei Tage keinen Nachtisch.“ „Was soll daran so schlimm sein?“ Atemu pustete die Wange auf, die ein tiefes rot annahmen. „Was daran schlimm ist?“, brüllte er empört. „Wespennest“, sagte Yasuo zu sich selbst und trat einen Schritt zurück. Da musste Seto alleine durch. Die Tatsache das es an der Tür klingelte kam Yasuo mehr als gelegen. „Ich muss drei Tage auf Papas leckeren Kuchen verzichten. Weißt du wie hart das ist?“, schimpfte Atemu wie ein Rohrspatz. „Es gibt wichtigere Dinge als Süßspeisen.“, sagte Seto wenig beeindruckt. „Du hast noch nie die leckeren Zitronenecken von Papa probiert, oder die tollen Muffins, seine Kekse sind unbeschreiblich. Du hast keine Ahnung wovon du da redest.“ „Ist ja gut, ich sag ja schon nichts mehr.“ Atemu öffnete den Kühlschrank und nahm den letzten Muffin raus, den er sich als Notvorrat ganz hinten versteckt hatte. Ohne zu zögern stopfte er diesen Seto in den Mund, der fast daran erstickte. „Du kannst nicht sagen, das er nicht schmeckt.“ Betreten stand Seth vor Yasuo und sah ihn Schuldbewusst an. „Vielen Dank das du für meinen Sohn angehalten hast.“ Yasuo lies sich nichts anmerken, aber fand er, dass Seth da stand, wie ein kleines Kind das etwas angestellt hatte. „Du tust gerade so, als wäre das etwas besonders gewesen. Er ist mir fast vors Auto gestolpert, da konnte ich ihn doch nicht einfach in dieser herunter gekommenen Gegend stehen lassen.“ Für Seth war das etwas besonderes. Warm lächelte er Yasuo zu, der sich verlegen wegdrehte. „Mach nicht so eine Welle. Auf deinen Bengel muss man nun mal aufpassen.“ „Willst du mich umbringen?“, hustete Seto und trank gierig aus dem Wasserhahn um den Kuchen aus seinem Hals zu bekommen. „Hat er dir jetzt geschmeckt?“ „Wie alt ist das Ding? Der schmeckt total komisch.“ Atemu überlegte. „Das weiß ich nicht mehr?“ „Du weißt es nicht? Warum stopfst du mir dann dieses eklige Teil in den Mund?“ Wahrscheinlich war der Muffin schon schimmlig. Die eine Hälfte, die auf den Boden gefallen war, hatte so seltsame grüne und weiße Punkte. „Weil du über Papas Backkünste lästerst.“ Atemu tobte vor Wut und stampfte mit dem Fuß auf. „Deshalb willst du mich umbringen?“ „Du übertreibst.“, winkte Atemu ab, was Seto noch wütender machte. Seth und Yasuo stöhnten synchron auf. „Keine fünf Minuten hat es gedauert.“ Yasuo schlurfte mit Seth im Schlepptau in die Küche und es traf sie fast der Schlag. Atemu und Seto lagen in einem Knäuel verschlungen auf den Boden und versuchten den jeweils anderen auf den Boden zu drücken. „Wenigstens habe ich diesmal nichts abbekommen.“, lächelte Yasuo erleichtert. „Siehst du das als Fortschritt?“ „Meine Nase ist noch heil.“ „Relativ, sie ist leicht geschwollen.“ Seth bemerkte das er etwas falsches gesagt hatte, denn Yasuo’s Gesichtsausdruck wurde finster. „Ist sie nicht!“ „Okay, sie ist nicht geschwollen.“ Schien wohl nicht die richtige Antwort zu sein, denn Yasuo war ganz deutlich nicht glücklich. „Musst du immer den Arzt raus hängen lassen? Das Wochenende kann ja heiter werden. Du hast bestimmt einen ganzen Koffer mit deinem Zeug dabei.“ „Wie man’s nimmt, es ist eine Tasche.“ „Die lässt du hier!“, kam es wie aus der Pistole geschossen. „Ganz bestimmt nicht!“ Soweit kam das noch. „Was willst du denn damit?“ „Die ist nur für Notfälle!“ „Was soll schon groß passieren?“ „Da fällt mir eine Menge ein.“ Seto und Atemu hielten in ihrem Gerangel inne und schauten zu ihren Vätern hoch. „Warum streitet ihr euch?“, wollte Atemu wissen. Auch Yasuo und Seth hörten mit ihrem Wortgefecht auf. „Das würden wir gerne von euch erfahren.“, begann Seth. Seto zeigte auf Atemu. „Der hat mir verschimmelten Kuchen in den Mund gestopft.“ Yasuo und Seth sahen verständnislos auf Atemu, dessen Gesicht puterrot wurde. „Der war nicht verschimmelt und das habe ich nur gemacht, weil du gesagt hast, der Kuchen von meinen Vater schmeckt nicht.“ „Das habe ich nicht gesagt!“, wurde Seto lauter. Yasuo versuchte ernst zu bleiben. „Wegen so etwas streitet ihr euch? Lasst uns unsere Lunchpakete noch fertig machen und dann fahren wir los.“ Seto und Atemu warfen sich noch einen giftigen Blick zu und machten dann mit ihrer Arbeit weiter. „Du hast die beiden aber gut im Griff.“, stellte Seth fest. „Man darf ihnen nur nicht den Rücken kehren. Sie sind wie Raubtiere.“ Kapitel 8: Glück und Unglück ---------------------------- Mit verschränkten Armen und angezogenen Schultern saßen Seto und Atemu auf der Rückbank von Yasuo’s Auto und schmollten. Weil sie sich die halbe Fahrt schon gestritten hatten, hatte Yasuo irgendwann ein Machtwort gesprochen und nun waren die beiden tödlich beleidigt. Zwar schlug Seth vor, das jeder mit seinem eigenen Auto fuhr, doch als er Yasuo’s Schlitten sah hielt ihn nichts mehr und er wollte unbedingt damit fahren. Da Yasuo die Begeisterung für Autos teilte, war die Sache schnell entschieden. Für die nächste halbe Stunde war tatsächlich Ruhe, bis Atemu sich zu Wort meldete. „Können wir einen Rastplatz ansteuern? Ich muss mal!“ Seto verdrehte die Augen. „So lange sind wir doch noch gar nicht unterwegs.“ „Na und? Was geht dich das an?“ „Wegen dir dauert die Fahrt nur noch länger!“, wurde Seto lauter, was Atemu ebenfalls anstachelte. „Dann dauert sie eben länger. Soll ich mir in die Hose machen? Außerdem habe ich Hunger!“ „Wie kannst du nur hungrig sein? Du hast doch gefrühstückt.“ „Das ist eine Ewigkeit her.“ Seth und Yasuo atmeten tief durch. „Wird das jetzt die ganze Zeit so gehen?“, wollte Seth wissen. „Vielleicht werden sie irgendwann müde. Ich kann ihnen ein paar Kekse hinwerfen. Zumindest Atemu wird darauf anspringen. Das verschafft uns Zeit und wir haben wenigstens ein bisschen Ruhe.“ Seth drehte sich zu den beiden Streithähnen um, die sich weiter angifteten. Dann sah er wieder zu Yasuo, der dabei war auf einen Rastplatz zu fahren. „Wie sieht es eigentlich mit der Zimmerverteilung aus?“ „Die wird es nicht geben!“, antwortete Yasuo knapp. „Es gab nur noch ein freies Zimmer, das wir vier uns teilen werden.“ Atemu und Seto hielten inne und bekamen vor entsetzen große Augen. „Papa, ist das dein Ernst?“ Atemu zeigte auf Seto. „Mit dem teile ich mir kein Zimmer.“ „Dann schläfst du im Auto!“ Atemu verzog das Gesicht und sagte nichts mehr dazu. Seto runzelte die Stirn und beugte sich ein Stück zu Atemu. „Meint er das wirklich ernst?“ Atemu nickte. „Was er sagt, meint er auch so.“ Seto schluckte kleinlich. Zum Glück zeigte er vorhin Einsicht, als er die Wahl zwischen dem Kofferraum und dem Beifahrersitz hatte. Diesen Mann musste er mit allen Mitteln vergraulen. So ging das nicht weiter. Von seinem Vater kannte er dieses konsequente Verhalten nicht und dieser Yasuo scheute sich nicht davor, ihn Vorschriften zu machen. „Du kannst jetzt zur Toilette.“, sagte Yasuo und sah zu wie Atemu sich beeilte aus dem Auto zu kommen. „So ein Kindskopf.“, zischte Seto. „Das ist er manchmal.“, lächelte Yasuo. „Er ist aber auch sehr feinfühlig und immer ehrlich.“ „Mit doch egal. In meinen Augen ist er eine Heulsuse.“ Yasuo seufzte innerlich. Dieser Junge war eine harte Nuss. Seth schätze Yasuo’s Bemühungen, doch schienen sie sich im Sande zu verlaufen. Er selbst hatte bereits alles versucht um seinem Sohn wieder näher zu kommen, aber Seto blockte ab und strafte ihn teilweise mit Nichtachtung. Seth’s Blick fiel zu Yasuo, der ihn in die Seite stieß und ihn aufmunternd zulächelte. „Wir bekommen das schon hin.“ Da war Yasuo aber zuversichtlich. Seth zweifelte zwar, aber er wollte das Wochenende genießen und ein wenig abschalten. „Da bin ich wieder.“ Atemu schloss die Tür und schnallte sich an. „Wie lange fahren wir denn noch? Mein Magen knurrt.“ Yasuo schaute auf sein Navi. „Noch zwei Stunden.“ Seufzend schaute Atemu aus dem Fenster und beobachtete die Landschaft. „Wenn der Stau nicht gewesen wäre, müssten wir nicht mehr so lange fahren.“ Eine angenehme halbe Stunde war es ruhig bei den Jungs und die Väter konnten sich etwas unterhalten, bis Atemu anfing müde zu werden. „Gähn doch noch lauter.“, brummte Seto. „Ich war nicht laut.“, brüllte Atemu wutentbrannt durchs Auto, der genug von Seto’s Sticheleien hatte. „Man hat dich bis nach Tokio gehört.“, brüllte Seto zurück. Yasuo hatte endgültig dich Schnauze voll, fuhr auf den Standstreifen und hielt einfach an. Mit zusammengezogenen Augenbrauen sah er zu Seth, der kleinlich schluckte. „Du fährst!“ Yasuo stieg aus und knallte die Tür mit aller Kraft zu, so dass das ganze Auto wackelte. Seth entglitten die Geschichtszüge, als Yasuo hinten wieder einstieg und sich zwischen ihre Söhne setzte. „Der nächste, der Streit anfängt kann was erleben.“, brummte Yasuo und schnallte sich an. Seto entgleisten die Gesichtszüge. „Es ist viel zu eng, wenn Sie auch hier hinten sitzen. Dann gehe ich nach vorne!“ Yasuo nahm Seto in den Schwitzkasten, wie er es schon einmal getan hat. „Ich belohne dich doch nicht noch. Du bleibst schön neben mir.“ Beleidigt versuchte Seto seine Haare wieder zu richten, als Yasuo ihn los lies. Seth brauchte einige Sekunden und rutschte dann auf den Fahrersitz. Noch nie durfte er einen stahlblauen Mazda RX fahren und konnte sein Glück kaum fassen. Er lies den Motor aufheulen und drückte dann aufs Gaspedal. Yasuo verlor alle Farbe aus dem Gesicht, als Seth das Auto auf Höchstgeschwindigkeit brachte. Was hatte er da nur angerichtet? Dabei dachte er, Seth sei ein ruhiger und ausgeglichener Mensch. Für einen Adrenalinjunkie hatte Yasuo ihn nicht gehalten. „Geht das nicht langsamer?“ „Fahr schneller!“, rief Atemu begeistert. „Ich wusste nicht dass das Auto so schnell fahren kann.“ Gerne kam Seth dieser Bitte nach und drückte das Gaspedal durch. Selbst Seto lies sich von Atemu’s Begeisterung anstecken und lächelte zum ersten Mal, was Seth nicht entging. Yasuo betete, das er diese Fahrt heil überstand und sank immer tiefer in seinen Sitzt, während die Jungs Seth immer weiter anfeuerten. „Wenigstens streiten sie nicht mehr.“, versuchte Yasuo die Sache positiv zu sehen.“ Nach gut der Hälfte der veranschlagten Zeit, waren sie am Hotel angekommen und stiegen gut gelaunt aus dem Auto. Alle, außer Yasuo, der sich mit zitternden Händen abschnallte und sich aus dem Auto quälte. „Ich habe überlebt. Nie wieder lass ich den fahren.“ Er schaute zu Seth, der sich mit Seto und Atemu unterhielt und richtig glücklich aussah. „Den behalte ich in Zukunft besser im Auge.“, murmelte Yasuo vor sich hin und atmete die frische Bergluft tief ein. „Auf dem Rückweg müssen Sie auch fahren, Dr. Kaiba. Papa fährt nie so schnell.“ Atemu bekam sich vor Begeisterung nicht mehr ein und wäre am liebsten noch eine Runde gefahren. „Wenn Yasuo mich fahren lässt, sehr gerne.“, zwinkerte Seth. Seto drehte sich zu Yasuo um, der leicht schwankend zum Kofferraum ging. „Ich glaube nicht, das du noch mal fahren darfst.“ Seth schmunzelte. Dabei machte Yasuo nicht den Eindruck, als würde ihn so schnell etwas erschüttern. Jeder hatte seinen schwachen Punkt. „Lasst uns helfen ihr zwei Rabauken.“ Yasuo und Seth nahmen die Taschen und Atemu und Seto ihre Rucksäcke. Am Empfang ließen sie sich den Zimmerschlüssel geben und fuhren mit dem Fahrstuhl in den dritten Stock. „Mit so einem schönen Hotel habe ich gar nicht gerechnet.“, war Seto beeindruckt. Doch im Zimmer angekommen folgte der erste Dämpfer. Statt einem Vierbettzimmer, stand in dem Raum nur ein großes Doppelbett, was ganz besonders die Jungs empört dreinblicken lies. Nicht einmal eine Couch gab es hier, auf der einer hätte ausweichen können. „Das wird heute Nacht aber eng.“, seufzte Yasuo. Wenn die Jungs ihr eigenes Zimmer gehabt hätten, wäre Seth vor Freude in die Luft gesprungen. „Ist nur für eine Nacht.“ „Wehe du atmest mir ins Gesicht.“, zischte Seto zu Atemu, der schon auf ihn losgehen wollte, aber von Seth zurückgehalten wurde. „Wir sollten etwas essen gehen und dann schauen wir uns die Gegend an. Was haltet ihr davon?“ „Nichts!“, kam es von den beiden gleichzeitig. Während Seth langsam schwarz sah, was die beiden anging, wollte Yasuo nicht so schnell aufgeben. Von so einen kleinen Sturkopf lies er sich doch nicht unterkriegen. „Wir gehen zuerst essen und dann schauen wir uns die Gegend an.“ Besonders Atemu war erleichtert, denn der Magen hing ihm in den Kniekehlen. Auch Seto plagte seit geraumer Zeit der Hunger, aber er würde es nie laut aussprechen. Das Mittagessen verlief relativ friedlich, wenn man davon absah, das Atemu und Seto sich die ganze Zeit böse Blicke zuwarfen. Der Hunger war wohl zu groß und das Essen schmeckte wirklich gut. Yasuo räusperte sich. „Wir gehen jetzt wandern und bitte, versucht währenddessen friedlich zu bleiben.“ „Hier gibt es einen Indoor Pool, da würde ich lieber hin gehen.“, sagte Atemu in einem leicht quengeligen Ton. „Da gibt es auch einen Sprungturm und ein Wellenbad.“ Bei Yasuo schrillten alle Alarmglocken. „Wir sind nicht zum schwimmen, sondern zum wandern hier.“ „Warum denn nicht, Papa?“ Seth wunderte sich und nahm Yasuo ein Stück zur Seite. „Wenn die Jungs gerne schwimmen wollen, habe ich nichts dagegen.“ Yasuo schüttelte bestimmend den Kopf. „Du kannst es nicht wissen, aber Atemu ist manchmal sehr unfallgefährdet. In einem Schwimmbad kann viel passieren und am Ende hocke ich wieder mit ihm im Krankenhaus.“ Seth schaute verdutzt drein und konnte das nicht ganz nachvollziehen. „Ich habe auch keine Lust zu wandern.“, meldete sich nun auch Seto zu Wort. „Mit dem Pool könnte ich mich eher anfreunden.“ Seth war hin und hergerissen, aber beschloss sich auf Yasuo’s Seite zu stellen. „Wir gehen uns zuerst die Gegend anschauen und entscheiden dann später, ob wir noch zum Pool gehen.“ „Verräter!“, keifte Seto seinem Vater entgegen. Yasuo fühlte sich wie im falschen Film. „Lasst uns einfach losgehen.“ Die Stimmung war dahin, doch davon wollte Yasuo sich nicht abhalten lassen. Er hoffte, wenn die beiden Chaoten erst einmal müde genug waren, das es ruhiger wurde. Er schulterte seinen Rucksack und schielte zu Seth rüber, der seine Tasche über die Schulter hängte. „Das Zeug darin werden wir bestimmt nicht brauchen.“ „Das sind nur ein paar Verbände und Pflaster drin. Für Doktorspiele haben wir noch genug Zeit.“, grinste Seth anzüglich. Yasuo beschloss zum Gegenangriff zu gehen, denn mit einem einfachen Kontra kam er bei Seth nicht weiter. Er ging ganz nah an sein Ohr und sprach mit tiefer Stimme. „Ich bin zu allem bereit, aber unten liegen werde ich nicht.“ Das heizte Seth nur noch mehr an. „Dann lass die Jungs zum Pool gehen und wir können uns anderweitig vergnügen.“ Na toll, das ging nach hinten los. Dieser notgeile Arzt lies anscheinend keine Gelegenheit aus. „Wir gehen wandern!“ Beleidigt, weil seine Taktik nach hinten los ging stampfte Yasuo drauf los. Mit den Händen in die Hüften gestemmt schüttelte Atemu den Kopf. „Dabei wäre das die Perfekte Gelegenheit gewesen. Sonst ist er nie so.“ Seto war erleichtert und dachte schon, das die beiden sich näher kamen. Den als Stiefvater wollte er nun wirklich nicht haben. Was fand sein Vater nur an diesem Mann? Fast anderthalb Stunden waren die Vier nun unterwegs. Seto und Atemu gerieten immer wieder aneinander und es ging immer um Nichtigkeiten. Yasuo war mehr damit beschäftige die Zwei auseinander zu halten, als die schöne Natur zu bewundern. Im laufe ihrer Wanderung wichen sie von den gängigen Wanderwegen ab und liefen durch einen dicht bewachsenen Wald. Für Seto sah alles gleich aus und außer öden Bäumen und Steinen gab es hier nichts zu sehen. „Sollte nicht bald dieser Arakawa Fluss kommen?“ Seth sah auf sein Handy, auf dem er sein Navi eingeschaltet hatte. „Hmm...“ „Was ist denn?“, wollte Yasuo wissen. Seth packte sein Handy weg und sah die Drei mit einem langen Gesicht an. „Wir haben keinen Empfang!“ „Dann...haben wir uns verlaufen?“, schluckte Atemu. Seth nickte. „Es sei denn einer von uns hat sich den Weg gemerkt.“ Yasuo schüttelte den Kopf. „Ich war zu sehr damit beschäftigt die zwei Raubtiere davon abzuhalten, sich zu zerfleischen.“ „Das war nicht meine Schuld.“, fauchte Seto und sah Atemu giftig an. „Guck mich nicht so doof an, meine Schuld war es auch nicht.“ Yasuo rollte die Augen. Jetzt ging das schon wieder los. „Gehen wir einfach zurück. Dann kommen wir schon auf den Weg und sind bald beim Hotel.“ Langsam nährte sich die Dunkelheit und es wurde immer schwerer durch das bewaldete Gebiet zu blicken. Seto wurde immer langsamer und die Füße taten ihm weh. So viel Bewegung war er nicht gewohnt, weil er die meiste Zeit damit verbrachte in seinem Zimmer zu lernen. Seth blieb stehen und sah seinen Sohn besorgt an. „Ist alles in Ordnung bei dir, Seto?“ „Ja!“, kam es patzig. Auch Yasuo blieb stehen. „Soll ich dich tragen?“ Sofort schüttelte Seto den Kopf. Vor Atemu wollte er nicht schlapp machen. Wie kam es eigentlich das dieser kleine Gartenzwerg mehr Ausdauer besaß, als er? Schon wieder war er besser und wieder wurde Seto wütend deswegen. Zeit darüber nachzudenken hatte er nicht mehr, denn Yasuo packte ihn unter den Armen und hob ihn auf seine Schultern. „Was soll denn das?“ Mit roten Wangen hielt Seto sich irgendwie an Yasuo fest. Dafür war er zu alt und bemuttert werden wollte er auch nicht. „Jetzt kannst du dich ausruhen. Es bringt nichts wenn du immer weiter zurück fällst und wir dich in der Dunkelheit verlieren. So ist es für alle besser.“ Seth beobachtete Yasuo schon den ganzen Tag und wie er mit Seto umging. Dieser Mann zeigte eine Engelsgeduld mit ihm und auch wenn es meistens Seto war, der mit Atemu streit anfing, schien Yasuo nicht böse auf ihn zu sein. „Soll ich dir den Rucksack abnehmen?“ Yasuo schüttelte den Kopf. „Das Fliegengewicht auf meinen Schultern merke ich kaum.“ „Fliegengewicht?“, brummte Seto und doch schlich sich ein vorsichtiges Lächeln auf sein Gesicht. Atemu ballte die Fäuste und hielt Seth am Ärmel seiner Jacke fest. „Können Sie mich auch auf die Schultern nehmen?“ Seth schmunzelte, weil er genau wusste, das Atemu dies nur aus Eifersucht tat. „Natürlich.“ Da Atemu einen Kopf kleiner war als Seto, war er auch viel leichter. Atemu streckte Seto die Zunge raus und fing an sich mit Seth zu unterhalten. Yasuo kam heute aus dem Kopfschütteln nicht mehr raus, als ob er seinen Sohn in irgendeiner Weise links liegen lassen würde. Bei Seto hatte er dass Gefühl, das er diese Art an Aufmerksamkeit brauchte und auch wenn er sich zuerst dagegen wehrte. Am Ende lies er es zu. Natürlich vergaß er nicht, das Seto schon 14 Jahre alt war. Doch vom Verhalten war er weit davon entfernt erwachsen zu sein. „Hast du keine Angst?“, wollte Seto von Atemu wissen. „Warum sollte ich Angst haben? Mein Vater ist stark und wird uns beschützen.“ „Und wenn ein Bär kommt?“ Seto war schon mulmig zumute und ihm wurde langsam kalt. „Gibt es hier denn Bären?“ Atemu überlegte, aber zuckte dann mit den Schultern. „Selbst wenn, mein Vater wird mit allem fertig.“ „Wie kannst du da so sicher sein?“ Atemu schwieg zunächst, aber antwortete dann doch. „Ich weiß es eben, weil ich es selbst schon erlebt habe.“ Nachdenklich sah Seto auf den schwarzen Haarschopf von Yasuo. Er dachte daran, wie er mit Bakura und heute mit Ryuji umgegangen war, obwohl er mit einem Messer bedroht wurde. Angst hatte dieser Mann nicht gehabt. „Du kannst meinem Vater vertrauen.“, sagte Atemu. „Und auch deinem Vater. Sie passen auf uns auf.“ Auch wenn sie sich verlaufen hatten, fühlte Seth sich so wohl wie schon lange nicht mehr. Yasuo war der Erste, der seinen Sohn akzeptierte und ihn nicht anders behandelte wie seinen eigenen Sohn, obwohl er so schwierig war. Auch Seto schien langsam Vertrauen aufzubauen und er hatte dass Gefühl das ihre Vater-Sohn-Beziehung von neuem aufgebaut werden konnte. Nach einer Weile stellten die Jungs ihre Gespräche ein und besonders Seto machte die Dunkelheit und diese Stille zu schaffen. Ohne es zu merken klammerte er sich an Yasuo und durch den kühlen Wind zitterte er leicht. Yasuo atmete resigniert durch. „Wir sollten für heute Schluss machen und uns einen Platz zum schlafen suchen.“ „Ich stimme dir zu. Atemu ist bereits eingeschlafen.“ Seth nahm Atemu von seinen Schulten und rüttelte ihn vorsichtig wach. „Sind wir schon da?“ „Nein, wir werden hier übernachten.“ „Es ist aber so kalt.“ Auch Yasuo setzte Seto am Boden ab und sammelte einige Äste vom Boden auf. „Wollen Sie ein Feuer machen?“, fragte Seto und versuchte nicht zu gähnen. „Ja!“ „Wie wollen Sie das denn anstellen?“ Yasuo griff in die Innentasche seiner Jacke und zeigte Seto ein silbernes Feuerzeug. „Ich rauche ab und zu, deshalb habe ich immer eines dabei.“ Interessiert sah Seto zu, wie Yasuo trockenes Gras unter das Holz legte und einen Steinkreis um die Feuerstelle zog. „Wir wollen ja nicht den ganzen Wald abbrennen.“ Atemu war viel zu müde um seinen Vater dabei zu zusehen und hatte es sich auf eine mit Moos bewachsene Stelle gemütlich gemacht. Schnell schlief er ein und merkte nicht, wie ihn sein Vater seine Jacke als Decke um den Körper legte. „Das Bett wäre mir lieber gewesen.“ Seto versuchte am Lagerfeuer seine Hände zu wärmen. „Mir auch.“ Yasuo setzte sich neben seinen Sohn und schaute zu Seto. „Du solltest auch schlafen. Ich bleibe diese Nacht wach und passe auf.“ „Und wenn Sie einschlafen?“ Seth war misstrauisch und wollte lieber selbst aufpassen. „Ich bleibe auch wach.“, sagte Seth und gab legte seinem Sohn seine Jacke um die Schultern. Seto biss sich auf die Unterlippe. „Ich traue euch beiden nicht!“, gab er zu. „Dann blieb wach.“ Yasuo legte sich neben Atemu und schloss die Augen. Empört sprang Seto auf. „Sie können doch nicht einfach schlafen.“ Yasuo richtete sich wieder auf und sah Seto mit leichter Belustigung an. „Ich bleibe wach, wenn du dich zum schlafen legst.“ Seth beobachtete seinen Sohn, der vor Wut und Unglauben zitterte. „Ich hasse Sie.“ Bockig legte er sich neben Atemu und deckte sich mit der Jacke seines Vaters zu. Kapitel 9: Frühlingsgefühle im Herbst ------------------------------------- Seth fühlte sich so wohl in den Armen dieses Mannes. Obwohl sie mitten im dunklen Wald saßen und der kalte Wind über sie hinweg fegte, wollte er jetzt an keinem anderen Ort sein. „Du kannst ruhig schlafen, ich passe schon auf.“, sagte Yasuo, als er einen kleinen Ast ins Feuer legte. „Ich habe Seto versprochen auch wach zu bleiben. Ich möchte ihn nicht enttäuschen.“ Ein wohliger Schauer jagte durch seinen Körper, als Yasuo ihn ein Stück näher zu sich heranzog und beide Arme um ihn legte. „Es reicht wenn einer müde ist. Morgen musst du dich auf den Weg konzentrieren, damit wir nicht noch eine Nacht hier verbringen müssen.“, lächelte Yasuo und gab Seth einen leichten Kuss aufs Haar. Seth war erstaunt, wie anders er plötzlich war. „Du bist wie ausgewechselt.“ „Wie meinst du das?“, wunderte sich Yasuo. „Erst wolltest du von mir nichts wissen und nun bist du plötzlich so anschmiegsam.“ Verlegen sah Yasuo zur Seite. „Ich hab auch kein Problem mit dir, wenn du nicht gerade den Arzt raus hängen lässt.“ „Was hast du nur gegen Ärzte?“ „Das ist eine lange Geschichte.“ „Verstehe.“ Wenn Yasuo nicht darüber sprechen wollte, konnte man nichts dagegen machen. Wenigstens hatte er jetzt eine Chance, die er nicht ungenutzt lassen wollte. Seto hätte aus der Haut fahren können. Dieser aufdringliche Kerl ging jetzt richtig in die Vollen und wickelte seinen Vater um den kleinen Finger. Irgendwie musste er Yasuo doch aus der Fassung bringen können. Leicht zuckte er zusammen, als er ein lautes Geräusch in der Dunkelheit wahr nahm. Wütend schaute er zu Atemu, der sich in die Jacke seines Vaters gekuschelt hatte und fest schlief. „Wie kann er nur so sorglos sein?“ Für Seto war diese Nacht die längste seines Lebens. Er fand einfach keinen Schlaf und diese ganzen Geräusche, die die Nacht mit sich brachte, beunruhigte ihn viel zu sehr. Noch nie war er Campen gewesen und er mochte es auch nicht. Dieses kalte und feuchte Gras, dann die erdrückende Dunkelheit und, was am schlimmsten war, dieser kleine Gartenzwerg neben ihm, dem das ganze nichts ausmachte. Wenn sein Vater wenigstens nicht so mit diesem Yasuo turteln würde, wäre diese Nacht nur halb so schlimm. Wie es aussah würden sie sich nach diesem schrecklichen Ausflug öfter sehen und wenn es ganz mies lief, beinahe jeden Tag. Bestimmt schleppte sein Vater ihn dann jedes Mal mit. Zwar konnte er versuchen sein übliches Ding durchzuziehen, aber wenn sein Vater einen Freund hatte, war er konsequenter als gewöhnlich. „So eine Scheiße.“ Am nächsten Morgen fühlte Seto sich schrecklich und er sehnte sich nach einem weichen Bett. Noch eine Nacht in der Wildnis wollte er nicht verbringen. Jeder Knochen tat ihm, von dem harten Boden, weh und er fror. Seine Kleidung fühlte sich leicht feucht an, von dem dicken Nebel, der sie umgab und machte den Wald noch bedrohlicher, als er für Seto ohnehin schon war. Die Sonne war kaum zu sehen und erhellte deshalb den Wald nur spärlich. „Du bist aber früh auf.“, bemerkte Yasuo, dem seit geraumer Zeit der Rücken weh tat, weil Seth mit dem Kopf auf seinem Schoss lag und fest schlief. „Bin ich immer.“, sagte Seto so wütend wie er konnte. Yasuo reagierte nicht darauf und redete einfach weiter. „Atemu ist eher das Murmeltier und würde am liebsten bis zum Mittag schlafen.“ Das interessierte Seto nun wirklich nicht. „Seit wann schläft mein Vater denn so lange?“ „Er ist erst spät eingeschlafen, aber du siehst auch nicht erholt aus, mein Junge.“ Wie konnte dieser Kerl es wagen ihn, mein Junge, zu nennen? „Der soll sich nicht so anstellen!“ Yasuo wollte nicht aufgeben. „Wir müssen noch etwas warten, bis wir los können. Der Nebel muss sich erst legen, damit wir bessere Sicht haben.“ „Warum konnten wir nicht zuhause bleiben?“ Seto ging es miserabel. Ihm war kalt, seinetwegen hatten sie sich verlaufen und Hunger hatte er auch. Schlechter konnte es für ihn gar nicht laufen. „So schlimm ist das nicht. Atemu und ich waren früher oft Campen und haben uns in unserer Abenteuerlust mehr als einmal verlaufen.“ „Hat er deswegen so viel Ausdauer?“ „Na ja, wir unternehmen beinahe jedes Wochenende etwas zusammen.“ „Und was zum Beispiel?“ Seto fragte sich, warum er überhaupt diese Fragen stellte. Das interessierte ihn doch alles nicht. „Das ist ganz unterschiedlich. Wir machen unter anderem solche Ausflüge, wie jetzt. Wir besuchen andere Städte, oder gehen in den Freizeitpark. In den Ferien fliegen wir in andere Länder. Jedes Jahr suchen wir uns ein anderes aus.“ „Und welche Länder?“ Ein klitzekleines bisschen interessiert war Seto jetzt doch. „Ägypten, Hawaii, Griechenland. Wir waren schon in unzähligen Ländern. Wo würdest du denn gerne einmal hin?“ Seto überlegte. „Ägypten würde mich auch interessieren, oder Peru!“ „Wegen dem Machu Picchu!“, schlussfolgerte Yasuo. Seto’s Augen fingen an zu leuchten und er nickte eifrig. „Keiner weiß genau wo der Sinn und Zweck dieser Stadt liegt, weil es dazu keine Überlieferungen gibt. In der Stadt hat man über 50 Gräber gefunden und sie beteten den Sonnengott, Inti an.“ Yasuo hörte aufmerksam zu, denn Seto erzählte begeistert, was er alles über diese Stadt wusste. So offen war er sonst nicht und er vergaß dabei völlig seinen Plan, Yasuo in die Flucht zu schlagen. Auch Atemu hörte schon eine Weile zu. Noch nie war Seto so redselig gewesen und klang dabei so begeistert, gar glücklich. Bis jetzt hatte Atemu ihn für einen engstirnigen Idioten gehalten, der alles besser wusste. „Du weißt aber eine Menge. Ich bin beeindruckt.“ „Mein Wissen habe ich lediglich aus Büchern, aber ich würde die Stadt gerne mit eigenen Augen sehen.“ Yasuo kramte in seinen Rucksack herum und gab Seto eine Bento Box in die Hand. Seto’s Augen wurden groß. „Sie haben etwas zu Essen dabei?“ „Nicht besonders viel, aber es reicht für dich und Atemu. Das meiste haben wir auf der Hinfahrt aufgegessen.“ „Ach so.“ Seto war das furchtbar unangenehm und er mochte Yasuo nicht in die Augen sehen, weil er immer so patzig zu ihm war. „Bekomme ich auch was?“, wollte Atemu wissen. „Du bist schon wach?“, lächelte Yasuo und auch Seth richtete sich auf. „Wir sind ja immer noch hier. Welch Freude.“ Yasuo stieß ihm in die Seite. „Das musst du mit mehr Begeisterung aussprechen.“ „Dafür habe ich zu schlecht geschlafen.“, brummte Seth. In Wirklichkeit hatte er sehr gut geschlafen, aber so direkt wollte er noch nicht sein. Er war vorsichtig was Yasuo anging und er konnte nicht einschätzen, ob das gestern Abend nicht einfach nur eine Laune war. Zögerlich fing Seto an zu Essen, während Atemu seine Portion mit seinem Vater teilte. „Was hast du denn, Seto?“, wollte Seth wissen. „Lass mich in Ruhe. Was soll ich denn haben?“ Hilflos sah Seth zu seinem Sohn, der ihn nicht weiter beachtete. Dabei liebte er Seto doch und er würde alles für ihn tun. Warum war er nur so abweisend? Als die Sonne höher stand und somit wärmer wurde, lichtete sich der Nebel, so das die Vier sich auf den Weg machen konnten. Seth versuchte sich zu erinnern. Leider befanden sie sich an einem Ort, der ihm überhaupt nichts sagte. „Vielleicht sollte einer von uns auf einen Baum klettern. Von da aus sehen wir eventuell den Wanderweg.“, überlegte Seth und sah hoch zu den Baumkronen. Auch Yasuo sah hoch und rieb sich nachdenklich das Kinn. „Um etwas sehen zu können, müssen wir aber weit nach oben klettern.“ „So unbedacht sollten wir nicht sein und einfach weiter gehen. Wenn sich einer ernsthaft verletzt, wäre das eine Katastrophe. So groß kann dieser Wald auch wieder nicht sein. Schließlich ist das nur ein Wald, der rundherum von Häusern umgeben ist.“ „Ich klettere rauf.“, meldete sich Atemu, aber er wurde sofort von Yasuo davon abgehalten. „Wenn, dann mach ich das!“ „Immer muss du dich vordrängeln.“ Eingeschnappt zog Atemu eine Schnute. „Du musst sehr hoch klettern, um überhaupt etwas sehen zu können.“ „Ich bin schon oft auf Bäume geklettert.“, brummte Atemu. `Und genauso oft waren wir im Krankenhaus, weil du abgerutscht bist.´, seufzte Yasuo in Gedanken. „Du brauchst mich gar nicht so anzugucken.“, giftete Atemu seinen Vater an. „Ich weiß genau woran du denkst.“ „Ich habe an gar nichts gedacht.“, log Yasuo und machte, das er auf einen Baum kam. Seit wann konnte Atemu seine Gedanken lesen? In Zukunft sollte er besser aufpassen. „Der Baum ist aber sehr hoch.“, bemerkte Seto. Auch Seth machte sich Sorgen. „Hoffentlich rutscht er nicht ab.“ Hätte er diesen dummen Vorschlag bloß nicht gemacht. In Zukunft wollte er vorsichtiger mit solchen unbedachten Äußerungen sein. Yasuo war waghalsiger, als er dachte. Diesen Baum verfluchte Yasuo jetzt schon. Von allen Bäumen, die hier herum standen, war dieser anscheinend der morscheste, mit den glattesten Ästen. Das Moos darauf, machte es nicht besser und er musste wahnsinnig aufpassen nicht abzurutschen. Sollte es ein nächstes Mal geben, nahm er auf alle Fälle eine Karte und einen Kompass mit. Auf die Technik war einfach kein Verlass. Oder noch besser, er merkte sich den Weg und ließ sich nicht ablenken. „Mutig ist er ja.“, zeigte sich Seto beeindruckt. „So hoch würde ich nicht klettern.“ „Ich auch nicht.“, murmelte Atemu. Seth rechnete schon mit dem Schlimmsten. Das konnte nie und nimmer gut gehen. Yasuo sah sich nach allen Seiten um, als er hoch genug geklettert war. „Wir sind ganz schön vom Weg abgekommen.“, brummte er. In der Ferne sah er eine Brücke und dahinter befanden sich Häuser. Vermutlich auch ihr Hotel. „Wenigstens kann man noch die Stadt sehen.“ Vorsichtig kletterte Yasuo wieder nach unten, was nicht so einfach war. Der Weg nach oben war jedenfalls leichter. Jetzt sah er die Äste und Zweige nicht mehr und er musste ganz besonders aufpassen, wo er hintrat. Am Boden fieberten die Drei mit und zuckten jedes Mal zusammen, wenn Yasuo drohte abzurutschen. Besonders für Seto war die Anspannung groß, weil er sich die Schuld für diese missliche Lage gab. Wenn Yasuo sich verletzen sollte, war das seine Schuld. So glaubte er. Yasuo sah nach unten, um zu sehen, wie weit es noch war. „Wenn ich das hier überlebe, gehe ich nie mehr in einen Wald!“ Der nächste Ast war weiter entfernt und er musste einen größeren Schritt machen indem er sich ein Stück fallen ließ. Genau dabei rutschte er ab und fiel die letzten Meter vom Baum. Hart kam er am Boden auf und blieb reglos liegen. „Scheiße“, fluchte Seth und rannte zu Yasuo, gefolgt von Atemu. Nur Seto blieb wie angewurzelt stehen. Ein Schauer der Angst durchfuhr ihn und er sah mit schreckgeweiteten Augen auf Yasuo. Er wollte ihn zwar vertreiben, aber er wollte nicht, das er sich verletzte. „Papa?“ Atemu liefen die Tränen hinunter, weil sein Vater sich nicht rührte. Panisch rüttelte er an seiner Schulter, bis Seth ihn ermahnte dies nicht zu tun. „Beruhige dich.“ „Ist Papa tot?“ „Ich bin nicht tot.“, murrte Yasuo und hielt sich den Kopf. Seth atmete auf. „Hast du dich verletzt?“ Yasuo nickte. „Mein Bein schmerzt ziemlich.“ „Ist es gebrochen?“, wollte Atemu wissen und konnte nicht aufhören zu weinen. „Weine doch nicht.“, lächelte Yasuo. „Da habe ich schon viel schlimmeres durch, als ein gebrochenes Bein.“ „Ich weiße, aber trotzdem.“ Seth tastete sein Bein ab und an einer Stelle tat es ganz besonders weh. „Vielleicht nicht gebrochen, aber böse geprellt. Die Fuß ist jedenfalls verstaucht.“ „Na klasse, dann heißt es wieder Bettruhe für mich?“ Seth nickte. „Und laufen wirst du mit diesem Bein auch nicht können.“ Yasuo verengte die Augen. „Wenn ich nicht laufe, kommen wir hier nicht weg.“ Da musste sich Seth opfern, ob er wollte oder nicht. „Ich werde dich Wohl oder Übel tragen müssen.“ Yasuo zog eine Augenbraue hoch. „Schaffst du das denn? Ich bin zwar nicht schwer, aber...“ „Ein falsches Wort und du bleibst hier.“, brummte Seth und packte seine Verbände aus der Tasche. „Was wird das?“ Yasuo robbte ein Stück von Seth weg. „Wenn ich deine Verstauchung gleich behandle, schwillt es nicht so sehr an.“ „Mach dir keine Mühe, damit komme ich klar.“ Warum konnte er sich nicht das Handgelenk verstauchen? Ausgerechnet der Fuß, so das er nicht weglaufen konnte. Mit Argusaugen beobachtete er Seth, der ihn den Schuh und die Socke auszog. „Du sollst das lassen!“, wurde Yasuo lauter. „Jetzt stell dich nicht so an. Es ist nur Salbe und ein Verband.“ Seth arbeitete schnell und konzentriert, während Yasuo weiter meckerte. Atemu wischte sich die Tränen aus den Augen und sah rüber zu Seto, der mit gesenkten Kopf da stand. „Was hast du denn?“ „Nichts!“ Seto wendete sich ab. Niemand sollte sehen, wie fertig ihn das alles machte. Yasuo hielt in seiner Schimpftirade inne und sah ebenfalls zu Seto rüber. „Ich lebe noch. Dein Vater übertreibt nur. Es sind nur ein paar Kratzer.“ „So schlecht kann es dir auch nicht gehen, so wie du meckerst.“ Seth fiel ein dicker Felsbrocken vom Herzen. Da hatte Yasuo wirklich Glück gehabt. „Habe ich auch nicht behauptet, aber du glaubst mir ja nicht. Wegen einer Prellung machst du so ein Theater.“ „Das ist kein Theater, sondern Sorge.“ Seto wurde wütend und ging zu den Dreien. Mit finsteren Blick sah er Yasuo an. „Warum tun Sie die ganze Zeit so nett? Es wissen doch alle, dass das meine Schuld ist. Nur meinetwegen haben wir uns verlaufen.“ Fragend legte Yasuo den Kopf schief. „Warum soll das deine Schuld sein? Wir haben doch alle nicht aufgepasst! Außerdem weiß ich jetzt, wo wir lang müssen.“ Atemu legte seine Hand auf Seto’s Schulter. „Wenn du Schuld hast, ist es auch meine. Ich habe doch genauso gestritten und bin auf deine Provokationen eingegangen.“ Seto ertrug es nicht. Er konnte nicht glauben, wie verständnisvoll sie zu ihm waren, obwohl er die meiste Zeit schlechte Laune verbreitete. „Jetzt schau doch nicht wie sieben Tage Regenwetter.“ Yasuo konnte sich vorstellen, was in Seto vor ging. „Du bist ein lieber Junge, auch wenn du es nicht zeigen kannst.“ Seto schluckte seine Tränen runter und ballte die Hände zu Fäusten. Atemu stieß ihm leicht mit dem Ellenbogen in die Seite. „Ich hab dir doch gesagt, das mein Vater dich mag.“, sagte er leise. Seto konnte dazu nichts sagen und versuchte den dicken Kloß in seinem Hals los zu werden. „Halte dich an mir fest.“, sagte Seth und drehte sich um. „Brichst du auch nicht zusammen? Nimm es mir nicht übel, aber bei deiner schlaksigen Figur...“ Seth drehte sich noch einmal um und verpasste Yasuo einen Klaps auf den Hinterkopf. „Aua!“ „Noch so ein Spruch und ich lass dich Klops hier liegen. Jetzt halte dich endlich fest.“ Beleidigt hielt Yasuo sich an Seth’s Schultern fest. Den Klops würde er diesem Quacksalber noch heimzahlen. Atemu musste kichern. „Unsere Väter verstehen sich wirklich gut.“ Seto murrte nur und setzte sich in Bewegung. „Du musst in die andere Richtung.“, fing Yasuo an zu zetern. „Warum sagst du das nicht gleich?“ „Du hast nicht gefragt!“ „Da muss ich fragen? Du bist doch auf den Baum geklettert!“ Yasuo verdrehte die Augen. „Du hättest wenigstens fragen können.“ „Warum bist du nur so schwierig?“ Seth kam nur langsam vorwärts. Mit der Last auf seinem Rücken hatte er ordentlich zu schleppen, aber er wollte sich nichts anmerken lassen. Nicht nach dieser Ansage. „Ich und schwierig? Meine vergangenen Liebschaften haben mich immer als pflegeleicht bezeichnet.“ „Kann gar nicht sein.“, brummte Seth. Yasuo erlaubte sich einen flüchtigen Blick zu den beiden Rabauken, die still nebeneinander her liefen. „Dein Junge ist auffallend ruhig. Wir sollten ihn im Blick behalten.“ „Es tut mir leid, das er dich ständig angreift. Er vertraut dir nicht.“, seufzte Seth. „Und mir auch nicht.“ „Hat das einen Grund?“ „Wenn ich das wüsste. Er hat nie mit mir darüber gesprochen.“ Das brachte Yasuo nicht weiter, wenn nicht einmal Seth etwas dazu sagen konnte. „Machst du schon schlapp?“, wollte Yasuo nach kurzer Zeit wissen. „Wie kommst du darauf?“ „Weil du schnaufst wie ein Nashorn.“ Abrupt blieb Seth stehen. „Ich lass dich gleich hier und du kannst noch eine Nacht hier verbringen.“ Yasuo hielt sich etwas stärker an Seth fest. „Ich lass mich aber nicht abschütteln.“, hauchte er in sein Ohr, was Seth eine Gänsehaut bescherte. Als Yasuo ihm noch einen Kuss aufs Ohr gab, durchfuhr ihn ein wohliger Schauer. „Wirklich interessant wie du auf mich reagierst.“ Atemu war überglücklich. Das lief alles viel besser, als er es sich je erträumt hätte. Seto pustete sich eine braune Haarsträhne aus dem Gesicht. „Fehlt nicht mehr viel und die landen im Bett!“ „Meinst du?“ „Schau sie dir doch an. Die hören gar nicht mehr auf zu flirten.“ Wütend darüber kickte Seto einen Stein weg. „Ich freue mich darüber. Dein Vater ist wirklich toll und ich mag ihn.“ „Ich deinen aber nicht.“, murmelte Seto bockig vor sich hin. Nach über einer Stunde kamen sie endlich beim Hotel an. In ihrem Zimmer streckte Seth seinen Rücken durch, der besorgniserregend knackte. „War ich doch zu schwer?“, grinste Yasuo etwas gehässig. „So ein Blödsinn. Ich bin nur müde.“, wurde Seth leicht rot um die Nase. Er räusperte sich und sah zu Atemu und Seto. „Seid ihr so lieb und holt uns etwas zu Essen, aus der Kantine?“ Atemu nickte eifrig und packte Seto’s Handgelenk, der mit gerunzelter Stirn diesen Gartenzwerg ansah. „Ich will nicht...“ „Wir sind gleich wieder da.“, rief Atemu und zog Seto mit sich. „Du bist aber mutig.“ Besorgt sah Yasuo auf die Tür, hinter der die Beiden verschwanden. „Sie werden sich schon nicht zerfleischen.“ In Gedanken fügte Seth noch ein „hoffentlich“ hinzu und sah wieder zu Yasuo. „Was schaust du mich so an?“ Yasuo grinste breit. „Hast du die Zwei raus geschickt, um dich an mich ran zumachen?“ „Was? Nein!“ „Jetzt tue doch nicht so. Du weißt nicht, was du von mir halten sollst. Auf der einen Seite willst du was von mir, wirst aber von Seto ausgebremst, weil du fürchtest, er könnte mich in die Flucht schlagen.“ Seth fühlte sich ertappt und auch in die Ecke gedrängt. Gott, beobachtete dieser Mann genau. „In der Vergangenheit sind sie alle davon gelaufen.“, gab Seth zu. „Ich möchte mich gerne auf jemanden einlassen, aber...“ Yasuo konnte die Verzweiflung in Seth’s blauen Augen sehen und seine Hilflosigkeit, weil er nicht wusste, weshalb Seto so war. Mehr aus einem Reflex heraus zog er Seth am Kragen zu sich runter und sah ihm fest in die Augen. „Ich lass mich nicht verscheuchen. Von einem kleinen Teenager lass ich mich doch nicht unterkriegen und wenn du es wirklich ernst meinst, bin ich bereit es mit dir zu versuchen. Allerdings stelle ich eine Bedingung.“ Seth war leicht verunsichert, aber versuchte den Blick standzuhalten. „Du lässt deine Arzttasche zuhause!“ Seth zog die Augenbrauen hoch. Wirklich überrascht war er nicht und stimmte zu indem er nickte. Erleichtert atmete Yasuo durch. Ob er sich das mit Seth wirklich so gut überlegt hatte, sollte die Zeit zeigen. Wenn er von seinem Beruf absah, gefiel ihm Seth. Er mochte seinen Charakter und liebte diese Saphir-blauen Augen. Letzte Nacht hatte er sich sehr wohl mit ihm gefühlt und es fühlte sich richtig an. „Ähm...würdest du mich loslassen?“ Für Seth wurde diese Haltung unbequem, da Yasuo ihn immer noch am Kragen festhielt. Yasuo lächelte verschmitzt und zog Seth noch näher an sich ran. „Du magst doch meine Nähe.“ Seth spürte Yasuo’s Atem auf seiner Haut und ein wohliger Schauer fuhr durch seinen Körper. Yasuo’s Hand legte sich an seinen Hinterkopf und zog ihn näher zu sich heran. „Papa!“ Während Seth sofort auf Abstand ging, stöhnte Yasuo genervt auf. „Sag jetzt nicht, das es Tote gibt, mein Junge.“ Waren sie mit dem Essen etwa schon zurück? Atemu zog den Kopf ein, als er bemerkte, das er zum falschen Zeitpunkt hineingeplatzt war. „Ich wollte...wir wollten fragen, ob wir in die Schwimmhalle gehen können?“ Seto warf den beiden Vätern einen vernichtenden Blick zu. Keine fünf Minuten konnte man sie alleine lassen, da fielen sie schon übereinander her. Nicht zu fassen. Wenn Atemu die Schwimmhalle nicht schlagartig eingefallen wäre und sie nur ein paar Minuten später hier gewesen wären, hätten sie sich bestimmt in den Lacken gewälzt. „Wenn ihr wollt, könnt ihr gehen!“, sagte Seth, der die Zwei so schnell wie möglich los werden wollte. Essen konnte er später auch selbst holen. Das ließ sich Atemu nicht zweimal sagen und nahm wieder Seto’s Handgelenk. „Beeil dich.“, sagte er noch hastig und zog ihn mit sich. Yasuo versuchte hinterher zu hechten, aber sein verletztes Bein verhinderte dies. „Du musst sie aufhalten!“ „Warum denn? Die Jungs sind alt genug.“ Manchmal verstand er Yasuo nicht. „Du kennst meinen Jungen nicht. Wenn du nichts unternimmst, hast du bald zwei verletzte Katsuro’s am Hals.“ Seth legte seine Hände auf Yasuo’s Schultern. „Jetzt entspann dich. Die Jungs müssen uns nicht die ganze Zeit um sich haben. Sie brauchen auch ihre Freiheiten. „Wie du willst, aber die Behandlung ist dann kostenlos.“, brummte Yasuo. „Einverstanden!“ Yasuo versuchte mögliche Unfälle auszublenden und sich ganz auf Seth zu konzentrieren, der ihn so eigenartig ansah. * „Dein Vater ist entspannter als meiner.“, überlegte Atemu. „Ich finde ihn zu entspannt.“ Wenn Seto daran dachte, was die Beiden jetzt taten, kochte die Wut in ihm hoch. „Wie wollen wir eigentlich ohne Badesachen in den Pool gehen?“ Atemu winkte ab. „Wir schwimmen einfach in unseren Shorts. Als Junge ist das doch kein Problem.“ „Von mir aus.“ * „Jetzt stell dich nicht so an.“ Dieser Mann war schlimmer als ein kleines Kind. Die Zwei hatten den Sessel mit dem Bett getauscht, weil es hier bequemer war und sie mehr Platz hatten. Wenigstens hatte Seth es geschafft ihm die Hose auszuziehen. Doch weiter kam er nicht. „Ich stell mich nur an, weil du nicht zärtlich genug bist.“, maulte Yasuo. Seth verdrehte die Augen. „Du brauchst gar nicht mit den Augen rollen.“, meckerte Yasuo weiter. „Du solltest mehr Einfühlungsvermögen an den Tag legen, wenn du etwas von mir willst. Deine Hände sind wie zwei Eiswürfel und an deinem Blick solltest du auch arbeiten. Du bist richtig tölpelhaft.“ Seth atmete ganz tief durch. „Na gut, ich werde dir jeden Schritt genaustens erklären, was ich mache und wie ich es mache.“ „Wehe nicht!“ Nur nicht sauer werden. „Zuerst Wickel ich den Verband ab.“ „Wieso? Du hast ihn mir doch erst angelegt!“ „Das war nur provisorisch. Jetzt kann ich mir dein Bein genauer ansehen.“ Seth kratze die ganze Geduld zusammen, die er besaß. „Na gut, aber nicht mit diesen kalten Händen.“ „Ich halte sie unter heißes Wasser, dann sind sie warm.“ * Während Atemu den drei Meter Turm empor kletterte, entspannte sich Seto im beheizten Whirlpool. Nach diesen Strapazen musste er seinen Körper richtig aufwärmen. Dabei beobachtete er Atemu, der sich nach seinem Sprung an den fünf Meter Turm heranwagte. „Feige ist er nicht.“ Je länger Seto zuschaute, desto mehr Lust bekam er auch einmal zu springen. Atemu hatte etwas ansteckendes, mit seiner ungezwungenen Art. Selbst seinen Ärger vergaß er und wollte sich lieber amüsieren gehen. * „Der Verband ist ab, du kannst die Augen wieder aufmachen.“ Es fiel Seth nicht besonders leicht, ernst zu bleiben. Zuerst war er genervt, aber jetzt hatte er den dreh raus und Yasuo mutierte immer mehr zum Nervenbündel, das immer wieder Fragen stelle. „Dann können wir ja essen.“ „Du bekommst einen neuen Verband.“, zog Seth eine Augenbraue hoch und konnte genau sehen, wie Yasuo alles aus dem Gesicht fiel. „Davon war nicht die Rede.“ „Doch! Dass hatte ich gesagt.“ „Daran erinnere ich mich nicht.“ „Wie du willst, dann lass mich deinen Fuß wenigstens mit Eis kühlen.“ „Damit bin ich einverstanden.“ Seth machte es immer mehr Spaß sich um ihn zu kümmern. Auf der einen Seite war Yasuo der starke Pol und auf der anderen Seite wieder nicht. * „Das war toll, Seto.“ Atemu war wirklich beeindruckt. Einen Kopfsprung vom drei Meter Turm hatte er sich noch nicht getraut. „Das werde ich auch gleich versuchen.“ Seto setze sich auf den Beckenrand und schaute Atemu zu. So langsam begann er an diesem Ausflug Spaß zu haben und auch an Atemu gewöhnte er sich allmählich. * Auch wenn Yasuo es nicht zu gab, tat der kühle Eisbeutel gut. „Ich würde jetzt viel lieber etwas anderes machen, als hier herumzuliegen.“ „Und was zum Beispiel?“ „Was denkst du?“ Seth beugte sich über Yasuo und sah ihm tief in die Augen. „Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, wild herumknutschen!“ Kaum hatte er diesen Satz gesagt, wurde er von Yasuo zu sich hinuntergezogen und sanft, aber bestimmend geküsst. * „Dein Oberkörper ist knall rot.“, bemerkte Seto leicht besorgt. Atemu hatte sich bei dem Kopfsprung verschätzt und einen harten Bauchklatscher hingelegt. „Das tut auch ganz schön weh.“, ärgerte sich Atemu. „Bei dir sah es so einfach aus.“ „Wollen wir zu den Wasserrutschen gehen?“, schlug Seto vor, um Atemu abzulenken. „Ja, vom springen habe ich die Nase voll.“ Ohne es zu merken, wurde Seto Atemu gegenüber immer lockerer und fing an mehr auf ihn zu achten. Vor ein paar Tagen hätte er sich noch über ihn lustig gemacht, aber inzwischen sorgte er sich mehr und sah sich in der Verantwortung auf Atemu aufzupassen. Jedenfalls wusste er jetzt, warum Yasuo nicht wollte, das sie hier her kamen. Kapitel 10: Das "schöne" Auto ----------------------------- Eigentlich wollte Atemu nicht aus dem Wasser raus, aber er bemerkte das Seto müde wurde und schon seit einer ganzen Weile nur noch auf dem Beckenrand saß. „Wollen wir duschen gehen?“ Seto nickte leicht. Er fühlte sich nicht gut und wollte sich nur noch ins warme begeben. „Hast du heute Nacht nicht geschlafen?“ „Nein.“ Seto ohrfeigte sich selbst. So ehrlich wollte er nicht sein. „Heute Abend schlafen wir wieder in unseren eigenen Betten. Dann wird es dir morgen viel besser gehen.“ „Warum machst du dich nicht über mich lustig?“ Atemu hievte sich aus dem Wasser und setzte sich neben Seto. „Soll ich dich etwa auslachen, weil du letzte Nacht nicht schlafen konntest? Spinnst du?“ Wenn Bakura davon erfahren sollte, würde er sich lustig machen. Sie waren zwar Freunde, aber solche Sachen konnte Seto ihm einfach nicht erzählen. „Du hast dich vorhin auch nicht über mich lustig gemacht, als ich den Bauchklatscher hingelegt habe.“ „Das sah auch schmerzhaft aus. Wie hätte ich denn darüber lachen können?“ Seto’s Blick fiel auf Atemu’s rechtes Handgelenk, das leicht geschwollen war. „Du solltest meinen Vater darauf schauen lassen.“ Sofort schüttelte Atemu den Kopf. „Kommt nicht in Frage und so schlimm ist es auch gar nicht.“ Im Wellenbad war er zu übermütig gewesen und hatte sich sein Handgelenk verdreht. * Seth fühlte sich erschöpft aber glücklich. So weit wollte er zwar nicht gehen, aber ab einem gewissen Punkt konnte er sich nicht mehr zurückhalten und Yasuo ging so schön auf ihn ein. Doch eine gewisse Unsicherheit blieb. Im Grunde waren sie zu schnell zur Sache gekommen und meistens war ab diesem Punkt Schluss. Seto’s Frechheiten ließen sich seine vergangenen Freunde nicht länger gefallen und gaben Seth den Laufpass. „Alles okay? Du siehst nicht glücklich aus.“, sorgte sich Yasuo. „Hat es dir nicht gefallen?“ „Doch! Hat es.“, sagte Seth etwas zu hastig. „Hast du Angst, das ich mich aus dem Staub mache, weil wir so schnell in die Kiste gestiegen sind?“ Langsam fragte Seth sich, ob Yasuo seine Gedanken lesen konnte. „Das ist es nicht. Die Jungs könnten nur jeden Moment durch die Tür kommen. Wir sollten uns besser wieder anziehen.“ „Da hast du recht. Die bösen Blicke von Seto möchte ich mir nicht antun.“, lächelte Yasuo, aber sein Herz fühlte sich schwer. Zwar kannte er Seth noch nicht lange, doch glaubte er ihn gut einschätzen zu können. * „Hast du auch so einen Hunger?“, wollte Atemu wissen, dem der Magen in den Kniekehlen hing. Sie waren auf dem Weg in ihr Zimmer, wobei Seto auffallend langsam lief. „Nein!“ Seto wollte sich einfach nur ins Bett legen. Die letzte Nacht lag ihm noch in den Knochen und nun überrollte ihn auch noch die Müdigkeit. „Tut dir dein Handgelenk noch weh?“, versuchte er von sich abzulenken. „Überhaupt nicht“, log Atemu. „Sag es bitte nicht meinem Vater. Der macht sonst einen Riesenaufstand deswegen.“ „Ist er immer so?“, kam die leise Frage. „Wie meinst du das?“ „Na ja, er scheint sich ständig Gedanken um dich zu machen...und um mich.“ „Ja, er ist immer so und anders kenne ich ihn nicht.“ „Wie kommst du eigentlich darauf, das er mich mag?“ Atemu kicherte. „Das merkt man doch. Er sorgt sich um dich genauso sehr, wie um mich. Einen Vorteil hat es, ich stehe jetzt nicht mehr im Zentrum seiner Aufmerksamkeit. Anfangs war ich richtig eifersüchtig deswegen, aber inzwischen finde ich dich ganz nett.“ Seto sah Atemu nicht an, aber er wollte es unbedingt wissen. „Hat dein Vater schon einmal jemanden kennengelernt, der ein Kind hatte?“ „Einmal! Er hatte eine Tochter, die allerdings bei ihrer Mutter lebt. Deshalb habe ich sie nur einmal gesehen. Zum Glück hat mein Vater nach kurzer Zeit mit ihm Schluss gemacht.“ „Zum Glück?“ Atemu machte ein genervtes Gesicht, als er daran zurück dachte. „Das war ein richtiges Ekelpaket. Er mochte keine Kinder. Mein Vater hat dass schon nach kurzer Zeit bemerkt und ihm erklärt, das es ihn nur mit mir zusammen gibt. Das hat er aber nicht eingesehen und ist dann gegangen.“ „War dein Vater sehr traurig darüber? Ich meine, weil er wegen dir gegangen ist.“ Atemu schüttelte den Kopf. „Ich hatte deswegen zwar Schuldgefühle, weil sie sich gut verstanden haben, aber Papa hat mir gesagt, ich soll mir keine Gedanken darüber machen.“ „Das hast du ihm geglaubt?“ Atemu blieb stehen und sah Seto fragend an. „Natürlich, er belügt mich nicht. Ich weiß wie sehr er mich liebt.“ „Woher willst du das wissen?“, wurde Seto energischer. Atemu setze sich wieder in Bewegung und ging weiter. „Er sagt es mir oft und er nimmt sich viel Zeit für mich. Seit mein Opa gestorben ist, war er die ganze Zeit für mich da.“ Seto war nicht überzeugt. „Eltern sind doch immer für ihre Kinder da.“ „Das stimmt nicht.“ Atemu blieb wieder stehen und sah Seto eindringlich an. „Meine Mutter wollte nie etwas von mir wissen und ich kenne sie auch nicht. Mein Vater würde sein Leben für mich geben.“ „Wie kannst du dir da so sicher sein?“ „Weil er mir einmal das Leben gerettet hat und selbst dabei fast gestorben wäre. Das ist bald fünf Jahre her, aber ich denke oft daran zurück. Auch wenn das damals nicht passiert wäre, würde ich nicht an ihm zweifeln. Er hat mein ganzes Leben lang auf mich aufgepasst und er tut es immer noch. Er ist immer für mich da und wenn ich krank bin, weicht er nicht von meiner Seite.“ Seto machten Atemu’s Worte neugierig. „Darf ich fragen, was damals passiert ist?“ Atemu überlegte, wie er es am besten erklären konnte. „Ich war sieben Jahre alt und mit meinem Vater und meinem Opa in der Stadt unterwegs gewesen. Ich kann dir nicht sagen, was mich damals geritten hat, aber ich hatte auf der anderen Straßenseite einen kleinen Hund gesehen, den ich unbedingt streicheln wollte. Ohne auf die Autos zu achten bin ich einfach auf die Straße gelaufen. Ich habe nur noch gespürt, wie ich weggestoßen wurde.“ Atemu machte ein Pause. Diese Erinnerung verfolgte ihn bis heute. „Als ich mich umgedreht habe, sah ich meinen Vater auf der Straße liegen. Er war voller Blut und das Auto vor ihm hatte eine zertrümmerte Frontscheibe. Mein Opa war sofort bei ihm und hat einen Krankenwagen gerufen. Diese Schuldgefühle bin ich lange Zeit nicht los geworden.“ Atemu kamen die Tränen. „Weißt du was er zu mir gesagt hat, als er am nächsten Tag aufgewacht ist?“ Seto schüttelte den Kopf. Diese Geschichte nahm ihn mehr mit, als er es zugeben würde. „Er hat mich in den Arm genommen und gemeint, dass es ihm gut geht. Es wäre nicht meine Schuld gewesen, sondern seine, weil er nicht auf mich aufgepasst hat. Papa hat mir keine Minute die Schuld dafür gegeben. Fast zwei Monate musste er im Krankenhaus bleiben.“ Atemu’s Gesicht erhellte sich etwas. „Jeden Tag hat er versucht von dort zu flüchten, obwohl er viele gebrochene Knochen gehabt hatte. Opa musste dann auf ihn aufpassen und wir waren deshalb ausschließlich im Krankenhaus.“ Betroffen blickte Seto zu Boden. „Wie ist dein Vater so zu dir?“, wollte Atemu wissen. „Ich mag ihn und er ist ein lieber Mensch, aber wie ist er als Vater?“ „Eigentlich ganz in Ordnung. Er macht jeden Morgen Frühstück, bevor ich aufstehe und hilft mir beim lernen, wenn ich Schwierigkeiten habe. Fast jeden Tag fragt er mich, ob wir etwas zusammen unternehmen wollen, obwohl er todmüde von der Arbeit nach Hause kommt. Wenn ich krank bin, versucht er für mich da zu sein, was aber durch seinen Beruf nicht immer möglich ist.“ „Dann ist er genauso, wie ich ihn mir vorgestellt habe.“, zeigte sich Atemu begeistert. Seto bekam ein immer schlechteres Gewissen. Wenn er sich so reden hörte, spürte er die Undankbarkeit in sich. Er tat dies nicht absichtlich und konnte sich die Wut nicht erklären, die ihn überkam, wenn er mit seinem Vater sprach. Wenn er sich mit Atemu verglich, dem die Schule so leicht fiel und viel offener auf andere Menschen zu gehen konnte, fühlte er sich noch viel schlechter, als ohnehin schon. Wenn er nicht gut in der Schule war, was blieb ihm dann noch? „Papa!“, rief Atemu und stürmte auf seinen Vater zu, der ihn in die Arme schloss. „Wie war’s? Hast du dich verletzt?“ Atemu schüttelte mit ernstem Gesicht den Kopf. „Hab ich nicht.“ „Du schwindelst.“ Yasuo sah zu Seto, der leicht zusammenzuckte. Lügen mochte er nicht, aber er wollte Atemu auch nicht verpetzen. Ratlos schaute er zu Boden. „Du brauchst es mir nicht sagen.“, lächelte Yasuo. „Ich will dich nicht in eine Zwickmühle bringen.“ Seto entspannte sich. „Wie geht es Ihrem Bein?“ „Schon besser, aber Seth will mich unbedingt beim laufen stützen.“ „Weil du dich eben der Länge nach auf die Nase gelegt hast.“, rollte Seth die Augen. „Du bist sturer als ein Esel.“ „Und du bist eine Petze! Nimm dir ein Beispiel an deinem Sohn.“ Seth räusperte sich. „Wir wollten etwas Essen gehen und dann nach Hause fahren.“ „Das trifft sich gut, ich habe großen Hunger.“, freute Atemu sich. „Zuerst will ich sehen ob du dich verletzt hast.“, blieb Yasuo hartnäckig. Seth fand diese Fürsorge übertrieben, denn Atemu machte einen munteren Eindruck auf ihn. „Ich hab mich aber nicht verletzt.“, wurde Atemu bockig. „Warum versteckst du dann deine rechte Hand, hinter deinem Rücken?“ Darauf wusste Atemu keine Antwort und streckte seinen Arm nach vorne. „Es ist aber nicht schlimm und es tut auch nicht weh.“ Atemu schrie leise auf, als Yasuo das geschwollene Handgelenk berührte. „Kannst du dir das bitte anschauen, Seth.“, bat Yasuo. Seth kam der Bitte nach und war besonders vorsichtig. Er war erstaunt wie gut Yasuo sein Kind einschätzen konnte. „Ein fester Verband sollte ausreichen.“ „Siehst du, Papa! Gar nicht schlimm.“ * Yasuo setzte sich beleidigt auf den Beifahrersitz. Mit seinem verletzen Bein konnte er nicht fahren. Jetzt saß Seth wieder am Steuer und man sah ihm deutlich an, wie sehr er sich darüber freute. „Fahren Sie wieder so schnell wie gestern?“, fragte Atemu aufgeregt. „Nur wenn Yasuo nichts dagegen hat.“ Seto und Atemu schielten zu Yasuo, der jetzt kein Spielverderber sein wollte. „Macht doch was ihr wollt.“ Seto schloss die Augen, nachdem er sich angeschnallt hatte. Er versuchte zu schlafen, auch wenn er es mochte, wenn sein Vater aufs Gaspedal drückte. Dieses Auto fuhr um einiges schneller als ihres und deshalb machte es viel mehr Spaß. Atemu unterhielt sich die meiste Zeit mit Seth und löcherte ihn mit allen möglichen Fragen, die Seth versuchte zu beantworten. „Welche Farbe mögen Sie am liebsten?“ „Ich würde sagen blau.“ „Was ist Ihr liebstes Hobby?“ Da musste Seth passen. „Ich arbeite die meiste Zeit, deshalb habe ich keines.“ „Papa kocht und backt gerne. Sie sollten sein Weihnachtsgebäck mal probieren. Das haut Sie aus den Socken.“ Seth lächelte schwach. „Sehr gerne.“ „Wie alt sind Sie?“ „Ich bin 32.“ „Dann sind Sie nur zwei Jahre älter, als Papa.“ Für Yasuo war es offensichtlich, dass er versuchte diesen Arzt besser kennenzulernen und Seth war wirklich sehr geduldig. Die Hälfte des Weges war geschafft, was ganz besonders Seto freute. Er sehnte sich danach so schnell wie möglich aus dem Auto zu steigen. Seit geraumer Zeit war ihm schlecht und sein Magen rumorte beunruhigend. Er überlegte etwas zu sagen, aber zögerte. Das ganze Wochenende über hatte er Ärger gemacht, da wollte er wenigstens auf dem Rückweg niemanden stören. Mit aller Macht unterdrückte er seine Übelkeit und versuchte sich abzulenken indem er aus dem Fenster schaute. Er bewunderte Atemu, der sich munter mit ihren Vätern unterhielt und immer noch so fit war. „Darf ich Sie eigentlich beim Vornahmen nennen?“, wagte Atemu zu fragen. Es war zwar unhöflich, aber sein Vater nannte ihn schließlich auch beim Vornamen. „Ja, kannst du machen.“ Auch Seth war erstaunt, was für ein quirliges Kerlchen Atemu war. Spätestens nach dem schwimmen wurden die meisten müde, aber der Kleine war noch putz munter. Yasuo streckte sich ein wenig. Die Tage waren anstrengend und besonders Seth hatte ihm viel abverlangt. So fordernd hätte er diesen Arzt nicht eingeschätzt. Wenn Seth noch mehr auftaute, dürfte es noch sehr interessant mit ihm werden. Yasuo hatte Geduld. Sein Arzt musste erst sicherer werden und die Angst verlieren, Seto könnte ihn verscheuchen. Seto hielt sich beide Hände vor dem Mund. Es ging nicht mehr, er konnte sich nicht mehr zurückhalten. Mit einem lauten Würgen übergab er sich auf dem Leder und dem Fußraum. Sowohl Yasuo, als auch Seth und Atemu sahen ihn erschrocken an. Am liebsten wäre Seto vor Scharm im Boden versunken. Wie konnte ihm das nur passieren? Ausgerechnet in einem fremden Auto und vor aller Augen. Auch Seth schluckte. Neben der Sorge um seinen Sohn, kam noch das teure Auto hinzu, welches nun völlig ruiniert war. Vorsichtig sah er zu Yasuo rüber, der stur geradeaus sah. „Fahr bitte den nächsten Rastplatz an.“ Seth nickte. Yasuo’s Stimme klang strenger als sonst. Dabei lief es doch so gut und nun, kurz bevor sie zuhause waren, musste so etwas passieren. Atemu saß still da und mochte nicht zu Seto rüber schauen. Er spürte wie unangenehm es ihm war und wollte diese Situation nicht noch schlimmer für ihn machen, indem er ihn angaffte. Seth stellte den Motor aus nachdem er einen Parkplatz angesteuert hatte und stieg aus. Er wollte nach Seto sehen, der peinlich berührt zu Boden starrte. Auch Yasuo stieg aus und vergaß dabei sein Bein, welches ihn nicht trug, als er damit auftreten wollte. Das zweite Mal an diesem Tag legte er sich der Länge nach auf die Nase. „Ich will ins Bett!“, murmelte er vor sich hin. „Alles in Ordnung, Papa?“ „Sieht das so aus?“ „Nein!“ Atemu kniete sich hin. „Bist du böse?“ Yasuo runzelte die Stirn. „Warum sollte ich böse sein?“ „Ich hab nur so gefragt.“, lächelte Atemu. Das hatte er sich gleich gedacht. Sein Vater war nur so brummig, weil er müde war und nicht richtig laufen konnte. Mit Seto hatte das nichts zu tun. „Ich helfe dir aufzustehen.“ „Du kleiner Knirps?“, grinste Yasuo frech und beobachtete belustigt, wie Atemu vor Wut rote Wangen bekam. „Ich bin kein Knirps.“ Yasuo stand auf und setzte sich zurück auf den Beifahrersitz. Er sah zu Seth und seinem Sohn, die sich ein Stück entfernt hatten. „Kannst du bitte eine Decke über die Sitze legen?“ „Mach ich.“ Atemu öffnete den Kofferraum und holte eine Wolldecke heraus. Diese breitete er über die Rücksitze aus und öffnete die Fenster. „Geht es dir besser?“, fragte Seth besorgt. „Ja, mir ist nicht mehr schlecht.“ Seto mochte seinem Vater nicht in die Augen sehen. Zum Schluss fand er dieses Wochenende wirklich schön und nun nahm es so ein Ende. „Dann lass uns weiter fahren. Zuhause ruhst du dich aus, dann geht es dir schnell besser.“ Seth überlegte, wie er den entstandenen Schaden wieder gut machen konnte. Da Yasuo genauso vernarrt in tolle Autos war wie er, nahm er dieses Missgeschick bestimmt nicht auf die leichte Schulter. Besonders nicht bei so einem teuren Wagen. Auch Seto machte sich seine Gedanken. Sein Ziel war es nach wie vor Yasuo in die Flucht zu schlagen, aber nicht auf diese peinliche Art und Weise. Die weitere Fahrt verlief schweigend. Yasuo nickte öfter ein und freute sich darauf eine vernünftige Runde schlafen zu können. Die ganze Zeit merkte er, das er seine Erkältung noch nicht richtig auskuriert hatte und nun rächte sich sein Körper dafür. Nur durfte er sich so wenig wie möglich anmerken lassen, denn sonst lag er gleich wieder auf dem Untersuchungstisch. Oder noch schlimmer, Seth nahm ihn direkt mit ins Krankenhaus. Das war der Nachteil, wenn man sich einen Arzt anlachte. Nur keine Schwäche zeigen. Seth machte Yasuo’s Schweigen ganz nervös. Ein gutes Zeichen war es jedenfalls nicht. „Yasuo?“ „Ja?“, brummte er. Jetzt fing sein Fuß auch noch an zu pochen. Nur nichts anmerken lassen. „Schon gut.“ Alles lief so gut und nun schien es sich wieder erledigt zu haben. Dabei hatte Seth sich dieses Mal mehr erhofft. Auch Seto fühlte sich mies. Die schlechte Stimmung von Yasuo war nicht zu übersehen, dabei sollte er sich doch darüber freuen. Er hatte, was er wollte. Kapitel 11: Hochmut kommt vor dem Fall -------------------------------------- Yasuo fühlte sich wie gerädert, als der Wecker ihn aus dem Schlaf riss. Das erste, was er tat war eine Schmerztablette einzunehmen, damit er wenigstens etwas laufen konnte. Die halbe Nacht hatte er seinen Fuß gekühlt und deshalb kaum Schlaf gefunden. Heute stand einiges auf dem Zettel. Er wollte sein Auto reinigen lassen und dann musste er noch zusehen, einen Leihwagen zu bekommen. Er hatte sich auch schon sein Wunschmodell ausgesucht, was ganz besonders Seth erfreuen sollte. Durch die viele Fragen von Atemu auf der Rückfahrt, wusste er nun welches Auto dieser bevorzugte. Als sie sich gestern verabschiedet hatten, war Seth auffallend still gewesen und er erhoffte sich so, ihm eine Freude machen zu können. * Im Hause Kaiba verlief der Morgen still. Seto saß am Frühstückstisch und nippte an seiner Tasse Kaffee und kaute nebenbei lustlos auf seinem Brot herum. Zwar hatte ihn sein Vater ermahnt dieses Getränk zu meiden, besonders nach dem gestrigen Vorfall, doch er stellte wie immer auf stur. „Du brauchst mich gar nicht so anzugucken.“ Seth nahm seinen Blick von dem Zeitungsartikel. „Wie bitte?“ „Du brauchst gar nicht so zu tun. In Wirklichkeit gibst du mir die Schuld mit Yasuo, weil ich in sein Auto gekotzt habe.“ „Ich gebe dir keine Schuld. Wie kommst du nur darauf?“ „Du brauchst es nicht zu sagen, ich weiß es auch so.“ Seto stand auf und verließ die Küche. Seth legte sein Gesicht in beide Hände. Was machte er nur falsch? Absichtlich hatte er dieses Thema nicht angesprochen um Seto kein falsches Gefühl zu vermitteln. Doch egal was er tat, es war verkehrt. * „Du bist schon auf?“, gähnte Atemu und setzte sich verschlafen an den Frühstückstisch. „Da wunderst du dich drüber? Ich bin doch immer vor dir wach, du kleine Schlafmütze.“ „Du bist doch krank und deshalb dachte ich, du schläfst heute aus.“ Atemu nahm den heißen Kakao entgegen, den ihm sein Vater reichte und trank einen großen Schluck davon. „Mir geht es gut. Ich habe keine Zeit krank zu sein, dafür habe ich heute einfach zu viel auf dem Zettel stehen.“ „Waf haft fu denn vor?“, mampfte Atemu mit vollem Mund und nahm sich gleich den nächsten Bissen von seinem Brötchen. „Ich wollte mein Auto reinigen lassen und mir danach einen Leihwagen besorgen. Anschließend kümmere ich mich um ein neues Kochfeld und werfe das alte raus.“ Atemu’s Augen fingen an zu leuchten. „Dann holst du dir einen McLaren Senna!“ „Woher weißt du das?“ Manchmal wunderte Yasuo sich über Atemu. „Weil Seth den so toll findet und er so ein Auto unbedingt mal fahren will. Er wird sich bestimmt bei dir erkenntlich zeigen.“, zwinkerte Atemu. Yasuo prustete seinen Kaffee quer durch die Küche und sah seinen zwölfjährigen Sohn entgeistert an. „Du bist noch viel zu jung für diese Gedanken!“ „Na und! Wenn ich nicht gewesen wäre, hättest du nicht einmal versucht Seth kennenzulernen.“ „Du solltest dich für die Schule fertig machen, du kleiner Besserwisser.“ Da fiel Yasuo noch etwas ein. „Ich habe deinen Rucksack mit den Schokoriegeln gefunden. Wenn du die alle gegessen hättest, würdest du jetzt hier mit Bauchschmerzen sitzen. Ich habe sie zur Sicherheit weggeschlossen.“ Atemu’s Gesicht wurde immer länger. Die Riegel hatte er durch die Streitereien mit Seto völlig vergessen. Wie konnte er den Rucksack nur so offen herumliegen lassen? * Müde schlurfte Seto den Schulweg entlang. Zwar hatte ihm sein Vater geraten heute im Bett zu bleiben, aber er wollte wegen dem bisschen Unwohlsein nicht zuhause bleiben. Eilige Schritte hinter ihm, ließen seine Laune noch weiter sinken. „Das Wochenende muss echt scheiße gewesen sein, so wie du aussiehst.“, spottete Bakura. „So schlimm war es nicht.“ „Sag bloß, der Kerl hat es geschafft sich bei dir einzuschmeicheln?“ Seto schüttelte den Kopf. „Ich bin ihn los.“ „Warum bist du dann so geknickt. Du hast was du wolltest.“ Abgrundtief seufzte Seto. „Stilvoll war es nicht grade, sondern eher ziemlich peinlich.“ Bakura winkte ab. „Das ist doch egal.“ Freundschaftlich legte er einen Arm um Seto’s Schultern. „Kopf hoch! Noch so ein Wochenende brauchst du nicht zu ertragen. Ryuji war im übrigen von diesem Katsuro nicht begeistert und deshalb habe ich ihm von Atemu erzählt.“, grinste er breit. „Warum Atemu?“ Das gefiel Seto nicht. „Ryuji ist der Ansicht, diesem Katsuro eine Lektion zu erteilen und du hast die Ehre uns dabei zu helfen.“ „Was habt ihr denn vor?“ „Wir nehmen den kleinen Zwerg nach der Schule mit und werden ihn eine Weile da behalten. Der alte Katsuro soll sich ein paar Tage Sorgen um seinen Sohn machen.“ Wütend ballte Seto die Fäuste. „Was geht nur in deinem kranken Kopf vor? Das ist kein normaler Streich mehr. Da mach ich garantiert nicht mit!“ Bakura blinzelte verwirrt. „Haben sie dir übers Wochenende das Gehirn gewaschen? Seit wann bist du so ein Langweiler?“ „Ich habe nur keine Lust bei diesem Kinderkram mitzumachen. Wenn du Atemu etwas tun solltest, werde ich dich beim Rektor melden.“ Jetzt war Bakura vollends verwirrt. „Was ist denn plötzlich mit dir?“ Von weitem beobachtete Atemu die Zwei. Zwar hörte er nicht was sie sagten, aber es war offensichtlich, dass Seto nicht besonders gut drauf war. „Warum ist er denn nicht zuhause geblieben?“ „Was sagst du dazu, Atemu?“, wollte Joey wissen. „Wozu?“ Joey verdrehte die Augen. „Wir wollen uns nach der Schule alle zusammen bei Yugi treffen und du sollst auch kommen.“ „J-ja, da wäre ich gerne dabei.“ * Der Unterricht interessierte Seto heute überhaupt nicht und er fand ihn einfach nur langweilig. Seine Augen fielen immer wieder zu, was nicht nur Bakura, sondern auch Atemu auffiel. In der Pause beschloss er ihn darauf anzusprechen und ging direkt auf ihn zu. „Warum bleibst du nicht zuhause, wenn es dir nicht gut geht?“ „Was soll ich denn da?“, gähnte Seto verhalten. „Mein Vater ist arbeiten und kann sich heute auch nicht frei nehmen, weil er eine Operation nach der anderen hat.“ Da brauchte Atemu nicht lange zu überlegen. „Mein Vater arbeitet von Zuhause aus und würde alles stehen und liegen lassen, wenn ich krank bin. Für dich macht er bestimmt dasselbe. Ich schreibe ihm gleich, das er dich abholen soll.“ Seto’s Augen weiteten sich vor Schreck und er wollte Atemu hinter hechten, als Bakura ihn von der Seite ansprach. „Was war das denn? Seid ihr jetzt die besten Freunde, oder was?“ „Wie kommst du denn darauf?“, zischte Seto. „Weil er mit dir so vertraut gesprochen hat.“, wurde Bakura sauer. Auf so ein Gezicke hatte Seto nun wirklich keine Lust. „Bist du verknallt in mich, oder weshalb machst du mir jetzt so eine Szene?“, schimpfte er lauter als gewollt, denn nun waren die Augen aller auf ihn und Bakura gerichtet. „Natürlich nicht!“, wurde Bakura rot um die Nase. „Ich finde es nur merkwürdig.“ „Ich habe einfach keine Lust mehr Atemu zu ärgern.“ Bakura zog die Stirn kraus. „Du nennst ihn beim Vornamen? Sonst hast du ihn nie so genannt.“ In Bakura’s Augen blitzte Erkenntnis auf. „Das war kein Zufall mit dem alten Katsuro! Der hat dich den Tag mitgenommen, weil dein Alter mit ihm das Wochenende verbringen wollte und nun seid ihr die besten Freunde. Deshalb dein Sinneswandel.“ Mit jedem Wort wurde Bakura lauter und wütender. „Und wenn schon, das ist vorbei.“, brummte Seto. „Wenn du meinst, aber du scheinst nicht sehr glücklich darüber zu sein. Du magst den alten Katsuro und deshalb bist du so schlecht drauf.“ „Ich mag ihn nicht. Seine vorgeheuchelte und nette Art war doch nur, um an meinen Vater heranzukommen.“ „Du lügst, Seto Kaiba und das weißt du auch.“ Stumm sah Seto Bakura an. „Dann kannst du mit dem kleinen Ati deine Zeit verbringen.“ Seto stöhnte genervt auf. „Selbst wenn ich mich mit Atemu besser verstehe, warum bist du nur so sauer deswegen? Das ändert doch nichts an unserer Freundschaft. Du bist doch auch mit Marik befreundet, obwohl ich ihn nicht leiden kann.“ „Das ist doch was ganz anderes.“ Bakura setzte sich beleidigt auf seinen Platz und kramte sein Geographiebuch aus seiner Schultasche. Seto legte seinen Kopf auf die kühle Tischplatte. „Der macht mich fertig. Kann er Atemu nicht einfach mal vergessen?“ „Hey Seto“, rief Marik rüber. Den Streit mit Bakura fand er zu amüsant. „Bist du krank, oder warum verhältst du dich so zickig?“ „Ich bin nicht krank, hör auf zu spinnen und ich sehe immer noch besser aus als du.“ Heute nervte ihn wirklich jeder. „Du siehst aus wie zehn Mal ausgekotzt. Geh doch nach Hause, oder hast du Angst Atemu könnte dich abhängen, wenn du fehlst?“, fing Marik an sich lustig zu machen, während die anderen zu kichern begannen. „Du bist doch nur neidisch, weil du so einen schlechten Notendurchschnitt hast.“ Seto versuchte sich seinen Unmut nicht anmerken zu lassen und normalerweise mischte Bakura sich in solche Gespräche ein, aber der beachtete Seto nicht. „Ich bin zufrieden.“, lehnte sich Marik gelassen zurück. „Ich weiß im Gegensatz zu dir, was es heißt zu leben und pauke nicht ununterbrochen. Der kleine Atemu wird dich so oder so abhängen, egal wie viel du lernst.“ „Sei doch still. Beim nächsten Mal werde ich besser abschneiden als er.“ Seto’s blasses Gesicht nahm vor Wut ein gesundes rot an. Atemu ging, als er das Klassenzimmer betrat, direkt zu Seto und legte ihm seine Hand auf die Schulter. „Mein Vater kommt dich gleich abholen.“ Der meinte es wirklich ernst. „Das möchte ich aber nicht.“ „Warum nicht? Du bist krank und deshalb gehörst du ins Bett. Ich kann dir nachher alles erzählen, was du heute verpasst hast und die Hausaufgaben bringe ich dir auch mit.“ Bakura zerbrach seinen Bleistift und sah Atemu wütend an. „Du miese kleine Ratte.“ Wie konnte dieser Zwerg es wagen, sich zwischen ihn und Seto zu drängen? „Mensch Atemu, ich möchte nicht gehen und jetzt lass mich in Ruhe.“ Atemu stemmte beide Hände in die Hüften. „Das wirst du meinem Vater dann selbst sagen müssen. Bei Fieber kennt er kein Pardon, da kannst du noch so viel meckern.“ Das fürchtete Seto auch und lehnte sich resigniert zurück. Noch nie war einer von den Freunden seines Vater so unerträglich fürsorglich und kümmerte sich um ihn. Wenn sie es doch taten, machten sie das alles nur, bis sie seinen Vater ins Bett bekommen hatten und ließen sie beide danach fallen. Doch keiner von ihnen rannte bis in die Schule, nur weil es ihm nicht gut ging. Die nächste halbe Stunde verlief still und Seto wäre beinahe eingeschlafen, bis es an der Tür vom Klassenzimmer klopfte. Mit fiebrigen Augen sah Seto in die Richtung und konnte nicht glauben, wer den Raum betrat. Sein Herz schlug schneller gegen seinen Brustkorb, als Yasuo zum Lehrer ging und sie immer wieder zu ihm herüberschauten. „Der ist wirklich gekommen...“ Seine Augen wurden immer größer, als Yasuo auf ihn zu kam und seine Hand auf seine Stirn legte. „Du hättest heute im Bett bleiben sollen. Mit so hohem Fieber ist nicht zu spaßen.“ „Mir geht es gut.“ Alle Augen waren auf ihn gerichtet und alles nur wegen Atemu. „Lass uns gehen, Seto.“ Seto mochte Yasuo nicht in die Augen sehen. Warum war der Kerl ständig so nett zu ihm? „Das Baby stellt sich an, Herr Katsuro.“, grinste Marik. „Der hat Angst seinen Platz als Spitzenreiter an Atemu abzutreten.“ Yasuo drehte sich um und sah den Jungen mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Seto ist clever und wird den Anschluss wegen einiger Fehltage nicht verlieren. Außerdem solltest du dich nicht über ihn lustig machen, oder fühlst du dich dabei toll? Auf jemanden herum zu hacken, der sich nicht gut fühlt ist wohl das einzige was du kannst!“ Marik verdrehte die Augen. „Seto ist immer so spießig und verbissen. Mit ihm macht es keinen Spaß, weil er immer nur lernen im Kopf hat. Hier denken alle so.“ Yasuo wollte nicht näher darauf eingehen und packte Seto’s Bücher in die Schultasche. „Lass uns gehen, mein Junge.“ Joey verschränkte die Hände hinterm Kopf und sah den Beiden hinterher. „Warum holt Atemu’s Vater ihn denn ab?“ Yugi legte nachdenklich seinen Zeigefinger ans Kinn. „Soweit ich weiß ist Dr. Kaiba sehr beschäftigt. Für Seto ist es jedenfalls besser so.“ „Wir fragen nachher mal Atemu, der wird es uns sagen können.“ „Warum sind Sie hergekommen?“, wollte Seto wissen, als sie auf dem Weg zu den Schließfächern waren. „Atemu hat mich angerufen und mich drum gebeten dich sofort abzuholen, weil es dir nicht gut geht. Warum bist du heute zur Schule gegangen? Gestern ging es dir doch schon so schlecht?“ „Was soll ich denn zuhause? Es ist doch eh keiner da!“, antwortete Seto bockig. „Deshalb nehme ich dich mit zu mir und bringe dich am Abend, wenn Seth Feierabend hat, nach Hause.“ „Ich kann doch nicht einfach mit zu Ihnen gehen!“ „Warum denn nicht? Auf diese Weise habe ich dich im Blick und du bist nicht allein.“ Seto konnte nicht sagen ob er sich darüber freuen sollte oder nicht. Es war ein ungewohntes Gefühl, welches er nicht zuordnen konnte. „Was ist denn mit Ihrem Auto?“ „Was soll damit sein?“ „Weil ich...“ Yasuo lächelte Seto aufmunternd zu. „Hast du dir deshalb Gedanken gemacht? Ich habe es vorhin zur Reinigung abgegeben. In einigen Tagen bekomme ich es wieder und dann sieht es von innen aus wie neu. Keine große Sache.“ Seto fühlte Erleichterung in sich. „Dann ist gut.“ „Es ist doch nur ein Auto. Deshalb würde ich dir keine Vorwürfe machen. Mach dir nur keinen Kopf.“ „Mach ich nicht.“ „In ein paar Tagen geht es dir besser und um die Schule brauchst du dir keine Gedanken machen, denn...“ „Sie wollen doch bloß, dass Atemu mich abhängt. Deshalb tun Sie so nett, aber in Wirklichkeit wollen Sie mir damit eins auswischen.“ „Glaubst du das wirklich?“ „Sonst würde ich es nicht sagen.“ „Ich gebe zu einiges auf dem Kerbholz zu haben und ich habe schon einige aufgemischt, aber freche Teenager gehören nicht dazu.“ Yasuo beugte sich runter. „Dazu musst du noch etwas wachsen, damit du mit mir auf Augenhöhe bist.“, stupste er Seto an der Nase an. Eingeschnappt sah Seto aus seinen blauen Augen. „So klein bin ich nicht mehr.“ „Erwachsen bist du aber auch nicht und deshalb werde ich dich auch nicht so behandeln. Wenn du das von mir erwartest, muss ich dich enttäuschen. Du bist noch ein Kind, denn wäre es anders, wärst du heute im Bett geblieben und würdest deine Grippe auskurieren.“ „Sie sind doch nicht besser.“, schmollte Seto beleidigt. „Kann sein, aber das hat andere Gründe. Du kannst dich nicht mit mir vergleichen.“ „Von wegen“, brummte Seto und nahm sich seine Jacke und tauschte seine Schuhe, als sie bei den Schließfächern ankamen. Danach schlurfte er hinter Yasuo her und wurde immer langsamer. Auf diese Weise versuchte Seto ihn zu provozieren. Doch Yasuo hatte Geduld und sagte nichts dazu. Da musste der kleine Seto sich schon was besseres einfallen lassen, damit Yasuo die Beherrschung verlor. Aus dem Fenster beobachtete Bakura die Beiden und ballte die Hände zu Fäusten. Er konnte nicht glauben, das Seto von nun an mit diesem kleinen Gartenzwerg zu tun haben sollte. Ohne Widerworte ging er mit diesem Katsuro mit. Das passte doch nicht zu ihm. Sein Blick fiel auf Atemu, der gerade etwas vorlas. „Du wirst dich noch wundern.“ „Wow!“, entfuhr es Seto ungewollt, als er vor dem tiefblauen McLaren Senna stand. „Gefällt es dir? Dein Vater mag dieses Auto besonders, deshalb habe ich es mir als Leihwagen ausgesucht.“ „Ich weiß, er redet viel davon.“ Seto öffnete die Beifahrertür und sah sich den Innenraum an. „Wahnsinn.“ „Schade das du noch nicht alt genug bist, sonst hätte ich dich fahren lassen können.“ Seto setzte sich rein und sah sich alles genau an. „Papa und ich waren mal in einem Autohaus und haben uns dieses Auto angesehen. Ist das nicht zu teuer? Auch als Leihwagen kostet er doch bestimmt viel.“ „Manchmal muss man sich etwas gönnen.“, winkte Yasuo ab. „Wenn du schon so begeistert bist, bin ich gespannt was dein Vater dazu sagen wird.“ „Er wird Feuer und Flamme sein.“ Yasuo ließ den Motor aufheulen und drückte aufs Gaspedal. „Soll ich dir heute was bestimmtes kochen?“ Fragend sah Seto diesen Mann an. „Etwas kochen?“ „Du musst doch was essen, damit du wieder gesund wirst. Was magst du denn besonders gerne?“ „Ähm...irgendetwas mit Rindfleisch vielleicht.“, nuschelte Seto. „Wie wäre es mit einem Donburi? Magst du das?“ „Ja!“ „Was für einen Nachtisch bevorzugst du? Normalerweise richte ich mich nach Atemu, aber da du mein Gast bist, darfst du dir heute aussuchen, was es geben soll.“ „Mir egal.“ Konnte der aufhören so nett zu sein? Das war ja nicht zum aushalten. * Seth streckte sich leicht. Eine Halbe Stunde hatte er Zeit sich zu erholen, bevor die nächste Operation anstand. Er zog sich einen Kaffee aus dem Automaten und setzte sich damit in sein Büro. Er war schon den ganzen Tag mit seinen Gedanken bei Seto und überlegte fieberhaft, wie er es schaffen konnte zu ihm durchzudringen. Sein Herz machte einen Hüpfer, als er auf eine Nachricht von Yasuo auf seiner Mailbox aufmerksam wurde. Eilig tippte er drauf und hörte sich an, was er zu sagen hatte. „Hallo Seth, ich habe deinen Jungen von der Schule abgeholt, weil er krank ist. Du kannst nach der Arbeit zu mir kommen, oder ich bringe ihn dir. Sag mir einfach Bescheid, was dir lieber ist. Wenn die Jungs später im Bett sind, können wir noch etwas Zeit miteinander verbringen. Dann bis später.“ Seth hörte sich die Nachricht noch fünf Mal an, weil er es nicht glauben konnte. Erst dann kam er auf die Idee ihn anzurufen und er fühlte sich dabei wie ein Teenager, der sich um seine aller erste Verabredung bemühte. Nervös wartete er, bis endlich das erlösende Zeichen ertönte und dann Yasuo’s Stimme zu hören war. „Hallo Seth“, kam es fröhlich vom anderen Ende der Leitung. „Du hast Seto von der Schule abgeholt?“ Seth hätte sich ohrfeigen können, so unhöflich war er normalerweise nicht und grüßte zu aller erst, bevor er Fragen stellte. „Ja, wir sind gerade auf dem Weg zu mir. Wie wäre es, wenn ihr die Nacht bei mir verbringt?“ Seth brauchte einen Moment bis die Worte durch seinen Kopf sickerten. „Seth?“, runzelte Yasuo die Stirn. „J-ja, sehr gerne.“ Seth fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht. Er hatte mit Yasuo bereits abgeschlossen und nun wurde er von ihm eingeladen. Ab jetzt konnte der Tag nur noch besser werden. „Dann sehen wir uns nachher. Ich habe noch eine Überraschung für dich, bin gespannt was du dazu sagen wirst.“ „Ich freue mich, bis dann.“ Seth sank in seinen Stuhl zusammen. Dieser Tag hatte so mies angefangen und nun nahm er eine so schöne Wendung. Obwohl sie bereits miteinander geschlafen hatten, schien Yasuo noch Interesse zu haben. Selbst um Seto kümmerte er sich weiterhin, als wäre er sein Sohn. * Yasuo parkte sein Auto und sah nachdenklich auf sein Smartphone. „Warum ist er plötzlich so unsicher? Ist es wegen gestern?“ Er sah zu seinem jungen Beifahrer, der tief und fest schlief. Er stieg aus und schloss leise die Tür, damit er Seto nicht aufweckte. Er bezweifelte, das der Junge einen genauso festen Schlaf wie Atemu hatte. Deshalb versuchte er so umsichtig wie möglich zu sein, als er ihn auf die Arme nahm. Mit der zusätzlichen Belastung musste Yasuo sich zusammenreißen, denn sein Bein schmerzte dadurch mehr als vorher. * Angeregt unterhielt sich Atemu mit Joey, Yugi und Thea, die ihn förmlich löcherten. „Was hat dein Vater mit Seto am Hut?“, wollte Joey endlich wissen. „Wir haben das Wochenende zusammen verbracht und mein Vater ist jetzt mir Dr. Kaiba zusammen.“, antwortete Atemu stolz. „Im Ernst?“ Thea sah Atemu skeptisch an. „Meinst du denn, dass das gut geht?“ Er sah Thea etwas pikiert an. „Warum sollte es denn nicht gut gehen? Mein Vater und Seth verstehen sich gut und mit Seto komme ich inzwischen auch gut aus.“ „Ich hätte nicht gedacht, das dein Vater am anderen Ufer schwimmt.“, bemerkte Joey nachdenklich. „Von Dr. Kaiba wusste ich es durch Seto, aber dein Vater... Die meisten tuscheln deshalb hinter Seto’s Rücken.“ „Und ich hätte nicht gedacht, das du so rückständig bist.“, wurde Atemu sauer. „Mir ist egal was andere darüber denken und wenn du auch so denkst, will ich mit dir nichts mehr zu tun haben!“ Atemu machte auf dem Absatz kehrt und wollte nur noch weg von hier, aber er wurde von Joey am Handgelenk festgehalten. „So hab ich das nicht gemeint! Ich wollte dich nicht kränken, entschuldige.“ Wütend sah Atemu aus seinen roten Augen. „Was kümmert es euch, was andere denken?“ Reumütig sah Joey zu Boden. „Es kümmert mich nicht. Die zerreißen sich halt alle das Maul.“ „An meiner alten Schule hat keiner über meinen Vater gelästert.“ Atemu hielt inne, weil ihm eine Erinnerung kam. Rückwirkend betrachtet hätte sich das auch keiner getraut, nachdem er... „Diese Tür sollte ich besser nicht öffnen.“, murmelte Atemu vor sich hin. Dieser Elternabend vor zwei Jahren blieb ihm ganz besonders im Gedächtnis und sein Vater würde wieder so handeln, das wusste er ganz genau. * Verschlafen rieb sich Seto die Augen. Im Ersten Moment wusste er nicht wo er war, bis die Plüschtiere in sein Sichtfeld kamen. „Stimmt ja! Warum musste es mich nur so erwischen?“ Träge richtete er sich auf und bemerkte kühle Tücher, die um seine Unterarme gewickelt waren. „Ich bin doch nicht schwer krank.“, brummte Seto verstimmt und legte die Tücher beiseite. Der Kerl tat gerade so, als sei er sein Vater. In Wirklichkeit wollte der sich doch nur einschleimen. Schwindel holte ihn ein als er aufstand, aber er hatte zu großem Durst um sich wieder hin zu legen. Sein Blick verfinsterte sich, als er einen fremden Mann neben Yasuo im Wohnzimmer sitzen sah und sich angeregt mit ihm unterhielt. Mit großen Schritten ging er auf die Beiden zu und machte mit einem lauten Räuspern auf sich aufmerksam. „Wie geht es dir, Seto?“, wollte Yasuo wissen. „Besser.“ Seine blauen Augen schweiften zu dem Mann mit den schwarzen Haaren, der ihn interessiert musterte. „Ist das Ihr neuer Liebhaber?“ Yasuo sah den Jungen vor sich überrascht an und fing an zu lachen. „Du haust ja Sachen raus, mein Junge. Das ist mein jüngerer Bruder, Masao.“ Seto wurde leicht rot um die Nase. Wenn er genauer hingesehen hätte, wäre ihm die Ähnlichkeit zu Yasuo aufgefallen. „Für besonders treu halte ich Sie trotzdem nicht.“ Masao grinste breit. „Du scheinst nicht besonders vertrauenerweckend zu sein, Brüderchen. Du warst noch nie sonderlich seriös, aber bei deinem Werdegang...“ „Kannst du das bitte lassen.“, rollte Yasuo die Augen. „Setz dem Jungen keine Flausen in den Kopf.“ Masao ließ sich nicht beirren. „Du sollst meinem Bruder ordentlich eine verpasst haben, direkt auf die Nase. Das schaffen nur die wenigsten und deshalb zolle ich dir Respekt.“ „Sporn Seto doch nicht noch an!“ „Mach ich doch gar nicht. Der Kleine lässt sich halt nichts bieten. So warst du auch mal und hast dich bis heute nicht geändert.“ Masao stand auf und legte Seto seine Hand auf die Schulter. „Ich kann dir da Geschichten erzählen, da würden sich dir die Nackenhaare sträuben.“ Seto fand diesen Mann auf eine seltsame Weise sympathisch. Er war so offen und hatte eine herzliche Art an sich. „Onkel Masao“, jubelte Atemu, als er zur Tür herein kam und lief seinem Onkel entgegen, der seinen Neffen auf die Arme nahm. „Na, du kleiner Rabauke. Hast du deinem Vater auch schön viel Kummer bereitet?“ Atemu schüttelte den Kopf. „Ich war ganz lieb. Was machst du denn hier? Takumi ist aber nicht dabei, oder?“ „Nein, keine Sorge, der hat zu tun.“ „Das ist gut und was machst du hier? Hast du Ärger?“ „Ich bin nur so hier.“ „Das glaube ich dir nicht.“ Seth trat ebenfalls in die Wohnung und wurde sogleich von Yasuo begrüßt. „Du siehst fertig aus.“ „Es war ein langer Tag. Ich bin Atemu draußen begegnet und mit ihm mitgelaufen.“ „Das habe ich mir gedacht. Setzt dich doch, ich bringe dir gleich etwas zu Essen.“ „Du brauchst dir keine Umstände machen.“ Yasuo winkte lächelnd ab. „Es ist schon alles fertig und mein Bruder geht sowieso nicht, bevor er gegessen hat.“ Seth setzte sich neben seinen Sohn. Dieser hatte sich in eine Wolldecke gekuschelt, die über der Sofa Lehne hing. „Wie geht es dir, Seto?“ „Besser!“, brummte er. „Du hast aber noch Fieber.“ „So schlimm ist es doch gar nicht.“ Atemu setzte sich neben Seto und überreichte ihm einen Stapel Blätter. „Wie ich es dir versprochen habe und ich kann dir genau erzählen, was wir im Unterricht durchgenommen haben.“ Masao beobachtete seinen Neffen, der eifrig jedes Detail wieder gab. „Bedenke bitte, Atemu, dass dein Freund noch krank ist und sich besser ausruhen sollte.“ Empört sah Seto zu Masao rüber. „Das geht Sie nichts an.“ Masao wollte etwas erwidern, als Yasuo mit dem Essen ins Wohnzimmer kam und jedem einen vollen Teller reichte. Seto’s Augen leuchteten, als er den ersten Bissen zu sich nahm. Kochen konnte diese Nervensäge jedenfalls. „Was machen Sie vom Beruf?“, wollte Masao von Seth wissen und nahm sich ein Löffel voll Gemüse, den er sich in den Mund schob. Bisher wusste er noch nichts über den neuen Freund seines Bruders und war entsprechend neugierig. „Ich arbeite als Arzt in einem Krankenhaus und habe mich auf...“ Doch weiter kam Seth nicht, denn Masao spuckte ihm den Inhalt seiner Mundhöhle entgegen. „Sie sind Arzt?!“ Yasuo sah seinen Bruder entrüstet an. „Was machst du denn da? Spinnst du?“ Schnell holte er ein Handtuch und sah seinen Freund entschuldigend an. „Du hast dich allen ernstes mit einem Arzt eingelassen!“ Masao sah zu Seth und packte ihn an den Schultern, der zugegebener Maßen Sprachlos war. „Egal wie Sie ihn rum bekommen haben, machen Sie weiter.“ Yasuo verdrehte die Augen. „Jetzt mach nicht so eine große Sache daraus.“ „Du gehst sogar Tierärzten aus dem Weg und lässt dich mit einem Mediziner ein. Wenn ich das unserer Mutter erzähle, wird sie es nicht glauben. Doktor Kaiba!“, das Wort Doktor betonte Masao ganz besonders. „Sie müssen unbedingt auf einen Besuch zu ihr mitkommen. Sie wird sich freuen Sie kennenzulernen.“ „Jetzt mach nicht so einen Druck.“, zischte Yasuo. „Wir kennen uns noch nicht so lange und müssen...“ „Stell dich nicht so an. So wie du ihn ansiehst, scheinst du über beide Ohren verliebt zu sein.“ „Ich wusste es.“, freute sich Atemu. „Siehst du, Papa, sogar Onkel Masao findet, das ihr gut zusammen passt.“ „Ihr habt euch gegen mich verschworen und jetzt esst endlich, bevor es kalt wird.“ Seth fühlte sich, trotz dieses Missgeschickes durch Masao, so wohl wie lange nicht mehr. Es war angenehm in dieser Runde mit seinem Sohn zu sitzen und es fühlte sich so lebendig und warm an. Auch Seto schien es zu gefallen und unterhielt sich mit Atemu, der ihm von seinem Treffen mit Yugi und den anderen erzählte. Leicht lehnte er sich an Yasuo, dessen Aufmerksamkeit er sofort hatte. „Ist alles in Ordnung? Du warst schon am Telefon so seltsam.“ „Ja, es ist nur ungewohnt.“ Kapitel 12: Ich geb Gas, ich will Spaß! --------------------------------------- Sprachlos stand Seth vor diesem wundervollen Auto und konnte nur drauf starren. „Steig ein“, Yasuo hielt ihm die Schlüssel hin. „Übertreibe es nicht, sonst steig ich nie mehr in ein Auto das du fährst.“ Natürlich würde Seth es übertreiben, das wusste Yasuo, aber dieses Leuchten in den blauen Augen war ihm viel mehr Wert, als seine Furcht vor der hohen Geschwindigkeit. Zögerlich nahm Seth den Schlüssel an sich. „Ich darf es wirklich fahren? Ich kann es nicht fassen.“ „Ich hatte noch etwas vergessen.“, hauchte Yasuo in sein Ohr. „In einer Woche muss ich das Auto zurück bringen, solange kannst du es behalten.“ „Ist das dein Ernst?“ „Spätestens übermorgen kann ich mein Auto wieder abholen. Ich habe dieses hier nur deinetwegen besorgt.“ „Warum? Wir kennen uns doch noch nicht lange und dann machst du mir schon solche Geschenke?“ „Ich würde das auch nicht für jeden tun, deshalb genieße die Zeit einfach.“ * Masao saß mit dem Kopf auf die Hand gestützt auf dem Fußboden in Atemu’s Zimmer und grübelte über seinen nächsten Zug nach. „Wir schlafen hier gleich ein.“, beschwerte sich Atemu der unbedingt seine Kartenkombination ausspielen wollte. Seto schaute sich die ausgespielten Karten seiner beiden Mitstreiter genau an. Duel Monsters hatte er lange nicht mehr gespielt, weil keiner Lust hatte gegen ihn anzutreten. Er war einfach zu gut darin und das frustrierte die anderen immer. Endlich konnte er seiner Leidenschaft wieder einmal nachgehen, auch wenn sich einer seiner Mitspieler in jedem Zug sehr viel Zeit ließ und seine Geduld strapazierte. „Jetzt hetz mich nicht.“ Masao spielte eine Karte verdeckt und versetzte ein Monster in den Angriffsmodus, welches nur 800 Angriffspunkte hatte. „Offensichtlicher geht es doch gar nicht.“, knurrte Atemu. „Du willst doch angegriffen werden.“ Masao zuckte mit den Schultern. „Wenn es so offensichtlich ist, dann greif mich an.“ „Das kannst du vergessen. Ich spiele drei Karten verdeckt und greife Seto mit meinem Drachenfluch an.“ „Da habe ich auch noch ein Wörtchen mitzureden. Ich decke diese Karte auf und Konter so deinen Angriff.“ Seto’s Herz schlug vor Aufregung schneller, als Atemu seine Fallenkarte aktivierte und seinen Angriff zurück schmetterte. So leicht war Seto nicht zu schlagen und er hatte auch noch ein Ass im Ärmel. „Ich nutze die Fähigkeit meines Drachen und annulliere deinen Angriff.“ So viel Spaß hatte Seto schon lange nicht mehr und er fand es viel schöner, als mit Bakura um die Häuser zu ziehen. * „Fahr doch wenigstens ein bisschen langsamer.“, bettelte Yasuo. Sie befanden sich außerhalb Tokios auf einer Autobahn, wo Seth das Gaspedal bis zum Bodenblech durchdrücken konnte. „Sei doch kein Spielverderber. So ein schnelles Auto durfte ich noch nie fahren und wir wollen doch herausfinden, wie schnell es wirklich ist.“ Seth drückte das Gastpedal noch weiter durch. So frei wie heute hatte er sich noch nie gefühlt und er kostete jeden Moment voll aus. „Wenn es nur das ist, kannst du so oft du willst ein Auto wie dieses fahren, aber bitte, mach langsamer.“ Seth bremste ab. „Warum steigst du mit mir in so ein Auto, wenn du dir denken kannst, das ich es voll ausfahren werde?“ Yasuo war schon leicht grün im Gesicht. „Mein Bruder passt auf unsere beiden Streithähne auf und deshalb wollte ich die Zeit nutzen und sie mit dir verbringen. Koste es was es wolle. Ich habe allerdings nicht damit gerechnet, das du uns umbringen willst.“ „Warum sind wir dann nicht einfach ausgegangen?“, wunderte sich Seth. So liefen jedenfalls die Verabredungen, die er sonst immer hatte. „Ich bin nicht wie andere.“, lächelte Yasuo schelmisch. „Dein Blick, als du das Auto gesehen hast, ist mir diese Fahrt wert.“ Nachdenklich sah Seth auf die Straße. „Du solltest für mich nicht so viel Geld ausgeben. Versteh mich nicht falsch, aber ich möchte keinen falschen Eindruck bei dir erwecken.“ „Du machst dir viel zu viele Gedanken.“, winkte Yasuo ab. Für Seth war es nicht zu übersehen, das Yasuo finanziell gut da stand. Allein die Kleidung die er trug, war nicht von der Stange. „Du sollst einfach nichts falsches von mir denken.“ „Das denke ich nicht.“ Yasuo merkte wie die Stimmung kippte. Dies hatte er mit dem Auto nicht bezwecken wollen. „Teure Geschenke bist du offensichtlich nicht gewohnt.“ „Nein, ich bin eher der Typ dem man einen Strauß Blumen in die Hand drück, um ihn ins Bett zu bekommen.“ Jetzt sickerte die Erkenntnis durch. „Dir ist das unangenehm.“ Seth wurde leicht rot. „Etwas.“ „Du kannst es wieder gut machen. Hilf mir morgen beim Einbau meines neuen Herdes und wir sind quitt.“ Seth hatte eher an Sex gedacht, mit Handwerklicher Arbeit in der Küche hatte er nicht gerechnet. „Das kommt überraschend, aber ich bin dabei.“ Yasuo biss die Zähne zusammen, als Seth wieder Gas gab. Dabei war ihm doch noch immer so schlecht. * Zufrieden packte Atemu seine Karten zurück in die Schachtel. „Ich habe vier Mal gewonnen, Seto drei Mal und Onkel Masao nicht einmal. Du solltest an deinem strategischen Denken arbeiten.“ Beleidigt winkte Masao ab. „Meine Stärken liegen in anderen Dingen. So ein kindisches Kartenspiel sagt nichts darüber aus.“ „Duel Monsters spielen auch Erwachsene.“, verteidigte Seto sein heißgeliebtes Kartenspiel. „Aber nicht dieser Erwachsene.“, zeigte Masao auf sich. „Ich mag lieber Spiele, die für richtige Männer sind.“ Atemu sah seinen Onkel nachdenklich an. „Etwa das, was Papa gerade mit Seth macht?“ „Meinst du Sex?“, wollte Seto wissen. Atemu nickte. Masao entglitten die Gesichtszüge. „Ihr seid noch zu jung dafür. Wie kommt ihr nur darauf?“ Atemu hob seinen Zeigefinger. „Erstens, weil die Zwei alleine sein wollten. Erwachsene wollen immer nur dann alleine sein, wenn sie in die Kiste hüpfen. Zweitens, fahren sie mit dem Auto bestimmt weit raus um es ungestört...“ „Du musst es nicht weiter ausführen.“, redete Masao dazwischen. „Wahrscheinlich amüsieren sie sich gerade miteinander.“, überlegte Seto. * „Lass es raus.“, tröstete Seth Yasuo, der am Straßenrand hockte und gegen seine Übelkeit kämpfte. „Auf dem Rückweg fahre ich langsamer.“ „Ich bitte darum.“ * „In eurem Alter solltet ihr nicht an dem Liebesleben anderer Leute interessiert sein“ Atemu schaute seinen Onkel tadelnd an. „Wenn sie sich so gut verstehen, habe ich bald zwei Väter und einen Bruder. Deshalb sollen sie so oft miteinander Spaß haben, wie sie wollen.“ Verständnislos schaute Masao aus der Wäsche. „Die Zwei kennen sich erst seit kurzem. Du denkst mindestens zehn Schritte zu weit.“ „Finde ich nicht. Du weißt wie geizig Papa für gewöhnlich ist. Er gibt nie Geld für Leute aus, die nicht zu seiner Familie gehören. Seth ist etwas besonderes für ihn.“ Interessiert hörte Seto zu und hörte deutlich heraus, wie ernst es Atemu meinte. Es klang nicht nach kindlicher Naivität und schließlich kannte er seinen Vater von allen am besten. „Als Erwachsener hat man es gut.“, träumte Atemu vor sich hin. „Man kann tun und lassen was man will und muss nicht um Erlaubnis fragen.“ „Wenn ich meinen Vater so ansehe, glaube ich kaum, das er glücklich ist.“, war Seto weniger optimistisch. „Wie kommst du darauf?“, wollte Masao wissen. „Er arbeitete den ganzen Tag und wenn er nicht arbeitet, versucht er ab und an jemanden kennenzulernen. Meistens geht’s in die Hose.“ „Manchmal dauert es, bis man den richtigen Partner findet.“, klärte Masao auf. „Die Männer, die mein Vater bisher kennengelernt hat, waren Versager.“ Atemu legte überlegend seinen Zeigefinger ans Kinn. „Wie gut das er jetzt meinen Vater kennengelernt hat. Er ist kein Versager.“ „Kann ich noch nicht beurteilen.“, sagte Seto so ernst wie er konnte. Innerlich hoffte er jedoch, das es zwischen den beiden funktionierte. „Suchst du Streit?“, fuhr Atemu sofort hoch. Masao rieb sich die Stirn. Yasuo hatte ihn bereits gewarnt, dass der Frieden nicht lange anhalten würde und er sich eine Strategie zurecht legen sollte. „Was haltet ihr davon, wenn wir uns einen Film ansehen?“ Atemu schaute seinen Onkel geschäftig an. „Kommt drauf an.“ Masao grinste in sich hinein. Atemu war in dieser Hinsicht leicht zu überzeugen. „Ich besorge Popcorn und Süßigkeiten. Ihr sucht den Film aus.“ „Abgemacht.“ Atemu schob den verwirrten Seto aus seinem Zimmer. „Du darfst den Film aussuchen.“ „O-okay...“ * Bei diesem Ausflug hatte Seth eine für ihn wichtige Erkenntnis gewonnen. Dieses Auto hatte Yasuo einzig und allein für ihn geliehen. Yasuo selbst mochte zwar tolle Autos, aber er hatte kein Interesse daran es auszufahren, oder durch die Gegend zu heizen. Yasuo war noch nie so froh darüber gewesen zuhause zu sein. Er wollte nur noch etwas warmes trinken und sich entspannen. Seth hingegen war schon lange nicht so entspannt gewesen, wie jetzt. „Ist für heute noch etwas geplant?“ „Außer die Raubtiere davon abhalten sich an die Gurgel zu gehen, eigentlich nicht.“ Yasuo schloss die Tür zu seiner Wohnung auf und blieb erstarrt in der Tür stehen. Masao saß gelassen auf der Couch und schaute in sein Handy. Neben ihm schliefen die beiden Jungs, um sie herum jede Menge Bonbonpapier und auf dem Tisch stand eine halb aufgegessene Torte. „Du solltest auf die Raubtiere aufpassen und sie nicht mästen.“ Masao winkte ab. „Sie sind brav, also habe ich mein Tagesziel erreicht.“ Seth kratzte sich ratlos am Kopf. „Für gewöhnlich ist Seto nicht so für süßes.“ Masao lachte leise. „Dafür hat er ganz schön reingehauen. Er ist halt noch ein Kind, auch wenn er versucht erwachsen zu sein. Atemu hat ihn solange bedrängt, bis er nachgegeben hat.“ „Wenigstens scheint ihr einen schönen Tag gehabt zu haben.“, stöhnte Yasuo. „Im Gegensatz zu dir.“, zog Masao die Stirn kraus. „Du siehst krank aus.“ „Halb so wild. Wir sind nur zu schnell unterwegs gewesen.“ Masao sah zu Seth, der die beiden Jungs zudeckte. „Wenn Sie meinen Bruder rum bekommen wollen, bleiben Sie im Stadtverkehr und suchen sich ein Restaurant, welches eine entspannte Atmosphäre hat. Auf keinen Fall sollten Sie...“ „Gibst du meinem Freund etwa Tipps? Die braucht er nicht.“, empörte sich Yasuo. „Wenn es schon ein Arzt schafft dich rum zu bekommen, sollte ich ihn unterstützen wo ich kann. Im Gegensatz zu deinem letzten Freund, hat Dr. Kaiba wenigstens etwas im Kopf.“ „Du redest zu viel.“ „Mag sein, du solltest es nur nicht vermasseln.“ Masao sah zu Seth rüber, der interessiert zuhörte. „Mein Bruder verliebt sich nicht so schnell in jemanden und spendabel ist er normalerweise auch nicht. In Wirklichkeit ist er ein richtiger Geizkragen.“ Yasuo fuhr sich peinlich berührt durchs Gesicht. Sein Bruder war aber auch eine Labertasche. „Erzähl ihm doch gleich, wie ich im Bett bin und wenn du schon dabei bist, wie lange ich durchhalte.“ „Solche Informationen vertraust du mir ja nicht an, aber einer deiner Exfreunde hat sich darüber ausgelassen und mir erzählt, das du dich manchmal...“ „Noch ein Wort und du kannst was erleben.“ Seth fand Masao gar nicht mal so unsympathisch. Die Brüder schienen sich gut zu verstehen und Masao nahm seinen älteren Bruder gerne auf die Schippe. „Habt ihr denn noch andere Geschwister?“ Masao nickte eifrig. „Unserem Nesthäkchen solltest du allerdings aus dem Weg gehen.“ Fragend runzelte Seth die Stirn. „Wie meinen Sie das?“ Yasuo versuchte ihm diese Frage zu beantworten. „Solltest du ihn doch einmal treffen, unterhalte dich nicht zu viel mit ihm. Wie soll ich dir das erklären? Er gehört zu den Menschen, denen man besser aus dem Weg geht.“ „Oh, danke für die Warnung.“ Seth wusste nicht was er davon halten sollte. Andererseits gab es in jeder Familie schwarze Schafe. Seine eigene Familie bildete da keine Ausnahme. „Ich sollte dann besser gehen, bevor mein großer Bruder noch sauer wird.“, grinste Masao und beugte sich ein Stück zu Yasuo. „Wenn du es ernst mit ihm meinst, solltest du ihm die Wahrheit über dich sagen.“ „Das weiß ich selbst, aber wie soll ich ihm das denn bitte beibringen, ohne das er durchdreht?“ „Ich wünsche dir viel Glück, Brüderchen. Du kannst es brauchen.“ Damit verabschiedete sich Masao. Yasuo ließ den Kopf hängen und sank in seinen Sessel. „Was meinte er damit?“, wollte Seth wissen, der gute Ohren hatte. „Mein Bruder bringt mich gerne in die Zwickmühle.“, versuchte Yasuo sich zu retten. „Ach so ist das.“ Seth wollte nicht näher darauf eingehen. Dafür kannten sie sich noch nicht lange genug. „Ich sollte mich mit Seto auf dem Weg machen.“ „Warum denn? Ich habe dir doch angeboten hier zu übernachten.“ Yasuo hätte heulen können. Warum musste sein Bruder nur so ein loses Mundwerk haben? „Du siehst erschöpft aus und mit Seto hattest du heute schon genug Arbeit gehabt.“ Eigentlich wollte Seth noch bleiben, doch... „Ich habe mich gern um ihn gekümmert und dich habe ich auch gerne in meiner Nähe. Ich würde mich freuen wenn du bleibst.“ Seth haderte mich sich. „Hör zu.“ Yasuo ging auf ihn zu und sah Seth bittend an. „Mein Bruder redet viel dummes Zeug. Wenn er dich jetzt verschreckt hat, dann tut es mir Leid.“ Dieses Schweigen machte Yasuo total nervös und er fing an, am Saum seines Hemdes herum zu nesteln. Warum hatte er Masao überhaupt rein gelassen? Irgend etwas musste ja wieder schief gehen. Jetzt wurde ihm schon wieder schlecht und dabei saß er längst nicht mehr im Auto. Warum nochmal hatte er seinen dummen Bruder reingelassen? Yasuo ließ resigniert den Kopf hängen. „Ich bringe euch zum Auto.“ „Versteh mich bitte nicht falsch.“, begann Seth und suchte die richtigen Worte. „Ich weiß deine Bemühungen zu schätzen, doch wie ich dir vorhin schon sagte, sollst du von mir nichts falsches denken. Du brauchst mir keine teuren Geschenke machen. Wenn du deswegen Schulden machst...“ Yasuo zog überrascht beide Augenbrauen hoch. Also darum ging es. „Ich habe keine Schulden und ich bin mir dessen bewusst, das ich einen hören Lebensstandart führe, als der Durchschnitt. Wenn ich anderen Geschenke mache, dann tue ich dies, weil ich es will und nicht weil ich mich dazu verpflichtet fühle.“ Seth wollte ihm antworten, aber Atemu kam ihm zuvor, der die beiden schon eine Weile beobachtet hatte. „Papa verdient viel Geld, Seth. Er hat noch nie einem seiner Freunde ein Auto für ein paar Tage zum Geschenk gemacht. Du bist die Ausnahme.“ Auf Atemu’s Gesicht schlich sich ein Lächeln. „Er hat sich in dich verliebt und träumt Nachts von dir. Er redet sogar im Schlaf über dich.“ `Von wem hat mein Junge nur dieses lose Mundwerk?´, brummte Yasuo in Gedanken. „Wirklich?“ Seth zeigte sich überrascht und sah Yasuo mit großen Augen an. Yasuo versuchte mitzuspielen und seinen vorlauten Sohn jetzt nicht zu tadeln. Hauptsache Seth ging nicht. „Bitte bleib hier. Ich möchte dich besser kennenlernen und ich werde dir so viel wie möglich über mich erzählen.“ `Bis auf die eine Sache.´, fügte Yasuo in Gedanken hinzu. Dafür brauchte er den richtigen Zeitpunkt. „Also gut, ich bleibe.“ Seth wollte nicht gehen. Für ihn lief es einfach zu gut und er wartete nur darauf, das Yasuo ihm den Laufpass gab. So wie es immer der Fall war. „Jage mir nie wieder so einen Schrecken ein.“, zeigte sich Yasuo erleichtert. „Entschuldige.“ Seth fühlte sich wirklich wohl in Yasuo’s Familie. Deshalb hatte er auch Angst. Seto gähnte verhalten und sah verschlafen zu Atemu. „Mir ist schlecht.“ „Bei den vielen Süßigkeiten wundert mich das nicht.“, schmunzelte Seth und wollte schon eine Rede darüber halten, wie ungesund übermäßiger Zuckerkonsum war. Doch er wurde von Yasuo zum Schweigen gebracht, indem er ihn küsste. Seto verdrehte die Augen. „Können die sich nicht zurückhalten?“ Er stand auf und verschwand in der Küche. Atemu folgte ihm und setze sich auf einen der Stühle. „Lass sie doch. Sie passen gut zusammen. Wenn sie heiraten, wären wir beide wie Brüder.“ „Wie kann man nur so naiv sein?“, brummte Seto. „In Japan können gleichgeschlechtliche Paare nicht heiraten.“ „Wirklich? Warum denn nicht?“ Seto verdrehte die Augen. „Ist es dir denn noch nie aufgefallen?“ Verständnislos schüttelte Atemu den Kopf. „Ich erkläre es dir.“ Seto räusperte sich, weil sein Hals kratze. Jetzt kamen auch noch Halsschmerzen hinzu. „Immer wenn mein Vater mit seinem Freund ausgegangen ist, haben die Leute hinter seinem Rücken geredet.“ „Woher willst du das wissen?“, runzelte Atemu die Stirn. „Ich kann es mir denken. Unsere Nachbarn reden auch über ihn. Ich habe es schon ein paar Mal mitbekommen. Die lassen kein gutes Haar an meinen Vater, weil er sich mit Männern trifft. Das ist doch bei deinem Vater bestimmt nicht anders.“ Atemu wiegte nachdenklich den Kopf hin und her. „Über meinen Vater redet man hier nicht. Sie grüßen ihn immer freundlich.“ „Hinter seinem Rücken sieht das bestimmt anders aus.“ „Ist das denn so schlimm?“, wollte Atemu wissen. „Ist es denn nicht viel wichtiger, das dein Vater glücklich ist?“ Seto schaute wütend zu Boden. „Der sucht sich immer nur Idioten aus, die ihn am Ende fallen lassen.“ „Mein Vater ist nicht so. Er würde Seth nicht versuchen zu halten, wenn er es nicht ernst meinen würde.“ „Ich bin gespannt, wer am Ende Recht behalten wird.“ Auch Seto hatte Angst, denn er mochte Yasuo und je mehr Zeit er mit ihm verbrachte, umso weniger wollte er ihn verlieren. * In der Nacht beobachtete Seto den schlafenden Atemu, der es sich auf dem Boden in einem Futon gemütlich gemacht hatte. Genau wie sein Vater, fühlte er sich hier richtig wohl. Wenn er morgen noch nicht zur Schule durfte, würde er den ganzen Tag bei Yasuo verbringen. Zwar war die Schule bisher das einzig wichtige in seinem Leben, aber nun schien sich alles zu ändern. Er wurde vom Freund seines Vaters sofort akzeptiert. Yasuo schien auch nicht böse zu sein, wenn er frech wurde und ihn sogar beleidigte. Sogar Masao mochte er auf anhieb, als ob sie schon ewig dazugehörten. „Und wenn er uns doch verlässt?“ * Gähnend saß Atemu am Frühstückstisch und hing mit geschlossenen Augen über seinem Müsli. „Wenn du nicht aufpasst, wirst du noch in deiner Milch ertrinken.“, schmunzelte Yasuo. „Ihr zwei habt euch bestimmt die halbe Nacht unterhalten und deshalb bist du jetzt so müde.“ „Stimmt nicht“, log Atemu und fing an zu essen. Seth saß Atemu gegenüber und trank seinen Kaffee. Für ihn war es ungewohnt sich nicht ums Frühstück kümmern zu müssen. Als er aufstand, hatte Yasuo bereits alles fertig und saß nun entspannt mit ihm am Tisch. „Warum habt ihr mich nicht geweckt?“, brummte Seto heiser und ging schnurstracks auf die Kaffeemaschine zu. „Weil du noch krank bist.“, bemerkte Yasuo. „Und so wie du dich anhörst, wirst du noch für den Rest der Woche im Bett bleiben, mein Junge.“ „Mir geht es wieder gut.“ Seto nahm sich eine Tasse aus dem Schrank und schenkte sich seinen morgendlichen Kaffee ein. „Was wird das denn?“, wollte Yasuo wissen und stand auf. Seth zog den Kopf ein. Gleich war der Frieden vorbei. Wenn es um Seto’s heißgeliebten Kaffee ging, kannte er keinen Spaß. „Ich will nur meinen Kaffee trinken.“, brummte Seto mürrisch. „Vergiss es. Du bekommst wie Atemu einen Tee, oder einen Kakao. Ganz bestimmt keinen Kaffee.“ „Das haben Sie nicht zu entscheiden!“ Yasuo nahm Seto die Tasse aus der Hand und kippte ihren Inhalt in die Spüle. „Das sehe ich anders, kleiner Seto. Dich hat es ganz schön hart erwischt. Ich mache dir einen Salbei-Tee. Der ist gut für deinen Hals und wenn du mit dem Frühstück fertig bist, gehst du zurück ins Bett.“ „Ich will aber zur Schule.“, wurde Seto laut. „So lass ich dich nicht gehen.“ Yasuo holte einen kleinen Topf aus dem Schrank und stellte ihn auf den Herd. Nebenbei goss er heißes Wasser in eine Teekanne. „Warum bist du nur so stur? Die Schule läuft dir doch nicht weg. Deine Gesundheit ist wichtiger und außerdem solltest du in deinem Alter Kaffee aus dem Hals lassen.“ Atemu stellte auf Durchzug. Wenn sein Vater erst einmal anfing, hörte er nicht so schnell auf. Ob Seto wollte oder nicht, er musste auf ihn hören, sonst hörte Yasuo nie auf zu reden. Seto kochte die Wut hoch. „Ein bisschen Kaffee bringt mich nicht gleich um.“ Yasuo grinste fies. „Der Kaffee ganz bestimmt nicht. Ich bin es, vor dem du dich in Acht nehmen musst.“ Seto gab es auf. Mit Yasuo zu diskutieren brachte nichts. Stattdessen setzte er sich an den Tisch und nahm seinen fertigen Tee entgegen. „Sie werden wohl nie müde mit ihrer Besserwisserei.“ Atemu fing an zu lachen. „Wenn du das schon schlimm findest, solltest du ihn in Aktion erleben. So mancher ist schon vor ihm davon gelaufen.“ Seto sah Yasuo von oben bis unten an. „Furchteinflößend sieht er aber nicht aus.“ „Du solltest mit Papa keine langatmigen Diskussionen anfangen. Ich verliere auch immer gegen ihn.“ „Hab ich noch gar nicht gemerkt.“, murrte Seto und verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust. „Magst du Haferflocken mit warmer Milch?“, wollte Yasuo wissen. „Ja.“ Seto pustete sich die braunen Haarsträhnen aus dem Gesicht. Seth wuschelte seinem Sohn durch die Haare und lächelte ihm aufmunternd zu. „In ein paar Tagen hast du es ausgestanden.“ „Hast du heute viel auf der Arbeit zu tun?“, wollte Seto wissen und stellte seinen Unmut beiseite. „Nicht so viel wie gestern. Heute steht nur eine Operation an. Dafür habe ich viel Papierkram zu erledigen.“ „Dann bist du heute früher zuhause?“ Seth nickte. „Ich mache um 15 Uhr Schluss.“ „Schön.“ Seth spürte unbändige Freude in sich. Dies war das erste normale Gespräch, welches er mit Seto seit Wochen geführt hatte. Es tat zwar weh, aber er musste sich eingestehen viele Fehler gemacht zu haben. Grenzen aufzuerlegen fiel ihm schwer, aber wie es aussah brauchte Seto eine klare Linie, in der es bestimmte Regeln gab. „Fertig! Wenn du noch etwas möchtest sag mir bitte Bescheid.“, sagte Yasuo, stellte die volle Schüssel vor Seto hin und setzte sich dann auf seinen Platz. „Mach ich.“ Innerlich seufzte Seto. Sie kannten sich erst so kurz, doch es kam ihm so vor, als wäre es nie anders gewesen. Yasuo behandelte ihn wie einen Sohn und schien sich auch nicht dazu zu zwingen, um seinem Vater zu gefallen. Atemu stand gähnend vom Tisch auf und stellte seine leere Schüssel in den Geschirrspüler. „Ich geh mich dann anziehen.“ „Soll ich dich fahren?“, wollte Yasuo wissen. „Nein, ich bin mit Yugi und den anderen verabredet.“ „Ich muss mich auch auf den Weg machen.“ Seth wäre gerne noch länger geblieben, aber die Arbeit rief. Seine Gedanken schweiften zur letzten Nacht, in der er sich viel mit Yasuo unterhalten hatte. Es ging um nichts bestimmtest und sie hatten nur belanglose Themen, aber es fühlte sich unglaublich schön an. Yasuo war nicht nur auf das Körperliche aus, sondern wollte ihn wirklich kennenlernen. Er freute sich schon auf den Nachmittag und konnte es bis dahin kaum erwarten. Kapitel 13: Es funkt und knistert --------------------------------- Mit mürrischem Gesicht ging Seth die Flure des Krankenhauses entlang. Beinahe jeder sprach ihn auf sein neues Auto an. Vorher war ihm nie bewusst gewesen, wie sehr seine Kollegen auf ihn achteten. Bisher fuhr er nur einen alten Kombi, der schon viele Jahre auf dem Buckel hatte und nun, wo er einmal in seinem Leben, für ein paar Tage, ein tolles Auto besitzen durfte, gönnte es ihm niemand. „Guten Morgen Dr. Kaiba, haben Sie im Lotto gewonnen?“, grinste ihn ein Kollege an. „Das Krankenhaus befindet sich im Stellenabbau, aber der Chef gönnt sich erst einmal einen Luxusschlitten, was?“ Seth war kurz davor zu explodieren, denn es war schon gefühlt das hundertste Mal, das er sich diesen dämlichen Satz anhören durfte. „Ich habe mir kein neues Auto gekauft. Ich habe es mir von einem Freund geliehen.“ Wie oft Seth sich schon erklären musste konnte er nicht mehr zählen. „Dann haben Sie nach Monaten also wieder einen neuen Freund.“, schlussfolgerte der Mann. „Dann sind Sie wieder das Gesprächsthema Nummer eins am Essenstisch.“ „Wenn Sie sonst keine Sorgen haben.“, verdrehte Seth die Augen. Mit wutverzerrtem Gesicht sah er zu, das er schnell in seinem Büro verschwand und sperrte die Tür hinter sich zu. „Die sollen sich um ihren eigenen Kram kümmern.“, brummte er. Der Tag war für ihn nun endgültig gelaufen. * Bei Yasuo lief es besser und sorgloser, denn die Vorbereitungen in seiner Küche waren beinahe abgeschlossen. Der alte Herd war entsorgt und der Neue wartete darauf angeschlossen zu werden. Noch eingepackt stand er mitten in der Küche, was Yasuo’s Herz höher schlagen ließ. „Wenn Seth hier ist, kann es endlich losgehen.“ Nachdenklich sah er auf die Flyer der Restaurants. „Heute werde ich etwas zu Essen bestellen müssen. Mal sehen was Seth möchte.“ Yasuo tippte eine Nachricht in sein Handy und schickte sie ab. Gespannt wartete er auf eine Antwort. * Als der Nachrichtenton erklang, erhellte sich Seth’s Gesicht. Es gab nur einen Menschen, der ihn anschreiben würde. Neugierig las er die Kurznachricht. ~Wie geht es dir, mein lieber Seth? Hier ist alles in Ordnung. Dein Sohn schläft. Leider hat er wieder Fieber bekommen, aber ich passe gut auf ihn auf. Was möchtest du heute essen? Bis mein neuer Herd eingebaut ist, werden wir auf das Schlemmerparadies ausweichen müssen. Was soll ich dir denn bestellen? Schreib mir auch gleich, was du zum Nachtisch haben möchtest. Liebe Grüße, dein Yasuo~ Schmunzelnd las Seth sich die Nachricht ein zweites Mal durch. Ein warmes Gefühl breitete sich in seinem Körper aus und schob seine negativen Gedanken bei Seite. Kurz überlegte er seine Antwort und fing dann an zu tippen. * „War ja klar.“, seufzte Yasuo, als er die Nachricht von Seth las. ~Danke das du an mich denkst. Bestell mir bitte ein Gericht, das nicht so teuer ist. Liebe Grüße, Seth~ „Der Kerl ist viel zu bescheiden, das muss ich ihm dringend abgewöhnen.“ Jetzt wusste Yasuo immer noch nicht, was er für Seth bestellen sollte. Da gab es nur eine Lösung. * Atemu hatte in der Zwischenzeit mit ganz anderen Sorgen zu kämpfen und er war schon total entnervt. Gemeinsam mit Yugi, Joey und Thea saß er auf dem Dach des Schulgebäudes und sie aßen gemeinsam ihr zweites Frühstück. Auch wenn Atemu sich nichts anmerken ließ, entging ihm nicht, das Bakura ihn auf Schritt und Tritt verfolgte. Den anderen erzählte er nichts davon, damit es nicht wieder zum Streit kam. „Krieg ich was ab?“, wollte Joey wissen und schaute hungrig auf Atemu’s Essen. „Bediene dich“, lächelte Atemu. „Mein Vater macht dir bestimmt auch ein Bento, wenn ich ihn darum Bitte.“ „Nicht nötig!“ Joey’s Augen wurden groß. Als Atemu ihm die Hälfte seines Frühstücks abgab und in seine Bentobox füllte. „Du bist echt in Ordnung, Alter.“, freute sich Joey und fing an das Essen in sich rein zu schaufeln. „Mir ist aufgefallen, das du immer sehr wenig zu Essen bei dir hast.“ Diese Sache brannte Atemu schon seit einer ganzen Weile auf der Seele. „Darüber brauchst du dir keine Gedanken machen. Mein Alter spielt ganz gerne und wenn er verliert, betrinkt er sich. Deshalb bleibt dann nicht genug Geld für Essen übrig.“ Thea schaute Joey mitleidig an, die seine Familienverhältnisse kannte. „Deshalb macht Joey die verschiedensten Jobs, aber das darfst du keinem Erzählen. Wie du weißt ist es uns verboten nach der Schule zu arbeiten.“ Atemu nickte bedrückt. „Ich sag nichts.“ „Wenn es eng wird kommt er zu mir und meinem Großvater zum Essen.“, sagte Yugi zwischen zwei Bissen. „Hast du nur noch deinen Großvater?“, wollte Atemu wissen. Yugi schüttelte den Kopf. „Ich habe noch meine Mutter, aber sie ist viel im Krankenhaus.“ „Das tut mir leid und was ist mit deinem Vater?“ Yugi senkte den Kopf. „Er ist vor drei Jahren gestorben und kurz darauf wurde bei meiner Mutter Krebs diagnostiziert. Deshalb lebe ich bei meinem Großvater.“ „Was ist denn mit deiner Mutter?“, wurde nun auch Joey neugierig. „Sie hat mich kurz nach meiner Geburt verlassen. Ich bin bei meinem Vater und meinem Urgroßvater aufgewachsen. Auch mein Onkel und meine Tante kümmern sich viel um mich. Insgesamt sind wir eine große Familie, wo alle aufeinander aufpassen.“, erklärte Atemu. „Deshalb habe ich meine Mutter auch nie vermisst.“ „Wie ist das eigentlich mit deinem Vater?“, bohrte Joey genauer nach. „Weil er doch mit Dr. Kaiba ausgeht.“ Atemu zog die Augenbrauen hoch, denn mit dieser Frage hatte er nicht gerechnet. „Sie verstehen sich gut und sie scheinen jetzt auch richtig zusammen zu sein.“ „Irgendwie passen die zwei nicht zusammen.“, bemerkte Thea. „Hä, warum das denn nicht?“ Atemu verging immer mehr die Laune. Joey antwortete für Thea. „Dein Vater ist der totale Draufgänger und Dr. Kaiba...wie soll ich sagen? Er ist so von oben herab und hält sich für etwas besseres. Sieht man doch auch an Seto.“ Atemu blieb der Mund offen stehen. „Da hab ihr ein völlig falsches Bild von den Beiden.“ „Alle denken so über die Kaibas.“, mischte sich nun auch Yugi ins Gespräch ein. „Zugegeben, ich habe mich anfangs auch nicht mit Seto verstanden, aber das hat sich geändert.“ Joey stemmte sein Kinn auf seine Handfläche. „Ich mag die Beiden nicht. Sie sind mir zu arrogant. Dr. Kaiba ist ein angesehener Arzt und Seto eifert ihm nach, dabei kann der seinen Alten genauso wenig ausstehen, wie ich meinen Vater.“ Atemu konnte seinen Gegenüber nur mit offenem Mund anstarren. „Ich mochte Seth vom ersten Augenblick und Seto ist ganz anders, als ihr denkt. Mein Vater würde sich auf niemanden einlassen der so wäre, wie ihr ihn beschreibt.“ „Wir meinen es nicht böse.“, beschwichtige Thea. „Seth und mein Vater passen gut zusammen, egal was andere sagen.“ „Bis die Leute anfangen zu reden.“, seufzte Yugi. Fragend legte Atemu den Kopf schief. „Wie meinst du das?“ „Ist es dir denn nicht aufgefallen?“, wunderte sich Thea. „Über Dr. Kaiba zerreißen sich die Lehrer und auch die Schüler das Maul.“, begann Joey. „Dein Vater und besonders Dr. Kaiba sind das Gesprächsthema Nummer Eins.“ „Oh nein.“ Atemu ahnte fürchterliches, wenn dies tatsächlich der Wahrheit entsprach. „Die Leute lästern also?“ „Ja und nicht zu knapp.“ Joey fing wieder an sich das Essen in den Mund zu schieben. „Bei deinem Vater kann ich mir vorstellen, das er sich nichts bieten lässt. Er hat etwas furchteinflößendes an sich.“, gestand Yugi. „Wie kommst du darauf?“ Atemu klatschte sich innerlich die Hand auf die Stirn. Das lag bestimmt an der Ansage, die sein Vater an Bakura gerichtet hatte. Tief atmete Yugi durch. „Vor ein paar Tagen war ich im Supermarkt zum Einkaufen gewesen...“ Yugi zögerte. „...ich bin versehentlich in ihn hineingelaufen und dabei hat er alles, was er in den Händen hielt, fallen gelassen. Einiges ist zu Bruch gegangen und es gab eine ziemliche Sauerei.“ Es gruselte Yugi, als er daran zurück dachte. „Dein Vater kann wirklich böse gucken und vor lauter Panik bin ich auf und davon.“ Atemu fing an zu lachen. „Vor meinem Vater brauchst du keine Angst zu haben. Er würde dir niemals etwas tun.“ „Bist du sicher?“ „Ich habe auch Respekt vor deinem Vater, so wie die meisten hier.“, gestand auch Joey. So wollte Atemu es nicht stehen lassen. „Am besten lade ich euch morgen zu mir ein. Dann seht ihr, wie nett mein Vater in Wirklichkeit ist.“ Nur zögerlich nickten die drei. * Nachdenklich schaute Yasuo aufs Fieberthermometer. „Dein Fieber ist hartnäckig. Hast du noch Halsschmerzen?“ Seto, der sich die müden Augen rieb, nickte. „Möchtest du ein Schmerzmittel?“ „So schlimm ist es nicht.“ Seto verfluchte seine raue Stimme. „Ich wollte später etwas zu essen bestellen, was möchtest du haben?“ Seto überlegte. „Was nicht so teuer ist.“ Das gab es doch nicht. „Du bist deinem Vater viel ähnlicher, als es auf den ersten Blick den Anschein macht.“, grummelte Yasuo und holte die Speisekarte aus der Küche. Auffordernd hielt er sie Seto vor die Nase. „Such dir aus, was du magst!“ „O-okay.“ Seto richtete sich auf und schaute sich die verschiedenen Gerichte an. Er wurde leicht nervös, weil keines der Gerichte günstig war. „Ähm...ich nehme...Sukiyaki.“ „Beim letzten Mal hast du auch schon Sukiyaki gegessen.“, erinnerte sich Yasuo. „Was mag dein Vater denn?“ Gespannt wie ein Luchs wartete er auf eine Antwort. „Also...“ So fordernd war Yasuo sonst nicht. „Er mag...Fisch sehr gerne, oder scharfe Gerichte.“ Überrascht legte Yasuo den Kopf schief. „Er mag scharfes Essen?“ „Ja, aber weil ich es nicht mag kocht er es nicht.“ „Danke für die Info, das hilft mir auf jeden Fall weiter.“, freute sich Yasuo wie ein kleines Kind. „Dann geh ich mal bestellen. Am besten bekommt er gleich zwei Gerichte, dann kann er sich eines aussuchen.“ Erfüllt von Glück schwebte Yasuo aus dem Zimmer. „Den hat’s ganz schön erwischt.“ Seto konnte sich nicht daran erinnern einen Erwachsenen je so erlebt zu haben. * Eiligen Schrittes sah Seth zu, aus dem Gebäude zu kommen, damit er schnell bei Yasuo sein konnte. Die Arbeitstage zogen sich in letzter Zeit und besonders heute war es schlimm. Lange würde sein Glück mit Yasuo bestimmt nicht mehr anhalten und deshalb wollte er noch so viel Zeit, wie nur möglich mit ihm verbringen. „So in Eile?“ Seth blieb stehen und schaute in das Gesicht von Dr. Hisagi, der direkt vor ihm stand. Dieses höhnische Grinsen hätte er ihm am liebsten aus dem Gesicht gewischt. „Ich habe jetzt keine Zeit.“ „Über Sie wird hier viel geredet.“, begann Dr. Hisagi. Es war ihm vollkommen egal, wie eilig es Seth hatte. „Na und, die Leute reden doch immer über irgendjemanden.“ Seth war total genervt, ausgerechnet dieser arrogante Mistkerl. „Es sind viele Gerüchte über Sie im Umlauf. Unter anderem sollen Sie sich wieder in festen Händen befinden.“ Seth zuckte mit den Schultern. „Was geht Sie, oder jemand Anderen, das ganze an?“ Konnten die Leute nicht vor ihrer eigenen Tür kehren? „Sehr viel, denn Sie bringen den Ruf unseres Krankenhauses mit Ihren komischen Beziehungen in Verruf.“ „Mein Privatleben geht niemanden etwas an, deswegen heißt es ja auch Privatleben.“ „Warum suchen Sie sich keine Frau und bekommen noch ein oder zwei Kinder? Für ihren Sohn wären sie dann auch keine Enttäuschung mehr. Ein Arzt wie Sie einer sind sollte sich nicht mit Männern herumtreiben.“ „Wir sind glücklich so wie es ist.“ „Deshalb treibt sich Ihr Sohn auch in den Gegenden herum, wo Drogen verkauft werden. Sie verschließen die Augen vor der Realität.“ „Mein Junge nimmt keine Drogen und hat damit auch nichts zu tun.“ Dr. Hisagi zuckte mit den Schultern. „Der Junge, mit dem er ständig zusammen ist aber schon.“ Dies war Seth neu. „Woher wollen Sie das wissen?“ „Man hört halt so einiges!“ „Verschonen Sie mich mit Ihren haltlosen Verdächtigungen.“ Nun war Seth an seinem absoluten Tiefpunkt angekommen und lief wütend an Hisagi vorbei. Wie konnte dieser Wichtigtuer es wagen sich in sein Privatleben einzumischen? So oft schon musste Seth sich rechtfertigen, nur weil er kein Geheimnis aus seiner Homosexualität machte. Niemals durfte Yasuo mit seinen Kollegen zusammen treffen, denn dann, da war Seth sich absolut sicher, würde er seinen Yasuo nie wieder sehen. * Langsam ging es Atemu gehörig gegen den Strich, denn die ganze Zeit verfolgte Bakura ihn. Dann auch noch auf so stümperhafte Art und Weise. Es grenzte schon an ein Wunder, dass die anderen diese Nervensäge nicht bemerkten. „Dann sehen wir uns morgen.“, verabschiedeten sich die anderen. „Bis morgen.“ Atemu beeilte sich nach Hause zu kommen. Er durfte nicht vergessen, was er seinem Vater versprechen musste, deshalb stellte er Bakura auch nicht zur Rede. * Nachdenklich schaute Yasuo von Atemu zu Seth und wieder zurück. Die Beiden waren heute auffallend still und aßen geknickt und niedergeschlagenen ihr Mittagessen. Auch auf die Nachfrage ob etwas vorgefallen war, erhielt er keine zufriedenstellende Antwort. Seto ging es auch nicht besonders gut und er gähnte viel mehr, als das er aß. So hatte Yasuo sich den Nachmittag mit seinen Liebsten nicht vorgestellt. Nach dem Essen ging Seto geradewegs zurück ins Bett, während Atemu sich über den Nachtisch hermachte. Yasuo sah deutlich, wie die Augen seines Sohnes wieder leuchteten. Wenn es bei Seth doch auch nur so einfach wäre. So wollte er es jedenfalls nicht stehen lassen und bat ihn ins Wohnzimmer. „Du machst heute einen niedergeschlagenen Eindruck und auch wenn du vorhin gesagt hast, das alles in Ordnung ist, scheint dem nicht so zu sein.“ Seth setzte sich auf die Couch und schaute auf den dunklen Teppich. „Ich hatte vorhin eine kleine Auseinandersetzung mit einem Kollegen. Halb so wild.“ Yasuo setzte sich ebenfalls. „Worum ging es bei dieser Auseinandersetzung?“ Es fiel Seth nicht leicht darüber zu sprechen. „Wie gehst du damit um, wenn dich jemand wegen deiner Homosexualität diskriminiert?“ Jetzt wusste Yasuo den Grund und er kratzte sich verlegen am Kopf. „Ich bin nur ein einziges Mal damit in Berührung gekommen.“ Er überlegte wo er anfangen sollte. „Das ist noch gar nicht so lange her. Ich bin abends ausgegangen, in einen dieser Nachtclubs. Ich hatte mich mit jemandem unterhalten, der Interesse an mir hatte und nach kurzer Zeit haben wir wild herumgeknutscht.“ Seth hörte aufmerksam zu und merkte, das Yasuo viel offener damit umging, als er selbst es je könnte. Nie würde er in einer Disco mit jemanden rum machen. Schon allein die Blicke reichten ihm. „Wir wurden dann von zwei Männern angepöbelt und sie fingen an uns zu beschimpfen. Leider blieb es nicht bei Worten und sie fingen an meinen Partner herumzuschubsen. Er war kleiner und zierlicher als ich und somit das leichtere Opfer.“ Yasuo bekam rote Wangen. „Ich bin nicht besonders zimperlich und fackelte nicht lange. Wie soll ich sagen?“ Yasuo suchte nach den richtigen Worten und musste zu seinem Bedauern feststellen, das er es unmöglich ausschmücken konnte. „Ich habe die Zwei vermöbelt und sie mussten sogar für einen Tag ins Krankenhaus.“ Seth bekam große Augen. „Ganz allein?“ Yasuo nickte verlegen. „Ehrlich gesagt kann ich es mir bei dir nicht vorstellen.“ „Ich fürchte, du kannst dir bei mir so einiges nicht vorstellen.“ Die Worte seines Bruders fielen ihm wieder ein, aber dafür fand er den Zeitpunkt nicht passend. „Hat es Spaß gemacht sie zu verprügeln?“, wollte Seth wissen, denn er hatte oft das Bedürfnis, das selbe zu tun. „Offengestanden hat es das.“ Seth lehnte sich zurück. „So hätte ich heute auch gerne gehandelt.“ „Du solltest diesen Mann in seine Schranken weisen, sonst wird er es immer wieder tun.“ „Wenn ich das tue...“ Seth schwieg sich lieber aus. Es wunderte ihn überhaupt so offen über eine Probleme geredet zu haben. Yasuo ergriff Seth’s Hand und gab ihm einen Kuss darauf. Dabei rückte er näher an seinen Liebsten ran. „Für so schüchtern hätte ich dich nicht gehalten.“ „Ich bin nicht schüchtern... Ich versuche nur meinen Ruf so gut es geht aufrecht zu erhalten.“ „Ist er dir so wichtig?“, wollte Yasuo wissen, der sich um seinen Ruf nicht scherte. „Ja...nein...eigentlich... Ich weiß es nicht.“, gestand Seth. „Ich bin Arzt und kann nicht plötzlich die Fäuste auspacken, oder verbal auf andere losgehen.“ Yasuo sah ihn grübelnd an. „Du solltest mal den Kopf freibekommen. Lass uns heute Abend ausgehen.“ „Mitten in der Woche?“ „Klar, dann wirst du dich besser fühlen.“ Seth lächelte zögerlich. „Von mir aus.“ So furchtbar wie dieser Tag auch war, bei Yasuo fühlte er sich sofort wieder besser. Dieser Mann hatte eine kraftvolle Ausstrahlung, die Seth in sich aufsaugte und sich immer mehr nach ihm sehnte. Mit jeder Minute, die er mit ihm verbrachte verliebte Seth sich ein Stück mehr in ihn. Genau das machte ihm solche Angst. Bisher wusste Seth relativ schnell, wenn es mit einer angehenden Beziehung nichts wurde, aber bei Yasuo war es anders. Er machte sich immer mehr Hoffnung, gleichzeitig versuchte er auf Distanz zu gehen. Sobald er jedoch in Yasuo’s Nähe war, wollte er nicht mehr fort. Er fühlte sich einfach wohl und willkommen. Auch Seto wurde akzeptiert, trotz seiner anfänglichen Feindseligkeit. „Du grübelst schon wieder.“, sorgte sich Yasuo. „Denk nicht so viel nach.“ Seth’s Herz machte einen Hüpfer, als Yasuo anfing ihn zu küssen. Wie gut sich das anfühlte und wie sanft und zugleich bestimmend dieser Mann war. Sein ganzer Körper kribbelte angenehm, besonders als Yasuo’s Hand unter seinem Pullover verschwand und seine rosige Knospe verwöhnte. Seine Gedanken wanderten zum Hotel, wo er die Initiative ergriffen hatte und mit Yasuo schlief, obwohl er sich noch nicht bereit dazu gefühlt hatte. Doch was sollte er tun? Er wollte diesen Mann nicht verlieren, auch wenn er aus den falschen Ambitionen mit ihm schlief. Leider war es seitdem nicht wieder zum Sex gekommen. Gelegenheiten gab es zwar genug, doch Yasuo beschränkte sich aufs Reden und Küssen. Sie machten nur rum und dies verwirrte Seth nur noch mehr. Bisher wollten alle mit ihm schlafen und zeigten dies auch deutlich. Yasuo löste den Kuss und schaute Seth lange in die Augen. Liebevoll strich er mit dem Daumen über seine Wange. „Ich meine es wirklich ernst mit dir, wenn es das ist, was dich quält.“ Seth’s blaue Augen weiteten sich erschrocken. „Wie kommst du darauf?“ Traurig lächelte Yasuo. „Ich habe nur geraten.“ Mit laut schlagendem Herzen senkte Seth den Kopf. „Entschuldige bitte, ich benehme mich wie ein Idiot.“ „Mich könntest du in dieser Kategorie nicht übertreffen.“, zwinkerte Yasuo. „Mein Bruder kann dir da Geschichten erzählen, da kommst du aus dem Kopfschütteln nicht mehr heraus.“ Seth Gesicht erhellte sich ein wenig. „Dir scheint immer alles zu gelingen, sogar mit Seto kommst du ohne Probleme klar.“ „Ich habe nur mehr Übung. Als ich damals plötzlich mit einem Baby da stand, habe ich eine falsche Entscheidung nach der anderen getroffen. Mein Leben lief zum zweiten Mal aus dem Ruder und wenn meine Familie mich nicht aufgefangen hätte, würde ich heute nicht da stehen, wo ich jetzt bin. Wenn es dir so vorkommt, das mir alles so leicht fällt, dann nur, weil ich schon viel erlebt habe. Sowohl Gutes als auch sehr viel Schlimmes.“ Seth mochte nicht fragen, was Yasuo meinte. Jedoch beruhigten ihn diese Worte und sein Herzschlag verlangsamte sich wieder. „Gut. Da das jetzt geklärt wäre, lass uns meinen Herd anschließen.“ Yasuo zog Seth auf die Beine und mit sich in die Küche, wo Atemu fast den ganzen Kuchen aufgefuttert hatte. „Wie kann man nur so verfressen sein?“, stemmte Yasuo die Hände in die Hüften. „Ich konnte nicht anders.“, mampfte Atemu. „Dafür helfe ich dir auch mit dem Herd.“ „Wie großzügig, aber du wirst bei dieser Menge an Kuchen eher, wie auch schon bei den letzten Malen, mit Bauchschmerzen zu kämpfen haben.“ „Gar nicht wahr.“, schmollte Atemu, obwohl er es besser wusste. Kurze Zeit später fummelte Yasuo an den Kabeln vom Herd herum und fing immer wieder an Flüche auszusprechen. Nebenbei wurde Seth’s Wortschatz um einige Schimpfworte erweitert. Scheinbar fiel Yasuo doch nicht alles so leicht, wie Seth nun feststellte. Skeptisch beobachtete er das Ganze und versuchte sich nicht einzumischen. „Hast du so etwas schon einmal gemacht?“ „Nein, für gewöhnlich beauftrage ich Jemanden, aber so kurzfristig hatte keiner Zeit.“ „Wenn du so weiter machst bekommst...“ Aber da war es schon zu spät. Ein kleiner Funken, ein zischen und ein entsetzter Yasuo, der einen Stromschlag bekommen hatte. „Alles okay?“ „Das war wohl nicht richtig.“, brummte Yasuo und fummelte weiter an den Kabeln herum, die aus der Wand ragten. „Ganz eindeutig. Vielleicht solltest du den Strom abstellen, sonst...“ Da bekam Yasuo zum zweiten Mal eine gewischt. „Warum ist das nur so schwer? Ich halte mich doch an die Gebrauchsanweisung.“, wurde Yasuo quengelig. Seth versuchte nicht zu lachen, denn Yasuo’s Haare sahen noch wilder aus als sonst. „Hier steht...“ Die blauen Augen schauten auf den Kabelsalat. „...also?“ „So weit war ich auch schon.“, zeterte Yasuo. „Lass mich mal.“ Seth drängte sich zwischen den Herd und die Wand und versuchte es besser zu machen. Doch dieser Herd schien sich nicht anschließen lassen zu wollen. „Wo hast du das Ding gekauft? Scheint direkt aus der Hölle zu kommen.“, fing Seth an zu fluchen. „Versuch das mit dem da zu verbinden!“ Seth kam dem nach und bekam prompt einen Stromschlag. „War wohl auch nicht richtig.“, überlegte Yasuo. „Ach wirklich? Da wäre ich nicht drauf gekommen.“, grummelte Seth und spürte immer noch das kribbeln in seinen Händen. Atemu wurde es beim zusehen zu langweilig und setze sich lieber vor seine Spielkonsole im Wohnzimmer. „Fackelt bitte die Küche nicht ab.“ „Mal sehen.“, brummte Yasuo und auch Seth war kurz vor dem Verzweifeln. Bis zum Abend hin versuchten sie sich durch den Kabelsalat zu kämpfen und hatten es schlussendlich geschafft. Stolz betrachteten sie ihr Werk. „Bereit?“ „Bereit!“, antwortete Yasuo und stellte eine Herdplatte an. Das Ceranfeld leuchtete rot auf. Sie wollten schon jubeln, als ein Knall durch die Küche hallte und alles um sie herum dunkel wurde. Überlegend verschränkte Yasuo die Arme vor der Brust. „Irgendwas war wohl falsch.“ „Vermutlich alles“, seufzte Seth. Empört stürmte Atemu in die Küche. „Was habt ihr denn jetzt wieder gemacht? Ich hab mein Spiel nicht gespeichert und jetzt darf ich von vorne anfangen. Dabei war ich schon so weit.“ Seth schaltete das Licht seines Smartphones an. „Vielleicht sollten wir einen Techniker anrufen.“ „Ich werde zuerst in den Keller gehen und die Sicherung wieder rein drehen.“ „Soll ich mitkommen?“, wollte Seth wissen. „Nicht nötig.“ „Ignoriert mich nur!“, ranzte Atemu und holte sich einen Pudding aus dem Kühlschrank. Seth wuschelte durch die roten Haare von Atemu. „Dein Papa und ich sind nicht gerade geschickt in solchen Dingen.“ „Normalerweise bekommt mein Vater so etwas ohne Probleme hin.“, zwinkerte Atemu. „Du machst ihn einfach viel zu nervös. Selbst Seto meinte vorhin zu mir, das er richtig in dich verliebt ist.“ Seth spürte zum zweiten Mal heute ein warmes Gefühl in sich, welches sich auf angenehme Weise in seinem Körper ausbreitete. „Bist du dir sicher?“ Atemu nickte. „Er macht zwar einen gelassenen Eindruck, aber wie du gesehen hast, hat er es nicht hinbekommen. Wenn du meinen Papa besser kennst, wirst du es auch bemerken.“ Langsam glaubte Seth daran, dieses Mal den richtigen kennengelernt zu haben. Seth versuchte daran zu glauben und die Vergangenheit zu vergessen. Tief in Gedanken ging er in Atemu’s Zimmer, um nach Seto zu sehen. Dieser schlief immer noch fest. „Dein Fieber ist endlich zurückgegangen.“ Sorgsam zog er die Bettdecke ein Stück höher. „Ich bin so froh, das du tagsüber nicht alleine bist. Wir beide scheinen endlich Glück im Leben zu haben. Yasuo ist der Erste, den du an dich heran lässt. Du hast die Hürde geschafft, jetzt liegt es nur noch an mir es nicht zu versauen.“ Seth lächelte, als die Lampen wieder angingen und ging ins Wohnzimmer, wo Yasuo kurze Zeit später zu Tür herein kam. „Ich habe keine Lust mehr.“, stöhnte er. „Lass uns ausgehen, damit wir noch etwas vom Tag, oder eher von der Nacht haben.“ „Ihr geht aus?“ Atemu’s Augen leuchteten vor Freude. Yasuo grinste seinen Sohn an. „Wenn du glaubst, dir den Bauch weiter vollstopfen zu können, muss ich dir den Zahn ziehen. Masao wird gleich hier sein und ein Auge auf euch haben.“ Atemu verzog das Gesicht. „Du hast ihn wieder als Babysitter eingespannt?“ „Was denkst du denn? Seto ist noch nicht gesund, da kann ich ihn dir doch nicht aufbürden. Außerdem wird es für dich Zeit ins Bett zu gehen.“ „Das ist nicht fair.“ Yasuo sah zu Seth rüber, der um 22 Uhr nicht mehr damit gerechnet hatte noch aus zu gehen. „Willst du dich noch umziehen?“ „Was? Äh...ja...“ „Gut, dann treffen wir uns in einer Halben Stunde bei dir.“ * Wie lange Seth nicht mehr in einem Club gewesen war, konnte er nicht sagen, denn für gewöhnlich ging er bei Verabredungen in ein Restaurant. „Du bist viel zu steif.“, schmunzelte Yasuo und nahm Seth die Krawatte vom Hals, als dieser sich von seinem Mantel befreite. „Findest du?“ „Eine Krawatte ist überflüssig.“ Yasuo fand seinen Arzt in bestimmten Situationen einfach nur süß. Manchmal wirkte er so unbeholfen und so wie jetzt etwas fehl am Platz. Mit leichter Belustigung beobachtete er Seth, der mit großen Augen auf die Getränkekarte starrte. „Musste es ausgerechnet so ein teurer Club sein?“ „Du machst dir zu viele Gedanken.“, lächelte Yasuo. „Heute amüsieren wir uns und du bist mein Gast.“ Die laute Musik und die ausgelassene Stimmung ließen Seth seine Sorgen vergessen, der Alkohol tat sein Übriges. Dieser Club hatte auch ruhige Ecken, wo man sich ungestört unterhalten konnte und die Drinks schmeckten hervorragend. „Hey Yasuo, auch mal wieder hier.“, lächelte Rishid, als er seinen alten Kumpel sah. „Wie geht es deinem Lausbuben?“ „Der ist ganz brav.“, zwinkerte Yasuo. Rishid sah zu Seth und deutete eine leichte Verbeugung an. „Wie unhöflich von mir. Ich bin Rishid und schon lange mit Yasuo befreundet.“ Er streckte die Hand aus, die Seth ergriff. „Ich bin Seth Kaiba, freut mich. „Setzt euch doch zu uns an den Tisch.“ „War ja klar, das du gleich mit der ganzen Mannschaft hier bist.“ Yasuo schaute Seth fragend an. „Ist dir das denn recht?“ „Kein Problem.“ Seth hatte wirklich nichts dagegen. So konnte er die Freunde von Yasuo kennenlernen und vielleicht noch ein wenig mehr über ihn erfahren. Sie setzten sich an einen großen runden Tisch, an dem noch acht weitere Männer saßen. Nacheinander stellten sie sich vor und Seth stellte fest, das die meisten seinen Yasuo schon seit Jahren kannten und einige sogar mit ihm aufgewachsen waren. „Und was machst du so beruflich?“, wollte Rishid wissen. Noch etwas was Seth auffiel, sie duzten ihn alle. „Ich bin Arzt im städtischen Krankenhaus und habe mich auf...“ Seth schaute verdutzt in die Runde, weil ihn alle mit großen Augen anstarrten. „Du bist ein richtiger Arzt?“, sagte Toyo voller Unglauben. „Mit operieren und Spritzen geben?“ Seth nickte. Zuerst kam ihm dieser Mann, mit seiner großen Narbe im Gesicht, seltsam vor, aber er schien wirklich nett zu sein. „Ja, ich habe mich auf Kardiologie spezialisiert, aber ich schule mich nebenbei noch auf Neurologie und Pneumologie.“ „Gleich zwei weitere Fachgebiete?“ Rishid schaute zu Yasuo. „Wie hast du es geschafft dir so einen klugen Mann zu angeln?“ „Er hat mich geangelt.“, brummte Yasuo etwas pikiert. „Das erklärt einiges.“, überlegte Toyo und schaute wieder zu Seth. „Unser Yasuo ergreift vor Ärzten schreiend die Flucht, wenn er sie nur von weitem wittert. Wie hast du es geschafft ihn dir zu schnappen?“ Überlegend wiegte Seth den Kopf hin und her. „Also...Atemu hat etwas nachgeholfen und der Rest hat sich an einem Wochenende ergeben, als wir uns in einem Wald verirrten.“ Seth dachte gerne daran zurück und fing unbeabsichtigt an zu schwärmen. Den letzten Shot hätte er besser nicht trinken sollen. „Vor uns knisterte das Lagerfeuer und über uns prangte der leuchtende Sternenhimmel. Es war eine schöne Nacht, in der er sich mir angenähert hat.“ Alle Augen waren auf Yasuo gerichtet, während keiner auch nur einen Laut von sich gab. Seth erzählte unbeirrt weiter und war mit seinen Gedanken ganz in dieser Nacht gefangen. „Vorher liefen wir Stundenlang durch den Wald, ohne zu wissen in welche Richtung wir laufen müssen und waren dementsprechend erschöpft. Als es dunkel wurde, haben wir ein provisorisches Lager aufgeschlagen. Yasuo ist ein richtiger Romantiker.“ Yasuo hatte in der Zwischenzeit tief rote Wangen bekommen. Nie im Leben hätte er Seth so eingeschätzt so mir nichts dir nichts aus dem Nähkästchen zu plaudern. Da hatte Jemand wohl zu viel Alkohol intus. Toyo wagte es etwas zu fragen. „Seit wann bist du so ein Romantiker? Du bist doch sonst eher der Holzhammer, der ungeschickt durch jede Beziehung trampelt.“ „Das bin ich schon immer gewesen.“, wurde Yasuo nur noch röter im Gesicht. „Es war halt eine schöne Nacht.“, murmelte er vor sich hin. „Passt gar nicht zu dir.“, überlegte Toyo. „Ganz und gar nicht.“ „Nie im Leben.“ „Bist das wirklich du?“ Seth wiegte den Kopf hin und her. „Am nächsten Morgen ist er allerdings vom Baum gefallen und ich musste den schweren Klops zurück zum Hotel schleppen.“ „Das klingt schon eher nach Yasuo.“, kam es von allen gleichzeitig. Yasuo sank tief in seinen Stuhl zusammen und nippte an seinem Getränk. „Das kling schon eher nach Yasuo.“, äffte er seine Kumpels nach, was die Anderen in schallendes Gelächter ausbrechen ließ. Auch Seth konnte sich das Lachen nicht verkneifen. Auch wenn Yasuo beleidigt war, war er sehr froh drüber, wie gut Seth sich in die Runde einfügte und auch seinen Spaß zu haben schien. Seine Bedenken, die er seit einiger Zeit hatte zerschlugen sich nach und nach. Im Hotel hatte Seth die Initiative ergriffen und sie wurden dadurch schnell intim. Doch hatte es für Yasuo mehr etwas erzwungenes, als ob Seth sich dazu verpflichtet fühlen würde. Von da an trat sein Arzt auf die Bremse und ruderte sogar zurück. Es war deutlich zu sehen, das Seth sich vor etwas fürchtete und Yasuo konnte sich denken was es war. Nur mehr als ihm zu zeigen, das er keine Spielchen mit ihm spielte und ihn näher kennenlernen wollte, konnte er im Moment nicht tun. Deshalb beschloss Yasuo so weiter zu machen, bis sein Arzt so weit war und anfing ihm zu vertrauen. Leider musste er dabei auch ehrlich sein und genau davor fürchtete sich Yasuo. Immer wieder versuchte er sich Seth’s Reaktion vorzustellen und immer wieder lief es auf das gleich hinaus. Mit einer Lüge oder einem Geheimnis, welches so eine wichtige Tragweite inne hatte, sollte man keine Beziehung führen. Noch befanden sie sich am Anfang und deshalb beschloss Yasuo in den folgenden Tagen reinen Tisch zu machen. Zuerst jedoch sollte Seto wieder gesund werden und danach würde Yasuo Seth alles erzählen. „Worüber grübelst du nach?“, wollte Rishid wissen, der rechts neben seinem Freund saß. Yasuo’s Blick fiel auf Seth, der sich angeregt mit Toyo und Haru unterhielt. „Ich habe überlegt, wie ich es ihm sagen soll.“ Darauf wusste Rishid auch keinen Rat. „Dein Arzt scheint ein netter Mensch zu sein...“ Tief seufzte Rishid. „Darf ich ehrlich zu dir sein?“ Yasuo nickte zögerlich, obwohl er es nicht hören wollte. „Er wird es nicht verstehen. Er lebt in einer ganz anderen Welt als wir. Ein Arzt, der vermutlich aus einer Familie von Ärzten kommt, der Tag ein Tag aus versucht Menschen zu retten und sie von ihren Krankheiten befreit, gibt sich nicht mit unseresgleichen ab.“ „Ich möchte ihn aber nicht belügen.“ „Das sollst du auch nicht, aber je länger du wartest, umso tiefer wird der Fall für dich und auch für ihn werden. Sogar ein blinder sieht, wie verliebt er in dich ist und deshalb zögere es nicht zu weit hinaus.“ Yasuo war nicht überzeugt. Wenn er dies glauben würde, hätte er sich nicht auf Seth eingelassen. Er hatte eine gute Menschenkenntnis und Seth zeigte längst nicht sein wahres selbst. Deutlich konnte Yasuo erkennen, wie Seth krampfhaft versuchte sich vor der Welt zu verschließen, damit er in sie hineinpasste ohne zu sehr aufzufallen. Yasuo wollte seine Seele ergründen und den wahren Seth an die Oberfläche locken, damit er ihn richtig kennenlernen konnte. Als sie sich die ersten Male gesehen und gesprochen hatten, war Seth vom Verhalten her anders und deshalb konnte sich Yasuo relativ sicher sein, das er mit seiner Vermutung nicht falsch lag. Kapitel 14: Dreht sich der Boden, oder bin ich das? --------------------------------------------------- Die Uhr zeigte bereits halb zwei in der Nacht an, was aber weder Yasuo noch Seth störte. Letzterer hatte sich auf ein Wetttrinken mit Toyo eingelassen. Es galt 10 Shots so schnell wie möglich zu leeren, was in Anbetracht von Seth’s Alkoholpegel nicht so einfach war. Seine Augen-Hand-Koordination wollte nicht so, wie er wollte. Toyo hatte keine Probleme und gewann haushoch, denn er war viel trinkfester. Murrend schaute Seth auf die kleinen Gläser. „Fast hätte ich gewonnen.“ Fast wäre übertrieben gewesen, denn er hatte noch fünf volle Shots vor sich stehen. „Mach dir nichts draus.“, lächelte Rishid. „Du hast doch den Hauptgewinn abgestaubt.“ Fragend sah Seth den hochgewachsenen Mann an. „Den Hauptgewinn?“ Auch Haru mischte sich ins Gespräch ein. „Du hast unseren Chef abbekommen und dabei bist du ein Arzt, vor denen er sonst grundsätzlich das Weite sucht. Du musst etwas besonderes sein, sonst hätte Yasuo sich nicht auf dich eingelassen.“ Seth drehte sich um und schaute zu Yasuo, der von zwei seiner Kumpels in Beschlag genommen wurde. „Jetzt guck nicht so entgeistert.“, stieß Toyo ihn an der Schulter an. „Hol ihn da raus, bevor er vor Langeweile noch tot umfällt.“ Zögern stand Seth auf. Jetzt merkte er erst, das er viel zu tief ins Glas geschaut hatte, denn der Fußboden schwanke leicht. Oder war er es der schwankte? Wenigstens war er im Kopf noch klar genug um zu wissen was er tat. „Viel verträgt er nicht.“, stellte Rishid überrascht fest. „Als Arzt ist er mehr am Schuften und hat für Vergnügungen kaum Zeit.“, belehrte ihn Toyo. Rishid sah Seth lange nach. „Unser Yasuo hat mich schon so oft überrascht, aber das er sich ausgerechnet auf einen Mediziner einlässt, hätte ich nicht von ihm erwartet. Besonders weil Seth mit Leuten wie uns bisher noch nicht in Berührung gekommen ist. Wenn Yasuo sich da mal nicht in etwas verrannt hat.“ Wenn Yasuo noch länger zuhören musste, schlief er bestimmt gleich ein. Es interessierte ihn einfach nicht, ob sein Kumpel mit der Einen oder der Anderen Freundin Schluss machen sollte. „Sie sollten besser mit dir Schluss machen.“, war sein einziger Kommentar, der ihm am sinnvollsten vorkam. „Wie kannst du so etwas nur sagen?“, empörte sich der junge Mann. „Etwas mehr Verständnis hätte ich von unserem Chef schon erwartet.“ „Mach doch was du willst, ich bin doch nicht deine Mama.“, rollte Yasuo die Augen. Sein Blick wurde sanfter, als er Seth sah, der leicht torkelnd auf ihn zu kam. „Wie es aussieht hast du für heute genug.“ Seth schüttelte den Kopf. „So schlimm ist es nicht. Ich habe nur längere Zeit nichts mehr getrunken.“ „Du lallst ja gar nicht. Dann nehme ich alles wieder zurück. Wir sollten trotzdem gehen, du musst morgen schließlich wieder früh raus.“ Sehnsüchtig schaute Seth zu den anderen rüber. „Können wir nicht noch etwas bleiben?“ „Du magst die Jungs offensichtlich.“, stellte Yasuo erleichtert fest. „Ja, sie sind viel offener, als die Menschen, die ich kenne.“ „Das waren sie schon immer.“, erinnerte sich Yasuo zurück. „Als ich mich geoutet habe, haben sie keine große Sache daraus gemacht.“ „Wie alt warst du damals, als du dich geoutet hast?“ Seth setzte sich auf einen der Barhocker, während Yasuo am Tresen lehnte. „Ich war 19. Nachdem ich in meinem jugendlichen Leichtsinn meine damalige Freundin geschwängert hatte, habe ich schnell gemerkt, das Frauen nichts für mich sind. Damals war ich 17 und ich bin mit 18 dann Vater geworden.“ „Bei mir war es ähnlich, nur das es mir schon mit 15 klar wurde.“ Das wunderte Yasuo doch sehr. „Wie bist du dann zu deinem Sohn gekommen? Oder schwimmst du an beiden Ufern?“ Seth schüttelte den Kopf. „Ich habe lange versucht mich anzupassen und ich hatte sogar eine Freundin, mit der ich einige Jahre zusammen war. Nur kam ich damit irgendwann nicht mehr zurecht und ich beschloss etwas zu ändern, mich nicht mehr selbst zu belügen. Deshalb habe ich mich von ihr getrennt. Seto hatte ab diesem Tag keine Mutter mehr, weil sie den Gedanken nicht ertragen konnte, das er auch Schwul sein könnte. Sie kam aus einer sehr traditionellen Familie und konnte damit nicht umgehen. Also ist er bei mir geblieben.“ Seth ließ den Kopf hängen, in nüchternem Zustand hätte er nie so viel über sich preisgegeben. Der Alkohol half Seth einen Einblick in sein Innerstes zu gewähren, damit Yasuo ihn besser verstehen konnte. „Schnell hatte ich dann meinen ersten Freund, mit dem es ganz anders war, als mit meiner Freundin. Ich hatte mich viel wohler in der Beziehung gefühlt und endlich fühlte es sich richtig für mich an, aber leider...“ „Ging es in die Brüche.“ Yasuo umarmte Seth von hinten und legte seine Wange an die seines Freundes. „Diese Erfahrungen habe ich auch gemacht. Die Suche nach dem richtigen Partner kann quälend lang werden, wenn man eine Enttäuschung nach der Anderen erlebt. Davon solltest du dich nicht entmutigen lassen.“ „Das ist es nicht.“ Seth lehnte sich an seinen Yasuo und schloss die Augen. „Die meisten haben mich nur ausgenutzt. Zwar habe ich es bemerkt, aber ich wollte es nicht wahr haben und Seto... Irgendwann hat er angefangen jeden meiner Freunde anzugehen. Er war schon vorher nicht der umgänglichste, doch nach meiner ersten langen Beziehung war für Seto alles anders.“ ~*~Rückblende Anfang: 5 Jahre zuvor~*~ Anklagend sah der neunjährige Seto seinen Vater an. „Du hast schon wieder einen neuen Freund? Das ist dann der dritte in acht Monaten. Du wechselst die Männer, wie andere Leute ihre Unterwäsche.“ Seth fehlten für einen Moment die Worte. „Für dein Alter bist du ganz schön vorlaut.“ „Nicht vorlaut, sondern ehrlich.“ Seto seufzte hörbar auf. „Kannst du mit diesen Hiobsbotschaften in Zukunft solange warten bis wir zuhause sind?“ Er schaute missmutig auf die Einkaufstüte, die er in der rechten Hand hielt. „Was ist es denn diesmal für einer? Kann er wenigstens Lesen?“ „Also Seto, wenn du dich Tetsuya gegenüber so benimmst, wirst du keinen guten ersten Eindruck machen.“ „Das will ich auch nicht.“, keifte Seto bissig zurück. „Wozu soll ich mich zurückhalten, wenn du dich in ein paar Wochen doch eh wieder von ihm trennst!“ Seth konnte seinem Sohn schlecht erzählen, das die meisten sich kein Kind ans Bein binden wollten. „Es hat halt nicht gepasst. Das wirst du noch lernen, wenn du selbst in ein gewisses Alter kommst, mein Kleiner. Lass mir bitte die Chance mit Tetsuya. Er ist wirklich nett und er hat selbst einen Sohn. Er ist sogar in deinem Alter.“ Seto horchte auf. „Wirklich? Wie heißt er denn?“ Das klang nach Interesse. „Sein Name ist Dai. Er und sein Vater kommen heute zum Abendessen, damit ihr euch kennenlernen könnt.“ „Deshalb haben wir also so viel eingekauft?“ Seto schielte zu den beiden Tüten hinüber, die sein Vater trug. „Genau! Hilfst du mir beim kochen?“ „Wenn es unbedingt sein muss.“ Kurze Zeit später standen sie in der Küche und schwangen die Küchenmesser. Argwöhnisch schaute Seto auf das viele Gemüse. „Warum hast du so viele Karotten gekauft?“ „Ich mag sie.“ „Stimmt doch gar nicht!“ Seto kannte seinen Vater schließlich. „Seit neuestem schon.“ „Weshalb hast du die vielen Kartoffeln geholt? Die kaufst du so gut wie nie!“ „Ich wollte mal etwas anderes essen.“ „Aha, und was hast du mit den Auberginen vor? Wir mögen sie beide nicht und dann auch noch so viele.“ Seto’s blaue Augen blitzen auf. „Es hat dich ganz schön erwischt!“ „Ich habe ihn bis jetzt nur drei Mal getroffen.“, erklärte sich Seth mit roten Wangen. „Dabei hat er mir beiläufig gesagt, was er gerne mag. Da ist doch nichts dabei.“ „Jetzt darf ich dieses ekelhafte Zeug herunter würgen und so tun, als ob ich es mag, nur weil du Eindruck schinden willst.“ Was tat man nicht alles für seinen Vater. Eine Stunde später saßen die Vier am Esstisch. Seto beobachtete die Beiden mit kritischem Blick und würgte nebenbei die verhasste Aubergine hinunter. Seth erging es nicht anders und kämpfte zusätzlich mit den Karotten. „Macht dir die Schule Spaß?“, wollte Tetsuya von Seto wissen. „Geht so!“ Tetsuya sah stirnrunzelnd zu Seth, der verlegen seinen Sohn anschaute. Dieser sah den fremden Mann mit zusammengezogenen Augenbrauen an. Dieser Schleimer mit seinen braunen Augen, diesen gegelten Haaren, die er streng nach hinten gekämmt hatte und dann diesem schwarzen Anzug, den er einfach nur unpassend fand. Mit einem Wort, Seto mochte ihn nicht. Bei Dai war er sich noch nicht so sicher, denn er verhielt sich still und hatte außer „guten Tag“ nichts weiter gesagt. Tetsuya räusperte sich und startete einen zweiten Versuch. „Hast du viele Freunde, Seto?“ „Nein, die meisten sind unter meinem Niveau!“, winkte Seto genervt ab. Wieder schaute Tetsuya zu Seth, dessen Gesicht ein immer dunkler werdendes rot annahm. „Was unternimmst du denn in deiner Freizeit, Seto?“, gab Tetsuya nicht auf. „Bist du oft auf dem Spielplatz?“ „Für wie alt halten Sie mich?“, empörte sich Seto und war kurz davor dieses ekelhafte Zeug auszuspucken. „In meinem Alter geht man nicht mehr auf den Spielplatz.“ „Stimmt auch wieder, was machst du denn dann in deiner Freizeit?“, drängte Tetsuya weiter. „Ich lese gerne.“ „Das mache ich auch. Was liest du denn besonders gerne?“ „Ich mag Krimis und Mafia-Geschichten.“ „Da haben wir etwas gemeinsam. Schaust du auch gerne solche Filme?“ „Vor ein paar Tagen war ich mit Papa im Kino und wir haben...“ Ohne es zu merken wurde Seto immer offener und erzählte alles, was Tetsuya ihn fragte. Einzig mit Dai verstand Seto sich nicht so gut. Sie hatten nichts gemeinsam und jeder ging seinen Weg. In den nächsten Wochen wurde das Verhältnis zwischen den beiden Jungen nicht besser, doch mit Tetsuya verstand Seto sich ausgesprochen gut. Sie unternahmen viel zu viert und wuchsen ganz langsam zu einer kleinen Familie zusammen. „Wie lange sind wir jetzt zusammen?“, wollte Tetsuya von Seth wissen, der über seinen Unterlagen hing. „Fast sieben Monate.“, antwortete er abwesend. „Sieben Monate aber Dai und Seto reden kaum miteinander.“ Seth legte seine Mappe auf den Wohnzimmertisch und schaute seinen Freund an. „Wir haben alles versucht, ich wüsste nicht was wir noch machen könnten. Sie streiten sich glücklicherweise nicht. Sie haben ihren jeweils eigenen Freundeskreis und tolerieren sich.“ „Sie leben aneinander vorbei.“ Tetsuya wollte das die Jungs mehr miteinander unternahmen. Seth legte nachdenklich seine Hand ans Kinn. „Sie haben vollkommen unterschiedliche Interessen und Seto ist nicht der zugänglichste Junge. Das werden wir akzeptieren müssen.“ Tetsuya verschränkte beide Hände am Hinterkopf. „Leider unterscheiden sie sich auch im schulischen Bereich.“ „So groß ist der Unterschied nicht.“ „Finde ich schon.“, wurde Tetsuya strenger. „Dai hat einen glatten Einser Schnitt und Seto tendiert mehr zum Zweier. Das liegt nur an seiner Faulheit.“ „Seine Noten sind dennoch sehr gut.“, wurde auch Seth’s Tonlage strenger. „Er soll seine Kindheit ausleben dürfen und nicht die ganze Zeit in der Bude hocken um zu lernen. Außerdem kommt er immer zu mir, wenn er in einem Fach Hilfe braucht.“ „Darum geht es nicht. Er wäre viel besser, wenn er mehr tun würde. Er will so werden wie du und den Beruf des Arztes ergreifen, aber um dies zu schaffen muss er fleißiger sein.“ „Dieser Preis ist zu hoch.“, sagte Seth in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. Tetsuya gab für die nächsten Monate Ruhe, bis zu einem bestimmten Tag. Aufgeregt rannte Dai zu seinem Vater, der ihn und Seto zusammen mit Seth von der Schule abholte. „Ich hab mein Zeugnis bekommen. Alles Einsen und die Bemerkungen der Lehrer sind alle gut ausgefallen.“ „Ich bin stolz auf dich.“, lobte Tetsuya seinen Sohn. Seto stand stumm daneben und klammerte sich an seine Schultasche. Sein Zeugnis war nicht so gut ausgefallen, jedenfalls reichte es nicht an Dai’s ran. Seth ging vor seinem Sohn in die Hocke und lächelte ihm aufmunternd zu. „Mach nicht so ein Gesicht, dein Zeugnis ist gut und ich bin stolz auf dich.“ Erleichtert lächelte Seto zurück und entspannt sich. „Worauf bist du denn stolz?“, wollte Tetsuya wissen. „Seit dem letzten Halbjahr hat er sich verschlechtert.“ Seto biss sich auf die Unterlippe und senkte den Kopf. Dieses Gefühl der Scham, welches er empfand, war schier unerträglich. Wütend stand Seth auf und sah seinen Freund aufgebracht an. „Fängst du schon wieder an.“ „Du bist viel zu lasch, ein bisschen mehr Strenge würde dir nicht schaden. Seto kann sich ruhig mal auf seinen Hintern setzten und etwas für die Schule tun.“ Dai und Seto sahen von Einen zum Anderen und besonders Dai verstand die Welt nicht mehr. Seine braunen Augen fielen auf Seto, der mit Tränen in den Augen ihre Väter anstarrte. „Mach dir nichts draus.“, versuchte Dai ihn aufzumuntern. „Die vertragen sich schon wieder.“ Doch Dai sollte nicht recht behalten. ~*~Rückblende Ende ~*~ Seth lehnte immer noch an Yasuo und schaute auf seine Hände. „Diese Streitereien gingen noch einige Monate so, bis ich einen Schlussstrich gezogen habe und mich schlussendlich von Tetsuya getrennt habe. Seto hat geglaubt er sei Schuld daran. Zwar habe ich ihm oft erklärt das dem nicht so ist, aber er hat mir nie geglaubt.“ „Deshalb hat er jeden weg gebissen, der sich dir genähert hat?“ Seth nickte traurig. „Er mochte Tetsuya und wir haben eine schöne Zeit zusammen gehabt, doch durch mein damaliges Studium habe ich immer weniger Zeit gehabt und das war der Hauptgrund, weshalb es auseinander ging.“ Yasuo runzelte die Stirn. „Deshalb? Das widerspricht sich mit dem, was du mir eben mit Seto erzählt hast. Ist er etwa?“ „Ja, er ist fremd gegangen. Monatelang hat er mich betrogen und ich Idiot hatte nichts bemerkt, weil ich ständig beschäftigt war.“ Yasuo wechselte seine Position und stelle sich vor seinen Freund. Sanft nahm er Seth’s Gesicht in seine Hände und sah ihn warm an. „Dann muss ich mich bei Tetsuya bei Gelegenheit für seine Dummheit bedanken, denn so habe ich dich abbekommen.“ Diese Worte rangen Seth ein Lächeln ab. „Ein traurigeres Lächeln habe ich ja noch nie gesehen.“ Betrübt strich er Seth die braunen Haarsträhnen aus den Augen. „Lass uns nach Hause gehen, sonst wird der morgige Arbeitstag zu hart für dich.“ „Ihr geht schon?“, kam es entrüstet von Toyo. „Mein Arzt muss im Gegensatz zu mir morgen zur Arbeit.“ „Kann er nicht einen Tag blau machen?“ Verständnislos schüttelte Yasuo den Kopf. „Wenn er so eine Einstellung hätte, wäre er kein Arzt geworden.“ „Ihr seid voll langweilig.“ Rishid stieß Toyo an der Schulter an. „Jetzt sei nicht sauer, außerdem musst du doch morgen auch wieder ran.“ „Erinnere mich nicht daran. Der Alte ist manchmal nicht zu ertragen. Ständig mault der mich an.“ Seth selbst wollte noch nicht gehen. Wie sehr er es manchmal hasste vernünftig zu sein. „Wir kommen wieder.“, raunte Yasuo in sein Ohr. „Am Wochenende haben wir mehr Zeit, dann sag ich den Jungs Bescheid und wir machen zusammen einen drauf.“ „Okay“, dennoch war Seth frustriert. So gern wäre er noch geblieben. * Schnarchend lag Masao auf der Couch und bemerkte nicht, wie Seto und Atemu sich an ihm vorbei schlichen um in die Küche zu kommen. „Wir bekommen doch bestimmt Ärger.“, war Seto wenig von diesem Vorhaben überzeugt. „Wenn mein Onkel schläft, weckt ihn so schnell nichts mehr auf. Eine bessere Gelegenheit werden wir nicht bekommen.“ Atemu stellte sich einen der Küchenstühle an die Arbeitsplatte und kletterte rauf. Ihm fiel beinahe die Kinnlade runter, als er einen leeren Schrank vorfand. „Mist, mein Vater hat sich ein neues Versteckt gesucht.“ „Dann sollten wir wieder zurück ins Bett gehen.“ Atemu stellte den Stuhl zurück und sah Seto entschlossen in die Augen. „Wir suchen im Schlafzimmer. Dies ist der einzige Ort, wo meine Schätze sein könnten.“ „Das möchte ich nicht. Dein Vater wird bestimmt sauer, wenn er das heraus bekommt.“ Seto gab es nur ungern zu, aber vor Yasuo hatte er großen Respekt. „Stell dich nicht so an, da ist doch nichts dabei.“ Atemu zog Seto einfach mit sich. Wenn es um seine Süßigkeiten ging, kannte er keine Grenzen. * „Du hast ganz schön einen sitzen.“, stellte Yasuo fest, der Seth am Ende doch stützen musste, da dieser nicht mehr richtig geradeaus laufen konnte. „Hab ich nicht.“ „Hauptsache du glaubst es.“ Yasuo schloss die Tür zu seiner Wohnung auf und befreite sich umständlich von seinen Schuhen. „Jetzt kipp bloß nicht um.“ „Oh, mir ist schlecht.“ „Auch das noch.“ Masao gähnte herzhaft und schaute verschlafen zu seinem Bruder, der verzweifelt versuchte seinen Freund ins Badezimmer zu bekommen. „Muss er kotzen?“ „Blöde frage“, keifte Yasuo. „Hilf mir lieber anstatt so blöde zu glotzen.“ „Ich komm ja schon.“ Träge stand er auf und stütze Seth auf der anderen Seite. „Trinkfest ist dein Arzt jedenfalls nicht.“ „Ich schätze er geht zu selten aus.“ „Lästert ihr?“, brummte Seth, dem das furchtbar unangenehm war. Doch der Drang rechtzeitig ins Badezimmer zu kommen war größer als die Scharm. „Unsinn, so ist es uns auch schon ergangen, stimmt’s, Masao?“ Masao grinste breit. „Einmal habe ich mich über den Schoss meines großen Bruders übergeben, da ist dies hier wirklich nicht der Rede wert.“ Seth wurde grün im Gesicht und hechtete die letzten Meter zur Toilette, über der er sich übergab. Masao beugte sich zu Yasuo und flüsterte in sein Ohr. „Ist er so voll, das er sich morgen an nichts erinnert?“ „Ich fürchte nicht.“ „Dann wird es ihm furchtbar peinlich sein, oder er ist so abgeklärt, das es ihn nicht die Bohne interessiert.“ „Es wird irgendwas dazwischen sein.“ Seth setze sich auf den Badewannenrand und schaute resigniert zu Boden. So etwas war ihm wirklich noch nie passiert. „Du hast dich über deinen Bruder übergeben?“, kam er darauf zurück. Zuerst war Masao von der Frage überrascht aber dann begann er zu erzählen. „Das ist noch gar nicht so lange her. Wir waren Abends in einer Bar und...“ Yasuo merkte schnell, das sein Bruder die Geschichte ausschmückte und es viel dramatischer erzählte, als es wirklich gewesen war. Dafür war Yasuo seinem Bruder sehr dankbar, denn Seth schien sich dadurch besser zu fühlen. Jedenfalls schien es ihm nicht mehr so unangenehm zu sein. „Aber mein Brüderchen hat mir verziehen und das zeigt, wie großherzig er ist.“ „Jetzt wird’s peinlich“, murmelte Yasuo vor sich hin, doch Seth fing an zu lachen. „Du scheinst deinen Bruder sehr zu mögen.“ „Hast du denn auch Geschwister?“, wollte Masao wissen. „Nein, obwohl ich mir immer einen Bruder gewünscht habe.“ Seth stand vorsichtig auf, denn der Schwindel war noch nicht vorüber. Yasuo war sofort an seiner Seite und half ihm ins Wohnzimmer und auf die Couch zu kommen. „Danke.“ „Am besten gebe ich dir frische Kleidung.“ Masao setze sich in der Zwischenzeit zu Seth und unterhielt sich noch mit ihm. Yasuo stutzte als er in sein Schlafzimmer kam. Die Tür zum Kleiderschrank war weit geöffnet, davor lagen einige Kleidungsstücke und die Vorhänge waren zugezogen. „Dieser Junge“, murmelte er und öffnete einen der Vorhänge. „Und er hat sogar einen Komplizen.“, schmunzelte Yasuo, als er nicht nur Atemu, sondern auch Seto erblickte. „Hallo Papa, da bist du ja wieder.“, schwitzte Atemu. „Weißt du nicht wie spät es ist?“, wurde Yasuo streng. „Ihr solltest längst schlafen und wieso habt ihr in meinem Kleiderschrank herumgewühlt? Habt ihr verkleiden gespielt?“ „Als ob wir so einen Kinderkram machen würden.“, gekränkt, aber auch beschämt schaute Seto auf den Teppich. „Was habt ihr denn dann hier gemacht?“ Atemu und Seto schauten sich ratlos an. Was sollten sie sagen? „Wir haben eine Wolldecke gesucht.“, versuchte Atemu sich herauszureden. „Du bist so ein schlechter Lügner, mein Junge. Die Wolldecken sind nämlich in der Kommode an der Wand und das weißt du auch. Was wolltet ihr wirklich?“ Geduldig wartete Yasuo auf eine Antwort, die allerdings aus blieb. „Wenn ihr es nicht sagen wollt, soll es mir recht sein. Geht jetzt bitte ins Bett.“ Erleichtert atmete Atemu durch. „Gute Nacht, Papa.“ Schmunzelnd schaute Yasuo den Beiden hinterher. „Da haben sich zwei gesucht und gefunden. Seto scheint jedenfalls Atemu’s Dummheiten mitzumachen.“ „Wo kommt ihr denn her?“ Masao schaute verdattert auf die halbwüchsigen Jungs, die wie geschlagene Soldaten an ihm und Seth vorbei schlurften. „Wir wurden erwischt.“, seufzte Atemu. „Du musst deine Spuren rechtzeitig verwischen bevor Jemand rein kommt. Ich habe es dir schon so oft gesagt.“ Seth schaute Masao blinzelnd an. „Stachelst du ihn etwa zu diesen Dummheiten an?“ „Was? Nein, niemals! Wie kommst du denn darauf?“, wurde Masao nervös. „Ich würde meinen Neffen niemals zu so einem Blödsinn verleiten.“ Seto konnte diesen Erwachsenen nicht ernst nehmen und auch von Yasuo hatte er eine gehörige Standpauke erwartet. „Warum glaube ich dir nur nicht?“, schaute Seth ihn eindringlich an. „Mein Bruder ist wie ein großes Kind.“, mischte sich Yasuo ein. „Aber als Onkel ist er toll und er behandelt Atemu wie seinen eigenen Sohn.“ „Du übertreibst.“, wurde Masao rot. „Das habe ich bereits gemerkt.“, schmunzelte Seth und kuschelte sich in die weiche Rückenlehne. „Ich sollte ins Bett gehen.“ „Das sollten wir alle machen.“ Yasuo schaute zu Masao. „Willst du hier bleiben? Du kannst auf der Couch schlafen.“ „Das Angebot nehme ich gerne an. Zum fahren bin ich eh viel zu müde.“ * Mit dröhnenden Kopf schaltete Seth den Wecker aus und drehte sich auf die andere Seite. Auf diesen Kater hätte er am liebsten verzichtet, aber der gestrige Abend war wirklich schön. Schade das er zum Schluss über der Kloschüssel hing. „Stimmt ja, Yasuo und sein Bruder waren dabei...“ Seth beschloss doch aufzustehen und zog sich seinen Morgenmantel über. In den wenigen Tagen hatten viele seiner Kleidungsstücke ihren Weg hierher gefunden. Wie schnell alles ging. Es kam Seth nicht wie ein paar Tage, sondern wie viele Monate vor. Als würden sie sich schon ewig kennen. „Guten Morgen.“, grüßte Seth die anderen, die bereits am Frühstückstisch saßen. „Du siehst aber fertig aus.“, feixte Masao, während er sich gerade eine Tasse Kaffee einschenkte. „Dir mache ich besser einen extra starken. So wie du aussiehst kannst du ihn gebrauchen.“ „Danke.“ Seth ließ seinen Blick durch die Küche schweifen. Diese Kulisse, die eine echte Familie widerspiegelte, war alles, was er in seinem Leben je wollte. Es fühlte sich so warm und angenehm an. „Guten Morgen, Papa.“, sagte Seto leise und aß sein Brötchen weiter. „Wie geht es dir, mein Junge?“ „Besser, ich kann wieder zur Schule gehen.“ „Kannst du nicht!“ Tadelnd hob Yasuo den Zeigefinger. „Nur weil du eine Nacht kein Fieber hattest, bist du längst nicht gesund. Zwei Tage bleibst du noch daheim.“ „Dann kann ich erst am Montag zur Schule.“, echauffierte sich Seto und knallte die Fäuste auf den Tisch. „Die ganze Zeit habe ich auf dich gehört aber heute will ich wieder zur Schule.“ Ohne es zu merken, hatte Seto Yasuo zum ersten Mal geduzt. „Reg dich so viel auf wie du willst, du bleibst trotzdem hier.“ Yasuo schaute zu Seth. „Willst du dich nicht setzten? Mit leeren Magen lass ich dich jedenfalls nicht gehen.“ „Doch! Natürlich.“ „Du kannst nicht die ganze Zeit über mich bestimmen.“, schimpfte Seto weiter, was ihn allerdings nur ein heiteres Lachen von Masao einbrachte. „Du kannst so viel meckern wie du willst. Yasuo wird nicht die Geduld verlieren. Ich habe es früher auch oft versucht und mir die Zähne ausgebissen.“ Da wurde Seth hellhörig. „Kannst du das genauer erzählen?“ Masao stellte Seth die Tasse Kaffee hin und setzte sich auf seinen Stuhl. „Yasuo ist acht Jahre älter als ich und war nach dem Tod unseres Vaters sozusagen sein Ersatz. Ich war gerade 8 Jahre alt geworden, als unser Vater ermordet wurde und Yasuo war zu diesem Zeitpunkt 16. Von heute auf Morgen wurde mein großer Bruder erwachsen und hat von da an auf mich aufgepasst. Vorher hatte er ständig seinen Kopf durchgesetzt und hat immer nur das getan, was er wollte. Ich war zu diesem Zeitpunkt komplett durch den Wind und ich habe nur Yasuo an mich herangelassen. Das war eine schlimme Zeit.“ „Euer Vater wurde ermordet.“, sagte Seth langsam. Yasuo antwortete für seinen Bruder. „Damals lief es überall in den Nachrichten. Jedoch wurde der Täter von der Polizei nie gefasst.“ Seth senkte betroffen den Kopf. „Das tut mir leid.“ „Jetzt schau doch nicht so bedrückt.“, meinte Masao beiläufig. „Das ist viele Jahre her und keiner von uns macht sich noch Gedanken darum.“ Seto wagte es nicht mehr sich zu beschweren und trank stumm seinen Tee. Zwar hatte er vorhin versucht an eine Tasse Kaffee zu kommen, doch es stellte sich heraus, das Masao sich zu seiner Überraschung genauso gut durchsetzen konnte, wie Yasuo. Atemu stopfte sich sein Brötchen in den Mund und trank seinen Kakao aus. „Ich mach mich dann auf den Weg.“ Bevor Atemu die Küche verließ schaute er seinen Vater noch einmal an. „Ich bringe nachher ein paar Freunde mit.“, und dann verschwand er. „Das sagst du mir jetzt erst? Darauf bin ich nicht vorbereitet. Hey, jetzt geh nicht einfach so weg.“ Yasuo rannte seinem Sohn empört hinterher. Wieder einmal stellte Seth fest, wie wohl er sich hier fühlte. Diese familiäre Atmosphäre hatte er so viele Jahre vermisst und er hat sich immer vorgestellt, wie es sich anfühlte. Trotz der kleinen Streitereien war es harmonisch und auch Seto fühlte sich wohl, auch wenn er gerade schmollte. Seth’s Blick fiel zum Herd, der ordnungsgemäß an seinem Platz stand. „Ist der etwa angeschlossen?“ Masao nickte eifrig. „Das hat Yasuo gleich nach dem Aufstehen gemacht. Ruck zuck war er fertig und hat sich dann ums Frühstück gekümmert.“ „Dann hatte Atemu wirklich recht!“ Jetzt mit mehr Eifer aß Seth sein Frühstück und machte sich dann für die Arbeit fertig. „Und ich darf mich hier wieder langweilen.“, brummte Seto verstimmt. Masao winkte ab. „Wir können gerne wieder Karten spielen.“ „Du bist aber grottenschlecht.“ Beleidigt verzog Masao das Gesicht. „Das nehme ich als Herausforderung. Nach dem Frühstück legen wir los.“ „Ich bin dabei.“ Kapitel 15: Neid ---------------- Sein anfänglicher Elan hatte sich in den letzten fünf Stunden in Luft aufgelöst. Schwermütig saß Seth in der Krankenhauskantine und starrte schlecht gelaunt auf sein Mittagessen. Vorhin war er wieder mit Hisagi aneinander geraten und er wäre diesem Mistkerl beinahe an die Kehle gegangen, wenn seine innere Stimme ihn nicht zur Vernunft gemahnt hätte. „Verdient hätte er es.“ Sein Blick fiel auf den Nachbartisch, wo sich seine Kollegen angeregt unterhielten. Immer öfter kam die Frage in Seth hoch, wie es wäre, wenn er seine Neigung nicht offen ausleben würde. Säße er dann mit den anderen am Tisch? Unterhielt sich entspannt und gehörte einfach dazu? Oder lag es vielleicht nicht an seiner Homosexualität sondern an ihm selbst? Wenn er an Yasuo’s Freunde dachte, die ihn mit offenen Armen empfangen hatten, fand er seine Gedanken wieder unsinnig. „So wird das aber nichts!“ Seth blaue Augen weiteten sich vor entsetzten, als er Yasuo’s Stimme hörte. „Was...machst du hier?“ Yasuo gab seinem Freund einen Kuss auf die Lippen und setzte sich zu ihm an den Tisch. „Wenn du nicht auf isst gibt es morgen Regen.“, lächelte Yasuo und genoss Seth’s teils verwirrtes und teils entsetztes Gesicht. Seth konnte nichts sagen und auch seine Kollegen hatten ihre Gespräche eingestellt, weil sie lieber den fremden Mann in Augenschein nahmen. „Du solltest dein Gesicht sehen.“, lächelte Yasuo. „Ich bin eigentlich auf dem Rückweg vom Einkaufen und da dachte ich mir, ich statte dir einen kleinen Besuch ab. Um Seto brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Mein Bruder ist noch da und passt, solange ich weg bin, auf ihn auf. Die zwei waren mitten in einer Partie Duel Monsters und dein Sohnemann schien die Nase vorne zu haben, so wie Masao am fluchen war.“ „O-okay.“ Seth versuchte sich zu entspannen und seine Kollegen auszublenden, dessen Blicke er auf sich spürte. „Was gibt es denn heute zum Abendessen?“, versuchte er sich abzulenken. „Da ich meinen neuen Herd endlich einweihen kann, gibt es Tamagoyaki. Vorher werde ich noch für Atemu’s Besuch etwas schönes Backen und Mittagessen sollen sie auch bekommen. Wenn er schon Freunde mitbringt, sollen sie sich auch wohl fühlen.“ „Wird dir das nicht zu viel? Ich meine weil du doch nebenbei noch am Computer arbeiten musst.“ Yasuo winkte ab. „Ich kann mir meine Zeit einteilen wie ich möchte und das meiste habe ich bereits heute Morgen erledigt.“ Er konnte Seth jetzt unmöglich die Wahrheit sagen. Je näher sein veranschlagter Tag rückte, an dem er mit der Sprache rausrücken wollte, um so nervöser wurde er. „Dann bin ich beruhigt.“ Seth schaute aus den Augenwinkel zu seinen Kollegen, die angefangen hatten zu tuscheln. Auch Yasuo fiel es auf und sein freundliches Gesicht verfinsterte sich, als er die Worte Schwuchteln und abartig vernahm. Seth zu liebe versuchte er diese Leute zu ignorieren. „Ich gehe davon aus, das du und Seto wieder bei mir übernachten möchtet?“ „J-ja, sehr gerne sogar.“, wurde Seth immer leiser und schielte zu seinen Kollegen rüber. „Ist dir das so peinlich?“, sorgte sich Yasuo, dem die Leute zwar egal waren, aber es schon störte, weil sie immer lauter wurden. „Wie kommst du darauf?“ Yasuo rückte mit dem Stuhl näher an Seth heran und legte seine Hand an die Wange seines Freundes. „Wenn du es nicht ignorieren kannst, musst du ihnen eine Ansage machen, die sich gewaschen hat.“ „Es ist nicht so, das ich es nicht könnte, aber ich kann hier nicht so einen Aufstand machen.“, gestand Seth. „Ich bin schließlich der Direktor und muss mit guten Beispiel voran gehen.“ „Das ist doch quatsch. Du sollst sie nicht gleich zusammen schlagen, sondern sie zurecht weisen. Ihnen zeigen wer hier das Sagen hat. Du bist der Chef und diesen kannst du ruhig mal raus hängen lassen.“ „Denk bitte nicht das ich keine Courage habe. Es ist mir irgendwann nur egal geworden.“ Für Yasuo sah das ganz und gar nicht so aus, aber er wollte das Gespräch an diesem Ort nicht weiter vertiefen. „Ich möchte dich nicht bedrängen, du wirst deine Gründe haben.“ Dankbar lächelte Seth und vergaß für einen Moment, wo er sich befand. Er lehnte sich ein Stück vor und gab Yasuo einen Kuss, was er im nächsten Augenblick bereute, denn das Getuschel am Nachbartisch wurde lauter. „Nehmt euch doch ein Zimmer.“, keifte einer der Ärzte. „Schämt ihr euch nicht? Hier sitzen auch Familien.“ Yasuo’s Augenbraue zuckte gefährlich. So eine Unverschämtheit brauchte er sich bis heute noch nie anhören. Er wusste, das er manchmal zu schnell die Beherrschung verlor, aber das hier musste dringend geklärt werden. „Entschuldige mich bitte, Seth. Ich habe ein ernstes Wörtchen mit denen zu reden.“ „Bitte lass das!“ Flehend sah Seth seinen Freund an. „Dann sollen wir uns das also gefallen lassen?“ „Ich bitte dich.“ Yasuo atmete durch und nickte schließlich. „Nur weil du es bist. Ich geh uns einen Kaffee holen.“ Erleichtert entspannte sich Seth und fing an seine Mahlzeit zu essen. Das Yasuo so schnell in die Offensive gehen würde, hätte er nicht gedacht. Lächelnd schaute Seth zu ihm rüber. So ähnlich war er früher auch mal, aber inzwischen fehlte ihm der Antrieb, weil es sowieso nichts brachte. „Da haben Sie sich aber einen tollen Hecht geangelt.“, grinste Hisagi. „Wie lange es wohl dauert bis er Sie abserviert? Die Wetten laufen schon.“ Seth ballte die Hände zu Fäusten. „Warum interessiert Sie so sehr, was ich tue? Haben Sie kein eigenes Leben?“ „Schon, aber Ihres ist so jämmerlich, das man nicht wegschauen kann.“ Seth platzte fast vor Wut. Wie gerne würde er diesem Großmaul jetzt die Fresse polieren. Doch in seiner Position konnte er sich so ein Verhalten nicht erlauben. „Wie dem auch sei, es wird so laufen wie immer.“ Hisagi stand auf und schaute zu Yasuo, der mit zwei Tassen Kaffee in den Händen zurück kam. Im Vorbeigehen rempelte Hisagi ihn absichtlich an der Schulter an, so das Yasuo die Tassen aus der Hand fielen. „Können Sie nicht aufpassen?“, fing Hisagi an drauf los zu donnern. Im nächsten Moment fand er sich auf dem Fußboden wieder, während Yasuo über ihm thronte und ihm den rechten Arm auf den Rücken gedreht hatte. „Kann ich nicht.“, wurde Yasuo’s Stimme gehässig. „Genauso wenig kann ich meine Kraft einschätzen und dir ganz aus versehen den Arm brechen.“ Zur Bestätigung drückte er Hisagi’s Arm ein Stück nach oben. „Halt! Warte! Bitte!“ „Wozu?“ „Wozu?“, verlor Hisagi kurz die Fassung. „Sie können mir doch nicht so einfach den Arm brechen.“ „Eigentlich ist das ganz leicht, ich brauche nur ein wenig mehr Druck ausüben. Der richtige Winkel, etwas Kraft und ein beherzter Ruck.“, sagte Yasuo, als würde er übers Wetter reden. Stumm beobachtete Seth das Geschehen und auch die anderen schauten gebannt zu, ohne sich zu rühren. Auf die Idee, die Zwei auseinander zu bringen kam keiner. Yasuo ging dicht an Hisagi’s Ohr und achtete darauf, das ihn keiner der anderen Anwesenden hören konnte. „Wenn du meinen Arzt nicht in Ruhe lässt, wirst du mich kennen lernen. Wenn er mir nur noch einmal erzählt, wie respektlos du dich ihm gegenüber verhältst, komme ich wieder und dann kannst du was erleben.“ Yasuo ließ ihn los und stand auf. Als wäre nichts gewesen hob er die Tassen auf, setze sich zurück an seinen Tisch und schaute den verdatterten Seth entschuldigend an. „Bevor du mich tadelst, er hat angefangen.“ Völlig durch den Wind ließ Hisagi sich von den Kollegen aufhelfen. „Ist alles in Ordnung?“ „Hast du dich verletzt?“ Wie unangenehm ihm diese Situation war, konnte er nicht in Worte fassen. „Alles okay.“ Wüten schaute er zu Yasuo. Wie konnte diese Schwuchtel es wagen ihn dermaßen zu blamieren? Dabei sah der gar nicht so kräftig aus und war sogar noch ein Stückchen kleiner als er selbst. „Du lässt nichts anbrennen.“, stellte Seth erstaunt fest und schaute seinen Yasuo ganz verliebt an. „Es war mehr ein Reflex.“ In Wirklichkeit hatte Yasuo gehofft, das Hisagi in die Offensive geht. Solche Typen kannte er und sie provozierten wo sie nur konnten. „Ich bin ehrlich beeindruckt.“, gab Seth zu. „Wie gerne wäre ich an deiner Stelle gewesen. Was war das für ein Gefühl? Hat es Spaß gemacht?“ Es war genauso, wie Yasuo seinen Arzt eingeschätzt hatte. Er wollte gerade antworten, als Seth schon weiter redete, seine Begeisterung nicht im Zaum halten konnte. „Zeigst du mir, wie du ihn auf die Matte geworfen hast?“ Seth war Feuer und Flamme. „Früher habe ich viel Kampfsport betrieben, aber seit ich Seto habe, bin ich nicht mehr dazu gekommen.“ „Sehr gerne, ich kann dir eine Menge zeigen. Kampfsport betreibe ich auch und noch einige andere Sachen.“ Wie gerne würde Yasuo ihm alles zeigen, ihm alles erzählen. Seth’s Augen strahlten um die Wette. „Wir haben viel mehr Gemeinsamkeiten, als ich dachte. Was ist deine Lieblingssportart? Was liegt dir am meisten? Bist du schon oft an Typen wie Dr. Hisagi geraten? Hast du dann das gleiche wie eben gemacht?“ Yasuo wusste nicht auf welche Frage er als erstes antworten sollte. „Seit meiner Kindheit bin ich im Training. Das meiste hat mir mein Vater beigebracht und...“ „Dann hast du dich gut mit ihm verstanden?“, unterbrach Seth seinen Freund. „Ja, er war ein toller Vater. Was ist denn mit deinen Eltern?“ Seth stütze sein Kinn auf seine Hand und nahm einen bissen Gemüse von seinem Teller. „Als ich mich geoutet habe, wollten meine Eltern nichts mehr von mir wissen. Sie waren enttäuscht und wir haben jeden Tag aufs neue gestritten. Deshalb bin ich früh von Zuhause ausgezogen und von da an war ich auf mich alleine gestellt.“ Yasuo’s Blick fiel auf zwei Kollegen von Seth, die sich drei Tische weiter mit vorgehaltener Hand unterhielten. „Deine Kollegen scheinen die gleiche Einstellung zu vertreten, wie deine Eltern. Was für ein rückständiges Pack.“ „Ich bin es schon gewohnt.“, winkte Seth zwar ab, aber stören tat es ihn schon irgendwie. „Wie sieht es bei deinen Freunden aus? Sie schienen viel offener zu sein hatte ich den Eindruck.“ „Das sind sie auch.“ Yasuo erlaubte sich ein Fleischbällchen von Seth’s Teller zu stibitzen. „Meine Brüder waren damals sehr überrascht, aber nicht meine Schwester. Sie meinte zu mir, wurde auch Zeit das du es endlich merkst.“ „Du hast noch eine Schwester?“ Yasuo nahm seine Brieftasche aus seiner Lederjacke und holte ein Foto raus. „Das ist ein Foto von mir und meinen Geschwistern.“ Neugierig schaute Seth sich das Bild an. „Deine Schwester hat große Ähnlichkeit mit Atemu. Sie hat genau die gleiche Haar und Augenfarbe.“ Seth schaute zu einem rothaarigen jungen Mann, der als einziger nicht lächelte. „Das ist Takumi.“ Yasuo erzählte nicht so gerne von ihm. „Er ist sehr speziell und du solltest dich von ihm fern halten.“ „Wie meinst du das?“ „Er ist anders als Masao oder Akiko. Er lebt in seiner eigenen Welt und macht sich seine Gesetzte, ganz so, wie sie ihm gerade in den Kram passen. Atemu mag ihn nicht und er legt auch keinen Wert darauf mit ihm Zeit zu verbringen. Anders ist es bei Masao und Akiko, denn die Zwei liebt er.“ „Seine Familie kann man sich nicht aussuchen.“ Seth dachte an seine Eltern zurück, die noch nicht einmal von Seto etwas wussten. „Hätte dein Vater dich denn akzeptiert, so wie du bist?“ Überlegend schaute Yasuo seinen Freund an. „Schwer zu sagen. Meine Mutter jedenfalls tat sich anfangs schwer damit, aber sie freut sich, das ich ihr vorher noch einen Enkel geschenkt habe. So gesehen kann sie damit leben. Mein Vater wäre vermutlich schwer damit zurecht gekommen. Ich glaube aber nicht, das er mich raus geschmissen hätte.“ Sie unterhielten sich noch eine Weile, bis die Zeit vorbei war und Seth zurück an die Arbeit musste. „Schön das du hergekommen bist.“ „Ich komme dich wieder besuchen.“, zwinkerte Yasuo. „Wir sehen uns dann später.“ Er ließ es sich nicht nehmen Seth einen Abschiedskuss zu geben und begleitete ihn noch ein Stück. Zwar freute Seth sich darüber, doch die Blicke seiner Kollegen behagten ihm ganz und gar nicht. Genug Stoff zum tratschen hatten sie heute jedenfalls bekommen. * „Schon wieder gewonnen.“, lächelte Seto, während Masao sich die Haare raufte. „Das gibt es doch nicht. Was mach ich denn nur falsch? Los, lass uns noch eine Runde spielen.“ So sehr Seto Duel Monsters liebte, wurde es ihm gerade zu viel. Er war eben noch nicht ganz gesund. „Können wir die Runde nicht auf später verschieben?“ „Warum das denn?“ Masao hätte nicht enttäuschter sein können. „Nur noch eine Runde, bitte.“ „Also...“ „Masao, hör auf Seto die Ohren voll zu quengeln. Er ist noch nicht wieder fit und sieht müde aus.“ Masao drehte sich um und sah seinen Bruder, der mit verschränkten Armen im Türrahmen stand, finster an. „Da bist du ja wieder.“, hielt seine Freude sich in Grenzen. Seto machte da schon ein freudigeres Gesicht. „Warst du noch bei meinem Vater?“ „Ja, aber viel Zeit hatte er nicht.“ Yasuo kontrollierte Seto’s Temperatur in dem er seine Hand auf die Stirn legte. Seto verdrehte innerlich die Augen. Atemu hatte ihm gestern Abend noch gesagt, das Yasuo manchmal etwas über fürsorglich sein konnte und er sich besser daran gewöhnen sollte. „Du scheinst das schlimmste wirklich überstanden zu haben. Nachher bringt Atemu ein paar Freunde mit. Wenn es dir zu viel werden sollte, kannst du dich in mein Schlafzimmer zurückziehen, oder einfach zu mir in die Küche kommen.“ „Okay.“ Seto senkte den Kopf, als Yasuo wieder den Raum verließ. „Du siehst auf einmal so betrübt aus.“, stellte Masao fest. „Es ist nichts.“ Masao stand auf und streckte seinen Rücken durch. „Mein Bruder mag dich wirklich. Er behandelt dich nicht anders wie Atemu. Zu mir war er damals genauso. Als unser Vater gestorben ist, hat er sich wie ein Vater um mich gekümmert. Wenn ich krank war, musste ich streng das Bett hüten und er hat stündlich nach mir gesehen. Wenn ich Probleme hatte konnte ich immer zu ihm gehen und wir haben gemeinsam nach einer Lösung gesucht.“ Aufmerksam hörte Seto ihm zu. „Obwohl er damals nur zwei Jahre älter war, als ich heute?“ „Unglaublich oder? Dazu musst du wissen, das wir anders aufgewachsen sind, als du oder Atemu. Nachdem unser Vater nicht mehr war, hat er sich um alles gekümmert. Meine Mutter war mit allem überfordert und dann gab es noch mich und meinen sechsjährigen Bruder Takumi. Wir haben fast die ganze Zeit geweint, bis Yasuo angefangen hat sich um uns zu kümmern. Von dem Moment an begriff Yasuo, das er erwachsen werden musste. Plötzlich hatte er Verantwortung, musste viele Aufgaben unseres Vaters übernehmen. Zwar gibt es noch Akiko, die die älteste von uns vier Geschwistern ist, aber sie war damals hochschwanger und mitten in ihren Hochzeitsvorbereitungen mit ihrem Zukünftigen. Sie hat zwar versucht meine Mutter und meinen Bruder zu unterstützen, aber schnell wurde es ihr zu viel und sie bekam Probleme mit ihrem Ungeborenen. Deshalb hat Yasuo von da an alles alleine gemacht.“ Gebannt hörte Seto zu. „War das nicht schwer für ihn?“ „Als kleiner Junge habe ich das alles nicht mitbekommen, aber später hat Yasuo mir dann erzählt, wie schwer diese Zeit auch für ihn war. Er hat es sich nur nie anmerken lassen, um es für seine kleinen Brüder nicht noch schwerer zu machen. Von allen hat er am meisten durchmachen müssen, aber er ist immer wieder aufgestanden, egal wie oft er auf Widerstand gestoßen ist.“ Seto setze sich aufs Bett und schaute auf seine Hände. „Legt er auf die Schule großen Wert? Ich meine, weil Atemu so gute Noten schreibt.“ „Überhaupt nicht.“, lachte Masao. „Er hat zwar früher selber gute Noten gehabt, aber für die Schule hat er sich nie interessiert. Wenn ich mal mit einer schlechten Note nach Hause gekommen bin, hat er mir beim lernen geholfen.“ Seto zweifelte. „Warum ist Atemu dann so gut? Ich bin jetzt die ganze Woche hier gewesen und habe ihn viel beobachtet, aber wirklich gelernt hat er nicht. Höchstens eine Stunde und halt die Hausaufgaben, die wir machen sollen.“ „Das liegt an Atemu’s eidetischem Gedächtnis. Er hat es von Yasuo vererbt bekommen. Die Zwei sind die einzigen in der Familie mit dieser Gabe.“ In Seto sprudelte der Neid hoch, aber auch Resignation breitete sich aus. „Da kann ich doch niemals mithalten.“ Das wollte Masao jetzt nicht erreichen. „Keiner erwartet von dir mitzuhalten. Jeder hat seine ganz persönliche Gabe, du musst deine nur finden.“ „Dummes Geschwätzt.“, fauchte Seto. „Meinst du?“, lächelte Masao und setze sich neben Seto aufs Bett. „Ich habe Yasuo damals auch nicht geglaubt, aber irgendwann habe ich festgestellt, das er recht hatte. Du darfst dich nur nicht von anderen beeinflussen lassen und musst deinen eigenen Weg finden.“ Seto ließ sich rücklings aufs Bett fallen und starrte zur Decke. „Leichter gesagt, als getan.“ * Schluckend stand Joey vor Yasuo und stotterte ein „Guten Tag.“ Der Mann guckte aber böse. „Freut mich, ich bin Yasuo Katsuro.“ „I-ich bin Joey Wheeler.“ Yugi war nicht ganz so ängstlich und stellte sich ebenfalls vor. „Ich bin Yugi Muto und das ist Thea Gardner.“ „Guten Tag, Herr Katsuro.“ „Bis auf Yugi, klingen eure Namen amerikanisch.“, wurde Yasuo neugierig. Thea nickte. „Meine Eltern sind Amerikaner, aber wir haben auch japanische Wurzeln.“ Joey zuckte zusammen, als Yasuo ihn wieder ansah. „Meine Mutter kommt aus Amerika und mein Alter ist Japaner.“, sagte er hastig. Joey konnte sich nicht helfen, aber es war beinahe so, als würde sein Vater vor ihm stehen. Yasuo zog die Stirn kraus. „Hast du Angst vor mir?“ Hastig schüttelte Joey den Kopf, was ihm ein Lachen der anderen einbrachte. „Herr Katsuro ist total nett. Jetzt stell dich nicht so an.“, flüsterte Thea ihm zu. „Ich stell mich nicht an, ich habe lediglich Respekt.“ Atemu sah seinen Vater entschuldigend an. Dieser sah das nicht so eng. „Ich habe Essen gekocht, ihr wollt doch bestimmt mitessen?“ „Vielen Dank, sehr gerne.“, freute sich Yugi und setze sich auf die Couch. Thea gesellt sich zu ihm und auch Joey setzte sich zögerlich hin. Atemu ging derweil in die Küche um seinen Vater zu helfen. „Sag mal, Atemu. Was ist mit deinem Freund Joey los?“, wollte Yasuo wissen und stellte je zwei Teller auf seine beiden Tabletts. „Ich habe deutlich gesehen, das er Angst vor mir hat.“ Atemu zögerte zunächst. „Es liegt nicht an dir. Joey ist eigentlich offen gegenüber anderen.“ Yasuo nahm noch vier Gläser aus dem Schrank und stellte sie dazu. Nachdenklich schaute er seinen Sohn an, der so aussah, als ob er ihm etwas sagen wollte. Seto hatte sich in der Zwischenzeit angezogen. Im Pyjama wollte er nicht vor die anderen treten. Sofort wurde er begrüßt, was Seto murrend zur Kenntnis nahm. „Wie immer der alte Griesgram.“, feixte Joey. „Wie ist denn dein neuer Vater so? Ist er streng?“ Wenn man genau hinsah, sah man aus den blauen Augen Eisblitze raus schießen. „Er ist nicht mein Vater, sondern der Freund meines Vaters.“ „Man bist du genau. Scheinst dich jedenfalls gut erholt zu haben.“ „Hast du ein Problem damit? Und um deine Frage zu beantworten, Yasuo ist nicht streng.“ Seto erschrak vor sich selbst, weil sein Mund schneller war und Yasuo verteidigte. „Du hast mal wieder Glück, aber wie ich dich kenne, wirst du ihn vergraulen.“ Wütend ballte Seto die Hände zu Fäusten. „Das geht dich nichts an, was ich tue und ob ich Yasuo aus meinem Leben schmeiße, kann dir auch egal sein.“ Joey zuckte nur mit den Schultern. „Sei doch froh das er sich so um dich kümmert. Als Herr Katsuro plötzlich in unserer Klasse stand, hätte ich gerne mit dir getauscht.“ Yugi schaute seinen Freund Joey traurig an, denn er wusste, weshalb er so reagierte. „Hört bitte auf zu streiten, wir wollten uns doch einen schönen Nachmittag machen.“ Doch Joey reagierte nicht auf Yugi und stierte Seto weiterhin wütend an. „Dein Vater hat dich viel zu sehr verwöhnt.“ „Du hättest dich doch nur auf die faule Haut gelegt, nur deshalb bist du neidisch.“, fauchte Seto zurück. Joey konnte es nicht abstreiten, er war tatsächlich neidisch auf diesen verwöhnten Streber. „Du weißt das gar nicht zu schätzen. Du hast gleich zwei Väter, die sich um dich kümmern.“ Keiner sagte mehr was, weil alle wussten worauf Joey anspielte. Yasuo und Atemu zogen fragend die Augenbrauen hoch, als sie mit ihren Tabletts in den Händen ins Wohnzimmer kamen. „Das Essen ist fertig... Ist alles okay bei euch? Habt ihr euch gestritten?“, sorgte sich Yasuo und sah ganz besonders Seto dabei an. „Nein“, lächelte Yugi gezwungen. „Wir hatten nur eine kleine Meinungsverschiedenheit.“ Das glaubte Yasuo zwar nicht, aber er beließ es dabei. „Seto, möchtest du jetzt schon was essen? Oder willst du später mit mir und deinem Vater essen?“ Seto biss sich auf die Unterlippe, weil Joey ihn die ganze Zeit anstarrte. „Ich esse später mit euch.“ „In Ordnung.“ Seto zuckte leicht zusammen, als Yasuo ihm von hinten die Hände auf die Schultern legte. „Wenn es dir nichts ausmacht...“, begann Seto. „...würde ich jetzt gerne zu dir in die Küche kommen.“ „Natürlich, über deine Gesellschaft würde ich mich freuen.“ Yasuo spürte wie sich Seto’s Schultern entspannten. „Dann lassen wir Atemu mit seinem Besuch mal alleine.“ Seto nickte, er sah Joey nicht mehr an und verschwand mit Yasuo in der Küche. Wenig später saßen die Vier auf dem Fußboden in Atemu’s Zimmer, aßen Kekse und plauderten ausgelassen über Gott und die Welt. Der kleine Streit von vorhin war längst vergessen, wenn man davon absah, das Seto sich während der ganzen Zeit bei Yasuo aufhielt. „Bei dir ist das richtig gemütlich.“, bemerkte Joey, während er sich die leckeren Kekse in den Mund stopfte. „Gleich verschluckst du dich.“, mahnte Thea. „Was soll ich denn machen, wenn die nun mal so lecker sind. Hätte ich deinem Vater nicht zugetraut.“ „Das höre ich oft.“, lächelte Atemu. „Backen kann er noch besser als kochen.“ „Weil du so gerne naschst.“, lachte Thea, was Atemu rote Wangen bescherte. Yasuo wuschelte Seto durch die Haare. „Du machst ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter. Wollen wir zusammen dein geliebtes Kartenspiel spielen? Dann kommst du auf andere Gedanken.“ „Von mir aus.“ Gelangweilt stütze Seto seinen Kopf auf seine Hand. Er gewann doch eh. Wenigstens war er nicht allein und Yasuo nahm sich wirklich Zeit für ihn. Auch wenn er es vor Joey niemals zugegeben hätte, war er insgeheim froh, das er nun Yasuo in seinem Leben hatte. Er zwang ihn nicht sich zu den anderen zu setzen und verlor auch kein Wort darüber. Er nahm es einfach hin, wofür Seto ihm dankbar war. „Ich bin Pappsatt.“, lehnte sich Joey zurück. „Ein Wunder das so viel in dich hineingepasst hat.“, war Atemu beeindruckt. „So viel schaffe ich nicht.“ „So viel schafft keiner.“, sprach Yugi aus Erfahrung, während er sich die Plüschtiere anschaute, die im Regal saßen. „Hat dein Vater die gekauft?“ „Nein, sie sind ein Andenken an meinen Urgroßvater. Ich spiele nicht mehr damit, aber immer wenn ich sie ansehe, kommen Erinnerung an ihn hoch.“ Nach einer langen Partie und hartem Kampf musste Seto sich geschlagen geben. „Du hast gewonnen. Können wir noch eine Runde spielen?“ „Ich bin bereit.“ „Du bist ein viel härterer Gegner, als Masao.“ Yasuo mischte seine Karten und überließ Seto den ersten Zug. „So hat jeder seine Stärken und Schwächen.“ Nachdenklich schaute Seto ihn an. „Hast du denn Schwächen? Dir scheint immer alles zu gelingen.“ Überrascht schaute Yasuo in die blauen Augen, die ihn neugierig musterten. „Sehr viele, aber ich kann sie gut überspielen.“ „Welche zum Beispiel?“, bliebt Seto hartnäckig. Verlegen schaute Yasuo zur Seite. „Ich bin manchmal zu voreilig und zu hitzköpfig.“ Yasuo dachte an vorhin zurück und an seinen letzten Elternabend, bei dem er ein wenig die Kontrolle verloren hatte. „Wann bist du denn zu voreilig und hitzköpfig?“ Himmel, der Junge blieb aber dran. „Wenn mich ein hochnäsiger Arzt absichtlich einfach anrempelt und mir beide Tassen Kaffee aus den Händen rutschen.“ „Ist das heute passiert?“ „Ja, aber dein Vater war nicht sauer. Der Andere hat schließlich angefangen. Mein schöner Kaffee...“ Seto konnte es nicht verhindern zu lachen. Yasuo klang wie ein kleiner Junge, der was ausgefressen hatte. „Das war bestimmt dieser Hisagi. Ich kann ihn auch nicht leiden. Papa hat schon so oft über ihn geschimpft.“ „Der kann einen wirklich wütend machen.“ „Was hast du denn mit ihm gemacht?“, wollte Seto unbedingt wissen. Joey, der eigentlich nur zur Toilette gehen wollte, stand vor der Küchentür und hörte den Beiden seit einer Weile zu. Er beneidete Seto und hätte so gerne den Platz mit ihm getauscht. Wie gerne würde er jetzt in der Küche sitzen und Karten spielen, sich betüddeln lassen, sich einfach sorglos unterhalten ohne sich Gedanken machen zu müssen. Dabei hatte Seto bereits einen tollen Vater, der alles für ihn tat und jetzt bekam er einen zweiten dazu, der sich um ihn kümmerte, als wäre es nie anders gewesen. Warum war das Leben nur so unfair? Was hatte er verbrochen um diesen Säufer zu bekommen, der sich einen Scheiß für ihn interessierte. Joey stieß sich von der Tür ab und ging zurück zu den anderen. Kapitel 16: Missverständnis --------------------------- Heute durfte Seto endlich wieder zur Schule gehen. Zwar hatte er durch Atemu kaum etwas verpasst, weil dieser ihn auf dem Laufenden hielt, dennoch war Seto erleichtert wieder gesund zu sein. Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen nahm er seine Bentobox von Yasuo entgegen und verließ die Küche. Seth schaute seinem Sohn blinzelnd hinterher. „Seto ist auffallend gut gelaunt.“ „Das ist mir auch aufgefallen.“ Yasuo setze sich mit einer Tasse Kaffee zurück an den Tisch und schaute zu Atemu, der sich ein paar Kekse in eine Papiertüte füllte. „Du nimmst Kekse mit zur Schule?“ „Die sind nicht für mich.“, sagte Atemu und hastete eilig aus der Küche. Yasuo schaute ratlos zu Seth. „Das ist jetzt das zweite Mal, das er sich zusätzlich zu seinem Bento etwas zu Essen einpackt.“ „Am Freitag hat er sich die halbe Tasche mit Obst vollgepackt.“, erinnerte Seth sich. Überlegend schaute Yasuo in seine Tasse. „Er nimmt das höchstwahrscheinlich für einen Mitschüler mit.“ „Das denke ich auch. Es ist nicht ungewöhnlich, das einige Schüler nicht genug Essen oder Geld mitbekommen. Bei meiner Arbeit höre ich das oft, aber leider kann man nicht viel dagegen tun.“ „Er kann doch mit mir reden.“ Noch nie hatte Yasuo seinem Sohn vor den Kopf gestoßen, wenn er bei einem Problem Hilfe brauchte. „Er kommt in ein Alter, wo er versucht diese Probleme alleine zu lösen. Bei Seto ist das ganz genauso. Ich war die erste Zeit auch vor den Kopf gestoßen, aber musste es akzeptieren. Sie werden langsam erwachsen.“ Mürrisch nippte Yasuo an seinem Kaffee. „Er ist doch erst zwölf, er hat noch genug Zeit erwachsen zu werden und soll sich keine Gedanken machen. Dafür bin ich doch da.“ Seth lachte leise. „Kommt da etwa der über fürsorgliche Papa in dir durch? Du kannst dein Kind nicht davon abhalten erwachsen zu werden. Nicht mehr lange und er bringt seine erste Freundin mit nach Hause.“ Yasuo wurde blass. „Oh Gott, nicht das er so wird wie ich.“ Fragend legte Seth den Kopf schief. „Wie meinst du das?“ „Ich hatte meine erste Freundin recht früh und wir haben es wild in meinem Zimmer getrieben. Sie war ein paar Klassen höher als ich. Wir sind an meinen Eltern vorbei geschlichen und haben...unsere Neugierde gestillt.“ Seth prustete seinen Kaffee vor Lachen aus. „Nicht dein ernst? Da wirst du bald viel zu tun haben. Vielleicht wirst du ja schon bald Opa.“ Empört verzog Yasuo das Gesicht. „Das ist nicht witzig. Atemu darf auf keinen Fall so werden wie ich.“ Yasuo wollte schon drauf los stürmen, aber wurde von Seth am Kragen zurückgehalten. „Heute wird er bestimmt niemanden mitbringen.“ „Und was ist mit seiner Mitschülerin Thea? Ich habe doch genau gesehen, wie sie meinen kleinen Jungen angesehen hat. Er ist noch viel zu jung dafür. Wehe sie fasst ihn an!“ „Jetzt krieg dich wieder ein, Atemu ist noch viel zu kindlich und solche Gedanken hat er bestimmt noch nicht.“ Schmunzelnd beobachtete Seth seinen Yasuo, der wie ein Häufchen Elend in seinem Stuhl zusammen sackte und ihn traurig ansah. „Er soll noch nicht erwachsen werden.“ „Wird er so schnell nicht.“, tröstete Seth seinen Freund, doch innerlich fand er dieses Verhalten schon niedlich. „Wie kannst du so sicher sein?“ „Ich weiß es eben.“ „Bist du wirklich sicher?“ „Ja, ich bin ganz sicher!“ * Skeptisch beobachtete Seto Atemu, der mit seiner Papiertüte in der Hand zielsicher in Richtung Schule ging. „Was hast du denn mit den Keksen vor?“ „Die bekommt Joey.“ „Aha, und warum?“ Seto fand das irgendwie seltsam. „Weil Joey fast nie etwas zu Essen dabei hat.“ „Und du glaubst von Zucker wird er satt?“ Beleidigt sah Atemu auf seine Tüte. „Besser als nichts.“ „Mag sein, aber warum hast du Yasuo nicht um ein Bento für ihn gebeten? Er hätte bestimmt nicht nein gesagt.“ „Ich weiß, aber ich will ihm davon nichts erzählen.“ Seto stutzte. „Du erzählst ihm doch sonst immer alles, aber ausgerechnet so etwas verheimlichst du ihm? Er wird den alten Wheeler schon nicht umbringen.“ Atemu blieb stehen und schaute auf seine Papiertüte. „Wenn Joey’s Vater das macht, was ich denke, wird mein Vater... Vertrau mir einfach.“ Seto blieb stirnrunzelnd stehen, während Atemu weiter lief. „Übertreibst du nicht? Der kann doch keiner Fliege etwas zu leide tun. Yasuo ist der totale Softie.“ „Ich werde auf meine Weise versuchen Joey zu helfen. Ich weiß schon was ich tue.“, blieb Atemu bei seinem Standpunkt. Seto schloss wieder zu Atemu auf. „Dein Vater bekommt es doch eh mit, wenn du dir neben deinem Bento, etwas zu Essen mitnimmst.“ „Das weiß ich, aber er wird es so hinnehmen und warten bis ich von alleine zu ihm komme.“ „Du musst es wissen. Wheeler interessiert mich ohnehin nicht besonders.“ Atemu kam sich langsam dumm vor mit seinen Keksen. Leider hatte Seto recht, so kam er nicht weiter. Er musste sich selbst von seinem Verdacht überzeugen. * Seelisch bereitete Yasuo sich auf sein Geständnis vor, bevor Seth sich auf den Weg zur Arbeit machen musste. Noch saßen sie am Küchentisch und tranken Kaffee. Er wollte noch bis heute Abend warten, aber er hielt es nicht mehr aus. Er platze noch vor Anspannung und malte sich in Gedanken die aller schlimmsten Szenarien aus. Entschlossen nahm er Seth’s Hand und sah ihm tief in die blauen Augen. Seth schaute von seiner Zeitung auf und zog die Stirn in Falten. „Was hast du denn auf einmal? Willst du mir etwas sagen?“ „Ja!“ Geduldig wartete Seth ab und schaute beiläufig auf die Uhr, die über der Küchentür hing. Es vergingen mehrere Minuten, doch es kam kein Ton über Yasuo’s Lippen. „Ich störe dich nur ungern, aber ich muss mich langsam fertig machen.“ „Nein, ich muss es erst los werden, sonst überstehe ich den Tag nicht.“ „Okay“, Seth blieb geduldig sitzen, auch wenn ihm dieses anstarren ein unwohles Gefühl bereitete. Nach weiteren fünf Minuten rückte er näher an Yasuo heran und umfasste seine Wangen. „Was immer du mir sagen willst, ich werde dir nicht den Kopf abreißen.“ „Es geht um meine Arbeit.“, kam es so leise, das Seth es kaum verstehen konnte. „Es ist nämlich so... Ich bin...in Wirklichkeit...“ „Arbeitslos!“, beendete Seth den Satz und gab dem verdutzten Yasuo einen Kuss. „Das habe ich mir schon gedacht, weil du zu viel Zeit hast.“ „Also...“ „Du brauchst mir nichts erklären.“, lächelte Seth. „War dir das so unangenehm?“ „Es ist eigentlich so...“ „Ich muss mich fertig machen. Wir können heute Abend darüber sprechen, wenn dir das Thema so wichtig ist. Ich bin dir jedenfalls nicht böse und sehe dich auch nicht mit anderen Augen. Ich liebe dich mit all deinen Ecken und Kanten.“ Seth gab ihm noch einen Kuss und eilte dann aus der Küche. Er musste sich sputen, sonst kam er noch zu spät. Yasuo sank in seinem Stuhl zusammen und starrte auf den leeren Platz, wo Seth noch vor drei Sekunden gesessen hatte. „Das wollte ich doch gar nicht sagen. Warum bestraft man mich so? Fast hätte ich es gesagt und er zieht so falsche Schlüsse.“, schniefte Yasuo am Boden zerstört. * Auch wenn Atemu seine Idee im Nachhinein doch nicht so gut fand, gab er Joey die Kekse in der Pause dennoch. „Danke. Hat dein Vater die gebacken?“ „Ja, sie sind wirklich lecker.“ Joey setze sich neben Yugi und fing an zu essen. „Dein Vater sieht gar nicht so aus, als könnte er backen. Er sieht eher nach einem Draufgänger aus.“ „Das finde ich auch.“, stimmte Thea zu und schaute zu Seto, der sein Bento niedergeschlagen anstarrte. Auch Atemu fiel es auf und stieß ihn an der Schulter an. „Was hast du denn? Ist es wegen der Arbeit in Geographie, die wir heute geschrieben haben?“ „So ein quatsch, ich habe einfach keinen Hunger.“, ranzte Seto. Da war mindestens eine Frage, die er nicht beantworten konnte. Das gab jedenfalls keine glatte eins. „Kann ich es dann haben?“, bat Joey. „Ich liebe Herrn Katsuro's Essen.“ Eigentlich hatte Seto schon Hunger und sein Magen knurrte, aber jetzt konnte er nicht zurück. Das verbot ihm sein Stolz, deshalb reichte er Joey sein Essen und versuchte nicht zu hungrig auf Atemu’s Bento zu starren. Bakura saß beleidigt unter einem Baum und schmollte. Zwar hatte Seto ihm angeboten sich dazu zusetzen, doch er lehnte ab. Es war genau das eingetreten, was er befürchtet hatte. Seto gab sich nur noch mit Atemu ab und versuchte es nicht einmal zu verbergen. So ein mieser Verräter. Jetzt hockte er hier alleine und konnte zusehen wo er blieb. Atemu wollte seinen Plan in die Tat umsetzen und hatte sich jedes Wort zurecht gelegt. Zuerst brauchte er Informationen und die bekam er am leichtesten durch den direkten Weg. Glaubte er jedenfalls. „Bei wem wollen wir uns als nächstes treffen? Bei mir und Yugi waren wir schon.“ Er schielte zu Joey, aber Thea antwortete vor ihm. „Meine Eltern haben nichts dagegen, wenn ich Besuch mitbringe.“, sagte sie sofort. „Ich muss ihnen aber vorher Bescheid sagen.“ Atemu nickte und schaute wieder zu Joey, der sofort abwinkte. „Zu mir geht es nicht. Mein Alter ist die meiste Zeit zwar nicht zuhause, aber unsere Wohnung ist nicht so einladend, wie eure. Ihr würdet euch dort nicht wohl fühlen.“ „Wo wohnst du denn?“, wollte Atemu wissen. „Im Stadtteil Arai. Du kennst das Gebäude bestimmt, darunter ist ein Nudelimbiss mit einer riesigen Fahne daneben.“ „Meinst du etwa den Masaharu Imbiss?“, wurden Atemu’s Augen groß. „Ausgerechnet da wohnt ihr?“ Yugi runzelte die Stirn. „Was ist denn damit?“ Auch Thea und Seto wunderten sich, nur Joey wusste worauf er hinaus wollte. „Du hast also von den Leuten gehört, die da ihr Unwesen treiben?“ Atemu nickte. „Sie treiben von den Leuten Schutzgelder ein und wer nicht zahlt, wird verprügelt. Manchmal verschwinden von dort auch Leute, weil sie sich etwas geliehen haben und es nicht zurückzahlen konnten. Eine miese Gegend.“ „Du kennst dich aber gut aus.“, wunderte sich Yugi und schaute Joey besorgt an. „Arbeitest du deshalb so viel? Weil dein Vater sich Geld bei diesen Leuten geliehen hat?“ Bevor Joey antworten konnte, redete Atemu dazwischen. „Diese Leute sind gefährlich. Du und dein Vater müsst weg von dort.“ „Du hast leicht reden, als ob ich nicht schon selbst darüber nachgedacht hätte. Einen Bengel wie mich nimmt leider keiner ernst und auf meinen Vater kann ich mich nicht verlassen. Er hat mir schon so oft versprochen umzuziehen, doch immer kommt seine Spielsucht dazwischen und das Geld ist futsch.“ Joey ließ sich rücklings ins Gras fallen. „Du brauchst dir aber keine Sorgen machen. Ich lebe seit meinem achten Lebensjahr dort und mit den Nachbarn komme ich gut zurecht.“ Überzeugt war Atemu nicht, er wollte etwas für Joey tun. Dieses Problem war wohl doch eine Nummer zu groß für ihn und er müsste sich an seinen Vater wenden. Fürs erste beließ er es dabei. * Heute schmeckte Seth das Essen überhaupt nicht. Zwar war es ihm gestern unangenehm mit Yasuo gewesen, dennoch vermisste er ihn. Alleine zu essen machte keinen Spaß und es fühlte sich mittlerweile frustrierend an. Seth erwischte sich dabei, wie er öfter zum Eingang schaute, in der Hoffnung, Yasuo würde um die Ecke kommen. Wie er Hisagi gestern auf die Bretter geschickt hatte beeindruckte Seth und es juckte ihm in den Fingern, wieder mit dem Kampfsport anzufangen. Seto war aus dem gröbsten raus und es machte zusammen mit Yasuo bestimmt nochmal so viel Spaß. „Schon wieder keinen Hunger?“, lächelte Yasuo und gab dem überraschten Seth einen Kuss auf die Lippen, bevor er sich hinsetze. „Heute bin ich besser vorbereitet. Weil du dein Essen gestern schon nicht mochtest, habe ich dir etwas mitgebracht.“ Yasuo schob den vollen Teller zur Seite und stellte seinem Freund sein selbstgemachtes Bento hin. „Es ist sogar noch warm und wehe du isst nicht auf.“ Yasuo hatte Hintergedanken, aber ob er ihm hier seine Geschichte erzählen konnte, bezweifelte er inzwischen. Hier hörten zu viele Ohren zu. Wenigstens konnten sie Zeit miteinander verbringen. Dieses Mal schaute Hisagi nicht zu den Beiden rüber und versuchte auch das Getuschel seiner Kollegen zu ignorieren. Erst als sich eine Kollegin dazu setze, schaute er von seinem Teller auf. „Sitzen Sie nicht sonst bei den anderen Damen?“ Yoshiko nickte. „Ich wollte mir den jungen Mann bei unserem Chef näher anschauen. Ist das etwa sein neuer Freund?“ Die anderen nickten und auch Hisagi bestätigte die nicht unübersehbare Tatsache. „Das hätte ich Dr. Kaiba nicht zugetraut. Wirklich ein toller Fang.“, zeigte sich die blonde Ärztin entzückt. „Wenn man bedenkt, das er ein Kerl ist...“, brummte Hisagi verstimmt. „Ich finde sie süß zusammen. Ich verstehe Ihre Feindseligkeit nicht. Es ist doch wundervoll, wenn zwei Menschen zusammen finden.“ Einer der Ärzte verzog angewidert das Gesicht. „Ich halte mich trotzdem von denen fern, sonst bin ich am Ende selbst noch schwul.“ Yoshiko entglitten die Gesichtszüge. „Das ist doch nicht ansteckend. Ich hätte Sie für intelligenter gehalten.“ Sie nahm ihr Tablett und setze sich an einen anderen Tisch. „Jetzt hast du sie vergrault.“ „Nur weil ich die Wahrheit gesagt habe.“ Hisagi schaute zu Seth rüber, der ganz ins Gespräch mit seinem Freund vertieft war. „Die reden schon wieder über uns.“, störte sich Seth daran. Wenigstens schmeckte das Essen, was nur daran lag, weil Yasuo bei ihm war. „Lass sie doch. Die finden uns halt interessant. Wahrscheinlich sind die nur neidisch, weil ich dich abbekommen habe. Besonders dieser Hisagi.“, fing Yasuo gehässig an grinsen. „Wie meinst du das?“ „Was meinst du, weshalb er dich ständig beleidigt und die Konfrontation mit dir sucht? Kannst du es dir nicht denken?“ Seth bekam große Augen. „Du meinst...!“ „Genau das.“, bestätigte Yasuo. „Er kommt damit nicht klar, weil er sich selbst nicht eingestehen kann, das er in seinen Chef verliebt ist.“ Seth schaute jetzt offen zu Hisagi rüber, der hastig in eine andere Richtung blickte. „Bist du dir da sicher?“ Yasuo nickte eifrig. „Früher haben wir Jungs die Mädchen geärgert, die wir toll fanden. Genauso macht es Hisagi mit dir. Ich hatte mich schon gewundert, das ein angestellter so frech zu seinem Chef ist. Der Ärmste kann nicht anders, weil du unerreichbar für ihn bist.“ Diese Information musste Seth sacken lassen. „Warum bist du dir so sicher?“ „Ich weiß es eben.“, zwinkerte Yasuo. „Typen wie er sind leicht zu durchschauen, wenn man genauer hinsieht.“ „Du willst mich doch nur ärgern.“, schnippte Seth gegen Yasuo’s Stirn. „Hisagi ist nichts weiter, als ein Idiot, der gerne den Chef raus hängen lässt.“ „So, so, den Chef raus hängen lassen also.“, wurde Yasuo anzüglich. „Willst du mir damit etwas sagen?“ „Vielleicht!“ „Du bist viel lockerer geworden. Kein Vergleich mehr mit gestern.“ „Findest du?“ Seth wiegte den Kopf hin und her. „Du färbst wohl auf mich ab.“ Seth merkte selbst, wie entspannt er im Gegensatz zu gestern war. Früher war er viel Gleichgültiger und es hatte ihn nicht interessiert, was andere über ihn sagten. Wann hatte sich das geändert? Es musste so schleichend von statten gegangen sein, das er diese Veränderung nicht bewusst wahr genommen hatte. * Wieder zuhause schrieb Yasuo sich genau auf, wie er Seth seine Arbeit erklären konnte. Im Grunde reichte ein kurzer Satz und er würde es sofort verstehen, aber so fühlte Yasuo sich sicherer. Seth durfte ihn nur nicht wieder unterbrechen. Wie kam er eigentlich darauf, das er Arbeitslos war? Wenn er daran dachte, was er alles zu tun hatte und ständig hatte irgendwer ein Problem mit dem er sich zusätzlich herumschlagen musste. Lediglich seine Schwester und sein Bruder griffen ihm zur Zeit unter die Arme und nahmen ihm das meiste ab. Jedenfalls so lange, bis Atemu sich hier eingelebt und er ihn nicht mehr rund um die Uhr brauchte. Wenn Yasuo so darüber nachdachte, machte es schon den Eindruck, als hätte er den ganzen Tag Zeit. Im Moment war es auch so, aber eigentlich hatte er viel um die Ohren. „So sollte es gehen.“ Yasuo las sich seine Zeilen noch ein paar Mal durch und ergänzte noch ein wenig. Es durfte zu keinem weiteren Missverständnis kommen. „Hoffentlich habe ich mich nicht in Seth geirrt.“ Fast panisch sprang Yasuo von seinem Schreibtischstuhl auf, als er hörte, wie Jemand zur Tür rein kam. Wie von der Tarantel gestochen hetzte er dorthin und schaute Atemu und Seto schon fast enttäuscht an. „Ihr seid es nur.“ Obwohl Seto nicht danach war, schlich sich ein Lächeln auf sein Gesicht. Es war schön für ihn zu sehen, wie ungeduldig Yasuo auf seinen Vater wartete. „Solche Sehnsucht?“ „Ja!“, murmelte er bedrückt. „Heute ist es besonders schlimm.“, seufzte Yasuo, was die beiden Jungen zum kichern brachte. „So war Papa noch nie.“, flüsterte Atemu in Seto’s Ohr. „Der benimmt sich wie ein verliebter Teenager.“, tuschelte Seto zurück. Atemu nickte bestätigend. „Du solltest ihn am Valentinstag erleben. Dann ist er nicht wiederzuerkennen. Auf jeden Blatt Papier findest du Herzchen mit dem Namen seines Liebsten.“ „Wirklich? Voll der Softie.“ „Ich kann euch hören.“, maulte Yasuo und stampfte beleidigt in die Küche. „Und sensibel ist er auch.“, ergänzte Atemu. „So habe ich ihn auch eingeschätzt.“ Eine halbe Stunde später saßen die drei am Küchentisch und aßen zu Mittag. „Wir wollen gleich noch zu einem Freund.“, sagte Atemu, was ihm einen fragenden Blick von Seto einbrachte. Er wollte eigentlich hier bleiben und lernen. Yasuo sah seinen Sohn fragend an. „Du kennst doch die Regel. Zuerst werden die Hausaufgaben gemacht und dann kommt die Freizeit.“ „Das ist nur eine Ausnahme.“ Flehend sah Atemu seinen Vater an und trat Seto leicht gegen’s Schienbein, damit dieser mitmachte. Nur war Seto in dieser Hinsicht nicht ganz so überzeugend und sah mehr genervt, als mitleidig aus. „Von mir aus.“, gab Yasuo sich geschlagen. Er fühlte sich heute ohnehin nicht gut und wenn die Jungs an die frische Luft wollten, sollte es ihm Recht sein. „Dafür seid ihr um 18:30 Uhr wieder hier.“ „Versprochen.“ Atemu grinste Seto über beide Ohren an, der wirklich nicht mit wollte. „Dann gehen wir mal. Komm Seto!“ Er packte Seto am Handgelenk und zog ihn vom Stuhl. „Ich bin noch nicht fertig mit essen.“ Der Kleine war viel kräftiger, als es den Anschein machte. Yasuo stütze seine Stirn auf seine Hand und schloss die Augen. Seit er wieder zuhause war, plagten ihn Kopfschmerzen. Die Sache mit Seth und seiner Arbeit machte ihn total fertig. Er wollte ihn nicht deswegen verlieren, aber ihm so etwas zu verheimlichen war auch nicht richtig. Früher oder später, würde die Beziehung daran zerbrechen, wenn er versuchte es zu verheimlichen. Da war es besser, die Karten gleich offen auf den Tisch zu legen. * „Muss ich echt mit?“ Schon den halben Weg über war Seto am schimpfen. Sein Magen knurrte und die Hausaufgaben lagen ihm im Rücken. Dann wollten sie auch noch zu Joey, der ihn von allen am aller wenigsten interessierte. „Ich darf eigentlich nicht in dieses Viertel. Wenn mein Vater wüsste wo ich hin will, würde er mir für den Rest des Jahres Hausarrest geben.“ Seto verschränkte die Hände am Hinterkopf. „So streng ist er doch gar nicht. Der kann dir nie lange böse sein.“ „Bei gewissen Dingen schon. Du kennst ihn eben noch nicht gut genug. Er kann richtig sauer werden.“ „Da habe ich aber Angst. Was macht er dann? Bewirft er uns dann mit seinen Butterplätzchen?“ Atemu verdrehte die Augen. „Bete das du es nie herausfinden wirst. Deshalb darfst du uns auch nicht verpetzen.“ „Ich sag schon nichts. Ich hatte nicht vor ihn zu Tode zu langweilen.“ * Yasuo saß lauernd im Wohnzimmer und starrte die Haustür an. Der Zettel, den er in beiden Händen hielt, war schon ganz zerknittert und wies bereits Risse auf. „Noch eine Minute, dann müsste er hier sein.“ Zehn Minuten Später, war Yasuo das reinste Nervenbündel. Ausgerechnet heute kam Seth nicht pünktlich. Er rutschte bis ans Ende der Couch, um näher an der Tür zu sein und stierte sie verbissen an. „Jetzt komm doch endlich.“ Wie ein Jaguar auf der Lauer, wartete er auf das Läuten der Türklingel. Nach über einer Stunde und vier besorgte Anrufe, die nicht angenommen wurden, klingelte es endlich. Yasuo sprang auf und eilte zum Summer. Er lehnte die Haustür an und setze sich zurück auf die Couch. Nervös wartete er auf Seth, der nach langen Minuten zur Tür hinein kam. „Ist alles okay bei dir?“, blieb Seth in der Tür stehen. Irgendwie machte Yasuo einen seltsamen Eindruck auf ihn. „Du bist ja total verschwitzt.“ Hastig legte er seinen Mantel ab und zog sich die Schuhe aus. Seine Tasche ließ er achtlos fallen. Yasuo schüttelte den Kopf, obwohl er nicken wollte. „Alles in bester Ordnung.“ Er schaute auf seinen Zettel und musste schockiert feststellen, das er sein Gekritzel nicht mehr lesen konnte. Seine Hände schwitzen so sehr, das sie den Zettel aufgeweicht hatten und die Tinte verwischt wurde. „So eine verdammte Scheiße.“ Yasuo schluckte den dicken Kloß in seinem Hals runter und schaute Seth verzweifelt an. „Ich hatte mir alles aufgeschrieben.“ „Hast du Fieber?“ Besorgt legte Seth seine Hand auf Yasuo’s Stirn. „Du bist ganz heiß. Hast du dir wieder etwas eingefangen?“ „Spiel jetzt bloß nicht den Doktor und lass die Finger von deiner dämlichen Arzttasche.“, wurde Yasuo hysterisch. „Du wirst mich nicht untersuchen.“ „Ich will doch nur Fieber messen.“ Seth ließ sich nicht beirren und bewaffnete sich mit Fieberthermometer und Stethoskop.“ „Du willst mehr von mir. Hab ich’s doch gewusst!“ Yasuo rutschte weg von Seth, bis er am anderen Ende der Couch ankam. „Ich will doch nur Fieber messen. Mehr mache ich nicht.“ Seth hatte ganz vergessen, was für ein schwieriger Patient Yasuo doch war. „Ich habe kein Fieber.“ Yasuo war die ganze Zeit nur so nervös und schwitzte deshalb so stark. „Ich brauche es doch nur an die Stirn halten, oder magst du es von hinten lieber?“, grinste Seth und genoss es zu sehen, wie Yasuo die Kinnlade runter klappte. Er war so perplex, das ihm nichts dazu einfiel. Leider konnte er nicht noch weiter zurück robben und spürte das Thermometer an seiner Stirn. „Du hast dir tatsächlich etwas eingefangen. 39,3 Grad Fieber! Das bedeutet Bettruhe für dich. Die Durchgeschwitzten Klamotten solltest du ausziehen, sonst wird es schlimmer.“ In Yasuo regte sich immer mehr der Fluchttrieb. Wenn Seth anfing so zu reden, war er ganz im Arzt-Modus. „Du willst mich nur untersuchen.“, fauchte Yasuo und krabbelte auf allen Vieren unterm Wohnzimmertisch durch. Einen anderen Ausweg gab es leider nicht. Verwundert schaute Seth auf das Schauspiel, welches ihm sein Freund bot. „Du sollst dich doch nur umziehen.“ Etwas leiser fügte er hinzu. „Eine Spritze wirst du leider auch noch bekommen.“ „Das hab ich gehört. Meine Ohren funktionieren ausgesprochen gut.“ Er musste hier raus. Die Tür war nicht weit weg, das konnte er schaffen. „Du bleibst hier.“ Seth rechnete schon damit und hielt Yasuo am Hemdkragen Fest. „Wir gehen jetzt ins Schlafzimmer und ziehen dir frische Klamotten an.“ „Ich kann das alleine. Ich brauche keinen Arzt.“ Yasuo riss sich los und verkroch sich in einer Ecke des Wohnzimmers. Leider stand Seth genau vor der Haustür und somit war der einzige Fluchtweg versperrt. Seth atmete durch. Beim letzten Mal hatte er es nicht so schwer. Vielleicht lag es an Atemu, der nicht da war und jetzt ließ Yasuo seiner Angst freien lauf. Er ging langsam auf Yasuo zu und kniete sich hin. „Ich lasse mein Zeug hier liegen.“ Zur Bestätigung legte Seth sein Stethoskop auf den Boden und zeigte seine leeren Hände. „Siehst du?“ Misstrauisch beobachtete Yasuo jede Bewegung seines Freundes. „Kick es weg.“ Zunächst war Seth überrascht, aber schob es ein gutes Stück von sich. „So?“ „Die Arzttasche bleib da wo sie ist.“, sagte Yasuo mit dunkler Stimme. „Versprochen!“ Ganz langsam krabbelte Yasuo aus seiner Ecke, dabei behielt er Seth stets im Blick. Spätestens jetzt hätte Seth gerne gewusst, weshalb Yasuo so extrem auf ihn als Arzt reagierte. Fast wie ein Tier, welches nur auf ein Geräusch lauerte und dann die Flucht ergriff. „War doch gar nicht so schwer.“ „Und was jetzt?“, brummte Yasuo. „Wir gehen ins Schlafzimmer, damit du dir frische Klamotten anziehen kannst. Dann legst du dich ins Bett und ich brühe dir einen Tee auf. Das war’s!“ Skeptisch musterte Yasuo seinen Freund. „Keine Spritze? Keine Untersuchung? Keine Medikamente?“ „Nichts dergleichen.“ Seth nahm Yasuo in die Arme und kraulte ihm durchs Haar. „Ich verspreche es.“ Wenn Yasuo irgendwann ernsthaft erkranken sollte, oder er sich verletze, würde das seine größte Herausforderung werden. * Mies gelaunt saß Seto in einer Ecke, während Atemu das Wohnhaus von Joey beobachtete. „Wie lange willst du das noch machen? Dafür lass ich meine Hausaufgaben liegen? Um auf einer schmutzigen Straße zu hocken?“ Seto wollte nicht mehr. „Was erhoffst du dir nur davon?“ „Ich warte auf Herrn Wheeler.“ Atemu ließ sich nicht von seinem Vorhaben abbringen. „Du hältst ihn für einen schlechten Menschen, schon klar. Aber selbst wenn du recht hast, was willst du dagegen tun? Ihm ins Gewissen reden?“ Atemu schüttelte den Kopf. „Mein Vater meint, das solche Menschen nur eine Sprache verstehen, damit sie es lernen.“ Jetzt wurde Seto neugierig. „Welche Sprache soll das sein?“ „Das wirst du dann sehen.“ Seto stöhnte hörbar auf. „Du hast dich in etwas verrannt.“ „Ist er das?“ Seto horchte auf und schaute auch um die Ecke. „Unverkennbar, das ist Jonathan Wheeler. Er sieht immer etwas ungepflegt aus, aber wenn man sich mit ihm unterhält ist er eigentlich ganz nett. Deshalb halte ich deine Vermutung für Unsinn.“ Atemu schaute Seto skeptisch an. „Du hast dich mit ihm unterhalten?“ „Nicht ich, mein Vater. Ich war nur dabei. Er war recht höflich, auch wenn sein Äußeres etwas anderes zeigt. Wenn du mich fragst, hat es das Leben einfach nur nicht gut mit ihm gemeint.“ Nachdenklich beobachtete Atemu, wie Jonathan in seiner Wohnung verschwand. „Lass uns näher ran gehen.“ Währen Atemu am Laden vorbei schlich und die Treppe vorsichtig hoch ging, schlurfte Seto genervt hinterher. „Du kannst doch nicht einfach in Fremde Fenster gucken.“ „Sei doch nicht so spießig. Ich will doch nur wissen, was für ein Mensch Herr Wheeler ist.“ „Ich bin Zuhause.“, gähnte Jonathan und zog sich seine Jacke aus. Joey hockte auf dem Sofa und schaute sich seine Serie an. Wie so oft, ignorierte er seinen Vater. „Hast du schon was gegessen?“ Joey nickte und schaute unbeirrt weiter. „Ich leg mich dann hin.“, gähnte Jonathan und verschwand im Schlafzimmer. Joey zog die Beine dicht an den Körper. So lief es jeden Tag. Sie lebten aneinander vorbei und sahen sich am Nachmittag immer nur kurz. Sein Vater interessiert sich kaum für ihn und hatte nur seine Glücksspiele im Kopf. Wenn er mal was wollte, hörte er nie zu. „Können wir jetzt nach Hause gehen?“, wollte Seto wissen. „Joey sieht einsam aus.“ „Was willst du daran ändern? Es hat eben nicht jeder solche Väter wie wir.“, wurde Seto immer leiser. „Lass uns endlich gehen!“ Atemu löste sich vom Fenster und ging Seto hinterher. Im gehen lag sein Blick weiter auf Joey’s Wohnung und rannte deswegen in Seto hinein. „Warum bleibst du denn stehen?“ Atemu schaute die Treppe nach unten, wo ein schwarzhaariger junger Mann mit Pferdeschwanz stand und zu ihnen hinaufschaute. Bei ihm waren noch drei weitere junge Männer, die sie finster anschauten. „Seto, lass uns einen anderen Weg nehmen.“ Seto nickte, auf Ryuji hatte er jetzt keine Lust und so wütend wie der ausschaute, war es besser ihm aus dem Weg zu gehen. „Seto, kennst du den Kerl?“ „Nur flüchtig, dein Vater hat mich mal vor ihm gerettet. Der Kerl hat nicht alle Tassen im Schrank und wird schnell gewalttätig.“ Seto schaute zurück, als er hinter Atemu her rannte, doch die vier Männer schienen ihnen nicht zu folgen. „Wir können langsamer laufen.“ Atemu war bereits dabei, die Feuerleiter herunter zu klettern. „Lass uns trotzdem nicht trödeln.“ Seto nickte und kletterte ebenfalls die Leiter runter. Zügig gingen sie den Weg zurück und wurden erst langsamer, als sie einige Straßen weiter weg waren. „Ob das Ryuji's Revier ist?“, überlegte Seto. „Als ich ihn das erste Mal getroffen hab, war das aber nicht in Arai. Dann war das wohl nur Zufall.“ „Ob Zufall oder nicht, wir sind davongekommen.“ Oh man, wenn sein Vater davon erfahren würde, konnte er sein Testament machen. „Hallo Seto!“ Seto blieb stehen und schaute hinter sich. Bakura stand zusammen mit Ryuji und den anderen Dreien hinter ihnen. „Bakura? Was machst du hier?“ Seto wich zurück. So wie Bakura ihn anschaute, schien er richtig sauer zu sein. „Auf einmal interessierst du dich für mich? Vorhin in der Schule wolltest du nichts von mir wissen.“ Wütend ballte Seto die Fäuste. „Das stimmt doch gar nicht. Du wolltest doch nicht mit! Ich hab dich doch gefragt, ob du mit uns zusammen essen willst.“ Bakura schaute Seto wütend an. „Mit dieser Heulsuse da? Vor kurzem wolltest du von ihm nichts wissen und hast ihn gehasst, wie keinen Anderen und auf einmal seid ihr die besten Freunde.“ „Na und? Meinungen können sich ändern.“ „Meine aber nicht.“ „Dein Problem.“, knurrte Seto und ging noch einige Schritte rückwärts. Nie hätte er gedacht, das er einmal vor Bakura solchen Respekt haben würde. Dies lag aber nicht an ihm selbst, sondern an seinen Begleitern. Ryuji und die anderen drei gingen auf die Beiden Jungen zu und packten sie unsanft an den Schultern. „Lasst mich los.“, fauchte Atemu und donnerte Ryuji seine Faust gezielt ins Gesicht. „Scheiße!“, fluchte er und Blut tropfte auf den Boden. „Selber Schuld, von mir solltest du die Finger lassen.“ Atemu ballte wieder die Fäuste, doch gegen Ryuji hatte er keine Chance. Auch Seto wurde zu Boden gerungen. Sein Blick fiel auf Bakura, der einfach nur zusah, wie die Vier sie fertig machten. „Du Feigling, trägst du deine Kämpfe nicht einmal mehr selbst aus?“, brüllte Seto und krümmte sich zusammen, als er einen Tritt in den Magen bekam. „Das wolltest du doch.“, grinste Ryuji und sah zu Bakura, der unsicher nickte. In seiner Vorstellung war das alles ganz anders und er dachte, er würde sich danach besser fühlen. Stattdessen fühlte er sich nur noch schlechter. Ryuji und die anderen ließen von Seto und Atemu ab, die sich am Boden krümmten. „Wir nehmen sie mit.“ Ryuji ging in die Hocke und schaute Atemu an, der ihn wütend aus seinen roten Augen an funkelte. „Mal schauen wann dieses Arschloch einknickt und auf allen Vieren an gekrochen kommt, um seinen Bengel wieder zu bekommen.“ Damit meinte er Yasuo, mit dem er sich schon einmal angelegt hatte. „Dieses Mal bin ich besser vorbereitet.“ „Warte Mal, was soll das heißen?“, ging Bakura dazwischen. „So war das nicht abgemacht.“ Ryuji hatte nur einen abfälligen Blick für den Jungen übrig. „Glaubst du, ich tue das für dich? Ich will nur diesem Katsuro eins auswischen. Der demütigt mich nur einmal. Der soll vor mir kriechen und Staub fressen.“ Schluckend konnte Bakura nur zusehen, wie Atemu und Seto mitgenommen wurden. Er selbst wurde von Ryuji am Arm mit gezerrt. Was hatte er da nur angerichtet? Kapitel 17: Schmerzhafte Vergangenheit -------------------------------------- Bis ins Schlafzimmer hatten Seth und Yasuo es noch nicht geschafft. Immer noch hielt Seth seinen Freund im Arm und kraulte ihm durch die Haare. „Geht es wieder?“ „Nein!“, war Yasuo immer noch beleidigt. „Entschuldige bitte, beim nächsten Mal werde ich mit mehr bedacht handeln. Aber bitte verrate mir, weshalb du so heftig reagierst? Ich möchte es verstehen.“ Yasuo vergrub sein Gesicht in Seth’s Brust. Er wollte keine Geheimnisse vor ihm haben und dies wäre die Gelegenheit ein offenes Gespräch zu führen. „Nicht einmal Atemu habe ich davon erzählt. Er würde sich nur Sorgen um mich machen, dabei soll seine Kindheit so unbeschwert wie möglich sein.“ „Kein Wort werde ich ihm erzählen.“ Yasuo gab sich geschlagen. Er wollte Seth in seiner Familie haben, aber das hieße keine Geheimnisse. „Als kleines Kind mochte ich Ärzte schon nicht besonders. Ständig kamen sie mit ihren Spritzen und Untersuchungen. Ich habe damals schon ein Riesen Theater gemacht, wenn ich zum Arzt musste. Wenn ich schon das Desinfektionsmittel in die Nase bekomme, will ich nur fliehen. Das hat sich im laufe der Zeit immer mehr gefestigt und als mein Vater ermordet wurde, ist es nur schlimmer geworden.“ Yasuo mochte sich nicht so gerne daran erinnern, denn dieser Tag war einer der Schlimmsten seines Lebens. Dicht drängte er sich an Seth und rief sich die damaligen Erlebnisse zurück ins Gedächtnis. „Wir sind eine große Familie und durch bestimmte Ereignisse haben sich noch kleinere Familienverbände angeschlossen, für die mein Vater verantwortlich war. Durch seine Lebensweise hat er sich viele Feinde gemacht und wenn man nicht aufpasst, kann das ganz schnell nach hinten losgehen.“ Seth hörte aufmerksam zu, aber er wurde nicht so recht schlau daraus. „Das Haus meines Vaters war eine große Villa und sie war richtig imposant, mit ihren vielen Zimmern und dem riesigen Garten. Der Altersunterschied zu meinen Brüdern und mir ist recht groß, wie du weißt und schon damals haben sie zu mir aufgesehen. Ich habe viel mit ihnen unternommen, aber eben nicht immer. Je älter ich wurde, umso mehr ging ich meine eigenen Wege und ich wollte meine kleinen Brüder nicht ständig am Rockzipfel hängen haben. Takumi war 6 und Masao 8. Ich war gerade 16 geworden und hatte einen gewissen Egoismus entwickelt, was wohl ganz normal in diesem Alter ist.“ ~*~Rückblende Anfang: 14 Jahre zuvor~*~ „Du hast es versprochen.“, quengelte der achtjährige Masao seinem Bruder hinterher und dicke Tränen liefen über seine Wangen. „Ich spiele morgen mit euch, heute geht es nicht.“, verdrehte Yasuo die Augen. Ständig sollte er auf seine kleinen Brüder aufpassen. Akiko war da fein raus, weil sie hier nicht mehr wohnte und selbst bald ein Kind erwartete. „Das hast du gestern auch gesagt.“, fing Takumi nun auch an und machte es seinem Bruder nach, indem er anfing zu weinen. Wütend stampfte er mit dem Fuß auf, was auch Masao dazu animierte es ihm nach zu machen. „Ich möchte mich mit meinen Freunden treffen.“ Yasuo fühlte sich wirklich zu alt für diesen Kinderkram. „Wenn du nicht mit uns spielst, petzt ich das Dr. Segawa, der gibt dir dann eine Spritze.“ Jetzt spielte Masao seinen letzten Trumpf aus, wofür er nur ein müdes Lächeln seines großen Bruders bekam. „Der kommt aber nicht wegen so was. Darauf falle ich nicht rein.“ Wenn er das Wort Arzt schon hörte... „Kommt er doch. Ich weiß genau, das du Angst vor ihm hast.“ Yasuo ließ sich nicht beirren. „Fragt Mama ob sie mit euch spielt.“ „Mit ihr macht es aber keinen Spaß.“, sagten beide gleichzeitig. „Dann eben mit Papa.“ „Der hat zu tun.“, wurde Masao immer quengeliger. „Du bist ein gemeiner Lügner. Ich hasse dich!“ „Ich hasse dich auch.“, trat Takumi seinem großen Bruder gegen’s Schienbein und rannte Masao hinterher. „Jeden Tag das gleiche.“ Yasuo zog sich Jacke und Schuhe an und schnappte sich einfach die Autoschlüssel seines Vaters. Er hatte keine Lust mit dem Bus zu fahren und das er noch nicht alt genug war, um ein Auto zu fahren interessierte ihn nicht. Sein Vater sagte eh nichts dazu. „Immer das gleiche.“, schmollte Masao in seinem Zimmer. „Immer das gleiche!“, machte Takumi seinen Bruder nach. Dies tat er ständig und Masao war bereits daran gewöhnt. „Wollen wir was spielen?“ „Verstecken! Du suchst!“, bestimmte Takumi und rannte aus dem Kinderzimmer. „Immer verstecken und jedes Mal soll ich suchen. Blöder Yasuo, alles seine Schuld.“ Masao schloss die Augen und zählte langsam bis zehn. Eifrig suchte Takumi nach einem geeignetem Versteck und rannte dazu ins Erdgeschoss. Keiner kannte die Villa so gut wie er und sogar die Zahlenkombination vom Safe seines Vaters hatte er herausgefunden, weil er sich ständig irgendwo versteckte und anderen hinterher spionierte. Dies war sein Geheimnis, welches er nur mit Yasuo teilte. Dieser nahm das zwar nicht sonderlich ernst, aber mit seinen sechs Jahren konnte Takumi nicht einschätzen, wann Yasuo ihn ernst nahm und wann nicht. Gezielt ging er ins Arbeitszimmer seines Vaters und krabbelte in einen der Schränke. Eigentlich sollten sie hier nicht spielen, aber ein besseres Versteck als dieses hier gab es für Takumi nicht. Er war gern in der Nähe seines Vaters und verehrte ihn noch mehr, als seinen großen Bruder. Leise kicherte er, als er hörte, wie sich die Tür öffnete. Leider war es nicht sein Bruder, sondern sein Vater, der mit einigen fremden Männern herein kam. Takumi’s Herz schlug schneller, als er hörte, wie sich die Männer mit seinem Vater in die Haare bekamen. Es ging um Geld und irgendwelche Dokumente, die sein Vater nicht rausrücken wollte. Die Männer wurden immer lauter und aggressiver, aber sein Vater gab nicht nach. Takumi verhielt sich ganz still, in der Hoffnung, das sie schnell wieder gingen, denn sein Vater fing an ihnen zu drohen, wenn sie nicht sofort sein Haus verließen. Er spähte durch die halbgeöffnete Schranktür und sah, wie sein Vater mit einer Schusswaffe bedroht wurde. Er wollte schon aus seinem Versteck stürmen, aber da erklangen bereits mehrere Schüsse. Krampfhaft hielt Takumi sich den Mund mit beiden Händen zu und presste die Augen fest zusammen. Dann hörte er die Stimme seiner Mutter, die laut anfing zu schreien. Wieder erklangen Schüsse, was Takumi dazu veranlasste sein Versteck zu verlassen und aus dem Raum zu stürmen. Im Vorbeigehen sah er seine Mutter, die wimmernd am Boden lag. Er hörte schwere Schritte hinter sich und rannte weiter, die Treppe nach oben, wo er seinem Bruder begegnete. „Lauf, die bringen uns sonst um.“, rief er hysterisch. Masao konnte gar nicht so schnell reagieren und wurde von Takumi einfach mitgezogen. „Wir müssen uns verstecken!“ „Wo sind Mama und Papa?“, wollte Masao wissen, während sie durch den ersten Stock hetzten. „Sie sind Tod!“ Masao blieb stehen und schaute seinen Bruder mit weit aufgerissenen Augen an. „Du lügst!“ Takumi schluckte seine Tränen runter und zog Masao ins Gästezimmer, denn er hörte bereits die Schritte von einem der Männer. Dort verkrochen sie sich unter dem Bett und verhielten sich so still wie möglich. „Wir müssen Yasuo anrufen.“, flüsterte Takumi. Masao schüttelte den Kopf. „Ich hab Angst.“ „Dann bleib hier, ich gehe allein.“ „Die werden dich sehen.“ Takumi sah seinen älteren Bruder lange an. „Yasuo und Papa würden auch gehen.“ „Na gut, ich komme mit.“ Masao war nicht so mutig, wie sein Bruder. Von den vier Geschwistern, war er der ängstlichste und vorsichtigste. Takumi war da ganz anders und versuchte so zu sein wie sein Vater und sein großer Bruder, die in seinen Augen vor nichts Angst hatten. * Heute war echt der Wurm drin. So hatte Yasuo sich diesen Tag nicht vorgestellt. Auf der Kreuzung gab es einen Unfall und nun stand er im Stau. „Dann hätte ich auch Zuhause bleiben können.“, murrte er vor sich hin. Sein Blick fiel auf sein Smartphone, welches vibrierte, aber kein Name auf dem Display aufleuchtete. „Hier Katsuro!“ „Du musst ganz schnell kommen.“, weinte Takumi. „Die wollen uns umbringen. Mama und Papa sind schon Tot und hier brennt es. Wir kommen nicht mehr raus.“ Yasuo hörte wie seine Brüder unaufhörlich husteten. „Bleibt am Telefon, ich komme zu euch!“ Ohne auch nur eine Sekunde zu verlieren drückte Yasuo das Gaspedal durch und rammte das Auto hinter sich. Ohne Rücksicht fuhr er in den Gegenverkehr. Zwar war er ein geübter Autofahrer trotz fehlendem Führerschein, doch so eine Aktion war auch für ihn nicht ohne. Leider kam er nicht so schnell vorwärts, wie erhofft und wich den entgegen kommenden Autos aus, die Hupend ebenfalls auswichen. Von weitem sah er dicke Rauchwolken empor steigen. „Scheiße!“ Mit quietschenden Reifen fuhr er aufs Grundstück rauf und konnte noch sehen, wie drei Autos an ihm vorbei fuhren. Die Villa brannte lichterloh, was Yasuo nicht davon abhielt hinein zu rennen. „Seid ihr noch dran?“ Außer Husten bekam er keine Antwort mehr. Der Brand hatte sich im unteren Stockwerk noch nicht ausgebreitet, was bedeutete, das seine Brüder sich oben aufhalten mussten. Hier unten konnte man noch ohne Probleme atmen. Er nahm zwei Stufen auf einmal und blieb geschockt stehen, als er die Flammen und den dicken Rauch sah, der sich vor ihm aufbaute. Anders als unten, brannten die meisten Räume bereits. „Takumi! Masao!“, rief er so laut er konnte und bekam immer größere Probleme zu atmen. Das Feuer fraß den Sauerstoff in der Luft auf und es wurde immer heißer. Lange konnte er dies nicht mehr durchhalten. Hustend kämpfte er sich Schritt für Schritt vorwärts. „Wo seid ihr nur?“ Yasuo legte den Hörer ans Ohr, in der Hoffnung, das einer seiner Brüder ihm antworten konnte. „Bitte, sagt mir wo ihr seid. Ich bin hier, bei euch, aber ich finde euch nicht.“ Ganz leise vernahm er die Stimme von Masao, die das Wort "Mama" flüsterte. Hastig rannte er ins Elternschlafzimmer und öffnete den Kleiderschrank, nachdem er unterm Bett geschaut hatte. Dort lagen seine kleinen Brüder und rangen hustend nach Luft. Das halbe Zimmer brannte bereits. „Haltet euch an mir fest.“ Er nahm seine kleinen Brüder auf die Arme, die sich fest an ihn krallten. Yasuo wollte schon zurück, doch das Feuer versperrte den Weg, breitete sich zu schnell aus. Blieb nur das Fenster und die Hoffnung, das sie den Sprung aus dem Ersten Stock unverletzt überstehen würden. Hastig kletterte er auf den Fenstersims und schaute nach unten. „Wir müssen jetzt ganz tapfer sein, meine kleinen.“ Takumi und Masao zitterten und schlossen die Augen, sie vertrauten ihrem Bruder. Fest drückte Yasuo seine Brüder an sich und sprang. Sie landeten in den Büschen, die ihren Sturz zwar abbremsten, aber nicht ganz unverletzt am Boden aufkamen. Mit aller Kraft kämpfte Yasuo sich auf die Beine, ignorierte den Schmerz in seinem Körper und versuchte vom Haus wegzukommen. Dumpf vernahm er die Sirenen der Feuerwehr, die durch die Straßen eilten. „Ihr seid viel zu spät dran, ihr nutzloses Pack.“, schimpfte Yasuo vor Wut und brach nach ein paar Metern zusammen. Erst im Krankenhaus kam er wieder zu Bewusstsein und fragte den Arzt sofort nach seiner Familie. Seine Brüder hatten eine schwere Rauchvergiftung und Knochenbrüche davongetragen, während seine Eltern um ihr Leben kämpften. Sie konnten von den Rettungskräften aus der Villa zwar gerettet werden, aber es stand schlecht um sie. Er selbst hatte nur ein paar Schürfwunden und eine leichte Rauchvergiftung. Erst nach zwei Monaten durften Masao und Takumi entlassen werden. Die körperlichen Wunden waren verheilt, aber die seelischen saßen tief. Zusammen mit Akiko beriet sich Yasuo, wie es nun weiter gehen sollte. „Jetzt mach nicht so ein Gesicht.“, lächelte Akiko traurig. „Es war nicht deine Schuld.“ „Ich hätte Zuhause bleiben sollen, anstatt nur an mich zu denken. Dann wäre es nicht so schlimm geworden.“ Masao und Takumi saßen auf seinem Schoß und schliefen. Seit sie aus dem Krankenhaus entlassen wurden, wichen sie nicht mehr von Yasuo’s Seite. „Diese verdammten Ärzte.“, fluchte Yasuo. „Erst sagen sie er kommt durch und dann stirbt er einen Tag später doch.“ Akiko senkte den Kopf. „Sie wollten dich nur schonen, damit du dich nicht so aufregst. Du warst psychisch am Ende.“ „Und deshalb setzen sich mich unter Drogen, damit ich ich den ganzen Tag schlafe?“, brüllte Yasuo. „Ich bin als einziger so gut wie unverletzt davon gekommen. Es war nicht nötig mir diese Medikamente zu geben. Takumi und Masao hätten mich gebraucht. Du hast selbst gesagt, das sie die ganze Zeit nach mir gerufen haben! Ich war in ihrer Nähe und konnte wegen dieser scheiß Ärzte nicht bei ihnen sein. Du weißt ganz genau, wie sehr die Beiden an mir hängen.“, steigerte sich Yasuo immer mehr hinein. „Mama liegt immer noch im Koma und sie lassen uns einfach nicht zu ihr. Ich werde nie wieder diesen Ärzten vertrauen. Ich habe sie schon immer gehasst!“ Akiko streichelte dem schlafenden Takumi über die Wange. „Wie soll es weiter gehen?“ „Ich werde mir eine Wohnung suchen. Die Jungs helfen mir und stehen hinter uns. Masao und Takumi werden bei mir bleiben, damit du dich auf dein Ungeborenes konzentrieren kannst.“ Er schaute seiner Schwester fest in die Augen. „Du willst wirklich nicht die Nachfolge antreten, wenn dein Kind geboren wurde?“ Akiko schüttelte den Kopf. „Ich möchte nur Mutter sein und mich um meine Tochter kümmern. Kenji möchte noch mehr Kinder und ich wünsche es mir auch.“ Akiko konnte nicht verhindern zu weinen. „Verzeih mir bitte meinen Egoismus.“ „Schon gut, die Jungs fürchten sich sowieso vor dir, wenn du deine Tage hast.“, zwinkerte er. „Dann wirst du zur Furie.“ „Hey, das ist gar nicht wahr!“ Kenji, der hinter Akiko stand nickte bestätigend, was Yasuo ein ehrliches Lächeln ab rang. ~*~Rückblende Ende~*~ Weinend lag Yasuo in Seth’s Armen. „Ich habe meine Familie im Stich gelassen. Wäre ich nicht weggegangen, hätte ich vielleicht das Schlimmste verhindern können. Meine Mutter sitzt heute im Rollstuhl und war danach nie mehr dieselbe. Deshalb sind Takumi und Masao dann endgültig bei mir geblieben. Ein Pfleger kümmert sich rund um die Uhr um sie.“ Seth hatte so viele Fragen, die ihm auf der Seele brannten, aber er hielt sich zurück. Das hier bewies großes Vertrauen und dies wollte er durch unnötige Fragen nicht zerstören. „Wenn du dort geblieben wärst, hätten sie dich womöglich auch erschossen und dann wären Masao und Takumi nicht mehr aus den Flammen gekommen. Du hast alles richtig gemacht.“ Jedenfalls wusste Seth nun, weshalb Yasuo so eine Abneigung gegen Ärzte hatte. Es lag ein psychisches Problem vor, das man nicht von heute auf morgen beseitigen konnte. Vielleicht schaffte Yasuo es eines Tages ihm zu vertrauen. Jedenfalls schien Yasuo zwei Personen in ihm zu sehen, sonst würde er nicht so in Panik geraten, wenn er nur ein Fieberthermometer in die Hand nahm. „Für Takumi und Masao bin ich immer mehr zur Vaterfigur geworden.“, redete Yasuo weiter. „Sie nennen mich zwar Bruder, aber eigentlich sehen sie einen Vater in mir.“ Yasuo hob seinen Kopf und schaute Seth an. „Willst du wissen, woher ich das weiß? Als wir einmal auf dem Spielplatz waren und ich sie gerufen habe, weil es Zeit war zu gehen, sagten sie beide gleichzeitig: Ja Papa, wir kommen. Die Mütter habe mich angesehen, als wäre ich ein Außerirdischer.“ Jetzt wusste Seth auch, warum Yasuo bei Seto’s Frechheiten nie böse wurde. Nach solchen Erlebnissen, war man einfach abgehärtet und regte sich nicht mehr so schnell über Kleinigkeiten auf. „Das beweist doch, wie gut du deine Sache gemacht hast, obwohl du noch so jung warst.“ Yasuo schloss die Augen und genoss es, so in den Armen seines Freundes zu liegen. „Zwei Jahre später trat dann Atemu in mein Leben. Mit drei Kindern wurde es mir dann doch zu viel und ich hatte Súma, einen Verwandten, um Hilfe gebeten. Ich wusste, das er Kinder mochte und nach einigem Hin und Her hat er uns dann in sein Haus aufgenommen. Nebenbei hatte ich noch meine Verpflichtungen, die ich geerbt habe, zu erfüllen. Akiko habe ich so gut es ging aus allem heraus gehalten und durch Súma konnte ich alles unter einen Hut bringen. Als Masao und Takumi erwachsen wurden, ist es einfacher geworden und sie sind inzwischen eine große Stütze für mich, auch wenn ich auf Takumi immer noch aufpassen muss, damit er keine Dummheiten macht. Ich weiß aber, das er an mir hängt, auch wenn er ein schwieriger und komplizierter Mensch ist.“ „Was für Verpflichtungen sind das?“, wagte Seth zu fragen. „Es hat mit...meiner Arbeit zu tun.“ Yasuo löste sich von Seth und sah ihn an. Er hatte schon so viel erzählt, obwohl er diese Themen immer vermied. Das letzte bisschen schaffte er auch noch. Na los, so schwer war das doch nicht. Es war nur ein kleines Wort und Seth würde sich den Rest denken können. „Ich...ich...bin... Ich kann das nicht ohne meinen Zettel.“ Warum bekam er das nicht über die Lippen? Bisher war er bei all seinen Freunden ehrlich gewesen, nur bei Seth konnte er es einfach nicht. Die Angst von ihm verlassen zu werden, war zu groß. „Ist es dir so peinlich?“ Yasuo schüttelte den Kopf. „Es entspricht nur nicht der Norm. Wahrscheinlich wird es dich schockieren.“, gestand Yasuo. Seth wurde unruhig. „Schreib es mir doch einfach auf.“ Damit war Yasuo einverstanden und schlurfte träge in sein Büro. Während er sich Stift und Papier nahm schossen ihm so viele Szenarien durch den Kopf, wie Seth reagieren könnte. Er setze nervös und mit unruhigen Fingern den Stift an. Was wenn Seth ihn dann verließ? Das würde er nicht verkraften. Seth stand im Türrahmen und beobachtete Yasuo, der sich immer wieder durch die Haare fuhr. „Wir sollten das auf morgen verschieben, sonst bekommst du noch einen Nervenzusammenbruch. Es ist auch schon spät und Zeit fürs Abendessen.“ „Abendessen?“, wiederholte Yasuo langsam und schaute auf die Uhr. „Was? Es ist schon 20 Uhr?“ Er schaute auf sein Smartphone, ob Atemu ihm eine Nachricht hinterlassen hatte. „Sie sollten um 18:30 Uhr zurück sein.“ Seth stieß sich vom Türrahmen ab. „Sie haben bestimmt die Zeit vertrödelt.“ „Kann sein, ich werde sie am besten anrufen, dann haben wir Gewissheit.“ Er wählte die Nummer seines Sohnes, doch der ging nicht ran. „Versuch bitte Seto anzurufen.“ Seth nickte, aber auch er hatte kein Glück. Das sah seinem Sohn nicht ähnlich, deshalb versuchte Yasuo Atemu’s Handy zu orten. „Sie sind im Stadtteil Arai?“ „Was wollen sie denn da?“ „Das werden wir herausfinden. Lass uns hinfahren.“, bestimmte Yasuo. * „Arschloch“, keuchte Atemu. Es gab keinen Zentimeter an seinem Körper, der nicht weh tat. Seto konnte nur tatenlos zusehen, weil er an Händen und Füßen gefesselt auf einem alten Sofa saß. Ryuji packte Atemu’s Kinn und zwang ihn, ihm in die Augen zu sehen. „Wenn du noch einmal so frech zu mir bist, werde ich mir deinen spießigen Freund vornehmen, kapiert?“ „Mein...Vater...wird dich Windelweich prügeln...und dich anschließend im...Meer versenken.“, keuchte Atemu und spuckte Ryuji ins Gesicht.“ „Du kleine Made.“ Angewidert wischte sich Ryuji den Speichel aus dem Gesicht. „Du willst es offensichtlich nicht anders.“ „Hör auf!“, brüllte Seto. „Du bringst ihn noch um!“, doch Ryuji hörte nicht und machte da weiter, wo er aufgehört hatte. „Jetzt hilf uns doch Bakura.“ Jener stand in einer Ecke der kleinen Wohnung und mochte schon nicht mehr hinschauen. Was sollte er denn tun? Wenn er versuchte ihnen zu helfen, wäre er selber dran. „Feigling! Und du warst mal mein Freund.“, fauchte Seto. Wenn er doch nur Hilfe holen könnte. * Am Straßenrand lagen die Handys ihrer Söhne, die achtlos dorthin geworfen worden waren. In Seth machte sich ein mulmiges Gefühl breit. „Wir sollten die Polizei rufen.“ „Und was soll das bringen? Wir haben keinen Anhaltspunkt. Sie werden die Daten aufnehmen und eine Streife durch die Gegend fahren lassen. Das werden wir auf meine Weise regeln, denn das geht schneller. Ich will die Beiden lebend zurück und nicht zuhause Däumchen drehen.“ Seth wollte schon fragen, wie Yasuo die Zwei finden wollte, doch da hatte jener bereits das Handy am Ohr. Es dauerte keine fünf Minuten, da legte Yasuo auf und zog Seth zurück zum Auto. „Wir treffen uns gleich mit meinen Leuten. Die werden uns helfen Atemu und Seto zu finden. Wenn sie jemand mitgenommen haben sollte, wird der Kerl sein blaues Wunder erleben.“ Seth spürte die Wut, die von Yasuo ausging, aber ihm selbst ging es nicht anders. Beide Handys lagen auf der Straße. Die Wahrscheinlichkeit, das Seto und Atemu sie zur gleichen Zeit verloren hatten, war zu gering. Jemand musste sie mitgenommen haben. „Sie sind keine kleinen Kinder mehr.“, begann Seth. „Sie würden nicht einfach mit Fremden mitgehen.“ „Wir finden sie und wenn ihnen etwas angetan wurde, wird derjenige dafür büßen.“ Kapitel 18: Getrennte Wege -------------------------- Zügig lenkte Yasuo sein Auto durch den dichten Stadtverkehr und fuhr weiter Richtung Osten. Seth musste an sich halten um nicht los zu schreien, weil sie mehr als einmal drohten in ein anders Auto zu krachen. War das der selbe Yasuo, der hohe Geschwindigkeiten hasste? Das hier fand Seth viel beängstigender. „Sollten wir nicht doch die Polizei hinzuziehen? Ich weiß nicht was das hier bringen soll? Je länger wir warten, desto schwerer wird es, die Spuren nachzuverfolgen.“ „Die würden uns nur stören und die brauchen viel zu lange. Diese Zeit haben wir nicht.“ Yasuo ärgerte sich über Atemu’s Leichtsinn. Wie oft hatte er seinen Sohn ermahnt, diesen Stadtteil zu meiden. Er kannte die Leute doch, die sich dort herumtrieben und wusste, wie gefährlich einige von ihnen waren. Das gab auf alle Fälle Hausarrest und nie wieder Süßigkeiten. „Wir sind da!“ Seth wusste nicht was er sagen sollte, als sie auf ein großes Grundstück fuhren, auf dem eine riesige Villa stand. „Bevor du fragst, ja, wir haben die Villa meiner Eltern wieder aufbauen lassen. Allerdings wohnt außer meiner Mutter und ihrem Pfleger keiner hier. Mir ist es zu groß und meine Brüder wohnen lieber in meiner Nähe. Sie wird hauptsächlich als Treffpunkt und für diverse Feiern genutzt.“ „Aha.“ Seth spürte die aufsteigende Nervosität in sich. Auf dem Hof standen viele teure Autos, was wohl bedeutete, das schon einige vor ihnen den Weg hierher gefunden hatten. Mit mulmigem Gefühl stieg er aus dem Auto aus und ging die wenigen Stufen zur Haustür hinauf. „Bist du etwa nervös?“, wollte Yasuo wissen. „Schon! Es kommt mir schon alles seltsam vor, als wärst du...!“ Yasuo senkte den Kopf. „Wäre das schlimm für dich?“ Seth wollte antworten, als Yasuo auch schon die schwere Tür öffnete und ins Haus ging. Wie es aussah waren sie die Letzten, denn mindestens 30 Männer standen vor einer große Treppe und schauten sie finster an. Schluckend wich Seth ein paar Schritte zurück. Die sahen so aus, als würden sie gleich einen Mord begehen. Eine Frau mit langen rotblonden Haaren kam auf sie zu gestürmt und fiel Yasuo um den Hals. „Was hat dein kleiner Frechdachs jetzt schon wieder angestellt?“, wollte Akiko wissen. Yasuo erwiderte die Umarmung. „Wenn ich das nur wüsste, aber ich gehe von einer Entführung aus. Er hat sich in Arai herumgetrieben, jedenfalls habe ich dort sein Handy gefunden.“ Besorgt löste sich Akiko von ihrem Bruder. „Dabei weiß er doch, was da los ist.“ Auch Masao und Takumi waren bereits da. Letzterer musterte Seth kritisch. „Bist du mit Yasuo zusammen?“ „Ja“, runzelte Seth die Stirn. „Wehe du behandelst ihn nicht gut.“ „Hör auf, Takumi.“, schritt Yasuo sofort ein. „Sei nett zu ihm! Ich habe Seth noch nicht über uns aufgeklärt.“ Takumi zog beide Augenbrauen hoch. „Dann schmeißt du ihn ins kalte Wasser? Ohne zu wissen, wie er darüber denkt? Dich muss es echt schwer erwischt haben.“ „Atemu und Seto kamen unerwartet dazwischen und nun bin ich gezwungen zu handeln.“, wurde Yasuo immer kleiner und mochte Seth nicht in die Augen sehen. Akiko stieß ihren Bruder an der Schulter an. „Trödel nicht, wir haben es eilig.“ „Du hast recht.“ Yasuo schaute zu Seth und ging dann ein paar Stufen die Treppe hinauf. Alle Blicke waren nun auf ihn gerichtet. Auch Toyo und Rishid fehlten nicht und waren bereit, alles für ihren Freund zu unternehmen. „Wir müssen davon ausgehen, das Atemu zusammen mit seinem Freund, Seto, entführt wurde. Ihre Handys haben wir in Arai gefunden und da fangen wir mit der Suche an. Wir werden unabhängig voneinander suchen und teilen uns in kleine Gruppen auf. Befragt die Leute, irgendjemand muss etwas gesehen haben. Folgt jedem noch so kleinen Hinweis.“ Yasuo schaute seine Leute ernst an. „Der Junge, der bei Atemu ist, ist eine kleine Version von dem Mann da.“ Yasuo zeigte auf Seth, der plötzlich von allen angestarrt wurde. „Sobald einer von euch einen Anhaltspunkt hat, soll er mich umgehend informieren. Wenn ihr die Beiden sogar finden solltet, stürmt nicht blind drauf los, es sei denn ihr habt keine andere Wahl. Die oberste Priorität liegt darin, Atemu und Seto unversehrt in unsere Obhut zurückzuholen. Über den Täter, oder die sollten es mehrere sein, werden wir vor Ort entscheiden. Und jetzt los!“ Takumi schaute Seth aus seinen roten Augen auffordernd an. „Ich würde gerne mit dir ein Team bilden.“ „Mit mir?“ Seth ging einen Schritt zurück und erinnerte sich an Yasuo’s Warnung bezüglich seinem Bruder. „Ich gehe mit Seth.“, packte Yasuo seinen kleinen Bruder am Kragen und zog ihn zurück. „Menno, dann lass mich wenigstens mit euch mitkommen.“ Yasuo schüttelte den Kopf. „Ich habe für dich eine ganz besondere Aufgabe, die nur du erledigen kannst. Keinem anderen kann ich sie anvertrauen.“ Takumi’s rote Augen leuchteten auf und als sein Bruder ihm beide Hände auf die schmalen Schultern legte, war er Feuer und Flamme. „Was soll ich für dich erledigen?“ Yasuo lächelte seinen Bruder warm an und gab ihm die beiden Handys von Atemu und Seto in die Hand. „Suche nach Fingerabdrücken und hol Keigo mit ins Boot. Er gibt dir die Zugangsdaten der Polizeiakten, dann kannst du die Fingerabdrücke abgleichen. Sobald du etwas gefunden hast, wirst du zu mir stoßen und mir helfen, den Kerl zur Strecke zu bringen.“ Takumi nickte eifrig. „Ich werde dich nicht enttäuschen und du wirst staunen, wie schnell ich die Aufgabe erledigen werde.“ „Ich weiß, mein Kleiner. Du enttäuschst mich doch nie.“ „Eigentlich macht er einen harmlosen Eindruck.“, überlegte Seth und schaute Takumi hinterher, der die Treppe nach oben sprintete. „Das sieht nur so aus, aber ich weiß mit ihm umzugehen. Er ist kompliziert und nie richtig erwachsen geworden. Dafür ist er sehr intelligent und man sollte ihn nicht unterschätzen. Takumi sucht meine Nähe und will mir gefallen. Er freut sich immer, wenn er mir helfen kann.“ „Verstehe.“ Seth schaute Yasuo eindringlich an. „Was ist das hier? Bist du so etwas wie ein Mafiaboss?“ „So würde ich das nicht bezeichnen.“, fing Yasuo an zu stammeln. „Mein Vater war es und hat viele Dinge getan, mit denen ich nie einverstanden war. Ich wollte es besser machen und deshalb... habe ich meine Position genutzt und...“ „Du brauchst nicht weiter reden!“ Seth Stimme klang enttäuscht. „Warum hast du mir nicht gleich gesagt, was du bist? Wurden Seto und Atemu von deinesgleichen entführt? Deshalb auch keine Polizei? Du gehst das Risiko ein, das sie getötet werden, damit du und deine Machenschaften nicht auffliegen?“, wurde Seth mit jedem Wort lauter. Hastig schüttelte Yasuo mit dem Kopf. „Ich bin nicht wie mein Vater. Ich habe nie etwas böses getan und die Jungs, die alle hinter mir stehen, auch nicht. Diejenigen, die mit meiner Führung nicht einverstanden waren, haben sich abgewendet und sich anderen Organisationen angeschlossen. Denkst du, wir rennen durch die Gegend und knallen einfach so Leute ab?“ „Woher soll ich das wissen? Ich kenne dich schließlich nicht.“ Seth ging mit großen Schritten zum Auto zurück. Am liebsten wäre er nach Hause gegangen, aber das ging leider nicht. Er musste an Seto und Atemu denken. Bevor er einstieg, wendete er sich Yasuo wieder zu, der geknickt die Treppen hinunter ging. „Wenn ich meinen Jungen unversehrt zurückbekommen habe, kannst du dich zum Teufel scheren.“ Hart biss Yasuo sich auf die Unterlippe und stieg ebenfalls ins Auto. Eine lähmende Stille breitete sich über die beiden aus, während Yasuo vom Hof und in Richtung Arai fuhr. * Ryuji musste sich mit aller Macht zusammenreißen, um nicht weiter auf Atemu einzuprügeln. „Wenn du jetzt nicht still bist, war’s das für dich. Verstanden?“ Atemu musste die Zähne zusammen beißen, denn er hielt es vor Schmerzen fast nicht mehr aus. Ihm tat alles weh, aber er hatte sein Ziel erreicht. Seto wurde von Ryuji komplett ignoriert, egal wie sehr dieser schimpfte. Atemu fühlte sich für ihre Situation verantwortlich, weil es immerhin seine Idee war nach Arai zu gehen, obwohl er wusste, das sich dort zwielichtige Gestalten herum trieben. Deshalb wollte er Seto so gut es eben ging beschützen. „Geht doch!“, zeigte sich Ryuji zufrieden und schaute in die Ecke, wo Bakura stand, oder stehen sollte. „Hat einer von euch Bakura gesehen?“ Die anderen schüttelten den Kopf. „Vermutlich ist er abgehauen. Der wurde ganz blass, als du auf den Kleinen losgegangen bist. Ist wohl doch nicht so ein harter Kerl.“ Ryuji zuckte nur mit den Schultern. „Soll mir egal sein. An dem habe ich nichts verloren. Dieses Weichei brauchen wir hier auch nicht.“ Ryuji nahm sein Smartphone in die Hand und schaute zu Atemu. „Verrate mir die Handynummer von deinem Alten.“ `Das mache ich nicht!´, schoss es Atemu durch den Kopf. Nie würde er seinem Vater so etwas antun, denn er konnte sich denken, was dieses Arschloch vor hatte. „Ein bisschen plötzlich.“, drohte Ryuji und stieß Atemu mit dem Fuß an. „Ich kenne die Nummer auch.“, sagte Seto und ratterte die Telefonnummer herunter. „Wenigstens einer, der vernünftig ist.“ Ryuji machte ein Foto von Atemu und schickte es an Yasuo. „Mal sehen, was der Alte mir antworten wird, wenn er sein kleines Baby so sieht.“ * „Willst du mir nicht doch zuhören?“, wagte Yasuo zu fragen. „Was gibt es da noch zu erzählen? Ich habe das schon beim ersten Mal verstanden. Du und deine Jungs halten ihr Revier von Leuten frei, die dort nicht hingehören. Dann habt ihr noch andere Geschäfte, von denen ich nichts wissen will. Am Ende bin ich noch Mitwisser. Darauf verzichte ich.“ Yasuo hätte sich am liebsten in irgendeinem Loch vergraben. „Es sind keine illegalen Geschäfte.“, versuchte er es erneut. „Ich habe bestimmte Kontakte nach dem Tod meines Vaters abgebrochen.“ Seto verdrehte die Augen. „Ich würde gerne wissen, was ihr mit den Männern gemacht habt, die damals deinen Vater getötet haben.“ „Die sind Tod.“, antwortete Yasuo leise. „Also tötet ihr doch Menschen.“ „Das ist etwas anderes.“, wurde Yasuo lauter. „Wenn wir sie am leben gelassen hätten, wären Masao und Takumi von ihnen umgebracht worden, weil sie Zeugen waren. Ich habe meine Brüder nur beschützt. Das hätte sich wie ein Rattenschwanz gezogen und am Ende wäre mein ganzer Clan in Gefahr gewesen. Ich bin ihnen nur zuvor gekommen.“ „Du hättest dir auch von der Polizei helfen lassen können.“ Yasuo trat auf die Bremse und schaute Seth wütend an. Das Hupkonzert hinter sich ignorierte er. „Wenn ich das getan hätte, wären mir die Beiden weggenommen worden. Ich musste damals viele Leute bestechen, damit sie bei mir bleiben konnten. Für einen Erziehungsberechtigen war ich damals noch zu jung und deshalb musste ich einen anderen Weg finden. Mein kleiner Takumi wäre am Ende in die Psychiatrie eingewiesen worden und wahrscheinlich nie wieder raus gekommen. Er ist halt anders und niemand außer mir versteht ihn.“ Seth ließ sich nicht beirren. „Nachdem was du mir über ihn erzählt hast, ist er nicht ungefährlich und sogar der umgängliche Atemu mag ihn nicht.“ Yasuo schwieg zunächst und schaute auf die Straße. „Ich habe damals richtig gehandelt. Du kannst das doch gar nicht beurteilen. Takumi musste mit ansehen, wie unsere Eltern niedergeschossen wurden und hat dann noch Masao beschützt, obwohl er noch so klein war. Nie im Leben hätte ich ihn im Stich gelassen. Weil ich mich so um ihn gekümmert habe, kann er heute ein normales Leben führen.“ „Das sag ich ja auch nicht.“, verteidigte Seth sich. „Aber er scheint für andere eine Gefahr zu sein.“ „Solange ich da bin, ist er das nicht.“ „Und wenn du nicht da bist?“, wollte Seth wissen. „Er braucht mich nicht mehr so intensiv wie früher und außerdem kommt er zu mir, wenn er Hilfe braucht. Da kann ich mich auf ihn verlassen.“ Seth atmete durch. „Ich will mit solchen Machenschaften nichts zu tun haben. Als friedliebender Hausmann hast du mir besser gefallen.“ „Ich kann aus meiner Haut nicht raus, aber so wie du dir das alles vorstellst, ist es nicht. Was ist mit dem Kerl, der unsere Söhne in seiner Gewalt hat? Was soll ich mit ihm machen? Ihm der Polizei überlassen, damit er auf Bewährung wieder rauskommt und dann in aller Ruhe überlegt, wie er sich an uns rächen kann?“ „Dann willst du ihn also töten!“ „Wenn es nur ein Kleinkrimineller ist, der unüberlegt gehandelt hat, interessiert er mich nicht großartig, aber wenn das eine größere Nummer ist, werde ich keine andere Wahl haben. Wenn ich so einen laufen lasse, werden wir keine ruhige Minute mehr haben.“ „Ich will aber nicht sehen, wie Menschen getötet werden. Ich bin Arzt geworden, um Leben zu retten.“ Yasuo lehnte sich zurück und schloss die Augen. „Ein Verwandter von mir arbeitet bei der Polizei. Von ihm weiß ich, wie das abläuft und wie quälend lange ein Verfahren sein kann. Für die Opfer ist es die reinste Tortur und der Täter wird mit allen Mitteln geschützt. Ich habe Frauen und Kinder gesehen, denen schlimmes angetan wurde und die am Ende ganz alleine dastanden.“ „Das musst du mir nicht sagen. Ich habe selbst schon solche Opfer behandelt und mir oft gewünscht, mehr für sie tun zu können.“ Der Nachrichtenton von Yasuo’s Handy unterbrach ihre Unterhaltung. Wut und Zorn kochten in Yasuo hoch, als er das Foto sah, welches ihm geschickt wurde. Wütend hielt es Seth sein Smartphone vor die Nase und sah ihn eindringlich an. „Was soll ich mit dieser Bestie machen, die meinem Sohn so etwas angetan hat?“ Auch Seth war schockiert von Atemu’s Anblick. Hass und Wut überrollten ihn, als er noch den Text dazu las. ~Willst du ihn zurück? Dann komm und hol ihn dir, bevor ich weiter mache.~ „Weißt du wer das ist?“, wollte Seth wissen, ohne auf die Frage einzugehen, denn eine Antwort hatte er nicht. „Nein, bisher ist keiner so lebensmüde gewesen sich an meinem Sohn zu vergreifen.“ Das wunderte Seth nun doch. „Ich hätte gedacht, dass das schon öfter vorgekommen ist.“ „Nein! Tatsächlich ist es das erste Mal.“ Yasuo überlegte, wer das sein könnte. Mit wem hatte er die letzten Kontakte gehabt? „Vielleicht dieser Ryuji...aber der gehört eigentlich nicht in diese Spate. Jedenfalls hat er auf mich keinen sonderlich gefährlichen Eindruck gemacht und außerdem ist er noch recht jung.“ „Ist das nicht dieser junge Mann, vor dem du Seto gerettet hast?“ Yasuo nickte nachdenklich. „Der war damals ganz schön sauer auf mich, aber wegen so etwas gleich Seto und Atemu zu entführen und das Risiko einzugehen meine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen...?“ „Vielleicht weiß der gar nicht, wer du bist. Ich wusste es doch schließlich auch nicht und habe dich für einen harmlosen Draufgänger gehalten.“ Yasuo hörte immer noch die Enttäuschung aus Seth’s Stimme heraus. „Was hätte ich denn sagen sollen? Hallo, ich bin Yasuo und mir gehört ein Mafiaclan? Ich wollte dich nicht verlieren. Kannst du mich denn gar nicht verstehen?“ Seth schwieg, erst als Yasuo’s Handy erneut klingelte richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf ihn. Aufmerksam hörte er zu, aber verstand nur die Hälfte. Nachdenklich legte Yasuo wieder auf. „Das war Takumi, es ist tatsächlich dieser Ryuji. Ich kann mir nicht vorstellen, was er von mir will. Ich hatte diesen Tag nur Seto von ihm weggeholt und mich gegen seinen Angriff verteidigt.“ Seth hatte eine spitze Bemerkung auf den Lippen, aber behielt sie dann doch lieber für sich. Er wollte Yasuo nicht noch wütender machen. „Vielleicht bist du irgendwann einmal in seinem Revier gewesen?“ Yasuo schüttelte den Kopf. „In diesem Alter ein Revier? Bei den Gangs die es gibt? Es ist schwer sich da durchzusetzen. Solche Patzer, wie mit Atemu und Seto, werden in so einer Phase vermieden. Vermutlich hast du recht, er weiß nicht wer ich bin und will sein verletztes Ego wieder aufbauen.“ „Weißt du denn wo er sich aufhalten könnte?“ „Nein, nur das er im Stadtteil Shiomi seinen Wohnsitz hat. Dieser Bezirk ist groß und wir würden die Nadel im Heuhaufen suchen, aber eine Wahl haben wir nicht. Wir fahren zunächst dorthin und dann sehen wir weiter. Takumi gibt den anderen Bescheid, damit sie sich auch auf den Weg machen.“ Ohne Vorwarnung riss Yasuo mit quietschenden Reifen das Auto quer über die Fahrbahn, um so schnell wie möglich nach Shiomi zu kommen. „Und du sagst, mein Fahrstil wäre schlimm.“ Tief atmete Seth durch, einen klaren Gedanken konnte er nicht fassen. Alles was ihn interessierte waren Seto und Atemu, die er so schnell wie möglich zurückholen wollte. * Keuchend rannte Bakura durch die Straßen. Er wollte Hilfe holen, aber zur Polizei traute er sich nicht. Nicht nachdem was er alles angestellt hatte. Deshalb sprach er mehrere Passanten an, die ihn allerdings abwimmelten, oder ihm gar nicht erst zuhörten. Das hier war nicht gerade die beste Gegend und die Leute kümmerten sich nicht um die Probleme anderer. Deshalb hatte Ryuji sich hier eingenistet, um ungestört seinen Geschäften nachgehen zu können. So hilflos hatte er sich noch nie gefühlt. „Was mach ich denn jetzt?“ Am Ende musste Bakura einsehen, das er nichts weiter war, als ein Hilfloses Kind. Er wollte schnell erwachsen werden und so sein wie Ryuji, aber in Wirklichkeit war nicht ansatzweise wie er. Sein Herz schlug ihm vor Angst bis zum Hals und wenn er sich nicht langsam zusammen riss, überlebten Seto und Atemu nicht. Oft hatte Ryuji damit geprahlt Leute kaltgemacht zu haben, die sich seinem Willen nicht beugen wollten. „Ich bin sowieso dran, da kann ich genauso gut alles beichten. Lieber die Polizei, als Ryuji.“ Seine Hände zitterten, aber er durfte keinen Rückzieher machen. Er rannte drauf los, so schnell wie er konnte. * In der kleinen Wohnung war es ruhig geworden. Ryuji saß mit übereinandergeschlagenen Beinen in einem kleinen Sessel und schaute mittlerweile gelangweilt in sein Handy. Die anderen drei sahen sich eine Show im Fernsehen an, während Seto neben Atemu hockte und resigniert auf den schmutzigen Teppich starrte. Zwischendurch stieß Atemu ihn an und lächelte ihm, trotz seiner Verletzungen, aufmunternd zu. Seto konnte mit diesem Verhalten nichts anfangen und verstand auch nicht, woher er diese Zuversicht nahm. Endlich bekam Ryuji die Antwort, auf die er die ganze Zeit gewartet hatte. „Hey Jungs, soll ich euch vorlesen, was der Alte geschrieben hat?“ Die drei wendeten sich Ryuji zu und schauten ihn belustigt an. „Raus damit.“ Neugierig öffnete Ryuji die Nachricht und fing an vorzulesen. „Du bist Tod!“ Die drei jungen Männer schauten Ryuji mit langen Gesichtern an. „Was?“ Auch Ryuji war von der Nachricht verwirrt. „Der hat sich sicher vertippt. Was bildet sich dieser alte Sack eigentlich ein?“ Seine grünen Augen wanderten zu Seto. „Der wird sich noch wundern.“ Mit großen Schritten ging er auf Seto zu und trat ihm ohne Vorwarnung ins Gesicht. „Ich lass mich nicht verarschen.“ Durch den Tritt war Seto leicht benommen, aber die Stimme seines Peinigers hörte er klar und deutlich. Jetzt war er also an der Reihe. Dieser eine Schlag fühlte sich schon schrecklich an, wie sollte er da mehr aushalten? „Warte Mal, Ryuji.“, sagte einer der drei, der aus dem Fenster spähte. „Kennst du den Typen da unten?“ „Welchen Typen?“ In Ryuji begann es zu arbeiten, als ihm ein fremder Mann im Anzug zuwinkte und es im nächsten Moment an der Tür Hämmerte. „Sota, geh nachsehen wer das ist und scheuche ihn weg. Wenn nötig auch mit Gewalt.“ „Immer ich.“, brummte Sota und trottete zur Haustür. „Wir sollten das ganze zum Ende bringen und dann verschwinden.“, entschied Ryuji und beobachtete, wie sich zu dem Mann immer mehr hinzugesellten. „Was geht hier nur vor? So feine Pinkel verirren sich doch nie hierher.“ Mit vor schrecken geweiteten Augen spürte Atemu, wie er am Oberarm hochgezogen wurde. „Du kommst mit.“, herrschte Ryuji. „Dein spießiger Freund kann hierbleiben, an dem habe ich keinerlei Interesse. Die Jungs werden sich bestimmt gut um dich kümmern.“ Seto konnte nicht verhindern zu zittern, als einer der Jungs mit den Fingern knackte und ihn dabei bedrohlich, aber mit einem Grinsen ansah. „Beeilt euch und kommt dann nach.“ Ryuji hielt inne, als er Sota kurz aufschreien hörte. All seine Sinne waren in Alarmbereitschaft und er wusste, dass die Männer, die er vom Fenster aus gesehen hatte, etwas damit zu tun hatten. Vorsichtig tastete er nach seinem Jagdmesser, welches in seinem Gürtel steckte. Fest umschloss er den Griff und stieß Atemu grob von sich, der sich nicht auf den Beinen halten konnte. Mit einer schnellen Bewegung drehte er sich um und wollte sein Messer ziehen. „Vergiss es!“, donnerte Yasuo und rammte ihm seine Faust ins Gesicht. „Du legst dich allen ernstes mit mir an? Du hast deine Hausaufgaben aber nicht gründlich gemacht.“ Yasuo nahm dem benommen Ryuji das Messer ab und warf es achtlos in eine Ecke des Raumes. Sein Blick fiel auf die beiden jungen Männer, die es nicht wagten sich zu bewegen. Denn hinter Yasuo stand eine Horde Männer, die ihre Schusswaffen auf sie richteten. Seth drängelte sich energisch durch die Gruppe, um zu Seto und Atemu zu kommen. Er konnte nicht länger warten, auch wenn es anders abgesprochen war. Erleichtert nahm er seinen Sohn in die Arme und sah besorgt auf die blutende Nase und die geschwollene Wange. „Hast du große Schmerzen?“ „Nein, hilf zuerst Atemu, ihn hat es schlimmer erwischt.“ In Wirklichkeit hatte Seto wahnsinnige Kopfschmerzen, aber er wollte das Atemu, der wimmernd ein Stück hinter ihm lag, zuerst behandelt wurde. Ängstlich beobachtete Bakura das Geschehen. Als er auf der Suche nach Hilfe war, rannte er zufällig in Masao hinein und so kamen sie ins Gespräch. „Jetzt schau nicht wie sieben Tage Regenwetter.“, lächelte Masao. „Du hast richtig gehandelt und brauchst keine Angst vor uns zu haben.“ „Meinetwegen ist das...“ „Mit deiner Hilfe haben wir Seto und Atemu viel schneller gefunden.“ Bakura nickte beschämt, weil Masao so freundlich zu ihm war, obwohl er es doch war, der Mist gebaut hatte. Alles hatte er ihm erzählt und dennoch schien Masao ihn nicht zu verurteilen, sondern hörte ihm einfach nur zu, ermutigte ihn weiter zu reden. Nun standen sie hier und Seto und Atemu schien es einigermaßen gut zu gehen. Bakura schluckte kleinlich, als er Yasuo beobachtete, der sich nicht zurückhielt und man seinen Zorn deutlich spürte. Wutentbrannt packte Yasuo Ryuji und zog ihn zu sich hoch. „Alles was du meinen beiden Jungs angetan hast, werde ich dir doppelt zurückzahlen. Mit einem wie dir, der sich an Kindern vergreift, habe ich kein Erbarmen.“ Ryuji war dabei etwas zu erwidern, aber dazu kam er nicht mehr. Er spürte einen dumpfen und brennenden Schmerz im Gesicht, im Magen, als würde ein Zug über ihn rollen. Immer und immer wieder. Seto schluckte leer. „Wo der hinschlägt, wächst kein Gras mehr.“, flüsterte er leise. „Ich hab’s dir doch gesagt.“, lächelte Atemu schwach. „Meinen Papa darfst du nicht unterschätzen.“ Atemu zuckte zusammen, als Seth ihn aufrichtete. „Der hat sich nicht zurückgenommen. Dein Gesicht sieht schlimm aus.“ Seth war von so viel Brutalität entsetzt. Gerade Atemu war von kleiner Statur und er erweckte bei den meisten Menschen eher den Beschützerinstinkt. Dieser Ryuji war ein Monster und wenn der jetzt schon so war, wie würde er dann in einigen Jahren sein? Seine blauen Augen sahen zu Ryuji, der zwar versuchte sich zu wehren, aber gegen Yasuo keine Chance hatte. Auch wenn Seth es sich nicht eingestehen konnte, fühlte er Genugtuung in sich. Er wollte so gerne mit Yasuo tauschen und dieses Schwein selbst in die Mangel nehmen. Seto lehnte sich zu Atemu. „Wer sind denn die Männer?“ „Die gehören zur meiner Familie. Die sind nicht so grimmig, wie sie aussehen.“ Atemu fiel es schwer zu sprechen, aber er wollte nicht, das Seto Angst vor den Mitgliedern seiner Familie bekam. „Fühlt sich scheiße an, was?“ Yasuo baute sich vor Ryuji auf, der am Boden lag und sich zusammen krümmte. „Hör bitte auf.“ „Hast du aufgehört, als mein Sohn gebettelt hat?“ „Er hat nicht gebettelt!“, rief Ryuji verzweifelt, was auch der Wahrheit entsprach. Yasuo schaute zu seinem Sohn rüber, der ihm den Daumen nach oben zeigte und sichtlich stolz auf sich war. „Typisch!“, lächelte Yasuo schwach. „Bitte lass mich gehen.“, flehte Ryuji. Yasuo hockte sich vor ihm hin. „Warum hast du das gemacht? Bist du wirklich so dumm? Hast du allen ernstes geglaubt, das du es mit mir machen kannst? Wenn ich dich jetzt laufen lasse, wirst du dich rächen! Vielleicht nicht jetzt, aber irgendwann.“ „Das werde ich nicht. Ich schwöre es bei meinem Leben.“ Yasuo ließ sich von Takumi einen kleinen Stapel Blätter geben. „Diese Liste hier sagt aber etwas ganz anderes.“ Ryuji wurde kreidebleich im Gesicht. „Für dein Alter hast du schon einer Menge schlimmer Sachen gemacht. Menschenhandel, Entführungen, Einbrüche, Drogenhandel, Erpressung. Eine ganz schöne Palette, wenn man dein Alter bedenkt. Du warst öfter im Gefängnis, aber bist jedes Mal nach wenigen Tagen wieder freigelassen worden.“ Yasuo schaute zu Seth. „Was soll ich mit ihm machen? Ihn laufen lassen? Ihn der Polizei übergeben? Oder soll ich ihn ins Meer werfen?“ Seth war ohnehin schon überfordert und Yasuo machte es nicht besser. Deshalb entschied er sich für die in seinen Augen vernünftigste Entscheidung. „Wir überlassen es der Polizei.“ Yasuo grinste schief. „Da hast du aber Glück.“ Er ging nah an Ryuji ran und sah ihm drohend in die Augen. „Wenn die dich wieder laufen lassen und das werden sie, will ich dich nie wieder sehen. Ich habe meine Augen und Ohren überall und sollte ich nur deinen Namen hören, wird dich keiner mehr vor dem unvermeidlichen bewahren.“ Ryuji nickte hastig und sah Yasuo hinterher, der Atemu auf die Arme nahm und zusammen mit Seth, der Seto trug, die Wohnung verließ. Yasuo blieb bei einem seiner Männer stehen und flüsterte ihm zu. „Ihr wisst, was zu tun ist.“ Yutaka nickte verstehend. „Wir kommen dann nach, wenn wir fertig sind.“ Yutaka wartete bis Seth, Yasuo und auch Masao mit Bakura die Wohnung verließen und gab den anderen dann ein Zeichen. Seth war erleichtert, dass das nun ein Ende hatte und Yasuo gerade dabei war, die Polizei zu rufen. „Ich hab Yasuo falsch eingeschätzt.“, sagte Seto leise. „Genau wie ich. Er ist ganz anders, als ich dachte.“ Seth blinzelte die aufkommenden Tränen weg. „Lass uns nach Hause gehen. Hier haben wir nichts mehr verloren.“ „Wo geht Seth denn hin?“, wollte Atemu wissen. Yasuo senkte den Kopf. „Er verlässt uns.“ „Was?“ Atemu konnte nicht verhindern zu weinen. „Warum denn? Weil er gesehen hat, wie du dieses Arschloch fertig gemacht hast? Der hätte mich umgebracht, wenn du nichts unternommen hättest und auch Seto. Du hast uns das Leben gerettet.“ „Das weiß Seth auch, aber er...“ „Du bist kein schlechter Mensch. Du hast schon so vielen geholfen, hast du ihm das nicht gesagt?“ „Atemu“, lächelte Yasuo. „Wir fahren jetzt in ein Krankenhaus und lassen dich behandeln. Dann gehen wir nach Hause, okay?“ Fest schmiegte Atemu sich an seinen Vater und weinte bittere Tränen. Er wollte Seth nicht verlieren. Es lief doch alles so gut und nun war es vorbei? Einfach so? „Ich kann auch laufen.“, sagte Seto, während er Yasuo und Atemu hinterher schaute, die ins Auto stiegen. Seth reagierte nicht und lief immer weiter. Er brauchte Zeit, um das alles verarbeiten zu können. Von weitem hörte er die Polizeisirenen, die immer lauter wurden. Yasuo hatte also wirklich die Polizei gerufen. Zuerst hatte er ihm nicht geglaubt, aber er hielt Wort. Dennoch fühlte Seth, das er nicht die richtige Entscheidung getroffen hatte. Er wusste, wie schnell solche Menschen wieder freigelassen wurden, wenn es nicht genügend Beweise gab, oder die Tat nicht schwerwiegend genug war. Ryuji schien unberechenbar zu sein und wie er den kleinen Atemu zugerichtet hatte, war nicht zu ertragen. So einen gewaltbereiten Menschen war Seth noch nie begegnet und er schien auch noch Spaß daran zu haben. Wehe sie waren dann selbst an der Reihe, dann hatten sie nicht mehr so ein großes Mundwerk. Seth zweifelte nicht nur an seiner Entscheidung, sondern auch an Yasuo, welcher sein Weltbild ins Wanken brachte. Vor wenigen Stunden war er so glücklich gewesen und nun hielt er seinen verletzen Sohn im Arm, der vermutlich von diesen Leuten getötet worden wäre. Beinah hätte er das wichtigste in seinem Leben verloren und alles nur wegen Yasuo. Kapitel 19: Liebeskummer ------------------------ Frustriert lehnte Yasuo sich gegen Atemu’s Zimmertür. Eben waren sie nach Hause gekommen und am Horizont ging bereits die Sonne auf. Die ganze Nacht hatten sie im Krankenhaus verbracht, bis sich herausgestellte hatte, das Atemu’s Verletzungen glücklicherweise nicht so schlimm waren, wie es auf den ersten Blick erschien. Dennoch sollte er in der nächsten Zeit zuhause bleiben, bis die Schwellungen abgeklungen und die Hämatome weitestgehend ausgeheilt waren. Bis eben war er die ganze Zeit beschäftigt gewesen und nun konnte er den Schmerz in seiner Brust nicht mehr unterdrücken. Noch im Krankenhaus hatte er Seth eine Nachricht geschrieben, auf die er bis jetzt keine Antwort erhalten hatte. Er hasste nicht was er tat und als seinen Beruf bezeichnete, denn ein schlechter Mensch war er nicht. Doch Seth schien in ihm einen kriminellen zu sehen, der andere Leute für seine Zwecke ausnutze. Was hätte er mit Ryuji denn machen sollen? Ihn noch für seine Tat loben und sagen, hast du gut gemacht? Das konnte er nicht, mit Atemu hatte dieser Mann auch kein Mitleid, als er dermaßen auf ihn einschlug. Wäre er doch früher mit der Sprache raus gerückt, dann hätte Seth die Möglichkeit gehabt über alles in Ruhe nachzudenken. So wurde er mit einer Masse an Informationen überfahren und konnte nur noch flüchten. Yasuo rutschte an der Zimmertür hinunter und schaute auf sein Smartphone. „Melde dich doch.“ * Leise schloss Seth die Tür zu seiner Wohnung auf. Wie leer alles plötzlich wirkte. In der letzten Zeit war er nur hier, um Kleidung zu holen und war sofort wieder zu Yasuo gegangen. An die familiäre Atmosphäre hatte er sich schnell gewöhnt und nun war er wieder zurück in seinem alten Leben. Er fand es vorher schon trostlos und nun war es zusätzlich noch leer. Frustriert ging Seth in das Zimmer seines Sohnes und packte einige Kleidungstücke in eine Tasche. Zwar waren Seto’s Verletzungen nicht schwerwiegend, doch wollte Seth ihn für einige Tage im Krankenhaus behalten. So war er immer in seiner Nähe. Yasuo konnte er schlecht fragen, ob er sich um seinen Jungen kümmern würde. Die Nachricht von Yasuo hatte er zwar gelesen, doch konnte er nicht darauf antworten. Was sollte er auch dazu sagen? Mit solchen Leuten wollte er nichts zu tun haben. Dann war er lieber allein, auch wenn es ihm das Herz zerbrach. Während Seth die Kleidungsstücke ordentlich in die Tasche packte, suchten sich Tränen der Trauer und Frustration ihren Weg. Sein Herz rief die ganze Zeit, das er einen Fehler machte, während sein Kopf ihn zur Vernunft riet. Yasuo hatte sich so tief in sein Herz gegraben, das er nur noch an ihn denken konnte. Wie liebevoll er doch war, so fürsorglich und immer drauf bedacht, das es ihnen gut ging. Selbst Seto hatte er einfach so akzeptiert und ihn wie seinen Sohn behandelt. So einen Menschen würde er nie wieder finden. Ryuji hatte die Schläge verdient, das sah Seth genau wie Yasuo. Brutal war er auf den kleinen Atemu, der sich nicht wehren konnte, losgegangen, was er einfach nur für feige hielt. Was sollte Seth tun? Zurückgehen und so tun als wäre nie etwas passiert? Was wenn Seto wieder in solche Angelegenheiten hineingezogen werden würde und es nicht so glimpflich ausginge? Seto zu verlieren, nur weil er unbedingt mit Yasuo zusammen sein wollte, könnte er sich nie verzeihen. Sein Kind ging vor und er durfte nicht an sich denken. * Betrübt schlurfte Atemu in die Küche. Gestern schlief er den ganzen Tag durch und nun quälte ihn der Hunger. Anders als sonst stand sein Vater nicht am Herd, sondern saß am Küchentisch und hatte den Kopf auf die Tischplatte gelegt. „Papa?“ Sofort hob Yasuo den Kopf. „Wie schön das du wach bist. Möchtest du etwas essen?“ „Gerne!“ Traurig ging er auf seinen Vater zu. „Kommt Seth wirklich nicht zurück?“ Als Yasuo den Kopf schüttelte, konnte Atemu seine Tränen nicht mehr zurückhalten und fing bitterlich an zu weinen. Yasuo hätte ihm gerne gesagt, sei nicht traurig, das wird schon wieder. Doch er konnte sagen was er wollte, es würde nichts ändern. Stattdessen schloss er seinen Sohn in die Arme und versuchte ihn so zu trösten. „Hast du versucht ihn anzurufen?“, wollte Atemu wissen. „Ja, aber er geht nicht an sein Telefon. Drei Nachrichten habe ich ihm schon geschrieben, auf die hat er nicht reagiert. Vielleicht braucht er ein paar Tage Zeit, um über die ganze Sache nachzudenken. Wir sollten abwarten und geduldig sein.“ Atemu kuschelte sich an seinen Vater. Er vermisste nicht nur Seth, sondern auch Seto. Eine Woche zog ins Land, in der zwischen Seth und Yasuo Funkstille herrschte. Heute ging Atemu wieder zur Schule und sah Seto endlich wieder, der sofort auf ihn zulief. „Bist du wieder gesund?“ „So gut wie, nur die blauen Flecke werden noch eine ganze Weile zu sehen sein.“ „Bei mir war es kaum der Rede wert, trotzdem musste ich für vier Tage im Krankenhaus bleiben.“ Seto senkte den Kopf. „Zuhause ist es so still.“ „Bei uns auch. Hast du versucht mit deinem Vater zu reden?“ Seto schüttelte den Kopf. „Ich hatte gehofft, das er von selbst auf Yasuo zugeht, aber er vergräbt sich lieber in seine Arbeit.“ „Bist du denn der gleichen Meinung wie Seth?“ „Wie kommst du darauf? Ich mag Yasuo und es ist mir egal was er macht um Geld zu verdienen.“ Warum konnte der große Kaiba nicht auch so vernünftig sein wie Seto? „Was sollen wir denn jetzt machen?“, wollte Atemu wissen, in der Hoffnung, das Seto eine Idee parat hatte. „Abwarten! Wir haben eh keinen Einfluss darauf, was die Erwachsenen machen.“ „Wie ekelhaft erwachsen du klingst.“, wetterte Atemu drauf los. „Wir sollten etwas unternehmen und nicht einfach nur zusehen!“ Seto schüttelte verständnislos den Kopf. „Wenn du eine Idee hast, lass es mich wissen. Ansonsten können wir nur abwarten.“ „Ich werde garantiert nicht abwarten. Mir wird schon etwas einfallen. Du wirst sehen.“ * Wie ein Zombie wandelte Yasuo durch die Wohnung und kramte sich aus dem Küchenschrank eine Packung Kekse. Damit ging er zurück ins Wohnzimmer, legte sich auf die Couch und kuschelte sich an den Eisbären, den er sich vorhin gekauft hatte. Mit einem schwarzen Edding hatte er den Namen Seth auf die Stirn des Bären geschrieben. Es machte ihn total fertig nichts von Seth zu hören. Kein Lebenszeichen gab dieser von sich, obwohl Yasuo so oft versuchte anzurufen. Er stand sogar einmal vor dem Krankenhaus, aber traute sich nicht hinein. Wer wusste schon was Seth den anderen Ärzten über ihn erzählt hatte. Die hatten schließlich die Spritzen und noch andere Werkzeuge des Teufels. Der Nachrichtenton seines Handys ließ Yasuo aufspringen und zu seinem Smartphone hechten. Enttäuscht warf er es achtlos auf den Boden und kuschelte wieder mit dem Eisbären. Es war nur seine Schwester, die wissen wollte, wie es ihm ging. Blöde Frage, es ging ihm natürlich miserabel. Er fühlte sich todkrank und nachdem er vorhin die Treppe heruntergerasselt war, ging es ihm sogar noch schlechter. Eine dicke Beule an seinem Kopf und ein leicht geschwollener Knöchel waren die Folgen des Sturzes. Nie war Seth da, wenn man ihn brauchte. Wenigsten eine kurze Nachricht könnte er schreiben, aber nein, der werte Herr ignorierte ihn und ließ ihn hier schwer verletzt liegen. Wenn er jetzt sterben würde, wäre das ganz allein Seth’s Schuld. * Lustlos stocherte Seth in seinem Mittagessen herum. Die Hoffnung, das Yasuo um die Ecke kam, hatte er längst begraben. Schließlich war er es, der die Anrufe ignorierte. Immer wieder las er die Nachrichten, die Yasuo die letzten Tage schrieben hatte. ~Hier ist Yasuo. Melde dich bitte bei mir. Ich möchte mit dir reden.~ ~Ich bin’s nochmal. Ich halte es ohne dich nicht aus und auch Atemu vermisst dich. Komm doch mit Seto her und wir besprechen alles.~ ~Biiiiittteeeeeeeeeee ruf doch zurück, oder nimm wenigstens meine Anrufe entgegen.~ Von diesen Nachrichten hatte Seth unzählige auf seinem Nachrichtenspeicher und langsam fing seine Selbstbeherrschung an zu bröckeln. Noch nie hatte Jemand hinter ihm her gebettelt. Yasuo machte es ihm wirklich nicht leicht ihn zu hassen und er war kurz davor ihn anzurufen. „Schon wieder ganz alleine!“, stand Hisagi plötzlich vor ihm und stemmt die Hände in die Hüften. „Haben Sie Ihren Freund etwa vergrault? Das ging ja schneller als ich erwartet hatte.“ „Lassen Sie mich in Ruhe und nur damit das klar ist, ich habe mit ihm Schluss gemacht.“ Missgestimmt stocherte Seth weiter in seinem Essen herum. Der Fraß schmeckte kein bisschen und es war kein Vergleich zu Yasuo’s Essen. „Warum das denn?“, wunderte sich Hisagi. „Der war doch bis über beide Ohren in Sie verknallt und so einen servieren sie ab? Ich hätte Sie für klüger gehalten.“ „Das hat gute Gründe.“, wurde Seth sauer. Hisagi setze sich dreist an Seth’s Tisch und verschränkte die Arme vor der Brust. „Dafür das Sie mit ihm Schluss gemacht haben, sehen Sie sehr nach Liebeskummer aus. Was hat er denn angestellt? War er nicht gut im Bett?“ „So ein Blödsinn.“, brummte Seth. „Er ist halt nicht der Mensch, für den ich ihn gehalten habe.“ Hisagi lachte laut auf. „Das reicht schon als Grund? Wir alle haben auch unangenehme Seiten an uns. Da tut sich keiner was.“ Unangenehmes Schweigen breitete sich aus, welches ganz besonders Seth störte. „War’s das dann? Ich würde gerne ohne Gesellschaft essen.“ Hier durfte man nicht einmal in Ruhe in Selbstmitleid versinken, ohne gestört zu werden. Am besten wäre es, wenn er sich in deinem Büro einschließen würde. Dort hatte er wenigsten seine Ruhe vor den ganzen Schaulustigen und Besserwissern. * Schlecht gelaunt schlurfte Seto neben Atemu her. „So schlimm ist es nicht. Das kann jedem passieren.“, versuchte Atemu ihm gut zuzusprechen. „Ich habe so viel zu viele Tage gefehlt und nun bekomme ich die Quittung dafür.“, regte Seto sich seit der dritten Stunde über seine drei in der Geographiearbeit auf. „Mein Notendurchschnitt ist ruiniert.“ „Du kannst das bestimmt wieder ausgleichen. Wir können zusammen lernen und...“ „Was soll das bringen? Die drei habe ich bereits! Ich habe viel zu wenig gelernt und mich zu sehr gehen lassen.“ „Du warst auch eine Woche krank im Bett und kurz danach im Krankenhaus. Ist doch klar, das du da nicht viel lernen konntest.“ Seto ließ den Kopf hängen. „Ich war faul. Da gibt es nichts schön zu reden.“ Atemu gab es auf. Bei so viel Engstirnigkeit fielen ihm keine Argumente mehr ein. „Kommst du trotzdem mit zu mir?“ „Ja, ich möchte Yasuo wieder sehen.“ „Hat Seth denn nichts dagegen?“ Seto winkte ab. „Selbst wenn, ich würde es mir nicht verbieten lassen.“ Joey, der nur stumm zuhörte, hatte sich dazu entschlossen, die Zwei zu begleiten. Auf ihn wartete sowieso keiner und Atemu hatte sich riesig über diese Bitte gefreut. „Ich muss euch aber warnen.“, begann Atemu. „Mein Vater ist gar nicht gut drauf und benimmt sich anders als sonst.“ Während Joey sich unbemerkt auf die Unterlippe biss, versuchte Seto sich vorzustellen, wie Yasuo unter Liebeskummer litt. „Backt er Kekse?“ Atemu schüttelte den Kopf. „Es ist viel schlimmer. Seht es euch am besten selbst an.“ Nach zehn Minuten Fußmarsch schloss Atemu die Wohnungstür auf und streifte seine Schuhe ab. Auch Seto und Joey zogen sich ihre Jacken und Schuhe aus und legten ihre Schultaschen ab. Mit Teller großen Augen schaute Joey zu Yasuo, der mit einem Eisbären im Arm auf der Couch saß und sich eine Serie anschaute. Zugegeben, er hatte etwas anderes erwartet, aber keinen Erwachsenen, der kurz davor war zu weinen. „Guten Tag, Herr Katsuro!“ Träge schaute Yasuo zu Joey, Seto und Atemu. „Hallo Jungs, ihr habt nicht zufällig Seth dabei?“ Alle drei schüttelten den Kopf. „Wäre auch zu schön gewesen.“ Seto schaute schmunzelnd auf das Stofftier, auf dem der Name seines Vaters drauf stand. Es war schön zu sehen, wie verliebt dieser Mann in seinen Vater war und das er es nicht nur vorspielte. Auch er wünschte sich, das alles wie vorher wurde. Eben eine richtige Familie. „Habt ihr Hunger?“, wollte Yasuo wissen? „Ja!“, sagte Joey und bemerkte das die anderen Beiden die Köpfe schüttelten. Beschämt senkte er den Kopf. „Hab schon verstanden.“, lächelte Yasuo. „Hast du einen besonderen Wunsch? Ich muss vorher nur einkaufen gehen.“ „Nein, ich esse alles.“ Yasuo stand auf und streckte sich. Die Ablenkung kam gerade recht. „Wollt ihr mich begleiten?“ Wieder war es Joey, der zuerst antwortete. „Sehr gerne.“ Eine halbe Stunde später schlenderten die Vier durch den Supermarkt. Während Atemu sich alles einpackte worauf er Hunger hatte, beriet Seto sich mit Yasuo ums Mittagessen. Joey hielt sich im Hintergrund und lief lediglich hinterher. „Wie wäre es mit Hühnchen, Reis und Ei? Oder Eintopf?“, schlug Seto vor. „Und zum Nachtisch Cupcakes.“, rief Atemu, als er sich drei Joghurts aus dem Kühlregal nahm. „Einverstanden, ihr kleinen Raubtiere.“ Yasuo schaute zu Joey rüber, der im Gegensatz zum letzten Mal auffallend still war. „Ist alles in Ordnung bei dir? Du wirst hoffentlich nicht krank?“ „Nein, alles okay.“ „Wie alt bist du eigentlich?“, versuchte Yasuo ein Gespräch anzufangen. Seto und Atemu schienen Kriegsrat über eine bestimmte Eissorte zu halten. „Ich bin 13.“ „Atemu hat mir erzählt, das du nebenbei arbeitest. Wer stellt dich in diesem Alter denn ein?“ Joey haderte zunächst. „Es sind keine schweren Arbeiten. Meistens erledige ich etwas für Nachbarn, oder wasche Geschirr in kleinen Restaurants ab.“ „Arbeitet dein Vater nicht?“, wurde Yasuo neugieriger. „Doch, aber er verspielt sein Geld ständig.“ „Ein Spieler also! Dann ist er nicht oft zuhause?“ „Das ist unterschiedlich. Er geht dann immer sofort ins Bett, wenn er Heim kommt und am Abend verlässt er die Wohnung wieder. Ich sehe ihn immer nur kurz.“ Yasuo riss sich zusammen, um nicht wütend zu werden. „Dann bist du bestimmt sehr einsam, so ohne deinen Vater.“ Joey nickte geknickt. „Leider interessiert er sich nicht mehr für mich.“ „Wo wohnt ihr denn?“ „In Arai, über einem kleinen Imbiss.“ Yasuo blieb stehen und schaute zu Atemu, der sich offenbar mit Seto geeinigt hatte. Deshalb war er also in Arai, wegen Joey. `Warum spricht er nicht mit mir?´ Yasuo versuchte ein freundliches Gesicht zu machen. Joey war nur ein Stückchen größer als Atemu, aber kleiner als Seto und sie hatten fast ein Alter. So wollte Yasuo es nicht stehen lassen und beschloss mit Herrn Wheeler zu sprechen. „Später bringe ich dich nach Hause, wenn das okay für dich ist.“ Joey’s Augen leuchteten vor Freude. „Vielen Dank!“ Langsam wurde Joey entspannter und fing an über alles möglich zu erzählen. Über seine Hobbys, was er gerne aß, eben alles was durch seinen Kopf ging. „Wir sind fertig.“, lächelte Atemu und schaute zufrieden in den vollen Einkaufswagen. „Brauchen wir das wirklich alles?“ Die Berge an Süßspeisen waren nicht zu übersehen. „Natürlich, Joey ist schließlich auch noch da und Seth wird bestimmt auch zu dir zurückkommen. Da will man gut vorbereitet sein.“ Atemu hatte bereits einen Plan. „Wäre schön wenn du recht behältst.“ Am liebsten hätte Yasuo sich wieder an seinen Eisbären gekuschelt, aber jetzt musste er sich zusammenreißen. „Wir machen einen Deal. Du tauschst die Hälfte der Süßigkeiten gegen Obst aus, dafür könnt ihr den Rest unter euch aufteilen.“ „Wenn wir alles durch drei Teilen, bleibt ja nicht mehr viel übrig.“, schmollte Atemu. So leicht gab Yasuo nicht auf. „Dann sucht sich jeder von euch das aus, was er am liebsten mag und der Rest geht zurück ins Regal.“ „Dann gibt es nur ein Teil für jeden?“, empörte sich Atemu beleidigt. „Dann nehmen wir den ersten Vorschlag?“, wollte Yasuo wissen. „Ja.“, brummte Atemu. „Der ist wenigstens etwas besser.“ „Warum nicht gleich so.“ Ein bisschen fühlte Yasuo sich in die Vergangenheit versetzt, als er die Drei beobachtete, die darüber diskutierten, wer was bekam. Lange war er nicht mehr mit drei Kindern unterwegs gewesen und schon damals gab es diese Diskussionen. Nur waren sie jünger und deshalb auch quengeliger. Besonders Takumi wurde schnell wütend, wenn er seinen Willen nicht bekam und Masao fing schnell an zu weinen, was wiederum Atemu dazu animierte mit zu weinen. Das war eine schwere, aber auch schöne Zeit. ~*~Rückblende Anfang: 12 Jahre zuvor~*~ Seit geschlagenen zehn Minuten hörte Yasuo sich Takumi’s Gequengel an, der unbedingt ein kleines Plastikflugzeug haben wollte. Dabei sollte dies hier ein ruhiger Einkauf werden. Masao lief hinter seinen Brüdern her und schaute immer wieder zu den Süßigkeiten. „Ich will es aber haben!“, wurde Takumi energischer und hielt das kleine Flugzeug fest in beiden Händen. „Wir haben genügend Spielsachen Zuhause. Ich weiß schon nicht mehr wohin damit.“, blieb der 18 Jährige Yasuo streng. Leider war Súma vor ein paar Tagen krank geworden und so kümmerte er sich für diese Zeit alleine um die Drei. Seinen wenige Monate alten Sohn, der ihm gerade den Pullover vollsabberte, trug er in einem Tragetuch vor der Brust. Müde warf Yasuo alles in den Einkaufswagen, egal ob er es brauchte oder nicht. Hauptsache sie konnten diesen Einkauf schnell beenden. Ein bisschen Schlaf wäre nicht schlecht, denn Atemu hielt ihn zusammen mit Masao und Takumi ordentlich auf Trab und sie gönnten ihm keine Pause. „Du sollst es mir kaufen!“, fing Takumi an zu schreien und erregte die Aufmerksamkeit der anderen Kunden. „Ich habe nein gesagt und dabei bleibt es. Pack es wieder zurück.“ „Mach ich nicht, ich nehme es mit und du kannst nichts dagegen tun.“, stampfte Takumi mit dem Fuß auf. Yasuo hatte keine Lust mehr auf diese Diskussion und nahm seinem kleinen Bruder das Flugzeug einfach weg. „Nein bleibt nein und außerdem bist du zu alt um dich so aufzuführen. Schämst du dich nicht?“ „Gib es wieder her.“, wurde Takumi wütend und bekam ein ganz rotes Gesicht. „Kann ich das haben?“, kam nun auch Masao an und hielt eine Tüte Chips in den Händen. „Wir haben genug Daheim, leg sie wieder weg.“ Frustriert schmiss Masao sich auf den Boden und fing bitterlich an zu weinen. Takumi brüllte und tobte vor Wut, weil er unbedingt seinen Willen durchsetzen wollte. Ratlos beobachtete Atemu die Beiden, spuckte seinen Schnuller aus und fing auch an zu weinen. Was die Zwei konnten, konnte er schon lange und noch viel besser. „Das ist nicht euer Ernst!“, ließ Yasuo den Kopf hängen. Die Leute beobachteten das Schauspiel teils belustigt und teils kopfschüttelnd. Yasuo tat das einzig Sinnvolle, was ihm dazu einfiel. Er setzte sich im Schneidersitz auf den Boden und wartete. Irgendwann würden sie sicher die Lust verlieren, oder müde werden. „Gibt es heute etwas gutes im Fernsehen?“ Er nahm sich die Fernsehzeitschrift aus dem Einkaufswagen und blätterte darin herum. Die anderen Kunden beachtete er nicht. Immer wieder gähnte er und sah das ganze positiv. Jetzt konnte er sich ausruhen und sogar noch lesen. Takumi war der erste der bemerkte, das sein großer Bruder keine Notiz von ihnen nahm. „Warum guckst du nicht?“ „Ist mir zu anstrengend.“, murmelte Yasuo unverständlich. Auch Masao und Atemu hörten auf. In Masao wuchs Panik, war sein Bruder etwa traurig? Das durfte nicht sein. Zwar fing er wieder an zu weinen, aber nicht weil er bockig, sondern weil er nicht wollte, das Yasuo unglücklich war. Vollkommen aufgelöst warf er sich in Yasuo’s Arme. Takumi stand etwas verloren herum und kam sich nun dumm vor. Das Flugzeug wurde ihm egal und kuschelte sich lieber zu seinen Brüdern. „Gruppenzwang“, schmunzelte Yasuo. „Wollen wir dann nach Hause gehen? Opa wartet auf uns.“ Die Zwei nickten. „Trägst du mich?“, wollte Takumi wissen. „Du bist doch ein großer Junge und...“ „Wenn Takumi getragen wird, will ich auch!“, fing Masao wieder an zu quengeln. Yasuo ließ den Kopf hängen. Auf zu Runde zwei. ~*~Rückblende Ende~*~ Am späten Nachmittag brachte Yasuo zuerst Seto und dann Joey nach Hause. Leider war Seth noch nicht daheim, dabei hätte er ihn so gerne gesprochen. Vielleicht ergab sich morgen eine Gelegenheit. Im Moment war er in Gedanken bei Joey, der ihm die Richtung zeigte. „Nur noch ein Stück geradeaus fahren, dann sind wir da.“ „Wohnt ihr schon lange in dieser Gegend?“ „Ja, seit meinem achten Lebensjahr.“, erinnerte sich Joey zurück. „Was ist mit deiner Mutter?“ „Sie ist Tod. Sie war mit meiner kleinen Schwester unterwegs, als beide von einem Auto überfahren wurden. Wir hatten nie viel Geld und als mein Vater dann alleine mit mir war, mussten wir in diese Gegend ziehen. Leider hat Papa Mamas Tod nie überwunden und hat irgendwann angefangen zu spielen und zu trinken.“ Yasuo wollte dazu nichts sagen. Zwar fand er es wirklich tragisch, was passiert war, aber wie konnte man nur sein Kind, welches ebenfalls diesen schweren Verlust verkraften musste, dermaßen im Stich lassen? Er parkte sein Auto am Straßenrand und stieg aus. „Ich begleite dich noch. Ich möchte mit deinem Vater sprechen.“ Joey nickte unsicher. „Er schläft immer um diese Zeit.“ „Das macht nichts, ich wecke ihn einfach auf.“ Yasuo sah sich genau um, als sie die Treppe nach oben gingen. In diesem Stadtteil hatte sich nichts verändert. Es war noch genauso herunterkommen und schmutzig, wie früher. Er betrat nach Joey die kleine dunkle Wohnung. Schwer seufzend schaute er sich um. Es sah nicht annähend so schlimm aus, wie er befürchtet hatte. Es war weitestgehend alles sauber und ordentlich. „Sorgst du hier für den Haushalt?“ Stolz nickte Joey. „Ich putze jeden Tag.“ Zwar fand Yasuo es gut, wenn die Kinder sich am Haushalt beteiligten, aber sie sollten nicht alles alleine tun, während der werte Herr Vater auf der faulen Haut lag. „Wie läuft es mit deinen Hausaufgaben?“ Betreten schaute Joey zu Boden. „Das meiste verstehe ich nicht und deshalb mache ich sie meistens auch nicht.“ Die Frage ob Herr Wheeler seinem Sohn half, war überflüssig. „Ist dort das Schlafzimmer deines Vaters?“ „Ja, aber Papa wird nicht sehr erfreut sein, wenn er auf einmal von einem Fremden geweckt wird.“ „Das macht nichts.“ Dreist ging Yasuo ins Schlafzimmer und seufzte hörbar, denn das Bett war leer „Scheinbar ist er schon unterwegs.“ „Das ist ungewöhnlich.“, wunderte sich Joey. Yasuo wollte Joey nur ungern hier alleine lassen, aber er war nun mal nicht sein Vater. Auch Seto ging ihm nicht aus dem Kopf. Er merkte, wie er seine Nähe suchte und auch bei Joey schien das so zu sein. „Soll ich noch bleiben?“ Joey’s Herz machte einen kleinen Hüpfer. „Dann kann ich Ihnen meine Duel Monster Karten zeigen. Atemu hat gesagt, das Sie ein starker Gegner sind.“ „Dann lass uns eine Runde spielen.“ Zwar lächelte Yasuo, aber sein Herz wog schwer, als er sah, wie Joey aus dem Zimmer rannte. Besorgt ging er hinterher. Der kleine Joey kannte ihn kaum und trotzdem war er so vertrauensselig. Bei einem Fremden konnte das böse nach hinten losgehen. Im Wohnzimmer holte Joey einen alten Schuhkarton aus seinem Geheimversteck, in dem er seine Karten aufbewahrte. Yasuo setze sich aufs Sofa und ließ sich die Schätze zeigen, welche Joey im laufe der Jahre zusammengetragen hatte. „Diese Karte hat mir Mama geschenkt und sie ist meine wertvollste und stärkste Karte. Der schwarze Rotaugendrache.“ Aufmerksam hörte Yasuo zu, während Joey über die vielen Duelle erzählte, die er sich in der Schulpause mit seinen Freunden lieferte. Redete über seine Mutter, seine Schwester und was für einen tollen Vater er früher hatte. „Früher hat Papa mit mir gespielt und er war echt stark. Ich habe nur selten gegen ihn gewonnen.“ „Ihr scheint euch gut verstanden zu haben.“, stellte Yasuo fest. „Es ist erst vor zwei Jahren so schlimm geworden. Ich vermisse ihn, aber ich bin ihm egal geworden.“ „Vielleicht braucht dein Vater nur Hilfe, damit er wieder in geregelte Bahnen kommt.“ Joey konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, das sein Vater sich noch änderte. „Wollen wir uns duellieren?“ * Erst spät kam Yasuo nach Hause. Joey wollte ihn nicht gehen lassen und hatte immer wieder neue Gesprächsthemen gesucht. Es war deutlich, wie einsam der Junge war. „Wie war es bei Joey?“ Neugierig schaute Atemu hoch, in das Gesicht seines Vaters. „Er schläft, ich durfte nicht gehen.“ Glücklich umarmte Atemu seinen Vater. „Danke, dass du das gemacht hast.“ Ohne seinen Vater konnte Atemu sich sein Leben nicht vorstellen. Vermutlich wäre er genauso einsam, wie Joey. Vielleicht gab es eine Möglichkeit ihm zu helfen, doch zuerst musste er Seth zurückholen. Sein Plan war narrensicher und da konnte nichts schief gehen. In seiner kindlichen Naivität stellte Atemu sich das ganze ganz einfach vor und vielleicht war es das ja auch. Kapitel 20: Ein neuer Verehrer? ------------------------------- Tadelnd schüttelte Atemu den Kopf. „Du musst viel weinerlicher aussehen. Kannst du nicht auf Kommando heulen?“ „Kann ich nicht.“, brummte Seto, dem das Ganze echt peinlich war. Sie befanden sich in einer Grünanlage, mit einigen Bäumen, Bänken und einem Spazierweg. „Echt nicht? Dass war das Erste, was Masao mir beigebracht hat. Dann wird mein Vater immer weich und ich bekomme, was ich will. Du hast keine Wahl und wirst mitziehen müssen.“ „Ich bin doch kein Mädchen. Ein Junge heult doch nicht, nur weil er seinen Willen nicht bekommt.“ „Musst du aber, wenn wir unsere Väter wieder zusammen kriegen wollen. Du hängst dich nicht genug rein und bist überhaupt nicht überzeugend. Nochmal von vorne und mehr Tränen, wenn ich bitten darf.“ Am liebsten hätte Seto alles hingeschmissen. An diesem Plan hatte er so seine Zweifel, aber eine bessere Idee kam ihn auch nicht in den Sinn. Im vergraulen war er besser, aber im verkuppeln? „Zeig mir nochmal wie ich es machen soll.“ Eins musste Seto Atemu lassen, er wusste wie er seinen Willen bekam und konnte wirklich überzeugend sein. Er quengelte so lange, bis sein Opfer nachgab und wenn Jammern nichts brachte, wurde er schnell sauer und versuchte es dann mit Strenge. Irgendwie süß, wenn Seto nicht so genervt davon wäre. * Tief atmete Seth durch und versuchte nicht die Beherrschung zu verlieren, denn Hisagi hatte sich vom Fiesling zur Klette entwickelt und verfolgte ihn auf Schritt und Tritt. „Sie sehen immer noch so niedergeschlagen aus. Die Ringe unter Ihren Augen sind nicht mit anzusehen.“ „Die Trennung ist erst fünf Tage her und auch ich habe Gefühle.“, platze es aus Seth raus. Überlegend legte Hisagi den Zeigefinger ans Kinn. „Sie machen oft den Eindruck als wären Sie eiskalt. Selbst wenn ich Sie beleidige, schauen sie mich lediglich gleichgültig an, als würde es Sie nicht im geringsten treffen. Wenn Sie mehr Emotionen zeigen würden, hätten viele Kollegen eine andere Meinung von Ihnen und...“ „Kann man den auch abstellen?“, fragte sich Seth, denn Hisagi hörte nicht mehr auf zu reden. Als Fiesling fand er ihn erträglicher. „Gott sei Dank, da ist der Fahrstuhl.“ Sie mussten in unterschiedliche Stockwerke, die Rettung nahte. „Wo müssen sie hin?“, wollte Hisagi wissen. „Auf die Kinderstation.“, freute Seth sich schon fast. „So ein Zufall, da führt mich auch mein Weg hin.“ Seth fiel die Kinnlade runter. „Haben Sie nicht auf der Intensiv Schicht?“ „Für gewöhnlich schon, aber wie Sie sicherlich wissen sind zwei Ärzte krank geworden. Deshalb springe ich ein. Sie selbst haben es so geplant.“ Oh Gott, jetzt hatte er diese Klette den ganzen Tag an der Backe. Geknickt schlurfte Seth in den Fahrstuhl und lehnte sich an die Wand. Was hatte er nur verbrochen? „So schlimm bin ich auch nicht.“ Dumm war Hisagi nicht und schon gar nicht blind. „Aber unverschämt und nervig.“ „Wenn ich anders wäre, würden sie mich nicht sehen.“, nuschelte Hisagi vor sich hin. Schon die ganze Zeit wollte Seth wissen ob Yasuo tatsächlich recht hatte, was Hisagi anging. Ging er aufs ganze und blamierte sich, oder...! Tatsächlich achtete Seth mehr auf Hisagi als früher. Er suchte seine Nähe und rannte ihm seit der Trennung von Yasuo die ganze Zeit hinterher. Hisagi wurde unruhig, weil sein Chef nicht mehr aufhörte ihn anzustarren. „Hab ich was im Gesicht?“ Er zuckte zusammen, als Seth die Hände rechts und links von seinem Kopf gegen die Fahrstuhlwand stemmte und ihm fest in die Augen sah. „Vor einer Woche noch haben Sie mich ständig beleidigt und nun rennen Sie wie ein Hündchen hinter mit her. Ich will wissen wieso.“ Hisagi schluckte trocken, so kannte er seinen Chef nicht. So fordernd und dominant. „Ich weiß nicht wovon Sie sprechen.“ Gab es hier keinen Ausgang? „Sie lügen!“ Seth konnte nicht glauben was er hier tat. Was hatte Yasuo mit ihm gemacht? „Und wenn schon...“, fing Hisagi an zu stocken. „Ist doch mein Problem.“ Am liebsten wäre er zurückgewichen, doch die Wand hinter ihm verhinderte dies. „Was ist dein Problem?“, wurde Seth energischer. „Ähm...“ Hisagi lief rot an und schaute beschämt zu Boden. Wow, Yasuo hatte wirklich recht gehabt. Innerlich seufzte er, denn Hisagi tat ihm leid. Seth wusste genau wie sich unerwiderte Liebe anfühlte und kannte auch das Gefühl der Zurückweisung. Für Hisagi empfand er nichts und sah in ihm nur einen Kollegen. „Machen wir heute einen guten Job, okay?“ Hisagi nickte nur und atmete durch, als Seth durch die offene Fahrstuhltür ging. Sein Gesicht fühlte sich heiß an und sein Herz schlug viel zu schnell. Dieses Gefühl in ihm war unbeschreiblich und auf eine gewisse Art fühlte Hisagi sich erleichtert. Dr. Kaiba wusste es also, aber verurteilte ihn nicht. Mit einem leichten Lächeln ging Hisagi hinter ihm her. * So schlecht hatte Yasuo sich noch nie gefühlt. Seine Sehnsucht nach Seth wurde mit jedem Tag schlimmer. Die vielen Nachrichten, die er ihm hinterlassen hatte blieben alle unbeantwortet. Er musste sich wohl damit abfinden und Seth aus seinen Gedanken streichen. Wenn das doch nur nicht so verdammt schwer sein würde. Vielleicht sollte er doch noch einmal im Krankenhaus vorbei schauen und es auf ein Gespräch ankommen lassen. Entschlossen stand Yasuo auf und setze seinen Eisbären andächtig auf die Couch. „Vielleicht bringst du mir Glück.“ Eilig hetzte er ins Badezimmer und machte sich noch ein wenig zurecht. Er wollte nicht wie ein Zombie vor Seth auftauchen. * Streng sah Atemu Seto an, der finster zurück starrte. „Wenn du schon nicht heulen kannst, versuche es mit betteln. Das kriegst du ja wohl hin.“ „Was hat dir Masao alles beigebracht? Hast du deshalb immer geheult, wenn Bakura auf dich losgegangen ist?“ Atemu nickte eifrig. „Klar, ich wollte das er Ärger bekommt.“ „Du bist ein ganz schönes Schlitzohr.“, bemerkte Seto, der den kleinen Atemu gehörig unterschätzt hatte. „Wirst du eines Tages den Platz deines Vater einnehmen, oder übernimmt ihn Masao?“ Atemu zuckte mit den Schultern. „Papa meint, ich soll mir darüber keine Gedanken machen und mich erst um die Schule und später um mein Studium kümmern. Wenn ich die Nachfolge nicht übernehmen will, wäre das nicht schlimm und Masao ist da auch nicht scharf drauf. Er genießt seine Position als Dritter Mann.“ „Dritter Mann? Wer ist denn der Zweite?“ „Das ist meine Tante, Akiko. Sie ist Papas Stellvertreterin. Du musst sie unbedingt kennenlernen.“ Atemu liebte seine Tante über alles und sah mehr eine Mutter in ihr. „Sie hat vier Kinder und die beiden ältesten kommen ebenfalls als Nachfolger in Frage. Das wird aber erst entschieden, wenn ich erwachsen bin.“ Seto wurde immer neugieriger. „Was macht ihr denn so? Ich kann mir nicht vorstellen, das dein Vater Leute bedroht oder sogar tötet.“ Da wusste Atemu nicht wo er anfangen sollte, denn die Aufgaben waren Komplex und zahlreich. „Er steht mit anderen Clans in geschäftlicher Verbindung. Er meint, dass es sehr wichtig ist eine gute Beziehung zu ihnen zu haben, damit kein Krieg unter ihnen ausbricht. Jeder der mit meinem Vater eine Geschäftsbeziehung aufbauen will, muss sich auch an seine Regeln halten. Er ist so gesehen der oberste Boss.“ Atemu setze sich auf eine Bank und Seto gesellte sich dazu. „Diese Stadt ist in viele Reviere aufgeteilt. Dieses hier zum Beispiel gehört zu dem Territorium meines Vaters. Bandenkriminalität wird von meiner Familie unterbunden und wir unterstützen andere Clans, die Hilfe brauchen, ihre Reviere sicherer zu machen.“ „Klingt mehr wie eine Bürgerwehr, als nach einer Mafia.“ Das hatte Seto sich viel schlimmer vorgestellt. So wie in den Filmen, die er sich immer anschaute. „Das ist nur eine Seite. Es ist viel facettenreicher und nur ein kleiner Teil von dem, was meine Familie macht. Einmal ist es richtig schlimm gewesen.“ Atemu erinnerte sich nur ungern daran zurück. „Mein Vater und mein Urgroßvater wurden dabei schwer verletzt. Fast wären sie gestorben.“ Tief atmete Atemu durch. „Ich war erst sechs Jahre alt und Opa hat auf mich aufgepasst. Mein Vater war für mehrere Tage weg und auf einmal brachen Männer in unser Haus ein. Ich erinnere mich nicht an viel, nur das Schüsse fielen, Schreie und mein Opa, der mich beschützt hat. Jede Menge Blut und ich, Opa, Masao und Takumi mittendrin. Mehrere Männer hatten sich zusammen getan und viele Menschen einfach zum Spaß entführt. Mein Vater wurde auf sie Aufmerksam und es kam zu Differenzen. Wir wurden in die Sache hineingezogen, weil die Männer sich an meinen Vater rächen wollten.“ Atemu sah traurig zu Boden. „Das ist auch der Grund, weshalb Seth solche Angst hat. Er weiß das so etwas passieren kann. Es sind nicht alle Clans so friedlich und versuchen die Menschen in ihren Revieren zu beschützen. Manchmal muss mein Vater Dinge tun, die nicht jeder verstehen kann. Wie mit Ryuji eben.“ Seto bekam große Augen. „Wie meinst du das? Die Polizei hat ihn doch mitgenommen.“ Atemu schüttelte den Kopf. „Die Polizei war zwar wirklich da, allerdings arbeiten dort auch Mitglieder meiner Familie für sie. Diese Mitglieder hat mein Vater angerufen und sie haben sich um alles gekümmert. Es sollte nur so aussehen, als wäre die Polizei da, damit Seth sich keine Gedanken macht. Ryuji lebt nicht mehr, Seto.“ „Dann hat dein Vater ihn umbringen lassen?“, sagte Seto langsam und sichtlich geschockt. Atemu nickte zur Bestätigung. „Ryuji hat viele böse Dinge getan. Ich wollte es unbedingt wissen und mein Vater erzählt mir solche Sachen nicht. Er hält mich für zu jung. Deshalb habe ich Takumi gefragt. Ryuji hat viele Menschen getötet. Die Wohnung in der wir waren, war nur ein kleiner Unterschlupf von ihm. In seiner richtigen Wohnung lagen mehrere getötete Mädchen, die zum Teil schon verwest waren. Sie sind grausam von Ryuji umgebracht worden. Stell dir vor, er wäre aus dem Gefängnis raus gekommen. Was meinst du, was er mit uns gemacht hätte, wenn er uns in die Finger bekommen hätte?“ Seto schluckte hart. „Vermutlich das gleiche.“ „Solche Menschen kann man nicht ändern, sagt mein Vater. Du und ich wären nicht mehr sicher gewesen. Wir könnten hier nicht sitzen und müssten immer einen Aufpasser dabei haben.“ Seto schaute in den blauen Himmel, wo die Sonne hell über ihren Köpfen strahlte. „Es kann uns immer etwas passieren, jeden Tag.“, sagte Seto nachdenklich. „Egal ob mein Vater mit Yasuo zusammen ist, oder nicht. Durch Bakura hatte ich Kontakt zu Ryuji und wäre Yasuo nicht gewesen, wäre mir vermutlich das gleiche passiert, wie diesen Mädchen. Ryuji hat mich beschimpft und wurde richtig aggressiv, obwohl ich ihm nichts getan habe. Yasuo kam gerade rechtzeitig und hat mir geholfen, obwohl ich mich ihm gegenüber so mies verhalten habe. Er passt wirklich gut auf uns auf.“ Atemu lächelte schwach und war ehrlich erleichtert über diese Worte. „Mein Vater passt gut auf jedes einzelne Mitglied unserer Familie auf. Er ist stark, auch wenn er manchmal nicht danach aussieht. Seit mein Vater den Clan anführt, gab es keine Verluste mehr.“ * Wie ein Trommelfeuer hämmerte Yasuo’s Herz gegen seinen Brustkorb, während er durchs Krankenhaus schlich. Misstrauisch schielte er um jede Ecke und vergewisserte sich, das ihm kein Arzt über den Weg lief. An der Anmeldung erfuhr er, auf welcher Station sich sein Seth aufhielt und er versuchte über Umwege in die höheren Stockwerke zu gelangen. Zunächst versuchte er es über das Treppenhaus, aber dort liefen ihm gleich zwei Ärzte über den Weg. Deshalb lauerte er nun auf den Fahrstuhl und wartete darauf, das sich die Tür öffnete. * Zufrieden schaute Seth auf sein Klemmbrett. Die Visite war vorbei und nun konnte er sich um die Papiere kümmern. „Ich bin gerne hier.“, streckte Hisagi sich. „Kinder sind viel umgänglicher, als Erwachsene.“ „Umgänglicher als Sie.“, konnte Seth sich die Äußerung nicht verkneifen. „Die Kinder mögen mich jedenfalls lieber als Sie. Ich schau auch nicht, als würde gleich die Welt untergehen. Kein Wunder das die Kleine bei Ihrem Anblick anfing zu heulen.“ Leider hatte Hisagi recht, aber das würde Seth nie im Leben zugeben. „So schlimm bin ich gar nicht.“, kam es bärbeißig zurück. Hisagi wollte etwas erwidern, als er am Ende des Flures eine Gestalt um die Ecke schielen sah. „Ist das nicht Ihr Exfreund?“ Seth schaute ans andere Ende des Flures. „Yasuo!“, fuhr er zusammen. Ausgerechnet hier. „Dann lass ich Sie mal alleine. Das geht mich wirklich nichts an.“, meinte Hisagi ein wenig pikiert und machte sich aus dem Staub. „Warum ist er denn jetzt beleidigt?“ Seth fühlte sich nicht wohl, er hatte nicht mit Yasuo gerechnet und konnte sich dementsprechend nicht darauf vorbereiten. Jetzt gab es kein Zurück mehr und er hatte keine Wahl, als sich ihm zu stellen. Zielsicher ging er auf Yasuo zu, der wie ein kleiner Junge um die Ecke schlurfte und ihn ansah, als hätte er etwas ausgefressen. „Hallo Seth.“ „Ähm...schön dich zu sehen?“ Wo sollte diese Unterhaltung nur hinführen? Seth öffnete den Mund um etwas zu sagen, aber Yasuo’s Verhalten ließ ihn stutzen. „Warum siehst du dich nach allen Seiten um? Verfolgt dich Jemand?“ Yasuo nickte hastig. „Sie beobachten mich die ganze Zeit.“ Oh Gott, in was war er da nur hineingeraten? Mit Ryuji hatte nun wirklich gereicht. „Hast du Ärger mit solchen Leuten, wie Ryuji?“ Yasuo verfluchte seinen Körper, der wie verrückt schwitzte. Jeder andere Ort wäre ihm lieber gewesen. „Es ist viel schlimmer.“ „Kannst du mir das näher erklären? Du machst mich ganz nervös.“ Nervös sah Seth nicht aus, ganz im Gegenteil. „Du weiß doch was ich meine.“ Unruhig nestelte Yasuo an seinem roten Hemd und riss dabei einen der Knöpfe ab. Wo sollte er nur anfangen? Er hatte sich jedes einzelne Wort zurecht gelegt und nun bekam er keinen Ton raus. Seth wurde dieses Gespräch zu blöd. „Ich sollte wieder an die Arbeit gehen.“ „Warte... Kannst du es dir nicht nochmal mit mir überlegen? Ich werde dir auch alles erzählen was du wissen möchtest und dir alles zeigen. Keine Geheimnisse mehr.“ Seth wollte gerne ja sagen, aber... „Weißt du, ich möchte gerne...“ „Können wir uns nicht woanders weiter unterhalten?“, unterbrach Yasuo und zog an Seth’s Ärmel. „Sie kommen.“ Seth schaute nach links, wo zwei seiner Kollegen in ihre Richtung liefen. „Das sind doch bloß zwei Ärzte, die ihre Schicht antreten.“ „Lass uns verschwinden und woanders weiter reden.“ Wenn Yasuo diese weißen Kittel schon sah, bekam er die Krise. „Mensch, jetzt zerr doch nicht so an mir.“ „Ich will aber hier weg, bevor sie hier sind.“ Also das meinte Yasuo mit `sie.´ „Lass uns heute Abend darüber sprechen, dann habe ich mehr Zeit.“ „Ich soll bis heute Abend warten?“, kam es enttäuscht. „Und wenn du es dir in dieser Zeit anders überlegst? Dann sitze ich wieder mit meinem Bären alleine da.“ Welcher Bär? „Werde ich nicht.“ Gott, bei diesem Mann konnte er einfach nicht nein sagen. Deshalb hatte er auch auf die Anrufe und die Nachrichten nicht reagiert. Wenn er ihm gegenüber stand konnte Seth nicht anders, als das zu tun, was Yasuo wollte. „Guten Tag, Dr. Kaiba.“, grüßten die beiden Ärzte, was Yasuo dazu brachte Seth ins Treppenhaus zu ziehen. „Warum waren die denn auf einmal so schnell?“ „Du solltest tief durchatmen, Yasuo. Hier wird dir keiner etwas tun.“ Es war schon niedlich, wie der sonst so lockere Yasuo zum Kleinkind mutierte, wenn Ärzte in der Nähe waren. „Ich atme doch. Clever von dir eine Arme von Ärzten zu rekrutieren.“, murmelte Yasuo vor sich hin. „Hast du heute zu lange in der Sonne gesessen?“ Als Armee hatte Seth seine Kollegen noch nie betrachtet. Obwohl es eine amüsante Vorstellung war und man Yasuo mit ihnen ohne große Schwierigkeiten in die Flucht schlagen konnte. „Um welche Uhrzeit bist du denn bei mir, oder soll ich zu dir kommen?“, kam Yasuo lieber wieder zum Thema zurück. „19 Uhr wäre mir recht. Ich komme dann zu dir.“ Zwar versuchte Seth sich dagegen zu wehren, aber er freute sich sehr auf dieses Treffen. Auch Yasuo zeigte sich ein ganz kleinen wenig entspannter. „Ich warte auf dich. Atemu freut sich auch, er vermisst dich.“ „Ich vermisse ihn doch auch, aber...“ „Ich werde keine Geheimnisse mehr vor dir haben und dir alles über mein Leben erzählen, wenn du mir nur die Chance dazu gibst. Wenn du danach immer noch nicht willst, wirst du nie wieder etwas von mir hören.“ Die letzten Worte versetzen Seth einen Stich. Das war es nicht was er wollte. Er wollte mit Yasuo zusammen sein, ihn besser kennenlernen. Einzig seine Verantwortung zu seinem Sohn hielt ihn zurück. „Ich geh dann, ich habe dich lange genug aufgehalten. Bis spääää...“ Wie dumm konnte man bitte sein und über seine eigenen Füße stolpern? Das Ende der Treppe erreichte Yasuo schneller als es ihm lieb war und er machte eine harte Landung auf dem Fußboden. Stöhnend vor Schmerzen versuchte er sich zusammen zu nehmen, damit Seth jetzt nichts unüberlegtes tat. Nur nichts anmerken lassen und am besten schnell wieder aufstehen. „Um Himmels Willen.“ Seth sackte das Herz einige Etagen tiefer und stürzte zu Yasuo, der wimmernd auf der Seite lag. „Das sah böse aus, bleib bitte liegen. Ich rufe Hilfe.“ „Was?“, geriet Yasuo in Panik. Das hatte er befürchtet. „Ist überhaupt nicht schlimm.“, es war schließlich nicht sein erster Treppensturz. „Du bist auf den Kopf gefallen, das werde ich nicht auf die leichte Schulter nehmen.“, wurde Seth streng. „Du bleibst liegen und wehe du rührst dich.“ Das konnte Seth nicht verlangen. Wenn hier gleich eine ganze Horde von Ärzten auftauchte, würde Yasuo todsicher in Ohnmacht fallen. „Du übertreibst, ich bin munter wie du siehst.“ Yasuo richtete sich zunächst schnell und dann doch vorsichtig auf. Durch seinen rechten Arm zuckte ein stechender Schmerz, den er mit aller Macht herunterschluckte. „Siehst du? Alles okay!“ „Verarschst du mich?“, wurde Seth leicht sauer. „Wenn du dich noch einmal bewegst, kannst du was erleben.“ Yasuo ärgerte sich über seine Ungeschicklichkeit. Warum passte er nicht besser auf? Schnelle Schritte, die die Treppen hoch eilten schnürten ihm die Kehle zu. Gleich würde er umzingelt sein, nur wegen ein paar Prellungen, die man bestimmt nicht mal sah. Ein Fluchtweg, hier musste es doch einen Weg raus geben. Er war bestimmt schneller als Seth. „Beruhige dich doch.“, bat Seth, der besorgt dabei zusehen musste, wie Yasuo immer mehr in Panik verfiel. „Ich werde...“ „Lass mich in Ruhe.“, fauchte Yasuo und rutsche so gut es ging weg von ihm. „Ich will dir doch nur helfen.“ Seth versuchte sich zu beruhigen. Mit Ungeduld kam er hier nicht weiter. Er musste etwas anderes versuchen. „Leg deinen Kopf auf meinen Schoss.“ „Damit du mich dann eiskalt ausliefern kannst!“, zischte Yasuo. Darauf fiel er doch nicht rein. „Ich würde dich niemals ausliefern. Du bedeutetest mir dafür zu viel.“ Yasuo glaubte kein Wort. „So viel, das du nicht auf meine Anrufe reagierst. In Wirklichkeit willst du dich nun an mir rächen und hast jetzt die passende Gelegenheit.“ Es ging nicht mehr, Yasuo konnte den Schmerz in seinem Arm nicht länger kompensieren und auch sein Kopf pochte fürchterlich. „Es ist alles gut.“, blieb Seth verständnisvoll. „Wir machen alles ganz langsam und nur Schritt für Schritt, okay?“ Yasuo schüttelte den Kopf, er wollte doch nur weg von hier. „Was ist passiert?“, fragte einer der beiden Ärzte und hockte sich sofort neben Yasuo, der zu Stein erstarrte. Der andere Arzt setze sich neben Seth, was die Sache für Yasuo nicht besser machte. Jetzt war er umzingelt und konnte nirgendwohin fliehen. „Steht er unter Schock?“, wollte Dr. Akimoto wissen. „Jetzt schon.“, seufzte Seth. Kapitel 21: Tumult im Krankenhaus --------------------------------- Abrupt blieb Seth stehen als er durch den Krankenhausflur lief, um zu Yasuo’s Zimmer zu kommen. Davor saß eine Horde Männer und einige Frauen, die so aussahen, als wäre jemand gestorben. Einige Gesichter erkannte Seth und ihm war sofort klar, das sie alle zu Yasuo gehörten. „Die sollten an ihren Totengräber-Mienen arbeiten und zur Abwechslung einmal lächeln. Kein Wunder das hier alle am tuscheln sind.“ Ein junger Mann kam auf Seth zu und verbeugte sich leicht. „Ich möchte mich bei Ihnen bedanken und mich schon einmal im voraus für das entschuldigen, was hier heute noch passieren wird.“ Seth runzelte die Stirn. Höflich war der Mann ja, auch wenn er von diesen Leuten anderes erwartet hatte. Nur was meinte er mit, was heute noch passieren wird? „Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Ich bin Yutaka Katsuro.“ „F-freut mich.“, antwortete Seth zögerlich. Auch wenn er sich höflich verhielt, wollte Seth zu diesen Leuten Abstand halten. Wer wusste schon, wie kurz die Zündschnur solcher Menschen war. „Seth“, rief Atemu aufgeregt und löste sich von Akiko. „Wie geht es Papa? Mir ist fast das Herz stehen geblieben, als Akiko mich von der Schule abgeholt hat. Die Krankenschwester hat uns aus dem Zimmer geworfen und geschimpft, weil wir zu laut seien.“ Seth verlor ein wenig das Gleichgewicht, als Atemu sich in seine Arme warf. „Jetzt sag schon. Was ist mit Papa?“ „Es ist gar nicht so schlimm wie du denkst.“ „Und warum wacht er dann nicht auf?“ „Er hat sich böse den Kopf gestoßen und sich auch noch den rechten Arm gebrochen. Da ist man für eine Weile außer Gefecht.“ Das er anschließend unter Schock stand verschwieg Seth lieber. Eine Überdosis an Ärzten verkraftete Yasuo einfach nicht. „Papa hasst Krankenhäuser. Er wird in Panik geraten wenn er aufwacht.“ Besorgt schaute Atemu aus seinen roten Augen. „Die Jungs haben bereits ausgelost, wer ihn festhalten wird, wenn er aus dem Zimmer gestürmt kommt.“ „Wie meinst du das?“ Atemu seufzte abgrundtief. „Immer wenn Papa im Krankenhaus ist, versucht er zu flüchten und zwei oder drei Männer müssen ihn dann festhalten. Da es keiner Freiwillig machen will, entscheidet das Los und die Wahl fiel auf Yutaka und Keigo. Wenn sie es nicht schaffen, müssen Toyo und Masao ran.“ „Das wird sicher nicht nötig sein.“, lächelte Seth gezwungen. Doch Atemu erhob tadelnd den Zeigefinger. „Papa ist nicht nur der Chef, sondern auch der stärkste von allen. Deshalb will sich auch keiner mit ihm anlegen. Sie haben alles Angst vor ihm, wenn er im Krankenhaus liegt, weil er dann immer schlecht gelaunt ist. Masao vergleicht ihn mit einem wild gewordenen Stier, der alles nieder trampelt.“ Bildete Seth sich das nur ein, oder klang Atemu wirklich so stolz? „Dann habt ihr also eine Rangordnung?“ Wie im Wolfsrudel, schoss es Seth durch den Kopf. Atemu wiegte den Kopf hin und her. „Auf Stärke allein kommt es nicht an, man muss auch was im Kopf haben.“ „Atemu!“, mahnte Akiko halb im ernst. „Du hältst den Doktor von seiner Arbeit ab.“ „Aber ich hab Seth schon so lange nicht mehr gesehen. Da möchte ich ihn so lange wie möglich bei mir haben.“ Atemu schaute Seth anklagend ins Gesicht. „Du wolltest von uns ja nichts mehr wissen, dabei ist Papa über beide Ohren in dich verliebt. Warum magst du uns nicht mehr? Papa ist eine richtig gute Partie.“ Akiko fing laut an zu lachen, als sie Seth’s rotes Gesicht sah. „Du bist ein Knaller Atemu. Kannst du deinen Doktor nicht verstehen? Yasuo hätte von Anfang an ehrlich sein sollen, dann wäre es vielleicht anders gekommen.“ Akiko schaute zu ihrem Mann rüber, der damals in einer ähnlichen Situation war, wie Seth. „Nein, das kann ich nicht verstehen. Seto hat auch gesagt, das Seth ganz furchtbar leidet.“ „Musst du das hinausposaunen?“, fauchte Seto, der inmitten der Gruppe stand. „Seto?“, bekam Seth große Augen. „Was machst du hier? Bei diesen Leuten! Du solltest längst zuhause sein.“ Seto zuckte nur mit den Schultern. „Ich wollte auch wissen wie es Yasuo geht. In den letzten Tagen sah er nicht gut aus und wie es aussiehst, hast du ihm den Rest gegeben.“ „In den letzten Tagen.“, sagte Seth langsam. „Dann warst du jeden Tag bei ihm?“ Seto versuchte sich ein gehässiges Lachen zu verkneifen. „Selbstverständlich, ich mag ihn im Gegensatz zu dir. Ich stoße die Leute, die ich mag, nicht gleich von mir weg, nur weil mir etwas an ihnen nicht passt.“ Dazu konnte Seth nichts sagen, weil Seto ihn gerade mit dieser Äußerung aus der Fassung brachte. Er wollte sein Kind doch nur schützen, doch wenn er Yasuo’s Nähe suchte, war es zwecklos. „Warum Yasuo?“, wollte Seth wissen. „Warum ausgerechnet er? Weißt du wer er ist? Er gehört zur Mafia, zu Kriminellen.“ Seth trat einen Schritt zurück, weil durch diese Aussage die Aufmerksamkeit aller auf ihn gerichtet war. `Muss er ausgerechnet vor versammelter Mannschaft diese Frage stellen?´ Seto biss sich auf die Lippen, bis er einen Schmerz in seinem linken Schienbein spürte. Vor ihm stand Atemu und schaute ihn ungeduldig an. „Denk an unseren Plan. Wehe du kneifst jetzt und vergiss nicht zu heulen.“, flüsterte er Seto zu. Masao stand direkt hinter Seto und hielt sich die Hand vor dem Mund. Das war typisch sein Neffe. Mit Tränen kam er bisher immer weit, aber ob das dieses Mal auch klappen würde, wagte er zu bezweifeln. „Also...ähm...“ Heulen konnte Seto nicht auf Knopfdruck und schon gar nicht vor so vielen Leuten. Es musste auch so gehen. „Ich mag ihn eben. Muss ich das wirklich erklären?“ Seth nickte, sowie alle anderen auch. Insgeheim amüsierte er sich über seinen Sohn, der ihn am liebsten aufgespießt hätte. Wenn er schon einmal die Gelegenheit dazu hatte, sollte Seto sich richtig ins Zeug legen. Wann bekam man schon die Gelegenheit vor einen Haufen Mafiosi seine Gefühle offen zu legen. Für Seto wäre das ganze wesentlich einfacher, wenn er nicht von allen so penetrant angestarrt werden würde. Gott, war das peinlich. „Stell dich doch nicht so an, Papa.“ Das kam jetzt viel wütender rüber als er wollte, was ihm wieder einen Tritt von Atemu einbrachte. Wenn die alle nur nicht so neugierig gucken würden. „Yasuo ist nett und seine Leute auch, auch wenn sie nicht danach aussehen.“ Das musste doch reichen. Seth starrte die Männer lange an, die sich offensichtlich über den kleinen Atemu, aber auch über Seto amüsierten. Er hörte Worte wie: „Die kleinen sind erwachsener als Yasuo“ und „Atemu bekommt so gut wie jedes Mal seinen Willen.“ Dumm war Seth nicht und er hatte gehört, was Atemu Seto zuflüsterte. Dafür war der kleine Frechdachs doch zu laut gewesen. „Lass uns später darüber reden.“ „Nein.“, fing Atemu an zu quengeln. „Wir reden jetzt darüber. Du gehst jetzt da rein und küsst ihn ganz leidenschaftlich. Ihr Erwachsenen knutscht doch mit Zunge. Das findet ihr doch toll.“ Nicht nur Seth, sondern auch die anderen starrten den kleinen Atemu wie erstarrt an. „Woher hast du denn so was?“, wollte Akiko wissen. „Von Seto.“ Seto wiederum schüttelte hastig den Kopf und schubste Atemu von sich weg. „Du blöde petze.“ * Es dauerte mehrere Minuten bis Yasuo realisierte, wo er war. Weiße Wände, weiße Laken und der Geruch nach Desinfektionsmittel. „Der kann was erleben. Er weiß genau wie sehr ich diesen Ort hasse.“ Seine Wut wurde nur noch größer, als er dieses hässliche Krankenhaushemd an sich sah und dann noch den grässlichen Gips an seinem rechten Arm erblickte. „Die haben mich tatsächlich ausgezogen und meinen Arm einzementiert. Nicht zu fassen.“ Die Stimmen vor der Tür ließen bei ihm alle Alarmglocken klingeln. Da hatte sich wohl die halbe Familie versammelt, um ihn hier festzuhalten. „Da mache ich nicht mit.“ Yasuo riss den Zugang aus seiner Armbeuge raus und stand auf. Der Blick aus dem Fenster stimmte ihn nicht glücklich. „Drittes Stockwerk, die haben also auch daran gedacht.“ Da blieb nur die Flucht durch die Mitte. Entschlossen ging er zur Tür und riss sie auf. Zum Anziehen war keine Zeit. Mehrere Augenpaare starrten ihn an. Keigo war der erste, der auf ihn zuging. „Sag nichts!“, mahnte Yasuo. „Ich gehe und wehe einer kommt auf die Idee mich davon abzuhalten.“ Keigo wollte das nicht. Warum hassten die Lose ihn nur so sehr? „Leider haben ich und mein Bruder beim auslosen verloren. Deshalb sei bitte so nett und leg dich wieder hin. Wir wollen hier doch keinen Ärger machen. Das Personal redet schon über uns und wir wollen uns doch nicht komplett blamieren.“ „Wenn du keinen Ärger willst, geh mir aus dem Weg.“ Keigo hibbelte nervös hin und her und schaute seinen Bruder, Yutaka, hilflos an. Dieser hatte bereits einen Plan, schnappte sich Atemu und hielt ihn wie einen Schild vor sich. „Du gehst zurück ins Bett.“ Yasuo schaute seinen Sohn lächelnd an. „Hast du dir auch nicht zu viele Sorgen um mich gemacht?“ „Natürlich hab ich das. Auch Seto war total schockiert und deshalb solltest du dich wieder hinlegen.“ „So schlimm ist es nicht.“ Yasuo schaute an Yutaka und Atemu vorbei und checkte die Lage. „Oh, sogar Shirotani ist gekommen, dabei ist er immer so beschäftigt.“ Alle drehten sich um, was Yasuo sofort nutze und Fersengeld gab. „Der haut ab.“ „Ihr solltet doch aufpassen.“ Atemu verschränkte die Arme. „Das war doch so klar.“ In Seth arbeitete es, denn Yasuo rannte in seine Richtung. Hielt er ihn auf, machte er sich dadurch noch unbeliebter. Ließ er ihn vorbeirennen, ging er das Risiko ein, das es ihm noch schlechter ging und möglicherweise Komplikationen auftraten. Da war Möglichkeit eins besser. Sollte Yasuo doch sauer sein. Er musste seiner Pflicht als Arzt nachkommen. Seth wollte gerade den flüchtenden Yasuo niederstrecken, als er zu Boden ging. „Bei meinem Bruder darfst du nicht zögern.“, zwinkerte Akiko, während sie über den benommen Yasuo thronte. „Der hält was aus, deshalb sei nur nicht zu zimperlich.“ Sie drehte sich zu den Jungs um, die insgeheim froh darüber waren, das sie diese leidige Angelegenheit nicht erledigen brauchten. „Das gilt auch für euch. Ihr müsst entschlossen sein und setzt eure ganze Kraft ein.“ Was Seth jetzt dazu sagen sollte, wusste er nicht und er fragte sich, welche Position diese Frau inne hatte. „Ist Papa in Ordnung? Er rührt sich gar nicht mehr.“, sorgte sich Atemu. „Mit geht’s gut.“ Yasuo tat der Kopf weh. Seine Schwester hatte viel zu hart zugeschlagen. „Sieht aber nicht so aus. Du solltest dich ins Bett legen, der Boden ist viel zu kalt.“ „Ich geh auch ins Bett und zwar in mein Bett.“, blieb Yasuo stur. „Hier hält mich nichts. Ich bin lediglich leicht angeschlagen.“ „Ach Papa.“ „Mensch Yasuo.“, seufzte Seth. „So schlimm ist es hier nicht. Du hast sogar ein eigenes Zimmer.“ Eine Große Wahl hatte Seth dabei nicht gehabt, da alle energisch auf ihn eingeredet hatten. Die passten gut auf ihren Boss auf und ließen nichts an ihn rankommen. Wütend schaute Yasuo hoch, rührte sich jedoch nicht vom Fleck. „Und warum blute ich?“ Er zeigte auf seine Armbeuge. „Weil du dir den Zugang raus gerissen hast.“ Hielt der Kerl ihn etwa für dumm? „Der wurde mir ungefragt in den Arm gerammt. Ich wollte gehen, aber du hast mich nicht gelassen. Stattdessen hast du mir deine Armee auf den Hals gehetzt, nachdem ich die steile Treppe runter gefallen bin.“ Ganz so lief es nicht ab. Seth musste überlegen, was konnte man gegen so viel Engstirnigkeit tun? Da half es nur zu drastischen Mitteln zu greifen. „Wenn du nicht tust, was ich dir sage, werde ich sie dir ein zweites Mal auf den Hals hetzen.“ „Das würdest du nicht wagen.“, zischte Yasuo zwar, aber kleinlauter. „Willst du es riskieren? Deine Jungs scheinen jedenfalls auf meiner Seite zu sein.“, lächelte Seth gemein und betete das es wirklich so war. Yasuo schaute sich um. „Wehe ihr mischt euch ein.“ Akiko legte ihre Hand an die Wange ihres Bruders. „Bitte sei Vernünftig, du siehst nicht gut aus.“ „Ich will hier weg und du wirst mich nicht davon abhalten.“ An diesem Ort konnte man nicht gesund werden. „Und warum stehst du nicht auf?“ „Darauf werde ich nicht antworten.“ Akiko schaute zu Seth. „Herr Doktor, der Patient gehört Ihnen. Wenn wir helfen können, sagen Sie uns was wir tun sollen.“ „Verräterin“, knurrte Yasuo. „Und so was ist meine rechte Hand.“ Seth schaute zu Yasuo, zu Akiko und dann zu den anderen, die ihn erwartungsvoll ansahen und auf einen Befehl warteten. Scheinbar hatte er nun wirklich das Sagen. „Kann mir einer von Ihnen bitte helfen Yasuo zurück ins Bett zu bekommen?“, kam es leicht unsicher. „Ja hier!“ „Ich helfe auch.“ „Packt alle mit an.“ Klappte besser als erwartet. „Seid aber vorsichtig mit ihm.“ „Jawohl!“, kam es von vier Männern. Wow, die waren viel zahmer als erwartet, wenn man von Yasuo absah, der anfing auf seine Leute zu schimpfen und ihnen wüste Beleidigungen an den Kopf warf. Sein Wortschatz wurde jedenfalls um ein paar Schimpfwörter erweitert. In wenigen Minuten hatten sie es gemeinsam geschafft und den tödlich beleidigten Yasuo zurück ins Bett verfrachtet. „Wage es ja nicht.“, knurrte Yasuo, als Seth sich um seine kleine Verletzung in der Armbeuge kümmern wollte. „Ich bin ganz vorsichtig. Ich tupfe sie nur ab und klebe ein Pflaster drauf.“ „Sollen wir ihn festhalten?“, wollte Yutaka wissen. Jetzt, da Seth das Sagen hatte, war er viel sicherer geworden. „Nicht nötig, das schaffe wir auch so, nicht wahr Yasuo?“ „Von wegen, ich werde nicht mitspielen. Wir sind nicht mehr zusammen und deshalb brauche ich mich auch nicht zusammenreißen.“ Seth zögerte, aber wagte dennoch den Schritt nach vorn. „Ich weiß, trotzdem werde ich dir helfen. Leg dich einfach entspannt auf den Rücken.“ „Ich will aber sitzen bleiben.“ Oho, jetzt wurde also gebockt und zickig waren wir auch noch. „Dann bleib halt sitzen. Wie geht es deinem Kopf? Ich vermute das dir schwindelig ist, weil du eben nicht aufgestanden bist. Hast du auch Schmerzen oder ist dir sogar übel?“ „Das geht dich nichts an und frag gefälligst nicht so dämlich. Natürlich ist mir schlecht. Wie könnte es mir hier gut gehen?“ Da war aber jemand schlecht drauf. „Also ist dir schlecht und Schmerzen hast du auch. Dagegen werde ich dir gleich etwas geben. Ein paar Tage wirst du leider hierbleiben müssen. Du hast eine Gehirnerschütterung, die man nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte. Das dein rechter Arm gebrochen ist, brauche ich dir ja nicht extra zu sagen.“ Seth redet immer weiter und erzählte alles was ihm einfiel, während er zügig die kleine Wunde versorgte und einen neuen Zugang legte. „Du nervst mich.“, kam es nun mit weniger Elan und Wut in der Stimme. „Wenn du nicht im Bett bleibst, werde ich dich noch viel mehr nerven. Ich kann sehr penetrant sein.“ „Wäre mir gar nicht aufgefallen. Jetzt kannst du dich plötzlich um mich kümmern, aber als ich dir zigtausend Nachrichten hinterlassen habe und wer weiß wie viele Anrufe, hast du mich ignoriert. Ich habe so viel durchgemacht, das kannst du dir nicht vorstellen. Kaum bin ich verletzt, ist dein Mitleid groß genug. Das nächste Mal springe ich gleich aus dem Fenster, dann kann ich mir die Mühe sparen, dich irgendwie zu erreichen. Doch wenn du glaubst, ich würde hier liegen bleiben und Däumchen drehen, irrst du dich. Bei der nächstbesten Gelegenheit mach ich nen Abflug.“ Seth nickte einfach nur oder stimmte Yasuo zu, Hauptsache er hielt still. Mit Argusaugen beobachtete Akiko ihren Bruder. „Dir ist es auch aufgefallen, oder?“, flüsterte Masao ihr zu. Akiko nickte. „Unser Brüderchen ist ganz brav und lässt sich behandeln. Wir sollten gehen.“ „Alle?“ „Aber nein, Yutaka und Keigo bleiben und werden morgen von Toyo und Rishid abgelöst. Unser netter Doktor soll sich nicht alleine um unseren Bruder kümmern müssen. Du kümmerst dich um Atemu.“ „Fertig, war das jetzt so schlimm?“, wollte Seth wissen und schaute Yasuo abwartend an. „Natürlich war das schlimm. Wer weiß was du mir da in meine Venen gespritzt hast. Feinfühlig ist auch etwas anders, es tut mir immer noch weh und kalte Hände hast du auch.“ Seth fing langsam an sich zu fragen, wie Yasuo es in die oberste Position dieser finsteren Kerle geschafft haben konnte. Besonders hart im nehmen war er jedenfalls nicht gerade. „Beim nächsten Mal bin ich vorsichtiger.“ „Was heißt hier, beim nächsten Mal? Für dich wird es kein nächstes Mal geben. Mit den spitzen Dingern wirst du mir nicht wieder so nahe kommen. Das macht ihr Ärzte eh am liebsten, eure Patienten mit Spritzen quälen, damit sie Angst vor euch haben.“ „Du solltest dich ausruhen.“ Auf der Kinderstation waren die Patienten viel Pflegeleichter und quengelten nicht halb so viel. „Dein Vater ist ziemlich viel am nörgeln.“, stellte Seto fest. Atemu war dieses Verhalten bereits gewohnt. „Nur wenn er unter Ärzten ist, ansonsten ist Papa ziemlich tough.“ Ein wenig schämte Atemu sich schon, so schlimm war er lange nicht mehr. „Atemu?“, sagte Masao. „Für heute ist es gut. Yasuo ist in guten Händen, deshalb gehen wir nach Hause.“ Atemu nickte. „Kommst du auch, Seto?“ „Ja, dann können wir unsere Hausaufgaben zusammen erledigen.“ „Du hast auch nichts anderes im Kopf.“ * Die Nacht brach herein und mit ihr ein munterer Yasuo, der seine Flucht vorbereitete. Ein Uhr, Seth war längst zuhause und schlief tief und fest. Zwar hielten Yutaka und Keigo vor seiner Tür Wache, aber auch sie hatte der Schlaf eingeholt. Eilig zog er sich Hemd und Hose über und öffnete leise die Tür. „Wo willst du hin?“ Beinahe wäre Yasuo das Herz stehen geblieben, doch Takumi, der neben der Tür im Schneidersitz hockte, war kein großes Hindernis. „Ich möchte nach Hause.“ „Das geht aber nicht.“ Damit hatte Yasuo nicht gerechnet. „Warum nicht? Mir geht es wieder gut.“ Takumi schüttelte den Kopf. „Dein Doktor ist gleich wieder hier und ich soll solange aufpassen.“ „Wie bitte? Was hat er zu dir gesagt?“ Takumi stand auf und stieß dabei Keigo und Yutaka mit dem Fuß an, damit sich aufwachten. „Das dir was schlimmes passieren kann, wenn ich dich gehen lasse. Deshalb ist meine Aufgabe hier sehr wichtig. Ich darf mich von dir nicht einwickeln lassen, egal was du sagst.“ Yasuo konnte seinen Ohren nicht trauen. Sein kleiner Bruder, der sonst immer alles tat was er ihm sagte, versperrte ihm nun den Weg und, das war für ihn vollkommen untypisch, er weckte auch die anderen beiden auf. „Ich bin wieder ge...“ „Hör auf“, kam es mahnend. „Geh ins Bett, oder...“ Yasuo verschränkte die Arme. „Was sonst?“ Takumi knackte mit den Fingern. „Sonst werde ich ungemütlich.“ Yutaka und Keigo sahen sich verwirrt an. Für gewöhnlich wagte Takumi es nicht seinem Bruder zu drohen. Yasuo machte den Mund auf, um etwas zu sagen, aber da kam Seth schon mit großen Schritten herbei und sah ihn tadelnd an. „Du fängst an zu nerven. Mein jüngster Patient ist gerade einmal drei Jahre alt und er ist viel vernünftiger als du es bist.“ „Wie konntest du meinen Takumi gegen mich aufhetzen?“, fauchte Yasuo voller Empörung. Seth zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Er ist mir eine große Hilfe.“ „Seit wann?“ „Seit heute.“ Seth hatte sich bei Takumi überwinden müssen, weil dieser ihn die ganze Zeit mit kaltem Blick anstarrte. Vorhin hatte er mitbekommen, wie Keigo versucht hatte auf Takumi einzureden, damit er bei der Nachtwache mitmachte, doch es war zwecklos. Takumi wollte sich nicht gegen seinen Bruder stellen. Deshalb nahm er seinen Mut zusammen und versuchte es so zu machen, wie Yasuo es beim letzten Mal tat. Mit den Worten: „Keiner außer dir, kann diese Aufgabe übernehmen und dein Bruder wird am Ende unglaublich stolz auf dich sein.“, konnte Seth ihn tatsächlich überreden. Zwar hatte Takumi ihn lange mit erstarrten Blick angesehen, aber stimmte zu. „Seit wann hörst du auf fremde Leute?“, wollte Yasuo wissen. „Tue ich nicht.“, wurde Takumi leicht sauer, denn er hatte ein Lob erwartet, wie Seth es versprochen hatte. „Ich habe nichts falsch gemacht. Dir soll nur nichts passieren. Außer dir habe ich doch niemanden.“ Yasuo trat von seiner abwehrenden Haltung zurück und kraulte Takumi den Kopf. „Mir passiert nichts. Es ist ganz lieb von dir, das du dir solche Sorgen um mich machst und so brav auf Seth hörst.“ Damit war Takumi wieder friedlich gestimmt und sah sichtlich erleichtert zu seinen Bruder auf. „Warum bist du noch hier?“, wendete sich Yasuo zu Seth. „Dein Junge hat mir eine halbe Stunde das Ohr abgekaut, als ich Seto aus deiner Wohnung abholen wollte. Er meinte, wie unverantwortlich ich mich doch verhalte und ich als dein Freund gefälligst solange hierbleiben soll, bist du wieder gesund bist. Der kleine kann ohne Punkt und Komma reden. Da seine Taktik mit den Tränen nicht aufgegangen ist, hat er es dann so versucht. Tja, hier bin ich nun und Seto schläft bei Atemu, während Masao auf sie aufpasst.“ „Du lässt also einen gefährlichen Kriminellen auf deinen Sohn aufpassen.“, fingt Yasuo an zu sticheln. „Hast du ein Problem damit?“, wurde Seth’s Stimmte bedrohlich. „Ich bin nicht der mit dem Problem. Ich vertraue jedem in meinem Clan und keiner würde etwas tun, was unserem Ruf schadet.“ „Lass uns morgen darüber reden, wenn du es unbedingt willst. Ich hatte einen langen Tag.“ „Dann geh nach Hause und lass mir meine Ruhe.“ Seth war an seiner inneren Grenze angekommen. Wie konnte ein einziger Mensch nur so stur sein? „Es reicht, ab ins Bett mit dir.“ „Hey, was soll das? Zieh mir nicht die Hose aus. Spinnst du? Nimm gefälligst deine Hände von mir!“ Keigo schloss die Tür. „Wir lassen die zwei besser alleine. Für unseren unschuldigen Takumi ist das nichts.“ „Ganz deiner Meinung. Ich geh uns Kaffee holen. Takumi, möchtest du auch etwas?“ „Geht Cola?“ „Bring ich dir mit.“ Besorgt schaute Takumi auf die Tür. „Ich höre nichts mehr. Was machen die denn?“ „Das ist ein gutes Zeichen, glaub mir.“ `Hoffentlich haben die sich nicht gegenseitig umgebracht.´ In Keigo’s Kopf spielten sich die schlimmsten Szenarien ab. Beide waren Stur und wollten sich durchsetzen. Nie und nimmer konnte das gut gehen. „Du magst diesen Arzt, hab ich recht, Takumi?“ „Weiß nicht. Jedenfalls hatte er mit Yasuo recht und er hat mein Handeln für gut befunden.“ Das war für Takumi das aller wichtigste. „Wirst du hierbleiben bis Yasuo nach Hause darf?“ „Ja, weil ich auf ihn aufpassen soll und...“ Keigo lächelte und legte seine Hand auf Takumi’s Schulter. „Du möchtest in Yasuo's Nähe sein, stimmt's? Wenn er morgen ausgeruht ist, kannst du Zeit mit ihm verbringen. Darüber wird er sich freuen.“ Takumis sonst so leerer Blick, wurde lebendig. „Das werde ich tun.“ * „Bist du immer noch beleidigt.“ Diese Frage war überflüssig, denn Yasuo redete seit heute Nacht kein Wort mehr. Müde streckte Seth seinen trägen Körper. Das letzte Mal war er so fertig, als Seto ein Baby war. „Wie kann ein erwachsener Mann nur so anstrengend sein?“ „Du bist doch derjenige, der mich hierbehalten will. Erst ziehst du mich aus und dann machst du mich platt. Ich hatte noch nie so eine unbequeme Nacht. Du solltest über eine Diät nachdenken.“ Damit ging Yasuo eindeutig zu weit. „Was fällt dir ein?“ „Ist doch wahr.“, stichelte Yasuo weiter. „Du hast die ganze Zeit auf mir gelegen, damit ich nicht weglaufen kann. In Wirklichkeit hast du dich nach mir gesehnt und mir dabei den Rücken ausgerenkt. Wir hätten es viel bequemer haben können, wenn du nicht so tölpelhaft wärst.“ „Ich habe mich nur um dich gekümmert, bevor du wieder Mist baust.“ „Du wirst ja ganz rot.“, grinste Yasuo. „Du kümmerst dich nur um mich, weil du immer noch in mich verliebt bist. Gib es wenigstens zu.“ „Ich habe auch nie das Gegenteil behauptet. Ich möchte nur nichts mit deinen Machenschaften zu tun haben. Die Sache mit Ryuji hat mir gereicht.“ „Ich bin mit anderen Clans nicht auf Streit aus und außerdem ist so etwas noch nie vorher passiert. Ich sorge in meinen Revieren für Frieden und beschütze die Menschen. Oder denkst du allen ernstes, die Leute müssen Blutgeld bezahlen?“ „Woher soll ich das wissen? Mit deinesgleichen hatte ich vorher nie etwas zu tun. Wenn ich in den Nachrichten davon höre, steht ihr in keinem guten Licht.“ Auf dieses Thema hatte Yasuo keinen Nerv. „Auch in diesen Kreisen gibt es Unterschiede, aber es ist müßig dir das zu erklären. Du hast deine festgefahrene Meinung und wirst sie auch nicht ändern.“ Beleidigt tippte Seth mit dem Zeigefinger auf Yasuo’s Brust herum. „Das habe ich nicht gesagt. Leg mir keine Worte in den Mund, die ich nicht ausgesprochen habe.“ Yasuo wurde lauter und ärgerlicher. „Dann willst du doch noch was von mir, aber bist zu feige es zu versuchen, weil du Angst vor meinen Leuten hast!“ „Das bin ich nicht! Ich habe lediglich Angst um Seto.“ „Auf den pass ich schon auf!“ „Und wenn nicht?“ Yasuo verdrehte die Augen. „Ich stell ihm einen Leibwächter an die Seite, wenn es dich beruhigt.“ „Reicht denn einer?“ War dieser Mann anstrengend. „Du bekommst meinetwegen auch zehn, Hauptsache du hörst auf zu jammern.“ Seth verkrampfte seinen Kiefer. „Ich jammere nicht, sondern sorge mich. Kennst du den Unterschied nicht?“ „Du kannst echt nerven.“ „Zieh nicht an meinem Hemd.“, zischte Seth und versuchte Yasuo runter zu drücken. „Habt ihr etwa Sex?“, hörten die Zwei die Stimme von Atemu, der zusammen mit Seto und Masao im Zimmer stand. Beschämt fuhren sie auseinander. Yasuo sah seinen Sohn mit rotem Gesicht an. „Wie kommst du darauf?“ „Seto hat gesagt, wenn ihr wieder zusammen seid, habt ihr wilden Sex.“ „Musst du immer alles ausplaudern?“, fauchte Seto und trat Atemu gegen’s Schienbein. „Au! Was haben die denn eben sonst gemacht? Seth hat Papa aufs Bett gedrückt. So hast du das doch beschrieben.“ „Die haben sich gekloppt. Hast du ihre wutverzerrten Gesichter nicht gesehen?“ „Das haben sie nicht! Mach es mir nicht madig. Du bist ein blöder Spielverderber und siehst in allem immer nur das schlechte.“ Masao klatschte sich die Hand auf die Stirn. „Jetzt geht das schon wieder los. Wie hast du das früher nur ausgehalten, Yasuo? Seit gestern Abend sind sie ständig am zanken.“ „Du härtest mit der Zeit ab.“ Yasuo war das genauso unangenehm, wie Seth. Viel hätte nicht gefehlt und es wäre in einer Prügelei geendet. Auch wenn es unangenehm war, half das plötzliche Auftauchen der drei. Mit Atemu blieb ein aufklärendes Gespräch nicht aus, wenn Seto anfing ihm solche Flausen in den Kopf zu setzen... Seth verkniff sich zu lachen, als er das Dreiergespann beobachtete. Verzweifelt versuchte Masao die beiden Jungs davon abzuhalten aufeinander loszugehen. „Könntet ihr mir freundlicherweise helfen?“, schimpfte er. „Die Satansbraten gehören schließlich euch.“ Seth erbarmte sich und schnappte sich einfach Atemu und setzte ihn auf's Bett. „Es ist gerade einmal 7 Uhr und ihr streitet schon.“ „Musst du gerade sagen.“, fauchten beide zurück. „Wir haben uns längst vertragen.“, versuchte Seth es auf diesem Weg. „Stimmt doch gar nicht.“ So dumm war Atemu nun wirklich nicht. „Zuerst müsst ihr euch umarmen und dann küssen.“ „Dann musst du das aber auch tun, mein Junge.“, grinste Yasuo. „Bääää, ich gebe Seto doch kein Küsschen. Der bekommt höchstens die Hand von mir.“ „Komm kleiner Löwe.“, sagte Masao. „Ich fahre euch zur Schule. Wehe ihr seid nicht friedlich, ich will keine Beschwerden vom Lehrer hören.“ „Dein Junge nimmt kein Blatt vor den Mund.“ Davon konnte Yasuo ganze Arien trällern. „Was meinst du wie oft er mich schon in Verlegenheit gebracht hat.“ „Mein Junge ist auch nichts besser. Sie scheinen sich viel über uns zu unterhalten. Sie streiten sich zwar, aber sie mögen sich auch.“ Jetzt da Seth sich beruhigt hatte, konnte er wieder einen klaren Gedanken fassen. „Ich weiß einfach nicht was ich machen soll.“ Yasuo legte sich in sein Kissen und schloss die Augen. „An mir soll es nicht liegen. Die Entscheidung liegt allein bei dir. Mehr werde ich dazu nicht mehr sagen.“ Kapitel 22: Liebeserklärung --------------------------- Eisern schaute Seth auf sein Mittagessen und versuchte die verwunderten Blicke seiner Kollegen zu ignorieren. Mit ihm am Tisch saßen vier weitere Männer, die die Umgebung im Auge behielten. „Warum passt ihr auf mich auf?“ „Anweisung von Akiko.“, sagte Kagami mit einem strengen Gesichtsausdruck. „Außerdem passen wir nicht auf, sondern wir sollen Ihnen Helfen, wenn Sie Probleme bekommen.“ Was denn für Probleme? Oder konnte man die vier als Problem bezeichnen? „Könnt ihr euch wenigstens auch etwas zu essen holen? So sieht das sehr seltsam aus.“ Die vier sahen sich verwundert an, was die Sache für Seth nur noch peinlicher machte. „Ist das eine Anweisung?“ Überrascht zog Seth die Augenbrauen hoch. Warum fragte er ihn? „Ja!“ Seth mochte gar nicht hinsehen, denn seine Kollegen schauten den Männern hinterher, die sich überlegend vor die Speisekarte stellten, die an der Wand hing. „Ich sterbe! Wie kann Yasuo mir das antun?“ In Selbstmitleid versinkend hielt Seth sich die Hände vors Gesicht, damit er dieses Drama nicht länger mit ansehen musste. „Gut so?“, fragte der größte der Vier, mit einem vollbeladenen Tablett in den Händen und schaute Seth abwartend an. Jetzt wollte Seth nur noch im Boden versinken, denn es sah so aus, als wäre dieser stämmige Mann am verhungern und er würde ihn nur ab und an füttern. * „Du sollst auf deiner Seite bleiben, Takumi.“ Wütend funkelte Atemu seinen Onkel an, der sich auf der anderen Bettseite befand und sauer zurück starrte. Yasuo hatte es vor langer Zeit aufgegeben zwischen den beiden zu vermitteln. Atemu befand sich links, Takumi auf der rechten Seite von ihm und stierten sich an. „Yasuo gehört auch mir. Sei nicht so egoistisch.“ „Ich will aber jetzt mit Papa kuscheln. Du darfst nur, wenn du auf deiner Seite bleibst. Hier ist die Linie.“ Atemu malte eine imaginäre Linie auf die Bettdecke. „Die Regel mag ich nicht.“ „Mir doch egal.“ Mit kraus gezogener Stirn beobachtete Seto dieses merkwürdige Schauspiel. Die Zwei stritten sich bereits eine halbe Stunde und kämpften um Yasuo’s Zuneigung, dabei machte dieser nicht den Eindruck einen von beiden zu vernachlässigen. Bei Atemu konnte er das noch verstehen, aber bei Takumi? Der war doch mindestens 18 oder 19 Jahre alt. „Die Linie kann man gar nicht sehen.“, wütend zerrte Takumi an der Bettdecke herum. Das ließ Atemu nicht auf sich sitzen. „Dann hole ich jetzt einen Filzstift, wenn du zu doof bist sie dir vorzustellen.“ Jetzt musste Yasuo einschreiten. „Du malst hier nicht auf die Bettdecke, mein Junge. Könnt ihr euch nicht einmal vertragen?“ „Aber wenn Takumi es nicht kapiert?“ Auch Takumi wurde sauer. „Ich kapier das schon, ich mag nur die Regeln nicht die du aufstellst. Sie sind sinnlos und nerven, weil sie nur dir Vorteile bieten.“ „Na und, das ist mein Papa.“ Yasuo lehnte sich resigniert zurück. Dass die Zwei sich immer streiten mussten. Gewisse Dinge schienen sich nie zu ändern. Wenn man jetzt glaubte, das sie sich nur wegen ihm stritten, der irrte. Beide warteten nur darauf, das der andere anfing, egal um was es ging. „Atemu?“ Seto konnte sich das nicht länger mit ansehen. „Lass uns Joey abholen. Er wollte Yasuo auch besuchen, aber der Weg ist zu weit um ihn zu Fuß zu gehen. Masao wollte uns doch fahren, hast du das vergessen? Er wartet bestimmt schon ganz ungeduldig auf uns. Also hör auf dich zu streiten und setz dich in Bewegung.“ Wütend schaute Atemu in Takumi’s rote Augen. „Ich komme schnell wieder und dann gehört Papa nur mir.“ Takumi wendete seinen Blick ab. „Hauptsache ich habe ihn jetzt für mich allein und kann mit ihm reden...ohne dich.“ Die roten Rubine sprühten Funken. „Aber nicht lange.“ „Was ist denn mit deinem Onkel los?“, flüsterte Seto Atemu ins Ohr, als sie den Raum verließen. „Er benimmt sich genauso kindisch wie du, obwohl er erwachsen ist.“ „Ich bin auch fast erwachsen.“ Seto kratze sich am Kopf. „Dann frage ich eben Masao.“ Dieser stand am Ausgang und wartete schon ungeduldig auf die Beiden. „Da seid ihr ja, können wir los?“ * Yasuo dankte Seto, jetzt war endlich Ruhe eingekehrt. „Bist du jetzt zufrieden, Takumi?“ „Ja.“ „Dann ist ja gut.“ Sein kleiner Takumi änderte sich nicht mehr, egal wie alt er wurde. Mit seinen 20 Jahren, war er noch wie ein Kind, aber das spielte keine Rolle. Hauptsache er konnte die Aggressionen seines kleinen Bruders unter Kontrolle halten. Im Grunde brauchte es nicht viel und er kam inzwischen gut allein zurecht. Selbst von der Universität kamen keine Beschwerden mehr, anders als in die Schule damals. „Deine Noten sind ausgesprochen gut, obwohl der Stoff so schwer ist. Ich bin stolz auf dich.“, sagte Yasuo gedankenverloren. Wenn er bedachte, wie schwer er es mit seinem Takumi gehabt hatte, der sich anderen Gegenüber oft sehr aggressiv verhielt und mit Masao, der nicht aus seinem Schneckenhaus herauskommen wollte und nun offen auf andere zuging, hatte er das alles gut hinbekommen. Nun waren sie erwachsen und kamen immer besser alleine zurecht. „Was habt ihr euch dabei gedacht?“, stürmte Seth mit rotem Kopf ins Zimmer und funkelte Yasuo wütend an. „Was meinst du?“ Yasuo wusste ganz genau, was Seth meinte, aber er stellte sich absichtlich dumm. Dieses entsetzte Gesicht, welches er bei Seth noch nie gesehen hatte, war einfach zu amüsant. Auch sein Doktor konnte aus seiner Komfortzone kommen, wenn man ihn einer Situation aussetze, die so gar nicht in sein Leben passte. Seth streckte seinen Arm aus und zeigte auf die vier Herren, die vor der Tür Position bezogen hatten. „Ich werde schon den ganzen Tag von denen verfolgt und warum soll ich ihnen Befehle erteilen? Ich bin doch nicht ihre Mama! Selbst zum Essen sind die zu dämlich!“ Die vier konnten wirklich aufdringlich und absichtlich unbeholfen sein. „Sie wollen dich nur besser kennenlernen. Außerdem ist Akiko zur Zeit für sie verantwortlich. Zumindest solange ich hier drin bin und du mich hier gefangen hältst.“, die letzten Worte konnte Yasuo sich nicht verkneifen. „Du solltest deine Beschwerden also besser an sie richten.“ Auch wenn sie sich geflissentlich aus dem Staub gemacht hatte. „Findest du ihr Verhalten nicht befremdlich?“ Yasuo schüttelte den Kopf. „Sie sind vielleicht etwas eigen, aber es sind liebe Kerle. Besonders Naoto, er ist sehr sensibel. Sei also nicht zu streng zu ihnen.“ „Welcher von denen ist Naoto?“, presste Seth zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Leider hatte sich keiner mit Namen vorgestellt. „Das ist der mit den kurzen schwarzen Haaren und den blauen Augen. Er trägt den grauen Anzug und ist der älteste.“ Der? „Der so aussieht, als wäre er von Beruf Wrestler? Dieser Muskelberg?“ Eine Heulsuse also, die sich als Muskelprotz tarnte und keine Tischmanieren besaß. Yasuo nickte bestätigend. „Er ist schnell getroffen, wenn er sich ungerecht behandelt fühlt und schmollt dann. Deshalb sei bitte Nachsichtig mit ihm. Es kostet viel Mühe und Zeit ihn wieder aufzubauen.“ Dafür hatte Seth nur ein abfälliges Schnauben übrig. „Sie hängen an mir wie Kletten.“ „Wenn sie dich so stören, warum sagst du ihnen nicht, das sie gehen sollen?“ Auf so etwas simples war Seth nicht gekommen. „Machen sie das denn?“ „Klar, wenn sie dir zu viel sind, sag ihnen sie sollen gehen.“ Genau das wollte Seth tun. Entschlossen ging er hinaus in den Flur und stellte sich vor die Männer und räusperte sich. „Ihr könnt dann nach Hause gehen. Für heute ist es gut.“ „Was? Warum?“, wollte Kagami wissen, dessen Gesicht deutliche Verwirrung zeigte. Mit einer Gegenfrage hatte Seth nicht gerechnet und er fing an zu stammeln. „...tja...weil...“ Yasuo wusste bestimmt, wie sie reagieren würden. Dieser miese Hund hatte ihn schon wieder an der Nase herumgeführt. „Sie wissen es nicht?“, kam es leicht entsetzt von Keiichi, der der jüngste von den vieren war. „Doch...natürlich...“ Das gab es doch nicht. Jetzt wurde er in die Ecke gedrängt. „Dann sagen Sie uns den Grund.“, bestand Naoto und schaute unruhig in Seth’s blaue Augen. „Haben wir etwas falsch gemacht?“ „Also...“ Seth wurde nervös. „Sie mögen uns nicht.“, stellte Hotaka entsetzt fest. Seine schlimmste Befürchtung war also eingetroffen, doch wo lag der Fehler? „Doch...ihr...ihr seid nur so aufdringlich und...“ So furchtbar waren sie auch wieder nicht, nur lästig, wie eine Mücke, die einen Nachts piesackte. Die vier fingen an untereinander zu tuscheln und schauten immer wieder zu Seth, der das alles nicht glauben konnte. War er jetzt wirklich der Böse? „Könnt ihr mir einen Gefallen tun?“, versuchte Seth noch die Kurve zu kriegen. Sofort waren die vier still und schauten Seth erwartungsvoll an. Dieser reichte Naoto eine dünne Mappe. „Gebt die Akte bitte bei der Anmeldung ab und schaut die Dame bitte nicht so böse an. Wir wollen sie ja nicht in eine unangenehme Situation bringen.“ „Jawohl!“, kam es von allen gleichzeitig und sie rauschten ab. Yasuo hatte alles mitbekommen und war einem Lachanfall nah. „Die sind anstrengend.“, brummte Seth und ließ sich auf einen der beiden Stühle vor dem Bett sinken. So fertig hatte ihn noch nicht einmal Seto gemacht. „Du hättest nicht nachgeben dürfen. Jetzt wirst du sie bestimmt nicht mehr los.“ „Was hätte ich denn machen sollen? Die waren richtig beleidigt und haben über mich getuschelt. Ich will sie halt nicht kränken.“ „Sie wollen dir gefallen und sich von ihrer besten Seite zeigen. Nur deshalb sind sie so aufdringlich.“ Genervt schaute Seth zu Takumi, der sich inzwischen ans Fenster gesetzt hatte und hinaus schaute. „Und wieso? Ich bin nur ein Arzt und sonst nichts.“ „Du bist viel mehr für sie.“, zwinkerte Yasuo und lehnte sich ein Stück zu Seth rüber. „Sie wissen, wie ernst es mir mit dir ist und sie wollen daher von Anfang an einen guten Eindruck bei dir hinterlassen.“ Es dauerte mehrere Sekunden bis die Information in Seth’s Hirn ankam. „Ihr spinnt doch. Ich wäre doch mit dir zusammen und nicht mit deinen Leuten.“ „Das läuft hier halt anders. Ich stehe an oberster Stelle und du als mein Partner würdest dann direkt neben mir sein, also ganz oben. Ist doch ganz einfach. Keiner von ihnen will es sich mit dir verscherzen.“ Seth blieb der Mund offen stehen. „Ich bin doch nur ein einfacher Arzt...“ Er fasste sich fassungslos an die Stirn. „Sag ihnen doch ich möchte im Hintergrund bleiben...ein Schatten an deiner Seite.“ Oh, wir machten uns also schon Gedanken darüber, wo wir stehen wollten. „Dann stehen meine Chancen bei dir also doch noch!“ Seth bekam rote Wangen. „Hab ich nicht gesagt.“ Natürliche reizte ihn so ein Leben, welches so gegensätzlich zu seinem war. Gleichzeitig war es so familiär und es fühlte sich warm und sichern an. Selbst die vier Nervensägen hatten etwas an sich, was Seth jede Furcht vor ihnen verlieren ließ. „Brauchst du auch nicht.“, lächelte Yasuo wissend. „Warum sträubst du dich so dagegen? Sobald du mich aus diesem Höllenloch entlässt, werde ich dir alles Zeigen. Meine Leute, meine Geschäfte und was sonst noch so dazu gehört. Um Seto brauchst du dir keine Gedanken machen. Masao wird in Zukunft in der Nähe unserer Jungs bleiben, wenn es dir damit besser geht. Er ist ein guter Bodyguard und sehr verantwortungsvoll.“ Grübelnd schauten die blauen Augen zu Takumi, der auf der Fensterbank eingeschlafen war. „Welche Position hat er?“ „Hm, Takumi? Keine!“ Verwundert verzog Seth sein Gesicht. „Er ist doch dein Bruder. Wie kann er da ohne Position sein?“ „Er ist nicht wie die anderen. Takumi ist es egal welchen Rang er in der Familie hat, solange er meine Aufmerksamkeit bekommt. Wie Masao befindet er sich mitten im Studium und für Takumi reicht das erst Mal.“ „So genügsam ist er also.“ Seth tat sich schwer. Er wollte es so sehr. Dieses neue Leben reizte ihn, weil es das genaue Gegenteil von seinem jetzigen war. Yasuo nahm Seto als seinen Sohn an und behandelte ihn so wie seinen eigenen. Es war schwer so jemanden zu finden und er hatte es in der Vergangenheit mehr als einmal zu spüren bekommen. Nur bekam er mit Yasuo gleich noch einen ganzen Clan dazu, der sich förmlich verbog, nur um ihm zu gefallen. „Dabei bin ich doch nur Durchschnitt.“, sprach Seth zu sich selbst. „Durchschnitt also“, überlegte Yasuo. „Was bin ich dann? Ich mach mir fast in die Hose, wenn ich nur daran denke, hier noch eine Nacht verbringen zu müssen. Ich hasse Krankenhäuser und alles was damit zu tun hat.“ „Du bist nicht gerade ein Paradebeispiel für einen Mafiaboss. Die habe ich mir ganz anders vorgestellt.“ Yasuo verschränkte die Hände am Hinterkopf und schaute zur Decke. „Ich habe viele Seiten, die du noch nicht alle kennst. Manchmal muss ich mein ruhiges Wesen ablegen, damit ich meine Familie beschützen kann. Es gibt eben auch Menschen, die böse Absichten haben, wie du leider schon miterleben musstest.“ Yasuo löste seinen Blick von der Decke und schaute Seth in die Augen. „Verstehst du was ich dir damit sagen will?“ „Ich denke schon.“ Das machte die Entscheidung für Seth nicht leichter. Auf der einen Seite reizte ihn dieses Leben und wenn er sich Atemu ansah, ging es dem lebhaften Jungen sehr gut. Er war aufgeweckt und unbeschwert, ein glückliches Leben, wie er es sich für Seto wünschte... und auch für sich. Was hatte er schon zu verlieren, wenn Seto von sich aus Yasuo's Nähe suchte und ihn, allen Anschein nach, als Vater akzeptierte. „Yasuo?“ Seth traute kaum es anzusprechen, doch es beschäftigte ihn schon lange. „Du hast erst einmal mit mir geschlafen. Hat das einen Grund?“ Yasuo konnte nicht anders und stand auf, damit er Seth in die Arme nehmen konnte. Er wusste das dies ein sehr sensibles Thema für seinen Arzt war. „Es ging zwar von dir aus, aber du warst noch nicht so weit. Du warst nicht entspannt und du fandest es auch nicht schön. Deshalb habe ich beschlossen es ruhiger angehen zu lassen, damit du nicht glaubst, das ich nur eine Bettbeziehung suche. Ich meine es wirklich ernst mit dir und möchte dich nicht unnötig bedrängen. Sex ist doch etwas sehr intimes und es soll uns beiden gefallen.“ Gerührt aber auch unglücklich, weil er es an jenem Abend bemerkte vergrub Seth sein Gesicht in Yasuo's Schulter, um seine Tränen zu verbergen. „Wie konntest du das bemerken? So lange kennen wir uns noch nicht.“ Sanft kraulte Yasuo durch die braunen Haare. „Ich habe eine ganz gute Menschenkenntnis und beobachte meine Mitmenschen genau.“ Er wollte noch mehr sagen, aber jedes weitere Wort könnte dazu führen ihn zu verletzen. „Deshalb.“ Dabei dachte Seth die ganze Zeit er würde Yasuo zufriedenstellen, wenn er sich ihm anbot, dabei wäre das gar nicht nötig gewesen. Er hatte sich lediglich lächerlich gemacht, was alles nur noch schlimmer machte. „Ich habe dich nie ausgelacht.“, sagte Yasuo, dem Seth zittern nicht entging. „Das denkst du doch.“ Gott, was war das nur für ein Mann? Wie ein ertrinkender klammerte Seth sich an ihn. Für seinen Gefühlsausbruch schämte er sich zwar, aber es tat auch gleichzeitig gut. Es war ein schönes Gefühl festgehalten und verstanden zu werden. Yasuo hatte eine große und offensichtliche Schwäche, aber er schämte sich nicht dafür. Auch nicht vor seinen Leuten. Keiner hatte ihn ausgelacht, als er versuchte aus dem Krankenhaus zu flüchten. Nein, sie passten lediglich auf ihn auf, wie er es tat, wenn sie Hilfe brauchten und dennoch mochte Seth an seine eigenen Schwächen nicht denken. Besonders an ihren ersten gemeinsamen Sex nicht. Yasuo hatte recht, er fühlte sich dabei nicht wohl. Sie kannten sich noch nicht lange genug und zu diesem Zeitpunkt war es für ihn viel zu früh. Dabei wollte er Yasuo nur nicht verlieren, weil er sich zierte die Hose runter zu lassen. „Was findest du an mir? Du könntest so ziemlich jeden haben. Warum also rennst du mir hinterher? Schickst mir unzählige Nachrichten und kommst sogar hierher. Was ist es, was du so besonders an mir findest?“ Yasuo biss vor Schmerz die Zähne zusammen, weil Seth's Finger sich in seinen Rücken bohrten. Doch der Schmerz, den er bei Seth spürte, war tausend mal schlimmer. „Du hast so viele wundervolle Eigenschaften, das ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll.“ Yasuo verstärkte seine Umarmung, was dazu führte, das Seth sich näher an ihn schmiegte. „Wenn ich dir ein Kompliment mache, bekommst du rote Wangen und siehst unglaublich süß dabei aus. Du bist schnell verlegen und dann muss ich dich einfach küssen. Du zeigst nie offensichtliche Trauer oder Freude, aber wenn du glücklich bist, strahlen deine Augen wie Saphire. Sie übertreffen dann sogar den Nachthimmel mit all seinen Sternen. Wenn du glücklich bist, gewährst du mir einen Blick in deine Seele und ich kann in ihr viel Trauer erkennen. Wenn du Sorgen hast, sehen deine Augen stumpf und leer aus. Dann überlege ich mir, was ich tun kann, um deine Sorgen zu zerstreuen. Dein Verhalten spiegelt deine Erfahrung wieder, genauso ist es bei deinem Jungen. Seto wollte dich nur schützen, weil er weiß, wie verletzlich du in Wirklichkeit bist. Ich könnte so ziemlich jeden haben, das stimmt, weil die meisten nur an meinem Geld interessiert sind. Du bist nicht so. Du suchst einen Menschen, der dich liebt, der euch beide will. Auch ich habe lange nach diesem Menschen gesucht und ich habe ihn gefunden. Deshalb kämpfe ich so sehr um dich, mein lieber Seth. Ich liebe dich.“ Der letzte Satz hallte in Seth's Kopf, wie die Tropfen eines warmen Sommerregens, wider. Sie klangen so ehrlich und rein. Mit so einer Liebeserklärung hätte er nie im Leben gerechnet. Fühlte sich so wahres Glück an? Es war ein wundervolles Gefühl, welches Seth's Körper durchflutete. Sein Glück, sein Yasuo war zum greifen nah. Noch nie fühlte Seth so wie jetzt. All seine Scham und Zweifel waren verflogen und das einzige Gefühl, welches er längst verloren glaubte, war das Gefühl des Glücks. Er wurde geliebt, weil er einfach Seth war. „Ich werde alles für dich und Seto tun, damit ihr nie wieder verletzt werdet.“, versprach Yasuo. „Glaubst du mir?“ Seth konnte nicht antworten, weil seine Stimme von Tränen erstickt war und deshalb nickte er lediglich. „Mein kleiner Atemu hat dich vom ersten Moment an gemocht. Für ihn war schnell klar, das du der richtige für mich bist, obwohl ich Ärzte meide wie die Pest.“, lachte Yasuo leise. Wie man seine Meinung doch ändern konnte. „Du bist der einzige der mich behandeln darf und obwohl ich die ganze Zeit am schimpfen bin, bist du vorsichtig. Lässt dich von mir nicht aus der Ruhe bringen, während ich tausend Tode sterbe. Du spürst meine Unsicherheit und Angst, wie ich sie bei dir spüre. Einen Menschen wie dich kann ich nicht kampflos gehen lassen.“ Konnte Seth da noch nein sagen? Mit Yasuo hatte er all das gefunden, wonach er sich immer sehnte. Sich danach verzehrte. Seto, sein Sohn hatte sich längst entschieden und bei ihm war keine Spur der Unsicherheit zu erkennen. * Neugierig musterte Atemu Seto, der ihm gerade genau erklärte, wie die Liebe zwischen Mann und Frau ablief. Masao schaute mit glühenden Wangen auf den Straßenverkehr und war innerlich beeindruckt, wie viel Seto wusste. So eine gründliche Aufklärung hatte er nicht einmal bei Yasuo gehabt. „Aha, und wie ist das zwischen zwei Frauen?“, wollte Atemu wissen. Da musste Seto passen. „Das hab ich meinen Vater nie gefragt. Kannst du uns das erklären, Masao?“ Masao schüttelte hastig den Kopf. „Ich kenne mich auch nicht aus. Wirklich nicht. Damit habe ich mich nie beschäftigt.“ Natürlich hatte er sich mal dafür interessiert, aber das würde er nie laut aussprechen. „Du lügst“, Atemu lehnte sich vom Rücksitz aus weit nach vorne, um seinen Onkel ansehen zu können. „Ich habe genau mitbekommen, wie du Papa mal über Sex ausgefragt hast.“ „Wann soll das gewesen sein?“, geriet Masao ins schwitzen. „Genau vor fünf Jahren und zwei Monaten.“ „Du und dein nerviges Gedächtnis.“, brummte Masao. „Ich war neugierig, okay?“ „Jetzt erzähl schon.“, forderte Atemu. „Ich bin auch neugierig.“ „Frag am besten Yasuo, der kann das viel besser erklären.“, und war noch todernst bei diesem Thema. Atemu lehnte sich zu Seto rüber. „Was hat er denn? Er ist voll rot im Gesicht, als hätte er Fieber.“ Seto kicherte. „Er ist verlegen, weil ihm das Thema peinlich ist.“ „Warum ist ihm das denn peinlich? Papa und Seth knutschen doch andauernd und Masao hab ich mal mit seiner Freundin gesehen, wie er ihr die Zunge in den Hals gesteckt hat.“ „Kannst du aufhören in meinem Privatleben herumzuschnüffeln.“, ranzte Masao, dessen Gesicht glühte. „Mit Yuki ist es mir ernst und deshalb darf ich mit ihr auch knutschen.“ Atemu legte den Kopf schief. „Hattest du mit ihr schon Sex?“ Masao legte den Kopf aufs Lenkrad. „Neiiiiiiin.“ So weit waren sie noch nicht. „Warum das denn nicht?“, wunderte sich Seto. „Liebst du sie nicht?“ „Natürlich liebe ich sie.“ Masao konnte seine Liebe zu ihr nicht einmal in Worte fassen. „Warum bist du dann nicht bei ihr? Papa ist auch ständig bei Seth.“, wollte Atemu wissen. „Der kann auch nicht entkommen.“, grummelte Masao. Das Krankenhaus war Yasuo's persönlicher Knast. „Vor dem Unfall waren sie auch ständig zusammen.“, überlegte Seto, wenn man von der kurzzeitigen Trennung absah. „Gott sei dank sind wir da.“ Masao war froh am Ziel zu sein und stieg zügig aus dem Auto aus. „Der hat es aber eilig.“ Atemu löste den Gurt und stieg ebenfalls aus. „Der ist voll verklemmt.“ „Ich bin nicht verklemmt.“, wurde Masao ranzig. „Ich weiß lediglich was sich gehört und über so intime Dinge tratscht man nicht, Seto.“ „Du lügst schon wieder.“, erinnerte Atemu und wollte schon loslegen. „Jetzt lass es gut sein.“ Gott, war das peinlich. Atemu war schon immer vorlaut und hatte ihn oft in Verlegenheit gebracht, heute trieb er es allerdings besonders weit. „Okay, ich sag schon nichts mehr.“, sagte Atemu scheinheilig und zwinkerte Seto zu. „Mit meinen Brüdern bin ich echt gestraft.“, seufzte Masao. Verwundert schaute Seto zu Atemu. „Hat er dich Bruder genannt?“ Atemu nickte. „Wir sind wie Brüder aufgewachsen und mein Papa ist auch Takumi’s und Masao’s Vater. Jedenfalls empfinde ich unsere Familienkonstellation so. Schließlich hat Papa uns drei großgezogen und wenn ich mit Takumi und Masao gespielt habe, haben sie ihn oft Papa genannt.“ „Klingt einleuchtend. Ich hätte auch gerne einen kleinen Bruder.“ Etwas pikiert schaute Atemu auf den Boden. „Wenn unsere Väter heiraten, bin ich doch dein Bruder.“ Seto schüttelte den Kopf. „Du bist mein Freund, aber nicht mein Bruder.“ „Wo ist der Unterschied?“ „Wir sind nicht zusammen aufgewachsen, ganz einfach.“ Masao, der voraus lief, war froh nicht mehr Mittelpunkt ihres Gespräches zu sein. Atemu alleine war schon eine Nummer für sich, aber in Kombination mit Seto, war das die absolute Härte. Der kleine Zwerg kam ganz nach Yasuo und war genauso vorlaut. „Wie der wohl als erwachsener sein wird? Zusammen mit Seto wird er die Unterwelt aufmischen und gemeinsam werden sie Angst und Schrecken verbreiten.“ Sein Blick glitt durch die Straßen. Vieles war heruntergekommen und man sah den Menschen an, das sie hart arbeiten mussten, um über die Runden zu kommen. „Hier möchte ich nicht leben. Kein Wunder das diese Gegend so in Verruf geraten ist.“ „Masao, wir müssen hier lang.“, sagte Atemu und ging mit Seto vor, die bekannte Treppe nach oben. „Jetzt lauft doch nicht so schnell.“ War er in dem Alter auch so ungeduldig? „Klingel du, Seto, ich komme nicht dran.“, fing Atemu an zu maulen. „Stell dich doch auf die Zehenspitzen.“ „Jetzt klingel schon.“ Es dauerte nicht lange und ein aufgeregter Joey öffnete die Tür. „Endlich seid ihr da. Wie geht es denn deinem Vater?“ Atemu blinzelte und schaute Joey von oben bis unten an. „Du hast ja schon Schuhe und Jacke an.“ „Ich wollte fertig sein, damit wir gleich los können.“ Eilig schloss Joey die Haustür und ging voraus. „Warte doch, lauf nicht so schnell.“, rief Atemu und rannte hinterher. Ratlos schaute Seto hoch zu Masao. „Finde nur ich sein Verhalten seltsam?“ „Mir kommt das auch komisch vor. Yasuo hat mir von seiner Familiären Situation erzählt und hat wohl damit etwas zu tun.“ Nachdenklich schaute er auf die Haustür. „Ich würde gerne mit Herrn Wheeler sprechen.“ „Warum rennst du denn so?“ Endlich konnte Atemu zu Joey aufschließen. „Ich will so schnell wie möglich hier weg, damit ich Herrn Katsuro besuchen kann.“ „Warum denn?“ „Nur so und jetzt beeilt euch.“ Atemu blieb stehen und schaute Joey hinterher. „Was hat er denn nur?“ Seto steckte beide Hände in die Jackentaschen und schaute auf die Haustür. Masao legte die Hand an den Türknauf und versuchte sie zu öffnen, doch die Tür blieb zu. „Joey? Ist dein Vater zuhause?“, rief er, weil Joey schon ein gutes Stück entfernt war. Abrupt blieb der Junge stehen, drehte sich jedoch nicht um. „Er ist nicht da!“ Masao setze sich in Bewegung und ging auf Joey zu. „Wo ist er denn?“ „Woher soll ich das wissen?“, kam es patzig. „Er sagt mir nie wo er hingeht.“ „Belassen wir es dabei. Gehen wir.“ Masao hätte zu gerne einen Blick in die Wohnung geworfen, nur war Joey zu sehr auf Abwehr. Streit wollte er nicht provozieren und er wollte diese Angelegenheit besser seinem Bruder überlassen, der mit Kindern gut umgehen konnte. Das etwas nicht stimmte, war offensichtlich. Jedoch wollte er keinen Druck auf den dreizehnjährigen ausüben und gab deshalb nach. Wenn er Joey so ansah, dachte er an seine eigene Kindheit zurück und sie nur durch Yasuo, aber auch durch Sùma, so unbeschwert war. Für ihn war Yasuo ein Vater, der ihn damals aus einer schweren Zeit geholfen hatte. Ohne ihn hätte er den Mord an seinem Vater nicht verarbeiten können und er wäre daran zerbrochen. Heute stand er an dritter Stelle in seinem Clan und Masao konnte nicht ausdrücken, wie stolz er auf sich war. In seine jungen Jahren bekam er viel Verantwortung übertragen, die er alle meisterte. Selbst wenn er sich überfordert fühlte, half Yasuo ihm daraus. Auch heute noch konnte er unbeschwert sein, wie damals in seiner Kindheit, weil eine schützende Hand über ihn wachte. * Genervt schaute Yasuo aus dem Fenster. Warum musste es ein Zimmer im dritten Stockwerk sein? „Die sind zu vorsichtig geworden und haben dazu gelernt.“ Immerhin schien es mit Seth wieder besser zu laufen und ihre Aussprache schien besonders seinem Arzt gutgetan zu haben. Jedenfalls konnten sie normal miteinander sprechen und auch mit Takumi schien er besser klar zu kommen. Es half also seine Familie besser kennenzulernen und auch wenn Seth genervt schien, genoss er die viele Aufmerksamkeit, die er durch seine neue Position inne hatte. Leider hatte er keine Antwort nach ihrem Gespräch bekommen, denn Seth war das alles zu viel geworden und zog sich zurück. Yasuo war ihm nicht böse und auch nicht enttäuscht. So war Seth nun einmal. Er brauchte Zeit, damit er nachdenken konnte und um alles zu verarbeiten. „Da sind wir.“, kam es erschöpft von Masao und er ließ die drei Rabauken vorbei. „War es so schlimm?“, lachte Yasuo und begrüßte Joey, der sofort auf ihn zukam. „Wie geht es Ihnen, Herr Katsuro?“ „Ich bin längst gesund, aber mein Arzt ist da anderer Meinung.“, zwinkerte er. „Wie schön, ich hab mir Sorgen gemacht.“ „Die haben sich die ganze Zeit gestritten.“, stöhnte Masao und sank auf einen der Stühle. „Besonders Seto und Atemu sind kleine Klugscheißer. Egal was ich sage, sie wissen es besser.“ Auflachend schaute Yasuo zu den drei Jungen, die sich angeregt unterhielten. „Halte durch, das geht bald vorbei.“ „Bei Seto bin ich mir da nicht so sicher.“ Wenn Masao an die Autofahrt dachte und Seto’s Aufklärungsunterricht, wurde ihm ganz anders. * Mit tief roten Wangen hockte Seth in seinem Büro und konnte nur noch an Yasuo denken. Sein Körper, sein Herz drängte ihn zu ihm zu gehen. Ihn zu küssen, zu umarmen und einfach bei ihm zu sein. So hatte er sich das letzte Mal gefühlt, als er sich in einen Jungen aus seiner Klasse verliebte. Seine erste Liebe, die ihm schnell das Herz gebrochen hatte. Jetzt war es anders. Yasuo liebte ihn wirklich und sprach es sogar aus. „Ich liebe dich auch. Warum kann ich es ihm nicht sagen? So schwer ist das doch nicht. Warum bin ich abgehauen? Was er jetzt wohl denkt?“ Seth war viel zu durcheinander und versuchte seine Gedanken zu ordnen. Sein Gesicht glühte immer noch und wenn er an Yasuo's Hand dachte, die ihm die ganze Zeit durch die Haare fuhr, wurde ihm ganz anders. Seine Haut kribbelte immer noch und nur der Gedanke daran, bescherte ihm eine Gänsehaut. Kapitel 23: Entschluss ---------------------- Noch immer hockte Seth in seinem Büro und überlegte sein weiteres Vorgehen. Seine Gedanken konnte er inzwischen sortieren und er fühlte sich nicht mehr überfordert mit der Situation. Die Pause tat ihm gut und er konnte Yasuo wieder unter die Augen treten. Einzig sein verweintes Gesicht wurde er so schnell nicht los und man sah deutlich seine geröteten Augen. Es half nichts, denn ewig konnte er sich nicht verstecken. Wegen eines Liebesgeständnisses fing er an loszuheulen, wenn das sein Sohn gesehen hätte... Entschlossen öffnete er die Tür und schaute in vier Augenpaare, die ihn zurückweichen ließen. Sofort verdunkelte sich sein Gesicht, als Hotaka, Keiichi, Kagami und Naoto ihm den Weg versperrten. „Lasst mich vorbei.“ „Sie sehen fertig aus.“, fing Naoto mitleidig an und ergriff Seth’s Hände. „Können wir Ihnen helfen? Sie haben sogar geweint. Was hat Yasuo angestellt? Manchmal kann er sehr unsensible sein. Wie oft habe ich ihn darum gebeten nicht zu direkt und voreilig zu sein. Für feinfühlige Menschen wie uns, kann das ein wahrer Schlag ins Gesicht sein.“ Da stand dieser riesige Kerl und erwartete, das er ihm sein Herz ausschüttete? Ernsthaft? „Yasuo hat nichts angestellt.“ Konnten sie ihn nicht einfach vorbei lassen? „So sieht das aber ganz und gar nicht aus.“, überlegte der 23 jährige Keiichi. „Yasuo handelt oft unüberlegt, besonders wenn er unter Ärzten ist. Er kann dann extrem manisch reagieren und handelt ohne nachzudenken.“ Kagami, der Anführer der Vierergruppe, klatschte in die Hände. „Wir bringen alles in Ordnung. Überlassen Sie alles uns. Wir bekommen das schon hin, nicht wahr Jungs?“ „Jawohl!“, sagten die anderen drei voller Euphorie. „Zuerst muss das verweinte Gesicht verschwinden.“, begann Naoto und zog Seth hinter sich her. „Jetzt wartet Mal. Wo gehen wir hin? Ich muss doch arbeiten. Meine Patienten warten...“ * „Wie geht es Ihnen, Herr Katsuro?“, stürmte Joey ins Krankenzimmer und schaute aufgeregt zu Yasuo hoch. `Genauso wie mein Junge.´, schoss es Yasuo durch den Kopf. „Danke der Nachfrage, schon viel besser.“ Erstaunt schaute Joey auf den Gips. „Ihr Arm ist richtig gebrochen?“ „Ist halb so Wild.“ „Wann können Sie entlassen werden?“ „Sobald mein Wärter sein okay gibt.“ Seth konnte wirklich streng sein. „Wo sind denn Atemu und Seto?“ Joey druckste etwas herum. „Die waren mir zu langsam, deshalb bin ich vor gelaufen.“ „Wolltest du mich unbedingt sehen?“ Zwar freute Yasuo sich wenn Atemu’s Freunde ihn mochten, aber bei Joey schien es einen anderen Hintergrund zu haben. „Mensch Joey, warum rennst du denn so schnell?“, beschwerte sich Atemu, der mit roten Wangen das Zimmer betrat. „Kaum steigst du aus dem Auto, rennst du los. Bist du sauer, weil ich wissen wollte, warum du so schnell von Zuhause weg wolltest?“ Auch Seto und Masao kamen dazu und schauten Joey abwartend an. „Ich wollte nur deinen Vater sehen.“, maulte der 13 jährige. „Ist das so schlimm?“ „Lenke nicht ab.“ Atemu begann die Geduld zu verlieren. „Es ist doch was passiert und als dein Freund mache ich mir Sorgen. Deshalb...“ „Atemu, es reicht.“, mischte sich Yasuo ein. „Wenn du merkst, das dein Freund nicht darüber sprechen möchte, solltest du dich zurückhalten. Es gibt Probleme, die man nicht mit jedem bereden will. Du musst lernen die Entscheidungen deiner Freunde zu akzeptieren, auch wenn du es nur gut meinst.“ „Warum bekomme ich denn jetzt Ärger?“ Beleidigt ging Atemu zu Masao und vergrub sein Gesicht in dessen Hemd. Er fühlte sich ungerecht behandelt, weil er Joey nur helfen wollte. „So hat Yasuo es nicht gemeint.“, versuchte Masao die Wogen zu glätten. „Doch und das weißt du genau.“ Yasuo hörte deutlich, wie Atemu mit den Tränen kämpfte. Ab und an konnte sein Junge sehr sensible sein. „Ich bin nicht böse. Joey soll nur nicht bedrängt werden, verstehst du?“ „Ich verstehe nicht. Ich bekomme den Ärger, obwohl ich nichts gemacht habe.“ So leicht ließ sich Yasuo nicht beirren und nahm seinen Sohn in die Arme. „Du brauchst nicht traurig deswegen zu sein, mein kleiner Sturkopf. Ich habe auch nicht geschimpft, sondern dich nur auf eine Unachtsamkeit aufmerksam gemacht.“ Auch wenn Atemu sauer war, kuschelte er sich an seinen Vater. Verloren, aber auch neidisch schaute Joey auf die Szene. Wie gerne wäre er jetzt an Atemu’s Stelle. Früher war sein Vater genauso, doch das lag in weiter Vergangenheit. „Willst du heute mitkommen?“, wollte Seto von Joey wissen. „Masao kocht nachher und wir wollen ihm dabei helfen.“ „Ich weiß nicht.“ Verstohlen schaute er zu Yasuo, der noch Atemu tröstete. „Atemu sucht nur Aufmerksamkeit, deshalb dieses Theater.“, winkte Seto ab, der sich für sowas viel zu erwachsen fühlte. „Er ist noch voll kindisch und sucht nach einem Grund bemuttert zu werden.“ „Finde ich nicht schlimm. Sein Vater tröstet ihn wenigstens. Meinem würde es nicht die Bohne interessieren.“ Seto schwieg. Tauschen wollte er nicht mit ihm und er war froh einen Vater zu haben, der zwar viel arbeitete, aber sich auch gut um ihn kümmerte. Nun bekam er einen weiteren Elternteil dazu, der aus Seto’s Sicht ein aufregendes Leben führte und ihn wie seinen leiblichen Sohn behandelte. Vor Joey würde er es nie aussprechen, wie glücklich er über diese Wendung in seinem Leben war. Wie unfair es manchmal sein konnte, sah man ganz deutlich. „Alles wieder gut, Atemu?“ „Nein, erst musst du dich entschuldigen.“, das war das mindeste. „Na schön, es tut mir leid. Dafür entschuldigst du dich bei Joey, weil du ihn bedrängt hast.“ Beleidigt verzog Atemu sein Gesicht. „Das ist gemein.“ Es blieb ihm nichts übrig als sich zu entschuldigen, denn sein Vater würde solange drauf bestehen, bis er es hinter sich gebracht hatte. * „Vorsicht!“, erschreckte sich eine Ärztin, die beinahe von ihrem Chef über den Haufen gerannt wurde. „Entschuldigung, kommt nicht wieder vor.“, rief Seth und rannte weiter. „Auf den Gängen wird nicht gerannt.“, rief die Ärztin ihm hinterher und musste dann zwei mal hinsehen, wer sich da aus seiner Komfortzone bewegt hatte. „Kommt nicht wieder vor.“ Was blieb Seth anderes übrig? Anders konnte er nicht entkommen. Erst an Yasuo’s Zimmertür blieb er stehen und stürmte hinein. „Was ist nur mit deinen Leuten los?“, donnerte er mit hochrotem Kopf drauf los. Yasuo, der in seinem Bett lag, sah von seinem Buch auf. „Was haben sie dieses Mal angestellt?“ Bevor Seth die Tür schloss, schaute er sich nach allen Seiten um. „Die sind dermaßen aufdringlich. Ständig fragen sie mich, ob alles okay ist. Ob mein Kaffee nicht zu heiß ist, warum mein Gesicht so verheult aussieht und weshalb ich so abgekämpft bin. Wenn ich nicht abgehauen wäre, hätte Naoto mir noch Sex-Tipps gegeben. Hast du eine Ahnung, wie schwer es ist ihnen zu entkommen? Ich habe sie mit dem Kaffeeautomaten abgelenkt und bin nur noch gerannt.“ Yasuo fing an zu lachen. „Die mögen dich und Naoto gibt seine Lebenserfahrung gerne weiter. Bevor du dir Sorgen machst, er hat einen Freund. Ich denke du hast schon gemerkt, das er sehr weiblich rüber kommt, trotz seiner sehr männlichen Statur.“ „Gedacht habe ich es mir, aber ich will mit Wildfremden nicht über solche Themen sprechen. Deine Leute sind erbarmungslos. Würde mich nicht wundern, wenn dein Clan der gefürchtetste der Stadt ist.“ „Wenn du mich aus diesem Knast entlässt, bist du sie los.“, zwinkerte Yasuo. „Vergiss es. Du bleibst schön hier, mindestens noch eine Nacht.“ Als ob er sich erpressen lassen würde. „Ich habe dich schon heruntergehandelt.“, grinste Yasuo verschmitzt. „Hast du nicht.“, sagte Seth zu hastig. „Deine Untersuchungsergebnisse sind halt gut und nur deshalb kannst du morgen schon gehen...oder übermorgen.“ Seth zuckte zusammen, als Yasuo dicht an ihn herankam und ihm einen Kuss auf die Wange gab. „Ach, so ist das. Dann kann ich morgen ganz beruhigt nach Hause gehen?“ „Ähm...kannst du.“ Gott, kribbelte seine Wange jetzt. „Du bist ganz rot geworden.“, hauchte Yasuo in sein Ohr. „So ein Quatsch.“ Sein Gesicht wurde noch heißer, als Yasuo seine Arme um ihn schlang und an sich heran zog. „Pass auf deinen Gips auf.“ „Der ist stabil.“, schmunzelte Yasuo. „Lass uns so viel Zeit wie möglich zusammen verbringen und gleich morgen fangen wir damit an. Wie wäre es mit einem feinen Restaurant?“ „O...okay“, dieses warme Gefühl durchströmte Seth’s ganzen Körper. In seinem Bauch flatterten viele kleine Schmetterlinge wild durcheinander, die eine ungewohnte Hitze durch seinen Körper jagten. Eine Berührung von Yasuo reichte aus und sofort machten sie sich bemerkbar. „Ich...ich muss wieder an die Arbeit.“ „Dann will ich dich nicht aufhalten. Doch ohne einen Kuss lasse ich dich nicht gehen.“ „Was...?“ Seth spürte eine kräftige Hand an seinem Hinterkopf, die ihn bestimmend näher an Yasuo führte. Das Gefühl auf seinen Lippen fühlte sich ganz anders an als früher. Schon oft hatte er geküsst, doch noch nie war es so angenehm gewesen. Die sanften und doch bestimmenden Lippen, die ihn in eine andere Welt katapultierten. Die Kräftige Hand an seinem Hinterkopf, die zärtlich durch seine Haare fuhr, bis hin zu seinem Nacken und dafür sorgte, das er am ganzen Körper eine Gänsehaut bekam. Was machte dieser Mann nur mit ihm? Sein Verstand schaltete sich komplett aus und ohne es wahr zu nehmen, ließ er sich auf den Rücken drängen. „Jetzt kannst du gehen.“ Yasuo gab ihm noch einen Kuss auf die Stirn und machte Platz, damit Seth aufstehen konnte. „Warum...warum hörst du auf?“, wollte er wissen und klang enttäuscht. Yasuo blinzelte. „Dann soll ich weiter machen?“ „Was denkst du denn?“, drängte Seth. „Man hört nicht auf, wenn es am schönsten ist.“ „Musst du nicht arbeiten?“ „War gelogen, ich hab noch Zeit.“, drängelte Seth weiter. „Jetzt küss mich gefälligst.“ Wenn man so nett gebeten wurde, durfte man nicht nein sagen, oder? „Du kannst echt sauer werden, wenn du was von mir willst.“ Yasuo machte sich einen gedanklichen Vermerk. In Zukunft nicht so viel diskutieren, sondern gleich weiter machen. „Ich bin nicht sauer, sondern...“ Mensch, kapierte Yasuo nicht was für ein Riesen Problem ihn gerade plagte? Wortwörtlich! „Mach einfach weiter, genauso wie eben.“ Yasuo legte ratlos den Kopf schief, bis der Groschen endlich fiel. „Oh, sag das doch gleich.“ Endlich spürte Seth die warmen Lippen wieder auf den seinen und stöhnte entspannt in den zärtlichen, aber bestimmenden Kuss. * „Was Papa wohl gerade macht?“ Atemu langweilte sich furchtbar, weil es heute nichts zu tun gab. Trübsinnig saß er auf dem Fensterbrett seines Zimmers und schaute nach draußen. „Was soll er schon machen? Er wird im Bett liegen und sich genauso langweilen wie wir es tun.“ Seto blätterte in einem der Schulbücher und hatte sich am Schreibtisch breit gemacht. „Wenn die erwachsenen alleine sind, dann knutschen sie doch die ganze Zeit.“ Jedenfalls sah Joey oft Pärchen die das taten, wenn er durch die Stadt spazierte. Atemu überlegte. „Im Krankenhaus? Kann ich mir nicht vorstellen. Papa hasst diesen Ort.“ „Wirklich?“, wunderte sich Joey. „Vorhin wirkte er aber nicht so, als ob er ungern dort wäre.“ Diese stille Atmosphäre machte Seto schläfrig und auch Atemu und Joey ging es nicht anders. „Ich bin sicher.“, bekräftigte Atemu seine Meinung. „Papa will nur weg und würde da niemals herumknutschen.“ Joey gähnte und kuschelte sich in das weiche Kissen auf Atemu’s Bett. „Wann kommt dein Vater wieder Heim?“ „Weiß nicht, aber lange wird es nicht mehr dauern. Es geht ihm wieder gut, wie wir gesehen haben.“ „Danke, das ich heute hier schlafen darf. Wird leider eng werden, wenn wir uns dein Bett teilen.“ Atemu winkte lächelnd ab. „Als ich noch klein war habe ich mich oft in Masao’s Bett geschlichen, wenn Papa nicht zuhause war. Deshalb bin ich es gewohnt, wenn ich nicht viel Platz habe.“ „Es muss toll sein zwei ältere Brüder zu haben.“ Wie gerne würde Joey tauschen. „Mit Takumi verstehe ich mich nicht so gut, aber Masao liebe ich. Er hat mich immer verstanden und wenn ich Unsinn gemacht habe, nahm er mich in Schutz. Einen besseren Bruder kann ich mir nicht wünschen.“ Joey rollte sich auf die Seite und schaute sich im Zimmer um, welches im Gegensatz zu seinem, hell und freundlich war. „Ich hatte eine kleine Schwester. Sie ist zusammen mit meiner Mutter bei einem Unfall gestorben. Ich erinnere mich noch gut daran. Mein Vater hat sich von diesem Tag an verändert.“ Joey versuchte nicht zu weinen, als die Erinnerungen hoch kamen. „Er war früher deinem Vater sehr ähnlich, Atemu. Plötzlich hatte er keine Zeit mehr für mich, hat fremde Frauen mit nach Hause gebracht und unser Geld in Spielhallen ausgegeben. In der Schule wird viel über ihn gelästert und als Säufer beschimpft. Dabei trinkt er kaum und ist nie betrunken. Die haben alle keine Ahnung. Er hat mich auch nie geschlagen, wie es herumerzählt wird. Er hat einfach keine Zeit mehr für mich. Er hat mich vergessen und lebt sein Leben ohne mich weiter.“ Seto und Atemu sahen sich getroffen an. „Und...“ Seto wollte nicht zu schnell vorpreschen und suchte nach den richtigen Worten. „Du hattest es vorhin so eilig... Hatte das seinen Grund?“ Joey wischte sich mit dem Ärmel seine Pullovers über die Augen. „Ich wollte einfach nur etwas anderes sehen. Ich freue mich immer, wenn ich nicht allein zuhause sein muss.“ Er konnte ihnen nicht die Wahrheit sagen. Sie würden alles nur schlimmer machen. Er kam allein mit seinen Problemen klar, schon immer. Einige Stunden zuvor, legte Joey den Telefonhörer weg und stürmte zur Garderobe. Eilig zog er sich Jacke und Schuhe an und setzte sich dann auf einen Küchenstuhl und wartete ungeduldig das es klingelte. Er konnte es kaum erwarten von Seto und Atemu abgeholt zu werden. Zwar war er es gewohnt alleine in der Wohnung zu sein, aber es blieb immer ein unwohles Gefühl zurück. Deshalb freute er sich so sehr, diesem tristen Dasein zu entkommen und wenn es nur ein Besuch im Krankenhaus war. Er freute sich auch auf Yasuo, der einen Abend bei ihm war und er alles erzählen konnte, was ihm einfiel. Sogar seine heißgeliebte Kartensammlung konnte er zeigen. Yasuo war einer der wenigen Erwachsenen, die sich interessiert zeigten und ihn nicht genervt abschoben. Als es klingelte sprang er eilig auf und wetzte zur Tür. Er wollte gerade aufschließen, doch fremde Stimmen die durch die dünne Haustür drangen, hielten ihn davon ab. Sein Körper durchfuhr ein kalter Schauer, denn es wurde gegen die Tür getreten und an der Klinke gerüttelt. Panische Angst durchfuhr Joey und er suchte eilig nach einem Versteckt. Deutlich hörte er, wie am Schloss herumgefummelt wurde, bis ein lautes Klacken ertönte und die Tür aufschwang. Gerade noch konnte Joey hinter die Couch flüchten und kauerte sich ängstlich zusammen. Sein Herz schlug so heftig gegen seinen Brustkorb, das er fürchtete, die Männer könnten es hören. Beide Hände presste er fest auf seinen Mund, damit kein Laut seine trockene Kehle verließ. Schwere Schritte, gefolgt von rauen dunklen Stimmen hallten durch die Räumlichkeiten. Schubladen wurden aufgerissen und Schränke geöffnet. Der Inhalt wurde scheppernd auf den Boden befördert und verteilte sich auf dem Teppich. Joey betete, sie durften nicht hinters Sofa schauen. Er war so in seiner Angst vertieft, das er nicht wahr nahm, was die Zwei beredeten. Doch die Schritte, die sich ihm näherten hörte er klar und deutlich. `Papa, hilf mich doch.´, flehte Joey in Gedanken. Seine Augen füllten sich mit Tränen, während sein Körper sich wie betäubt anfühlte. Die Schritte fingen an sich von ihm zu entfernen, sie gingen ins Schlafzimmer, wenn er es richtig einschätze. Jetzt oder nie. Joey zwang sich aufzustehen und krabbelte auf allen Vieren zur Haustür. Eilig stürmte er raus und lief beinahe in Atemu hinein. Schlagartig fühlte er sich sicherer, aber er wollte so schnell wie möglich weg von hier. Keiner bekam mit, wie dunkle Augen durch den Küchenvorhang spähten. * „Machen wir nachher weiter?“, wollte Seth wissen, der leider zurück an die Arbeit musste. Er war schon spät dran und musste nun einiges Nacharbeiten. „Gerne, aber willst du so auf den Flur gehen?“ Yasuo richtete Seth den Kragen seines Hemdes und band die Krawatte neu. „Du solltest dich kämmen damit du keinen falschen Eindruck vermittelst.“ „Danke.“ Sie hatten sich nur geküsst und dennoch spürte Seth unglaubliche Hitze in sich. Dieser Tag fühlte sich wie eine Achterbahnfahrt an. So emotional war er noch nie gewesen und noch nie brachte ein Kerl ihn so aus dem Konzept. „Ich warte hier und wenn meine Jungs dich wieder ärgern, sag ihnen, sie sollen Feierabend machen und sich mal bei Shirotani melden. Sie wissen schon was gemeint ist.“ „Hilft das denn?“ „Wirst du sehen.“, zwinkerte Yasuo. * Es war genauso wie Yasuo es sagte. Kaum sprach Seth diesen Satz zu Ende, waren sie mit voller Begeisterung verschwunden. „Das wird eine Aufregende Zeit. Ich bin gespannt was Yasuo für Geschäfte tätigt und mit welchen Leuten er verkehrt.“ Seth fühlte sich bereit eine neue Welt kennenzulernen. Wie schlimm konnte sie schon sein? Weder Yasuo noch seine Leute machten einen furchteinflößenden Eindruck. Atemu war ein unbeschwertes Kind, trotz der jüngsten Erlebnisse mit Ryuji. Der kleine war viel stärker als man auf dem ersten Blick vermuten würde. Yasuo war ein guter Vater und auch für Seto, bei dem er keinen Unterschied machte. Dies war der wichtigste Aspekt. „Ich werde es versuchen. Was habe ich schon zu verlieren?“ Bisher fühlte Seth nur Trostlosigkeit in seinem Leben und mit Yasuo und Atemu kam endlich Farbe hinein. Zwar hatte er auf der einen Seite Angst eine Falsche Entscheidung getroffen zu haben, aber es fühlte sich dennoch richtig an. Es war Zeit etwas im Leben zu riskieren und vielleicht gefiel es ihm sogar. Solange Seto nichts passierte und immer jemand dabei war der aufpasste, sollte alles in geregelten Bahnen verlaufen. Ihm war schon klar alles durch eine rosarote Brille zu sehen, doch ein einziges Mal wollte Seth etwas unvernünftiges tun. Das Gefühl verliebt zu sein durchströmte seinen Körper und machte ihn einfach nur glücklich. * Masao hatte heute alle Hände voll zu tun, aber am Ende war er stolz auf sich. Besonders Atemu war manchmal schwer zu bändigen in seinem Eifer und zusammen mit Joey, der ebenfalls sehr lebhaft war, musste er mehr aufpassen als sonst. Nun schlief Joey zusammen mit Atemu im Bett, während Seto es sich im Futon gemütlich gemacht hatte. „Jetzt muss ich nur noch meinem Bruder schreiben und kann dann endlich auch ins Bett.“ * Gedankenversunken las Yasuo die Nachricht seines Bruders. „Was meinst du dazu, Seth?“ Eigentlich wollte Seth nach Hause, aber da Yasuo ihm versicherte, das Seto bei Masao und Atemu war, blieb er einfach hier. „Du sorgst dich sehr um den Jungen, das verstehe ich, aber...“ Seth machte eine Pause. „Was willst du tun? Du kannst doch nicht einfach...“ „Ich würde gerne seinen Vater sprechen. Es lässt mir sonst keine Ruhe.“ „Sollten wir uns denn einmischen? Herrn Wheeler ist es bestimmt nicht recht, wenn Wildfremde Leute sich in seine Angelegenheiten mischen.“ Seth wollte ja helfen, doch nach seinen Erfahrungen führte es zu noch mehr Ärger. „In dieser Wohngegend werden Schutzgelder erpresst und wenn man nicht zahlt, kann das übel für einen enden. Joey erzählte mir, das sein Vater ein Spieler ist. Dann wird er auch Schulden haben und wenn er bei den falschen Leuten im Verzug ist, ist nicht nur Herr Wheeler in Schwierigkeiten, sondern auch sein Sohn. Die machen keinen Unterschied zwischen einem Kind und einem Erwachsenen. Die wollen ihr Geld und nehmen keine Rücksicht. Ich kenne diese Leute, Seth. Vertrau mir, wenn ich sage, das der kleine Joey in Schwierigkeiten steckt.“ „Ich vertraue dir, aber hier geht es um einen Jungen, dem es offensichtlich gut geht. Auch wenn sein Vater ein Spieler ist, heißt das noch lange nicht, das er in Schwierigkeiten steckt.“ Yasuo ließ sich in sein Kissen fallen. „Ich werde Herrn Wheeler in den nächsten Tagen einen Besuch abstatten. Vielleicht klärt sich die Angelegenheit schnell auf. Ich habe sonst keine Ruhe. Wenn sie nicht in diesem Viertel leben würden, wäre ich nicht so besorgt.“ „Ich komme mit, aber mein ungutes Gefühl bleibt.“ Seth legte sich neben Yasuo und fuhr nachdenklich mit dem Zeigefinger über die Brust seines Liebsten. „Liebst du mich wirklich so sehr?“ Da brauchte Yasuo nicht lange nachdenken. „Immer wenn ich dich sehe bekomme ich starkes Herzklopfen. Weißt du, ich habe meine Jungs absichtlich zu dir geschickt, weil ich sehen wollte, wie du mit ihnen umgehst.“ Zwar hatte Seth sich das schon gedacht, aber er hatte einen anderen Grund im Sinn. Yasuo schaute seinen Seth verliebt an, dessen blaue Augen wie das Meer strahlten. „Naoto, Keiichi, Kagami und Hotaka sind leicht zu beeinflussen und wenn man strenger mit ihnen wird, gehorchen sie aufs Wort. Wärst du ernsthaft sauer auf sie geworden, wären sie dir nicht hinterhergerannt. Weißt du, einen Clan zu führen bedeutet auch, seine schwächsten Mitglieder zu schützen und niemanden einen Platz an meiner Seite zu geben, der sie am Ende tyrannisiert. Sie bekommen lediglich kleine Aufgaben von mir, die sie ohne große Schwierigkeiten erfüllen können.“ „Du machst so große Unterschiede zwischen deinen Leuten?“ Verwundert runzelte Seth die Stirn. „Das muss ich, denn nicht jeder ist für jede Aufgabe geeignet. Loyalität ist mir am wichtigsten und alles andere kommt danach. Viele andere haben mich dafür verurteilt, aber der Erfolg spricht für sich.“ Seth richtete sich auf und schaute Yasuo tadelnd an. „Eigentlich müsste ich wütend auf dich sein, weil du mir diese vier Nervensägen geschickt hast, aber...“ Seth konnte und wollte es nicht verbergen. „Ich mag sie, obwohl sie mir den letzten Nerv geraubt haben. Ich kann gut verstehen, weshalb du so gut auf sie achtest.“ Yasuo konnte nicht anderes und zog Seth zu sich hinunter. „Ich liebe dich, mein Seth. Ich würde alles für dich tun. Wenn ich morgen entlassen werde, nehme ich dich mit zu meiner Firma und werde dir alles zeigen. Ich werde nichts vor dir verbergen, damit du weißt worauf du dich einlässt.“ Seth musste diesen Satz sacken lassen, denn wenn Yasuo von seiner Firma sprach, was erwartet ihn? * Mit geschlossenen Augen stolperte Atemu aus dem Bett. Den Wecker hätte er am liebsten aus dem Fenster geworfen, denn sein Schrilles Geräusch konnte er noch nie leiden. Warum musste heute Montag sein? Es gab keinen schlimmeren Tag in der Woche. Müde schlurfte er an Masao vorbei und ging ins Bad. „Hoffentlich ertrinkt er nicht unter der Dusche.“, schmunzelte Masao und wollte nach den anderen beiden schauen, die noch tief und fest schliefen. „Wenn ihr noch frühstücken wollt, solltet ihr aufstehen.“ „Es ist so schön gemütlich.“, nuschelte Joey und drehte sich auf die andere Seite. Auch Seto zog sich die Bettdecke über den Kopf. Verwundert zog Masao die Stirn in falten. „Ihr seid alle noch müde? Entweder habt ihr euch zu lange unterhalten, oder ihr werdet krank. Sitzt der Schreck von Yasuo’s Unfall etwa so tief?“ „Quatsch“, brummte Seto unter seiner Decke. „Ich war erst krank! Ein zweites Mal passiert mir das nicht.“ „Überzeugt bin ich nicht. Fünf Minuten habt ihr noch, wenn ihr dann nicht aufsteht, werde ich bei euch Fieber messen.“ Seto stöhnte genervt. „Ich steh ja schon auf. Als wäre ich ein kleines Kind. Dabei hielt ich Masao für lockerer, als Yasuo.“ „Ich bleib noch liegen, bis das Badezimmer frei ist.“, gähnte Joey und kuschelte sich in die dicke Decke. Eine Halbe Stunde später saßen alle am Frühstückstisch und schlürften ihren Kakao. „Kann ich keinen Kaffee bekommen?“, fing Seto an zu maulen. „Von der Plörre werde ich ja nie wach.“ „Abgelehnt! Du hattest die Wahl zwischen Kakao und Tee. Für Kaffee bist du zu jung.“ „Früher hab ich auch immer Kaffee getrunken.“, zischte Seto. Masao zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Es sind neue Zeiten angebrochen und Yasuo wird deinen Kaffeekonsum nicht tolerieren, wie du weißt. Deshalb versuche nicht mit mir zu diskutieren, denn du würdest doch nur verlieren.“ Mit zusammengezogenen Augenbrauen nahm Seto sich gleich zwei Brötchen und nuschelte etwas von, genauso schlimm wie sein Bruder. Masao nahm es gelassen und freute sich alles so gut im Griff zu haben. Es fühlte sich wie früher an, nur das er dieses Mal der Erwachsene war und es viel friedlicher ablief. Zehn Jahre zuvor, saß der zwei jährige Atemu zusammen mit seinem Vater, dem zwölfjährigem Masao und dem acht Jährigen Takumi am Frühstückstisch. „Solange Großvater krank ist, müsst ihr schön brav sein, verstanden?“, bat der 20 jährige Yasuo und versuchte Atemu davon abzuhalten, seinen Brei überall hinzuschmieren. „Was machen wir denn heute?“, wollte Takumi wissen. „Wir machen nachher eine Spaziergang und gehen auf den Spielplatz“ „Schon wieder?“, fing Takumi an zu quengeln. „Das machen wir doch immer. Ich will in den Vergnügungspark.“ „Das geht nicht. Atemu ist erkältet und Opa kann heute nicht auf ihn aufpassen.“ „Ich will aber!“, fing Takumi an wütend zu werden. „Nächstes Wochenende fahren wir dorthin, aber heute gehen wir nur auf den Spielplatz.“, erklärte Yasuo es noch einmal und bekam prompt die wutentbrannte Antwort, indem Takumi beide Fäuste auf dem Tisch schlug. Durch die Erschütterung fiel eine Tasse um und dessen Inhalt verteilte sich auf dem ganzen Tisch. Yasuo sah seinen Bruder tadelnd an. „Ich kann deine Enttäuschung zwar verstehen, aber das ist kein Grund uns allen das Frühstück zu verderben.“ „Mir doch egal, du bist nicht mein Papa!“, wurde Takumi lauter und wütender. Masao zog den Kopf ein und schaute auf seinen Teller, während Atemu gespannt auf das Geschehen schaute. Mit seinen kleinen Fäusten polterte er auf dem Tisch herum, aber erzielte nicht das gewünschte Ergebnis. „Das bin ich wirklich nicht.“, seufzte Yasuo und breitete die Arme aus. „Komm her.“ Takumi haderte mit sich, aber nahm die Einladung am Ende doch an. Traurig kuschelte er sich an seinen großen Bruder. „Warum kann er nicht wieder kommen?“ So oft hatte Yasuo dieses Gespräch schon mit Takumi geführt und wann immer er damit anfing, lag etwas im argen. „Übermorgen ist doch das große Sportfest an eurer Schule. Bist du deswegen so traurig? Weil Papa und Mama nicht hingehen können?“ Takumi nickte unter Tränen. „Ich werde kommen, wie ich es versprochen habe. Wenn es Opa besser geht, wird er auch dabei sein und nicht nur er. Es werden alle da sein und dich und Masao anfeuern.“ „Kommt Akiko auch?“ „Selbstverständlich und auch ihre Familie. So ein wichtiges Ereignis wird keiner von uns verpassen. Naoto hat sich extra eine neue Kamera gekauft, damit er euch filmen kann.“ Takumi schaute seinen Bruder mit großen Augen an. „Dann können wir Mama alles zeigen?“ „Aber ja, wir werden sie hinterher besuchen und ihr alles erzählen.“ Takumi fing an zu strahlen. „Dann mach ich schnell den Tisch sauber, damit wir auf den Spielplatz gehen können.“ Erleichtert lehnte sich Yasuo zurück. Der Wutausbruch war also abgewendet, blieb noch sein anderer Bruder, der mit hängendem Kopf sein Frühstück anstarrte. „Mein Kleiner, was machst du denn für ein Gesicht?“ „Ich will nicht aufs Sportfest. Ich bin nicht gut im Staffellauf und der Hindernislauf liegt mir auch nicht.“ „Du kannst mit uns zusammen zusehen, wenn dir das lieber ist.“ Sein kleiner Bruder hasste es im Mittelpunkt zu stehen und wenn ihn alle anstarrten, bekam er vor Aufregung nichts mehr auf die Reihe. „Dann schimpft aber der Lehrer mit mir.“ „Ich werde dich nicht zwingen und wenn du dich so wohler fühlst...“ „Ich mach ja mit.“, sagte Masao hastig. „Aber erwarte nicht von mir zu gewinnen.“ „Hab ich das je verlangt?“ Masao schüttelte den Kopf. „Ich will auch nicht gewinnen.“ „Wenn mein kleiner Trotzkopf keine Lust hat, ist das vollkommen in Ordnung für mich. Ich weiß wie gut du bist und welche Talente in die Schlummern.“ „Warum machst du das ständig?“, wurde Masao wütend. „Warum erwartest du nichts von mir?“ Damit hatte Yasuo jetzt nicht gerechnet. „Ich erwarte nichts? Lass mich mal überlegen. Du schreibst gute Noten, passt auf deine Brüder auf, wenn ich dich darum bitte und hast neulich sogar einen Freund mit nach Hause gebracht. Du erfüllst alle meine Erwartungen, ohne das ich etwas sagen muss. Damit hilfst du mir viel mehr, als du es dir vorstellen kannst. Du bist ein toller kleiner Bruder, auf den ich sehr stolz bin.“ Gerne dachte Masao an diesen Tag zurück. Er fühlte sich wertgeschätzt und bis heute hielt es an. Er bekam immer wichtigere Aufgaben zugeteilt und nun stand er an dritter Stelle, obwohl er noch so jung war. Schon immer bewunderte er die Geduld seines Bruders und wollte auch so sein wie er. Egal welche Probleme sie in ihrer Kindheit hatten, sie konnten immer zu ihm gehen und fanden gemeinsam eine Lösung. Durch ihn bekam er immer mehr Selbstvertrauen und von dem in sich gekehrten schüchternen Jungen, war heute nichts mehr übrig geblieben. Die Ermordung seines Vaters und den dazugehörigen Verlust hatte er mit der Zeit verkraften können, die der Auslöser für seine Ängste waren. „Ich hab heute keine Lust.“, stöhnte Joey und schlurfte aus der Küche. „Bringen wir es hinter uns.“ Atemu wollte auch lieber hier bleiben und auf seinen Vater warten. Er war so schrecklich neugierig was Seth nun zu dem ganzen sagte und ob sie jetzt ein richtiges Paar waren. Joey plagten ganz andere Sorgen, denn er musste noch schnell nach Hause und seine Schultasche holen. Doch weder Masao, noch Atemu oder Seto sollten es mitkommen. Das Chaos in der Wohnung durfte keiner sehen und deshalb schlich er sich leise hinaus und beeilte sich, damit er noch pünktlich zur Schule kam. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)