Was wäre wenn... von DonnaHayley ================================================================================ Kapitel 19: Liebeskummer ------------------------ Frustriert lehnte Yasuo sich gegen Atemu’s Zimmertür. Eben waren sie nach Hause gekommen und am Horizont ging bereits die Sonne auf. Die ganze Nacht hatten sie im Krankenhaus verbracht, bis sich herausgestellte hatte, das Atemu’s Verletzungen glücklicherweise nicht so schlimm waren, wie es auf den ersten Blick erschien. Dennoch sollte er in der nächsten Zeit zuhause bleiben, bis die Schwellungen abgeklungen und die Hämatome weitestgehend ausgeheilt waren. Bis eben war er die ganze Zeit beschäftigt gewesen und nun konnte er den Schmerz in seiner Brust nicht mehr unterdrücken. Noch im Krankenhaus hatte er Seth eine Nachricht geschrieben, auf die er bis jetzt keine Antwort erhalten hatte. Er hasste nicht was er tat und als seinen Beruf bezeichnete, denn ein schlechter Mensch war er nicht. Doch Seth schien in ihm einen kriminellen zu sehen, der andere Leute für seine Zwecke ausnutze. Was hätte er mit Ryuji denn machen sollen? Ihn noch für seine Tat loben und sagen, hast du gut gemacht? Das konnte er nicht, mit Atemu hatte dieser Mann auch kein Mitleid, als er dermaßen auf ihn einschlug. Wäre er doch früher mit der Sprache raus gerückt, dann hätte Seth die Möglichkeit gehabt über alles in Ruhe nachzudenken. So wurde er mit einer Masse an Informationen überfahren und konnte nur noch flüchten. Yasuo rutschte an der Zimmertür hinunter und schaute auf sein Smartphone. „Melde dich doch.“ * Leise schloss Seth die Tür zu seiner Wohnung auf. Wie leer alles plötzlich wirkte. In der letzten Zeit war er nur hier, um Kleidung zu holen und war sofort wieder zu Yasuo gegangen. An die familiäre Atmosphäre hatte er sich schnell gewöhnt und nun war er wieder zurück in seinem alten Leben. Er fand es vorher schon trostlos und nun war es zusätzlich noch leer. Frustriert ging Seth in das Zimmer seines Sohnes und packte einige Kleidungstücke in eine Tasche. Zwar waren Seto’s Verletzungen nicht schwerwiegend, doch wollte Seth ihn für einige Tage im Krankenhaus behalten. So war er immer in seiner Nähe. Yasuo konnte er schlecht fragen, ob er sich um seinen Jungen kümmern würde. Die Nachricht von Yasuo hatte er zwar gelesen, doch konnte er nicht darauf antworten. Was sollte er auch dazu sagen? Mit solchen Leuten wollte er nichts zu tun haben. Dann war er lieber allein, auch wenn es ihm das Herz zerbrach. Während Seth die Kleidungsstücke ordentlich in die Tasche packte, suchten sich Tränen der Trauer und Frustration ihren Weg. Sein Herz rief die ganze Zeit, das er einen Fehler machte, während sein Kopf ihn zur Vernunft riet. Yasuo hatte sich so tief in sein Herz gegraben, das er nur noch an ihn denken konnte. Wie liebevoll er doch war, so fürsorglich und immer drauf bedacht, das es ihnen gut ging. Selbst Seto hatte er einfach so akzeptiert und ihn wie seinen Sohn behandelt. So einen Menschen würde er nie wieder finden. Ryuji hatte die Schläge verdient, das sah Seth genau wie Yasuo. Brutal war er auf den kleinen Atemu, der sich nicht wehren konnte, losgegangen, was er einfach nur für feige hielt. Was sollte Seth tun? Zurückgehen und so tun als wäre nie etwas passiert? Was wenn Seto wieder in solche Angelegenheiten hineingezogen werden würde und es nicht so glimpflich ausginge? Seto zu verlieren, nur weil er unbedingt mit Yasuo zusammen sein wollte, könnte er sich nie verzeihen. Sein Kind ging vor und er durfte nicht an sich denken. * Betrübt schlurfte Atemu in die Küche. Gestern schlief er den ganzen Tag durch und nun quälte ihn der Hunger. Anders als sonst stand sein Vater nicht am Herd, sondern saß am Küchentisch und hatte den Kopf auf die Tischplatte gelegt. „Papa?“ Sofort hob Yasuo den Kopf. „Wie schön das du wach bist. Möchtest du etwas essen?“ „Gerne!“ Traurig ging er auf seinen Vater zu. „Kommt Seth wirklich nicht zurück?“ Als Yasuo den Kopf schüttelte, konnte Atemu seine Tränen nicht mehr zurückhalten und fing bitterlich an zu weinen. Yasuo hätte ihm gerne gesagt, sei nicht traurig, das wird schon wieder. Doch er konnte sagen was er wollte, es würde nichts ändern. Stattdessen schloss er seinen Sohn in die Arme und versuchte ihn so zu trösten. „Hast du versucht ihn anzurufen?“, wollte Atemu wissen. „Ja, aber er geht nicht an sein Telefon. Drei Nachrichten habe ich ihm schon geschrieben, auf die hat er nicht reagiert. Vielleicht braucht er ein paar Tage Zeit, um über die ganze Sache nachzudenken. Wir sollten abwarten und geduldig sein.“ Atemu kuschelte sich an seinen Vater. Er vermisste nicht nur Seth, sondern auch Seto. Eine Woche zog ins Land, in der zwischen Seth und Yasuo Funkstille herrschte. Heute ging Atemu wieder zur Schule und sah Seto endlich wieder, der sofort auf ihn zulief. „Bist du wieder gesund?“ „So gut wie, nur die blauen Flecke werden noch eine ganze Weile zu sehen sein.“ „Bei mir war es kaum der Rede wert, trotzdem musste ich für vier Tage im Krankenhaus bleiben.“ Seto senkte den Kopf. „Zuhause ist es so still.“ „Bei uns auch. Hast du versucht mit deinem Vater zu reden?“ Seto schüttelte den Kopf. „Ich hatte gehofft, das er von selbst auf Yasuo zugeht, aber er vergräbt sich lieber in seine Arbeit.“ „Bist du denn der gleichen Meinung wie Seth?“ „Wie kommst du darauf? Ich mag Yasuo und es ist mir egal was er macht um Geld zu verdienen.“ Warum konnte der große Kaiba nicht auch so vernünftig sein wie Seto? „Was sollen wir denn jetzt machen?“, wollte Atemu wissen, in der Hoffnung, das Seto eine Idee parat hatte. „Abwarten! Wir haben eh keinen Einfluss darauf, was die Erwachsenen machen.“ „Wie ekelhaft erwachsen du klingst.“, wetterte Atemu drauf los. „Wir sollten etwas unternehmen und nicht einfach nur zusehen!“ Seto schüttelte verständnislos den Kopf. „Wenn du eine Idee hast, lass es mich wissen. Ansonsten können wir nur abwarten.“ „Ich werde garantiert nicht abwarten. Mir wird schon etwas einfallen. Du wirst sehen.“ * Wie ein Zombie wandelte Yasuo durch die Wohnung und kramte sich aus dem Küchenschrank eine Packung Kekse. Damit ging er zurück ins Wohnzimmer, legte sich auf die Couch und kuschelte sich an den Eisbären, den er sich vorhin gekauft hatte. Mit einem schwarzen Edding hatte er den Namen Seth auf die Stirn des Bären geschrieben. Es machte ihn total fertig nichts von Seth zu hören. Kein Lebenszeichen gab dieser von sich, obwohl Yasuo so oft versuchte anzurufen. Er stand sogar einmal vor dem Krankenhaus, aber traute sich nicht hinein. Wer wusste schon was Seth den anderen Ärzten über ihn erzählt hatte. Die hatten schließlich die Spritzen und noch andere Werkzeuge des Teufels. Der Nachrichtenton seines Handys ließ Yasuo aufspringen und zu seinem Smartphone hechten. Enttäuscht warf er es achtlos auf den Boden und kuschelte wieder mit dem Eisbären. Es war nur seine Schwester, die wissen wollte, wie es ihm ging. Blöde Frage, es ging ihm natürlich miserabel. Er fühlte sich todkrank und nachdem er vorhin die Treppe heruntergerasselt war, ging es ihm sogar noch schlechter. Eine dicke Beule an seinem Kopf und ein leicht geschwollener Knöchel waren die Folgen des Sturzes. Nie war Seth da, wenn man ihn brauchte. Wenigsten eine kurze Nachricht könnte er schreiben, aber nein, der werte Herr ignorierte ihn und ließ ihn hier schwer verletzt liegen. Wenn er jetzt sterben würde, wäre das ganz allein Seth’s Schuld. * Lustlos stocherte Seth in seinem Mittagessen herum. Die Hoffnung, das Yasuo um die Ecke kam, hatte er längst begraben. Schließlich war er es, der die Anrufe ignorierte. Immer wieder las er die Nachrichten, die Yasuo die letzten Tage schrieben hatte. ~Hier ist Yasuo. Melde dich bitte bei mir. Ich möchte mit dir reden.~ ~Ich bin’s nochmal. Ich halte es ohne dich nicht aus und auch Atemu vermisst dich. Komm doch mit Seto her und wir besprechen alles.~ ~Biiiiittteeeeeeeeeee ruf doch zurück, oder nimm wenigstens meine Anrufe entgegen.~ Von diesen Nachrichten hatte Seth unzählige auf seinem Nachrichtenspeicher und langsam fing seine Selbstbeherrschung an zu bröckeln. Noch nie hatte Jemand hinter ihm her gebettelt. Yasuo machte es ihm wirklich nicht leicht ihn zu hassen und er war kurz davor ihn anzurufen. „Schon wieder ganz alleine!“, stand Hisagi plötzlich vor ihm und stemmt die Hände in die Hüften. „Haben Sie Ihren Freund etwa vergrault? Das ging ja schneller als ich erwartet hatte.“ „Lassen Sie mich in Ruhe und nur damit das klar ist, ich habe mit ihm Schluss gemacht.“ Missgestimmt stocherte Seth weiter in seinem Essen herum. Der Fraß schmeckte kein bisschen und es war kein Vergleich zu Yasuo’s Essen. „Warum das denn?“, wunderte sich Hisagi. „Der war doch bis über beide Ohren in Sie verknallt und so einen servieren sie ab? Ich hätte Sie für klüger gehalten.“ „Das hat gute Gründe.“, wurde Seth sauer. Hisagi setze sich dreist an Seth’s Tisch und verschränkte die Arme vor der Brust. „Dafür das Sie mit ihm Schluss gemacht haben, sehen Sie sehr nach Liebeskummer aus. Was hat er denn angestellt? War er nicht gut im Bett?“ „So ein Blödsinn.“, brummte Seth. „Er ist halt nicht der Mensch, für den ich ihn gehalten habe.“ Hisagi lachte laut auf. „Das reicht schon als Grund? Wir alle haben auch unangenehme Seiten an uns. Da tut sich keiner was.“ Unangenehmes Schweigen breitete sich aus, welches ganz besonders Seth störte. „War’s das dann? Ich würde gerne ohne Gesellschaft essen.“ Hier durfte man nicht einmal in Ruhe in Selbstmitleid versinken, ohne gestört zu werden. Am besten wäre es, wenn er sich in deinem Büro einschließen würde. Dort hatte er wenigsten seine Ruhe vor den ganzen Schaulustigen und Besserwissern. * Schlecht gelaunt schlurfte Seto neben Atemu her. „So schlimm ist es nicht. Das kann jedem passieren.“, versuchte Atemu ihm gut zuzusprechen. „Ich habe so viel zu viele Tage gefehlt und nun bekomme ich die Quittung dafür.“, regte Seto sich seit der dritten Stunde über seine drei in der Geographiearbeit auf. „Mein Notendurchschnitt ist ruiniert.“ „Du kannst das bestimmt wieder ausgleichen. Wir können zusammen lernen und...“ „Was soll das bringen? Die drei habe ich bereits! Ich habe viel zu wenig gelernt und mich zu sehr gehen lassen.“ „Du warst auch eine Woche krank im Bett und kurz danach im Krankenhaus. Ist doch klar, das du da nicht viel lernen konntest.“ Seto ließ den Kopf hängen. „Ich war faul. Da gibt es nichts schön zu reden.“ Atemu gab es auf. Bei so viel Engstirnigkeit fielen ihm keine Argumente mehr ein. „Kommst du trotzdem mit zu mir?“ „Ja, ich möchte Yasuo wieder sehen.“ „Hat Seth denn nichts dagegen?“ Seto winkte ab. „Selbst wenn, ich würde es mir nicht verbieten lassen.“ Joey, der nur stumm zuhörte, hatte sich dazu entschlossen, die Zwei zu begleiten. Auf ihn wartete sowieso keiner und Atemu hatte sich riesig über diese Bitte gefreut. „Ich muss euch aber warnen.“, begann Atemu. „Mein Vater ist gar nicht gut drauf und benimmt sich anders als sonst.“ Während Joey sich unbemerkt auf die Unterlippe biss, versuchte Seto sich vorzustellen, wie Yasuo unter Liebeskummer litt. „Backt er Kekse?“ Atemu schüttelte den Kopf. „Es ist viel schlimmer. Seht es euch am besten selbst an.“ Nach zehn Minuten Fußmarsch schloss Atemu die Wohnungstür auf und streifte seine Schuhe ab. Auch Seto und Joey zogen sich ihre Jacken und Schuhe aus und legten ihre Schultaschen ab. Mit Teller großen Augen schaute Joey zu Yasuo, der mit einem Eisbären im Arm auf der Couch saß und sich eine Serie anschaute. Zugegeben, er hatte etwas anderes erwartet, aber keinen Erwachsenen, der kurz davor war zu weinen. „Guten Tag, Herr Katsuro!“ Träge schaute Yasuo zu Joey, Seto und Atemu. „Hallo Jungs, ihr habt nicht zufällig Seth dabei?“ Alle drei schüttelten den Kopf. „Wäre auch zu schön gewesen.“ Seto schaute schmunzelnd auf das Stofftier, auf dem der Name seines Vaters drauf stand. Es war schön zu sehen, wie verliebt dieser Mann in seinen Vater war und das er es nicht nur vorspielte. Auch er wünschte sich, das alles wie vorher wurde. Eben eine richtige Familie. „Habt ihr Hunger?“, wollte Yasuo wissen? „Ja!“, sagte Joey und bemerkte das die anderen Beiden die Köpfe schüttelten. Beschämt senkte er den Kopf. „Hab schon verstanden.“, lächelte Yasuo. „Hast du einen besonderen Wunsch? Ich muss vorher nur einkaufen gehen.“ „Nein, ich esse alles.“ Yasuo stand auf und streckte sich. Die Ablenkung kam gerade recht. „Wollt ihr mich begleiten?“ Wieder war es Joey, der zuerst antwortete. „Sehr gerne.“ Eine halbe Stunde später schlenderten die Vier durch den Supermarkt. Während Atemu sich alles einpackte worauf er Hunger hatte, beriet Seto sich mit Yasuo ums Mittagessen. Joey hielt sich im Hintergrund und lief lediglich hinterher. „Wie wäre es mit Hühnchen, Reis und Ei? Oder Eintopf?“, schlug Seto vor. „Und zum Nachtisch Cupcakes.“, rief Atemu, als er sich drei Joghurts aus dem Kühlregal nahm. „Einverstanden, ihr kleinen Raubtiere.“ Yasuo schaute zu Joey rüber, der im Gegensatz zum letzten Mal auffallend still war. „Ist alles in Ordnung bei dir? Du wirst hoffentlich nicht krank?“ „Nein, alles okay.“ „Wie alt bist du eigentlich?“, versuchte Yasuo ein Gespräch anzufangen. Seto und Atemu schienen Kriegsrat über eine bestimmte Eissorte zu halten. „Ich bin 13.“ „Atemu hat mir erzählt, das du nebenbei arbeitest. Wer stellt dich in diesem Alter denn ein?“ Joey haderte zunächst. „Es sind keine schweren Arbeiten. Meistens erledige ich etwas für Nachbarn, oder wasche Geschirr in kleinen Restaurants ab.“ „Arbeitet dein Vater nicht?“, wurde Yasuo neugieriger. „Doch, aber er verspielt sein Geld ständig.“ „Ein Spieler also! Dann ist er nicht oft zuhause?“ „Das ist unterschiedlich. Er geht dann immer sofort ins Bett, wenn er Heim kommt und am Abend verlässt er die Wohnung wieder. Ich sehe ihn immer nur kurz.“ Yasuo riss sich zusammen, um nicht wütend zu werden. „Dann bist du bestimmt sehr einsam, so ohne deinen Vater.“ Joey nickte geknickt. „Leider interessiert er sich nicht mehr für mich.“ „Wo wohnt ihr denn?“ „In Arai, über einem kleinen Imbiss.“ Yasuo blieb stehen und schaute zu Atemu, der sich offenbar mit Seto geeinigt hatte. Deshalb war er also in Arai, wegen Joey. `Warum spricht er nicht mit mir?´ Yasuo versuchte ein freundliches Gesicht zu machen. Joey war nur ein Stückchen größer als Atemu, aber kleiner als Seto und sie hatten fast ein Alter. So wollte Yasuo es nicht stehen lassen und beschloss mit Herrn Wheeler zu sprechen. „Später bringe ich dich nach Hause, wenn das okay für dich ist.“ Joey’s Augen leuchteten vor Freude. „Vielen Dank!“ Langsam wurde Joey entspannter und fing an über alles möglich zu erzählen. Über seine Hobbys, was er gerne aß, eben alles was durch seinen Kopf ging. „Wir sind fertig.“, lächelte Atemu und schaute zufrieden in den vollen Einkaufswagen. „Brauchen wir das wirklich alles?“ Die Berge an Süßspeisen waren nicht zu übersehen. „Natürlich, Joey ist schließlich auch noch da und Seth wird bestimmt auch zu dir zurückkommen. Da will man gut vorbereitet sein.“ Atemu hatte bereits einen Plan. „Wäre schön wenn du recht behältst.“ Am liebsten hätte Yasuo sich wieder an seinen Eisbären gekuschelt, aber jetzt musste er sich zusammenreißen. „Wir machen einen Deal. Du tauschst die Hälfte der Süßigkeiten gegen Obst aus, dafür könnt ihr den Rest unter euch aufteilen.“ „Wenn wir alles durch drei Teilen, bleibt ja nicht mehr viel übrig.“, schmollte Atemu. So leicht gab Yasuo nicht auf. „Dann sucht sich jeder von euch das aus, was er am liebsten mag und der Rest geht zurück ins Regal.“ „Dann gibt es nur ein Teil für jeden?“, empörte sich Atemu beleidigt. „Dann nehmen wir den ersten Vorschlag?“, wollte Yasuo wissen. „Ja.“, brummte Atemu. „Der ist wenigstens etwas besser.“ „Warum nicht gleich so.“ Ein bisschen fühlte Yasuo sich in die Vergangenheit versetzt, als er die Drei beobachtete, die darüber diskutierten, wer was bekam. Lange war er nicht mehr mit drei Kindern unterwegs gewesen und schon damals gab es diese Diskussionen. Nur waren sie jünger und deshalb auch quengeliger. Besonders Takumi wurde schnell wütend, wenn er seinen Willen nicht bekam und Masao fing schnell an zu weinen, was wiederum Atemu dazu animierte mit zu weinen. Das war eine schwere, aber auch schöne Zeit. ~*~Rückblende Anfang: 12 Jahre zuvor~*~ Seit geschlagenen zehn Minuten hörte Yasuo sich Takumi’s Gequengel an, der unbedingt ein kleines Plastikflugzeug haben wollte. Dabei sollte dies hier ein ruhiger Einkauf werden. Masao lief hinter seinen Brüdern her und schaute immer wieder zu den Süßigkeiten. „Ich will es aber haben!“, wurde Takumi energischer und hielt das kleine Flugzeug fest in beiden Händen. „Wir haben genügend Spielsachen Zuhause. Ich weiß schon nicht mehr wohin damit.“, blieb der 18 Jährige Yasuo streng. Leider war Súma vor ein paar Tagen krank geworden und so kümmerte er sich für diese Zeit alleine um die Drei. Seinen wenige Monate alten Sohn, der ihm gerade den Pullover vollsabberte, trug er in einem Tragetuch vor der Brust. Müde warf Yasuo alles in den Einkaufswagen, egal ob er es brauchte oder nicht. Hauptsache sie konnten diesen Einkauf schnell beenden. Ein bisschen Schlaf wäre nicht schlecht, denn Atemu hielt ihn zusammen mit Masao und Takumi ordentlich auf Trab und sie gönnten ihm keine Pause. „Du sollst es mir kaufen!“, fing Takumi an zu schreien und erregte die Aufmerksamkeit der anderen Kunden. „Ich habe nein gesagt und dabei bleibt es. Pack es wieder zurück.“ „Mach ich nicht, ich nehme es mit und du kannst nichts dagegen tun.“, stampfte Takumi mit dem Fuß auf. Yasuo hatte keine Lust mehr auf diese Diskussion und nahm seinem kleinen Bruder das Flugzeug einfach weg. „Nein bleibt nein und außerdem bist du zu alt um dich so aufzuführen. Schämst du dich nicht?“ „Gib es wieder her.“, wurde Takumi wütend und bekam ein ganz rotes Gesicht. „Kann ich das haben?“, kam nun auch Masao an und hielt eine Tüte Chips in den Händen. „Wir haben genug Daheim, leg sie wieder weg.“ Frustriert schmiss Masao sich auf den Boden und fing bitterlich an zu weinen. Takumi brüllte und tobte vor Wut, weil er unbedingt seinen Willen durchsetzen wollte. Ratlos beobachtete Atemu die Beiden, spuckte seinen Schnuller aus und fing auch an zu weinen. Was die Zwei konnten, konnte er schon lange und noch viel besser. „Das ist nicht euer Ernst!“, ließ Yasuo den Kopf hängen. Die Leute beobachteten das Schauspiel teils belustigt und teils kopfschüttelnd. Yasuo tat das einzig Sinnvolle, was ihm dazu einfiel. Er setzte sich im Schneidersitz auf den Boden und wartete. Irgendwann würden sie sicher die Lust verlieren, oder müde werden. „Gibt es heute etwas gutes im Fernsehen?“ Er nahm sich die Fernsehzeitschrift aus dem Einkaufswagen und blätterte darin herum. Die anderen Kunden beachtete er nicht. Immer wieder gähnte er und sah das ganze positiv. Jetzt konnte er sich ausruhen und sogar noch lesen. Takumi war der erste der bemerkte, das sein großer Bruder keine Notiz von ihnen nahm. „Warum guckst du nicht?“ „Ist mir zu anstrengend.“, murmelte Yasuo unverständlich. Auch Masao und Atemu hörten auf. In Masao wuchs Panik, war sein Bruder etwa traurig? Das durfte nicht sein. Zwar fing er wieder an zu weinen, aber nicht weil er bockig, sondern weil er nicht wollte, das Yasuo unglücklich war. Vollkommen aufgelöst warf er sich in Yasuo’s Arme. Takumi stand etwas verloren herum und kam sich nun dumm vor. Das Flugzeug wurde ihm egal und kuschelte sich lieber zu seinen Brüdern. „Gruppenzwang“, schmunzelte Yasuo. „Wollen wir dann nach Hause gehen? Opa wartet auf uns.“ Die Zwei nickten. „Trägst du mich?“, wollte Takumi wissen. „Du bist doch ein großer Junge und...“ „Wenn Takumi getragen wird, will ich auch!“, fing Masao wieder an zu quengeln. Yasuo ließ den Kopf hängen. Auf zu Runde zwei. ~*~Rückblende Ende~*~ Am späten Nachmittag brachte Yasuo zuerst Seto und dann Joey nach Hause. Leider war Seth noch nicht daheim, dabei hätte er ihn so gerne gesprochen. Vielleicht ergab sich morgen eine Gelegenheit. Im Moment war er in Gedanken bei Joey, der ihm die Richtung zeigte. „Nur noch ein Stück geradeaus fahren, dann sind wir da.“ „Wohnt ihr schon lange in dieser Gegend?“ „Ja, seit meinem achten Lebensjahr.“, erinnerte sich Joey zurück. „Was ist mit deiner Mutter?“ „Sie ist Tod. Sie war mit meiner kleinen Schwester unterwegs, als beide von einem Auto überfahren wurden. Wir hatten nie viel Geld und als mein Vater dann alleine mit mir war, mussten wir in diese Gegend ziehen. Leider hat Papa Mamas Tod nie überwunden und hat irgendwann angefangen zu spielen und zu trinken.“ Yasuo wollte dazu nichts sagen. Zwar fand er es wirklich tragisch, was passiert war, aber wie konnte man nur sein Kind, welches ebenfalls diesen schweren Verlust verkraften musste, dermaßen im Stich lassen? Er parkte sein Auto am Straßenrand und stieg aus. „Ich begleite dich noch. Ich möchte mit deinem Vater sprechen.“ Joey nickte unsicher. „Er schläft immer um diese Zeit.“ „Das macht nichts, ich wecke ihn einfach auf.“ Yasuo sah sich genau um, als sie die Treppe nach oben gingen. In diesem Stadtteil hatte sich nichts verändert. Es war noch genauso herunterkommen und schmutzig, wie früher. Er betrat nach Joey die kleine dunkle Wohnung. Schwer seufzend schaute er sich um. Es sah nicht annähend so schlimm aus, wie er befürchtet hatte. Es war weitestgehend alles sauber und ordentlich. „Sorgst du hier für den Haushalt?“ Stolz nickte Joey. „Ich putze jeden Tag.“ Zwar fand Yasuo es gut, wenn die Kinder sich am Haushalt beteiligten, aber sie sollten nicht alles alleine tun, während der werte Herr Vater auf der faulen Haut lag. „Wie läuft es mit deinen Hausaufgaben?“ Betreten schaute Joey zu Boden. „Das meiste verstehe ich nicht und deshalb mache ich sie meistens auch nicht.“ Die Frage ob Herr Wheeler seinem Sohn half, war überflüssig. „Ist dort das Schlafzimmer deines Vaters?“ „Ja, aber Papa wird nicht sehr erfreut sein, wenn er auf einmal von einem Fremden geweckt wird.“ „Das macht nichts.“ Dreist ging Yasuo ins Schlafzimmer und seufzte hörbar, denn das Bett war leer „Scheinbar ist er schon unterwegs.“ „Das ist ungewöhnlich.“, wunderte sich Joey. Yasuo wollte Joey nur ungern hier alleine lassen, aber er war nun mal nicht sein Vater. Auch Seto ging ihm nicht aus dem Kopf. Er merkte, wie er seine Nähe suchte und auch bei Joey schien das so zu sein. „Soll ich noch bleiben?“ Joey’s Herz machte einen kleinen Hüpfer. „Dann kann ich Ihnen meine Duel Monster Karten zeigen. Atemu hat gesagt, das Sie ein starker Gegner sind.“ „Dann lass uns eine Runde spielen.“ Zwar lächelte Yasuo, aber sein Herz wog schwer, als er sah, wie Joey aus dem Zimmer rannte. Besorgt ging er hinterher. Der kleine Joey kannte ihn kaum und trotzdem war er so vertrauensselig. Bei einem Fremden konnte das böse nach hinten losgehen. Im Wohnzimmer holte Joey einen alten Schuhkarton aus seinem Geheimversteck, in dem er seine Karten aufbewahrte. Yasuo setze sich aufs Sofa und ließ sich die Schätze zeigen, welche Joey im laufe der Jahre zusammengetragen hatte. „Diese Karte hat mir Mama geschenkt und sie ist meine wertvollste und stärkste Karte. Der schwarze Rotaugendrache.“ Aufmerksam hörte Yasuo zu, während Joey über die vielen Duelle erzählte, die er sich in der Schulpause mit seinen Freunden lieferte. Redete über seine Mutter, seine Schwester und was für einen tollen Vater er früher hatte. „Früher hat Papa mit mir gespielt und er war echt stark. Ich habe nur selten gegen ihn gewonnen.“ „Ihr scheint euch gut verstanden zu haben.“, stellte Yasuo fest. „Es ist erst vor zwei Jahren so schlimm geworden. Ich vermisse ihn, aber ich bin ihm egal geworden.“ „Vielleicht braucht dein Vater nur Hilfe, damit er wieder in geregelte Bahnen kommt.“ Joey konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, das sein Vater sich noch änderte. „Wollen wir uns duellieren?“ * Erst spät kam Yasuo nach Hause. Joey wollte ihn nicht gehen lassen und hatte immer wieder neue Gesprächsthemen gesucht. Es war deutlich, wie einsam der Junge war. „Wie war es bei Joey?“ Neugierig schaute Atemu hoch, in das Gesicht seines Vaters. „Er schläft, ich durfte nicht gehen.“ Glücklich umarmte Atemu seinen Vater. „Danke, dass du das gemacht hast.“ Ohne seinen Vater konnte Atemu sich sein Leben nicht vorstellen. Vermutlich wäre er genauso einsam, wie Joey. Vielleicht gab es eine Möglichkeit ihm zu helfen, doch zuerst musste er Seth zurückholen. Sein Plan war narrensicher und da konnte nichts schief gehen. In seiner kindlichen Naivität stellte Atemu sich das ganze ganz einfach vor und vielleicht war es das ja auch. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)