Gegensatz und Vorurteil von Ana1993 (- Ehemals Schubladenmagnet -) ================================================================================ Kapitel 15: ------------ Das echte Leben ist manchmal echt sch... Ich werde mich nicht schon wieder entschuldigen, es ist leider einfach manchmal so. Pauls Sicht und damit das nächste Kapitel ist bereits in der Mache, ich wollte nur nicht wieder den Fehler begehen und 2 Kapitel auf einmal hochladen, lieber spare ich mir das zweite auf ;)   ~ 15 ~   Joshuas POV   Irgendwie fühlt es sich unwirklich an, Paul hier in meinem Bett zu haben, ihn küssen und anfassen zu können. Ich hätte es von mir selbst nie gedacht, aber für den Augenblick ist es für mich mehr als ausreichend. Seine Brust ist der meinen so nahe, dass wir uns bei unseren hektischen Atemzügen immer wieder berühren. Die Wärme seines Körpers strahlt durch die Kleiderschichten hindurch, veranlassen meine Hände dazu, immer wieder fahrig über seinen Rücken zu streichen, aus Angst, mich zu verbrennen, sollten sie jemals stillstehen. Unsere Lippen sind bald wundgeküsst und doch kann ich nicht von seinem weichen Mund ablassen, kann nicht aufhören, seine Zunge mit der meinen zu locken und in spielerischen Duellen wieder zurückzudrängen. Ich bin süchtig und verspüre nicht das geringste Interesse an einem Entzug. Paul keucht leise und gierig sauge ich diesen Laut auf, der mir direkt in die Lenden schießt. Wenig hilfreich, dass der blonde Junge in meinen Armen ausgerechnet jetzt unruhig wird und droht, ein Bein zwischen meine zu schieben. In letzter Sekunde fange ich es mit meinen Knien ab, ehe es in gefährliche Gebiete vordringt. Shit, es ist helllichter Tag und meine Familie läuft nur wenige Meter entfernt herum! Doch der vernünftige Teil meines Hirns hat es schwer, zu meinem Bewusstsein vorzudringen. Nicht dass von dieser Region in meinem Schädel heute schon viel Sinnvolles gekommen wäre. Mit einem leisen Schmatzen lösen wir uns voneinander, ringen beide nach dem dringend benötigten Sauerstoff. Fasziniert betrachte ich Paul. Seine blauen Augen sind einige Schattierungen dunkler geworden und es liegt ein glasiger Schleier über ihnen. Die Wangen sind deutlich gerötet, ebenso seine Lippen, die voll und feucht schimmern. Wie von selbst hebe ich eine Hand zu seinem Gesicht und zeichne mit dem Daumen seine Unterlippe nach. Unter meiner Berührung verzieht sie sich zu einem Lächeln, leicht verschämt und so zuckersüß, dass es fast eine Diabeteswarnung bräuchte. Wie Paul selbst. Ich werde wieder kitschig und sentimental, aber solange es keiner mitbekommt, soll es mir egal sein. Ganz normal ticke ich derzeit eh nicht mehr. Ich klaue mir noch einen Kuss, keusch mit geschlossenen Lippen. Na ja, zumindest vorübergehend.   ~*~   „Hör auf rumzuhibbeln, Josh, du machst noch alle verrückt.” Ich strafe meine Kindheitsfreundin mit Nichtachtung, lasse mich dann aber doch unter ihrem mahnenden Blick auf das abgewetzte Sofa plumpsen. Das genervte Raunen verkneife ich mir gerade noch, es dürfte mir aber deutlich anzusehen sein. „Dein Kleiner kommt schon noch”, beruhigt mich Olli, locker wie immer, von der anderen Seite des Raumes aus, was aufgrund der geringen Größe der als 'Backstage' titulierten Rumpelkammer hier nur wenige Meter sind. „Eben, also stell dich nicht so an”, hängt Sophie noch ran. Da platzt mir die Hutschnur. Seit Tagen bin ich schon aufgeregt, schlimmer noch als vor unserem ersten Auftritt, und ich fühle mich ohnehin wie ein bis zum bersten gefülltes Pulverfass, welches förmlich danach schreit, vom jemandem angezündet zu werden. „ICH soll mich nicht so anstellen!?”, brause ich auf, springe wieder auf die Füße um mich vor ihr aufzubauen. „Ey, Josh, reg dich-” „Nein, ich werde mich nicht abregen!”, unterbreche ich Olli rigoros, ohne mich von der Rothaarigen abzuwenden. „Wir klären das jetzt endlich, ich hab die Nase voll! Was zum Geier ist dein Problem mit Paul?” Sophie sieht mich erschrocken aus großen Augen an, ihr Mund klappt mehrfach auf und zu, ohne jedoch einen Ton auszuspucken. Was nicht gerade wutmindernd auf mich wirkt. „Von Anfang an versuchst du ihn mir auszureden. Warum verdammt noch mal? Jeder freut sich für mich, nur du zickst rum!” Die Frage habe ich mir tatsächlich in letzter Zeit öfters gestellt. Ich mag blind für die meisten meiner Mitmenschen sein, aber ihr komisches Verhalten ist sogar mir aufgefallen. Eine geschwisterliche Krisensitzung hat mich auch nicht weiter gebracht. Holly spekuliert, dass Sophie heimlich in mich verknallt wäre, was aber keinen Sinn ergibt, da sie mich ja anderweitig verkuppeln wollte. Homophob ist sie auch nie gewesen, oder? „Ist es, weil er ein Kerl ist?”, frage ich daher doch laut, unsicher, ob ich mich so in ihr getäuscht habe. Diesmal schüttelt sie immerhin sehr energisch den Kopf, ehe sie ein: „Nein, natürlich nicht!” herauszwängt. Na immerhin. „Aber was dann!?” Ich werfe die Arme in der Luft. Als sie nach ihrem Abwärtsflug wieder gegen meine Hüfte prallen, klirren die Ketten an meiner Hose. Anklagend, ratlos. Ebenso wie ich. Sophie weicht meinem Blick aus und presst die Lippen aufeinander. Unpraktisch, denn so wird sie mir die verlangte Antwort eher schwer geben können, Thelepathie kann ich nicht. Zum Glück, ich habe kein Interesse an den kranken Gedanken anderer Menschen, die sie nicht aussprechen. Bei dem, was auch so schon die Hirn-Mund-Barriere überwindet, seit einigen Jahren auch die Hirn-Finger-Internet-Barriere. Ich stehe kurz davor, die Antwort aus ihr herauszuschütteln. Nur mit Mühe balle ich meine Hände zu Fäusten, lockere sie wieder; atme im gleichen Rhythmus tief ein und aus. Schritte hinter mir verraten, dass Olli sich nähert. Auf wessen Seite er steht, muss sich noch zeigen. „Aaarghs!” Ihr lauter, wütender Ausruf lässt mich vor Schreck einen halben Schritt zurücktaumeln. Mit den fliegenden, roten Haaren erinnert sie kurz an eine wütende Harpie; die passenden Fingernägel dazu hat sie immerhin schon. „Okay! Du willst wissen was mein Problem ist?” Ohne meine Antwort abzuwarten, tobt sie weiter. War das nicht mein Part an dieser Stelle? „Es passiert genau das, was ich befürchtet habe! Du lässt dich von diesem kleinen Nerd total verändern! Es ist immer das gleiche mit diesen stillen kleinen Muttersöhnchen. Die finden es toll, jemanden zu haben, der so ganz anders ist, vielleicht sogar ihren Beschützer spielt, aber am Ende erwarten sie, dass man brav zu Hause sitzen bleibt und sich bloß von seinen Freunden fernhält, Party machen geht erst recht nicht mehr.” Mir bleibt der Mund offen stehen. Was zum Geier redet die da? „Übertreibst du es nicht ein bisschen?”, fragt Olli vorsichtig. „Übertreiben?” Die Furie wendet sich nun an ihn. „Du kriegst das doch gar nicht mit! In der Schule hängt er nur noch mit den Freaks rum, an uns hat er doch kein Interesse mehr. Und mit auf die Piste geht er auch nicht mehr, ein Wunder dass er überhaupt noch zu den Proben und heute zum Auftritt kommt.” Ungläubig schüttle ich den Kopf. „Sophie, was zum Henker verzapfst du da für einen Bullshit?” Ich streiche mir die Haare zurück und schließe für einen Moment die Augen, die Finger in meine Strähnen gekrallt. „Natürlich gehe ich in der Pause zu Paul. Scheiße, ich bin verknallt bis über beide Ohren, klar will ich da bei ihm sein. Und warum ich ihn nicht mit zu euch nehme ist doch auch logisch: ihr würdet ihn zum einen nur verschrecken, zum anderen geht mir eure ständige Qualmerei eh gehörig auf den Senkel. Hört auf, euch jede Pause die Lunge zu teeren und ich bin auch wieder öfter da. Vielleicht. Und warum sollte ich aktuell groß mit auf die Piste gehen? Ich bin doch sonst auch nur mit, um mir was zum Vögeln zu suchen. DAS habt ihr mir übrigens auch oft genug vorgeworfen!” Anklagend deute ich mit dem Finger auf sie, reiße mich aber wieder zusammen, als sich eine schwere Hand mahnend auf meine Schulter legt. Verbissen sehen wir beiden Kontrahenten uns in die Augen, erschrocken registriere ich das feuchte Glitzern in den ihren. „Ist es das wirklich wert? Kannst du dich nicht einfach für mich freuen?”, frage ich deutlich versöhnlicher, immer noch ratlos. „Ich hab ihn doch heute schon eingeladen, damit ich ihn auch mehr in meinem Leben integrieren kann. Bislang war es einfach noch zu frisch. Ist das nicht normal?” „Ich will dich einfach nicht verlieren”, haucht sie, fast unhörbar leise. „Aber warum kommst du überhaupt auf die Idee? Nur, weil ich jetzt auch hin und wieder Zeit mit jemand anderem verbringen will?” Mit meinem Kampfwillen ist auch sämtliche andere Kraft aus mir gewichen und ich lasse mich neben sie auf das Sofa fallen. Eine Sprungfeder bohrt sich unangenehm in meinen Hintern und ich bin froh um die Lederhose. „Du kennst Paul doch gar nicht. Ich glaube nicht, dass er mich verändern oder gar von euch fernhalten will, er hat sowas nie auch nur angedeutet.” „Es läuft doch immer gleich...” Sophie schnieft, doch schafft es nicht komplett ihre Verbitterung aus der Stimme zu verbannen. Sie kramt nach einem Taschentuch. Plötzlich schrillen bei mir die Alarmglocken, ein Verdacht regt sich in mir. „Wie heißt der Arsch?”, knurre ich. Nicht nur Sophie sieht mich an, auch Ollis Augen kann ich überrascht auf mir ruhen spüren. „Ich hab doch recht, oder?” „Wie- wie kommst du da drauf?” Zu beiläufig. Zu nervös die Finger, die ihr Taschentuch knautschen. Statt sie erneut anzuschnauzen, diesmal aus etwas anderen Gründen, strenge ich meine grauen Zellen an, krame in meinen Erinnerungen. Mit was für Kerlen hatte sie was? „Sophie”, sagt Olli eindringlich und hockt sich vor die Rothaarige. „Wenn dich einer scheiße behandelt, kannst du damit jederzeit zu uns kommen, okay?” Sie weicht seinem Blick aus, nickt jedoch zaghaft. Ich weiß nicht, was mich mehr schockiert: Sie plötzlich so verletzlich zu sehen oder die Tatsache, dass ich scheinbar noch blinder durch die Weltgeschichte laufe, als ich bislang dachte, wenn ich etwas zu gravierendes nicht mitbekommen habe. „Es- es ist schon länger her, kein Grund jetzt hier ein Drama zu machen”, mault sie leise. Ihr Unterton passt nicht ganz zu den Worten. Olli seufzt. „Okay, das kaufe ich dir zwar nicht ab, aber was soll's. Trotzdem ist das kein Grund, Joshuas Freund von vorneherein abzulehnen. Dass er sich im Moment wie ein verliebter Trottel aufführt, ist ganz normal-” „Hey!” „Klappe”, würgt er meinen Einwand rigoros ab. „aber er kriegt sich schon wieder ein. Gib dem Ganzen doch einfach eine Chance, ehe du hier ein Fass aufmachst, ja?” Als zunächst nichts kommt, hebt er mahnend eine Braue. Schließlich nickt Sophie, schaut aber weiterhin ähnlich zerknirscht wie ihr misshandeltes Taschentuch drein. Die Tür öffnet sich und meine Schwester samt Anhängsel schneien herein. Sie stoppt so abrupt, dass Martin fast in sie hineinläuft. „Alles klar bei euch?” Wir drei tauschen einvernehmliche Blicke. „Ja, alles okay”, antworte ich, sehe dabei aber Sophie fragend an. Die zuckt die Schultern und lächelt schief. „Mh-hm. Mussten nur was klären”, bestätigt sie und tupft sich vorsichtig an den Augen herum. „Wie ist die Stimmung draußen?”, fragt Olli die Neuankömmlinge und richtet sich wieder auf. Ich bewundere das Spiel seiner Muskeln unter dem engen Tanktop und frage mich insgeheim, warum ich ihn eigentlich nie über das ästhetische Maß hinaus anziehend fand. „Super. Ich habe langsam das Gefühl, es kommen wirklich Leute wegen uns und nicht nur wegen dem Bier.” Martin grinst zufrieden, sich die Hände reibend. Mit einem Mal ist meine Aufregung zurück. Bis gerade eben hatte ich sie völlig vergessen, doch nun überrollt sie mich erneut wie eine Dampfwalze. Ich springe auf und laufe im Zimmer auf und ab. Kollektives Seufzen und Augenrollen. „Ja, er ist da”, berichtet meine Schwester na mich gewandt. Schnell packt sie mich am Ellbogen, ehe ich an ihr vorbei nach draußen stürmen kann. Wieso nochmal, habe ich ihn nicht vorher abgeholt? Warum bin ich eigentlich hier drinnen? Keine Ahnung! Da war was, aber- „Hiergeblieben Mister. Wir haben ihn mit Getränken versorgt und an einem kleinen Tisch geparkt, okay? Du hast jetzt eh keine Zeit mehr.” Ein Blick auf die Uhr bestätigt sie leider. Wenn ich jetzt rausrenne, schaffe ich es wohl eher nicht mehr zeitig auf die Bühne. Aber Shit! Paul ist da und ich habe ihn nicht einmal begrüßt. „Ich sag doch, wir hätten es ihm nicht sagen sollen”, meint Martin. „Ja ja”, brummt Alexis, mich weiter festhaltend. Es klopft an der Tür, herein kommt der Kopf und eine halbe Schulter des Barbesitzers. „Seid ihr bereit?” „Yo Chef.” Olli klatscht grinsend in die Hände. „Auf geht’s! Rocken wir die Bude.” Wie in Trance folge ich der Meute, durch eine weitere Tür und ganz unzeremoniell direkt auf die kleine Erhebung, die sich Bühne schimpft. Nervös scanne ich den Raum, ignoriere die tatsächlich erstaunlich große Masse an Menschen, nur auf der Suche nach einem ganz bestimmten blonden Haarschopf. Ich finde ihn, gerade als ich an meinem Bass ankomme. Beinahe hätte ich mein geliebtes, bereitgestelltes Instrument umgeworfen. Wie verloren Paul dort sitzt. Mein Herz zieht sich zusammen, nur um bei seinem schüchternen Lächeln auf doppelte Größe anzuschwellen. Ich hebe zaghaft die Hand, winke und grinse dabei hoffentlich nur halb so grenzdebil, wie ich mich fühle. Mein Körper agiert zum Glück via Autopilot, sonst hätte ich gnadenlos meinen Einsatz verpasst. Von der kleinen Ansprache des Barbesitzers und Alexis habe ich sage und schreibe Null Komma Null mitbekommen. Auch egal, die wissen schon, was sie tun. Die Musik flutet meinen Körper und meine Sinne, meine Finger finden zuverlässig die richtigen Griffe auf den rauen Saiten. Ich nicke mit Kopf und Oberkörper im Takt, den Sophie am Schlagzeug vorgibt. Unser Gespräch schwelt in den hintersten Winkeln meines Verstandes, doch ich verbanne es noch tiefer. Später. Vielleicht. Ein weiterer Blick zu Paul hilft mir. Seine Augen sind durchgehend auf mich gerichtet, als würde er niemanden sonst wahrnehmen können, dabei hat sich der kleine Dämon namens Holly zu ihm gesellt, die heute auf die Verantwortung von Alexis hin hier sein darf. Nur die um das Bierglas gekrampften Finger verraten seine eigene Nervosität. Fühlt er sich unwohl? Nein, dafür ist sein Lächeln zu echt. Meine schwarzen Haare nehmen mir kurz die Sicht, mit einer geübten Kopfbewegung werfe ich sie zurück über meine Schulter. Meine Lippen formen stumm die Worte, die Alexis, stellenweise begleitet von Olli, ins Mikrofon singt. Wobei ich auch laut singen könnte, es würde wohl niemand hören. Kein Vergleich zu unseren ersten Auftritten. Stolz lässt mich die Schultern straffen und die Brust rausdrücken. Das hier ist meine Welt. Und egal was Sophie behauptet, ich glaube nicht, dass Paul sie mir je wegnehmen wollen würde. In wieweit er jedoch hineinpasst – nun, das gilt es ab jetzt herauszufinden.   ~*~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)