Logbuch (Early Draft) von -Kiara ================================================================================ Kapitel 1: Freizeitpark-Pirat ----------------------------- „Sag mal, wie hast du es eigentlich alleine mitten auf die Grand Line geschafft?“, holte der Vize-Kapitän die junge Möchtegern-Schriftstellerin aus ihrer Trance raus. Gemächlich setzte er sich auf das kleine Fass, welches als Hocker diente, und zündete sich eine Zigarette an. Die Angesprochene blickte auf um den Vize-Kapitän mit einem besonnenen Lächeln zu begegnen. „Ich bin einfach drauf los. Den kleinen Kahn konnte ich locker alleine steuern.“ Das Schiff war winzig, alt und marode gewesen. Für ein paar hundert Goldstücke hatte sie dem alten Käpt’n Dread die olle Schaluppe abgekauft. Eigentlich war es ein Wunder, dass es nicht schon im Hafenbecken abgesoffen war. „Von dem Punkt wo wir dich aufgelesen haben war jegliches Land mindestens sieben Seetage entfernt“, informierte er sie zweifelnd. Kiara stutzte. „So lange bin ich doch noch gar nicht unterwegs.“ „Klingt als seist du vom Himmel gefallen“, kommentierte der Kapitän belustigt, welcher sich nun ebenfalls zu ihnen an den runden Tisch gesellte. Er stellte seine Flasche Bier ab und stützte sich auf den Arm um die Schiffbrüchige eingehender zu betrachten. „Du hast uns gestern so tolle Geschichten erzählt, aber noch nichts von dir. Wie heißt du und woher kommst du?“ Es stimmte. Sie hatte noch nicht viel von sich Preis gegeben. Dass sie zur abendlichen Unterhaltung lieber die Geschichten von den Abenteuern ihres Vaters zum Besten gab, als ihre eigenen lag daran, dass sie selbst bis jetzt kaum nennenswertes erlebt hatte. Dass sie bis jetzt völlig vergessen hatte sich vorzustellen war ihr nun allerdings ein wenig peinlich. „Oh, ähm. Ich bin Kiara. Freut mich und danke nochmal für die Rettung“, kam es daher wie aus der Pistole geschossen. Hölzern streckte sie die Hand aus, um die des rothaarigen Kapitäns zu schütteln. „Kiara also. Freut mich deine Bekanntschaft zu machen. Du kannst mich Shanks nennen“, stellte der Piratenkapitän sich nun ebenfalls vor und drückte ihre Hand ein wenig ungeübt. „Und das ist Ben Beckman.“ Ein Nicken vom Vize. „Geboren wurde ich auf Mêlée Island“, verkündete Kiara wahrheitsgetreu. „Meine Eltern und ich haben immer mal wieder die Insel gewechselt, aber im Grunde ist das meine Heimat.“ Der Käpt’n rieb sich den angedeuteten Kinnbart. „Mêlee? Noch nie davon gehört.“ Kiara hob unbehelligt die Schultern. „Fünf Tage von hier entfernt.“ Der Vize und sein rothaariger Kapitän warfen sich argwöhnische Blicke zu. „Könntest du uns auf einer Karte zeigen, wo deine Insel liegen soll?“, fragte der Vize langsam. „Klar.“ Als die Karte vor ihr ausgebreitet da lag, begann Kiaras eben noch versprühtes Selbstbewusstsein rapide zu schwinden. Sie kannte doch ihr Insel-Areal. Doch weder von der Stelle, wo sie aufgesammelt wurde, noch sonst irgendwo konnte sie ihre Heimat finden. Zwei Münzen dienten als Wegpunkte. Eine an ihrem Fundort und eine an ihrer derzeitigen Position. Wo Kiara die Münzen so betrachtete, wirkten sie seltsam fremd. Prägung und Größe unterschieden sich komplett zu den Goldstücken, die sie kannte. „Also, ich bin Richtung Süden gesegelt. Das bedeutet, wenn wir von diesem Ort ausgehen…“ Sie fuhr mit dem Finger von der Fund-Münze gen Norden. Nichts. Weit und breit keine Insel in der Nähe. „Sagen wir drei oder vier Tage…“ „Dann landest du im Calm Belt“, unterbrach der Vize. „Im was?“, fragte Kiara irritiert. „Die Grand Line wird von zwei Meereszonen umgeben, die sich Calm Belt nennen. Da weht kein Wind. Selbst wenn deine Insel dort liegt, mit Segeln kommst du nicht weit und wegen der Seekönige wärst du schon viel früher drauf gegangen.“ Kiara starrte die Karte angestrengt an, als müsse sie nur lange genug hinsehen, damit ihre Heimat auftauchte. Auch die anderen Ecken der Karte suchte sie ab. Keine Namen, keine bekannten Formen. Das konnte doch nicht stimmen. „Aber… hier muss irgendwo eine ganze Inselgruppe sein. Mêlée, Booty, Plunder… Hier fehlen einfach über zehn Inseln.“ Der Kapitän schüttelte langsam und beinahe mitleidig den Kopf. „Noch nie davon gehört“, wiederholte er. „Ich würde euch ja eine Karte zeigen, aber…“ Sie seufzte. Die lag irgendwo auf dem Meeresgrund. „Na, halb so wild. Jetzt bist du hier und das ist die Hauptsache“, verkündete der Käpt’n aufmunternd. „Hattest du ein bestimmtes Ziel?“, erkundigte sich der Vize. „Nee, nur wohin der Wind mich treibt.“ „Das wäre ja fast ein Fall für berühmte letzte Worte gewesen“, lachte der Kapitän. „Aber bist du nicht ein bisschen zu jung um alleine auf Reisen zu gehen?“ „Hey, ich bin Zwanzig und immerhin schon seit ein paar Jahren auf See.“, empörte sich Kiara. „Echt? Zwanzig? Ich hätte dich auf Vierzehn geschätzt, aber dieser Mantel macht dich auch lächerlich klein und … flach.“ Der Käpt’n prustete hinter seiner hervorgehaltenen Hand. Mürrisch zupfte Kiara ihren blauen Armeemantel zurecht. Sie hatte schon länger überlegt, ihn anpassen zu lassen, da er zwei oder drei Nummern zu groß für sie war. Als sie ihn bekam, hatte sie gehofft noch ein bisschen reinzuwachsen. Aber da tat sich seit langer Zeit nichts mehr. „Aber er ist nicht schlecht, wenn man Pirat spielen möchte.“ Das amüsierte Grinsen des Kapitäns zog sich weiter in die Breite. „Ich bin ein Pirat“, erwiderte Kiara trocken. „Mit Zertifikat.“ Der Kapitän versuchte sie ernst anzuschauen, brach dann aber binnen weniger Sekunden in schallendes Gelächter aus. Kiara presste die Lippen zusammen. Sie wusste nicht, ob sie sich noch mehr entrüsten oder beleidigt verziehen wollte. „Deine Geschichten waren ja ganz unterhaltsam, aber das echte Piratenleben spielt nicht so“, erklärte der Vize so ruhig er konnte, auch wenn seine Mundwinkel bereits minimal nach oben zuckten. „Wieso? Seeschlachten, Schwertkämpfe, Beute abstauben – was soll daran so anders sein?“ Kiara legte die Stirn in Falten. Die beiden wollten sie doch nur an der Nase herumführen. Der Käpt’n schlug währenddessen erheitert und immer noch lachend mit der Hand auf die Tischplatte. „Dieses Beleidigungsfechten, von dem du sprachst…“, brach der Vize an. Beiläufig schnippte er die restliche Kippe über Bord. „Ja. Man fechtet und man wirft sich gegenseitig Sprüche an den Kopf. Wer die besseren Konter hat und den Gegenüber damit aus dem Takt bringt und entwaffnet hat gewonnen und kriegt seine Beute“, erklärte Kiara sachlich. Was sollte daran bitteschön komisch sein? Der Vize hob kritisch eine Augenbraue. „Welcher Mann lässt sich einfach seine Schätze nehmen und akzeptiert das?“ „So sind halt die Spielregeln. Es gibt doch einen Piraten-Kodex, oder?“ „Ja schon in gewisser Hinsicht, aber…“ „Spielregeln passt doch“, unterbrach der Kapitän seinen Vize und wischte sich eine angedeutete Lachträne aus dem Auge. „Klar wäre es schön, wenn alles immer so komplett gewaltfrei ablaufen würde, aber das klingt mir doch sehr nach Freizeitpark-Piraterie.“ „Bei uns klappt es halt so“, beschwichtigte Kiara und verschränkte missmutig die Arme. „Was ist mit Kopfgeldern? Als Pirat bist du doch bestimmt etwas wert“, feixte der Rothaarige. „Also Gesucht-Plakate haben wir schon, aber eher selten“, überlegte die Angesprochene. „Kein Dead Or Alive? Gesucht für Zehnmillionen Berry?“ „Huh? N-nein, eher so… Gesucht wegen vorsätzlicher Beschädigung eines Holzbeines und Überziehung der Leihfrist eines Buches.“ Kiara geriet ins Stocken. Das klang wirklich nicht sehr gefährlich, geschweige denn nach etwas, wofür man tot ausgeliefert werden sollte. Und dann auch noch für Zehnmillionen was-auch-immer. „Anfertigung und Benutzung einer Voodoopuppe?“, setzte sie nun noch unsicher hinterher. „Kein Morden, Plündern und Brandschatzen?“ Kiara schüttelte kleinlaut den Kopf. „Du bist wirklich ein Freizeitpark-Pirat“, gröhlte der Kapitän dieses Mal laut auf. Nachdem er sich von seinem nächsten Lachanfall beruhigt und er tief durchgeatmet hatte, unterbreitete der Rothaarige ihr einen Vorschlag. „Wir setzen dich auf der nächsten Insel ab und dann versuchst du dich am besten von Ärger fern zu halten.“ Das war anfangs zwar ihr Plan gewesen, aber nun kamen ihr Zweifel. „Wie komme ich nach Hause, wenn es angeblich nicht existiert?“ Der Käpt’n zuckte mit den Schultern. „Tja, das ist dann wohl Pech, würde ich sagen. Aber immer noch besser als tot zu sein.“ „Und wenn ich deiner Mannschaft beitrete?“, platzte Kiara hervor. „Vielleicht könnten wir die Tri-Islands mit meiner Hilfe finden und du bist damit der erste, der sie nach langer Zeit wiederentdeckt?“ Der Rothaarige beugte sich verhängnisvoll zu ihr. „Es ist hier draußen gefährlicher als du dir vorstellen kannst“, warnte er. Kiara waren die drei Narben über dem Auge des Kapitäns nicht zum ersten Mal aufgefallen. Jetzt kamen sie ihr noch ehrfürchtiger vor. Auch bemerkte sie, dass der Rothaarige stets nur seinen rechten Arm nutzte zum Gestikulieren und Greifen. Der linke Arm wurde von seinem schwarzen Umhang verhüllt und Kiara schwante böses. „Ich bin dem Tod jetzt schon zweimal von der Schippe gesprungen, ich komm klar“, sprach sie mit fester Stimme und versuchte ihren Blick wieder auf seine beiden Augen zu fokussieren. „Kannst du dich auch ohne Beleidigungen verteidigen?“, fragte er und musterte sie eingehend. Kiara atmete tief ein, straffte Schulter und Rücken und baute sich so gut sie konnte auf. „Natürlich.“ „Alles klar, dann lass uns dein Können auf die Probe stellen. Wenn du verlierst, wanderst du über die Planke.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)