Verzockt von Niomie ================================================================================ Kapitel 24: Wory w Sakone ------------------------- Wory w Sakone: bei uns besser bekannt unter dem Namen `Diebe im Gesetz`. Sie werden auch als die Könige der russischen Unterwelt bezeichnet. Im Gegensatz zu anderen Vereinigungen ist es ihnen verboten zu heiraten oder eine Familien zu gründen. Außerdem ist es untersagt, den Lebensunterhalt mit legaler Arbeit zu verdienen. Unter ein strenges Verbot fällt auch jegliche Kooperation mit der Staatsmacht. Diese Verbote werden in der Ponjatija zusammengefasst. Sollte sich ein Wory nicht daran gehalten wird bei einem Schodki, einem internen Gipfeltreffen, über den betreffenden gerichtet. Schwerfällig ließ Eury sich auf einen der bequemen Sessel fallen und starrte durch das Fenster nach draußen. Er bemerkte dabei noch nicht einmal, wie er geistesabwesend über seine wunden Knöchel an der Hand strich. Wie immer brachte es ihm immer nur kurzfristig Linderung, wenn er mal wieder den Keller aufsuchte. Die Genugtuung und auch der Zorn, hatten sich recht schnell nach Akihitos Abreise verflüchtigt und zurückgeblieben war nur der schale Geschmack von Asche. Selbst seinem Vater war bereits aufgefallen, dass er nicht mehr ganz bei der Sache war. Mehrmals hatte der Ältere schon versucht mit ihm zu reden, doch bisher hatte er ihn immer wieder abblocken können. Auch Eury war bewusst, dass er sich kindisch benahm. Dazu brauchte er nicht die mahnenden Worte seines Vaters zu hören. Doch er konnte sich einfach nicht mehr aufraffen, seit dem Akihito Russland verlassen hatte. Dabei hatte er in den ersten Tagen beinahe wie im Rausch gehandelt und alle mit seiner unbändigen Wut erschreckt. Doch nachdem diese verraucht war, hatte er nicht mehr zu seiner vorherigen Energie zurückgefunden. Beinahe schien es als sei alles, was ihn ausgemacht hatte, mit dem jungen Japaner aus diesen Räumen geflohen. Langsam wanderte Eurys Blick durch den Raum, bis er an dem Halsband, welches auf seinem Schreibtisch lag, hängen blieb. Asami hatte es ihm noch am Tag ihrer Abreise zuschicken lassen. Mit nichts hätte ihn der Yakuza mehr treffen können. Noch nicht einmal eine Klinge konnte tiefer schneiden. Leise Schritte auf dem Teppich lenkten Eurys Gedanken zurück in die Gegenwart. Doch er sah nicht auf. Er wusste auch so wer da gerade sein Büro betreten hatte. Eine warme Hand legte sich auf seine Schulter und drückte leicht zu. Leicht genervt schnaubte er und schob Michels Geste von sich. Leider schien dies den Jüngeren überhaupt nicht zu stören, denn er setzte sich, ohne nach Erlaubnis zu fragen, ihm gegenüber. „Du weißt, dass es Akihito gut geht?“ Der Ältere machte sich noch nicht einmal die Mühe eine Antwort zu geben und zuckte stattdessen nur mit den Schultern. „Warum rufst du ihn nicht einfach mal an?“ Genervt davon, dass sein Bruder keine Ruhe gab, seufzte er auf. „Ich hab ihn nicht erreicht.“ „Eury Jefimowitsch Albatof, du hast es noch nicht einmal versucht! Du weißt selbst, dass Akihito jeden deiner Anrufe annehmen würde. Außerdem würde er nicht mir schreiben, wenn du endlich mal antworten würdest.“ Jetzt sah Eury doch überrascht auf. „Er schreibt dir?“ Das übliche Grinsen kehrte in Michels Gesicht zurück. „Natürlich schreibt er mir. Genauso wie Feilong, Tao, Kanou und Ayase. Seit Neuestem schreibt er sogar mit einem weiteren Russen. Asami hat mich gebeten ihn durchleuchten zu lassen.“ Jetzt hatte der Jüngere Eurys volle Aufmerksamkeit. „Ein weiterer Russe?“ Lachend lehnte sich Michel zurück. „Das war klar, dass du darauf anspringst. Wusstest du eigentlich, dass wir einen Wory auf unseren Straßen haben?“ Jetzt saß Eury kerzengerade auf seinem Sessel. „Wir haben was? Und was hat Akihito mit einem Wory zu tun?“ Zufrieden mit der Reaktion des Älteren, erhob Michel sich und ging zu der kleinen Bar, um sich einen Wodka einzuschenken. „Um genau zu sein, hat der Kleine ihn wohl unter einer Brücke gefunden, kurz bevor Asami eintraf. Da dieser gerade dabei war Akihito mit seinem Leben zu beschützen, nahm der Yakuza ihn mit, als er verletzt wurde. Beim Verarzten fielen Kirishima dann die Tattoos auf, weshalb Asami dann uns kontaktierte.“ Mit einem Lächeln reichte der Jüngere ein gefülltes Glas an seinen Bruder. Nachdenklich starrte Eury in die klare Flüssigkeit, bevor er sie mit einem Schluck austrank. „Wieviele Sterne?“ „Alle.“ „Nur um das mal zusammenzufassen: Akihito hat es tatsächlich geschafft, in unserem Herrschaftsgebiet, einen hochrangigen Wory zu finden. Erstaunlicherweise versucht dieser sich keinen Vorteil aus seiner Anwesenheit zu verschaffen und beschützt ihn sogar noch. Du weißt selber wie unglaubwürdig das Ganze klingt, oder?“ Jetzt konnte sich Michel tatsächlich ein Lachen nicht mehr verkneifen. „Bei jedem Anderen hätte ich es auch nicht geglaubt. Doch immerhin ist es Akihito, über den wir hier reden.“ Mit einem Seufzen kniff Eury die Augen zusammen. Im Gegensatz zu seinem Bruder fand er gerade nichts Amüsantes an der ganzen Geschichte. „Wissen wir ob den 'Wory w Sakone' in letzter Zeit jemand Hochrangiges abhanden gekommen ist? Ich habe keine Lust, dass sie nachher uns das Ganze in die Schuhe schieben.“ Noch immer grinste Michel. „Natürlich wissen wir es. Immerhin hat Asami mich ja um Nachforschungen gebeten. Sein voller Name lautet Mischa Semjonowitsch Koroljow. Von ihm werden wir wohl keinen Ärger zu befürchten haben. Allerdings könnte Koroljow durchaus welchen verursachen. Die Wory w Sakone sind nicht gerade für ihre Milde bekannt, wenn sie jemanden jagen.“ Genervt verdrehte Eury die Augen. „Jetzt lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen. Sag was Sache ist.“ „Du hast wahrscheinlich auch davon gehört. Vor etwa drei Jahren gab es bei den 'Wory w Sakone' in Moskau einen ziemlich heftigen Vorfall. Anscheinend hatte einer von ihnen, trotz der Ponjatija, eine Familie gegründet.“ Missmutig zuckte der Ältere nur mit den Schultern. „Und? Dann hatte er eben eine. Wo ist das Problem?“ „Es war nicht irgendeiner, der das getan hatte. Man hätte vielleicht darüber hinweggesehen, wenn er nur Kinder gezeugt hätte. Doch er hatte die Frau sogar geheiratet, wenn auch nur heimlich.“ „Michel, wenn du jetzt nicht endlich zur Sache kommst, schmeiße ich dich gleich hier aus den Fenster und du kannst mir glauben, dass du nicht wie Akihito das Regenrohr zu fassen bekommen wirst.“ „Bei dir klingelt bei dem Namen Mischa Koroljow wirklich nichts?“ Hastig trat der Jüngere einen Schritt zurück, als sein Bruder sich aus seinem Sessel erhob. Doch zu seiner Erleichterung ging Eury nur zu seinem Schreibtisch und begann auf die Tastatur seines Laptops einzuhacken. Einen Moment später war der Drucker zu hören und der Blonde kam mit einem Zettel in der Hand zurück zu Michel. Doch erst als der Ältere sich wieder zu ihm setzte, erkannte Michel, dass es sich um einen Polizeibericht handelte. „Mischa Koroljow verheiratet mit Maria, Vater von Tatjana. Die Beiden wurden vor drei Jahren tot aufgefunden. Wobei man sagen muss, dass man die Kleine erst eine Woche nach ihrer Mutter fand, welche wohl Zuhause regelrecht hingerichtet wurde. Die Täter wurden nie gefasst, doch seit dem wurde Koroljow nicht mehr gesehen. Offiziell geht man davon aus, dass der Vater ausgerastet ist und seine Familie getötet hat. Wenn man allerdings bedenkt, dass er zu dieser Zeit auch als der Patriarch von Moskau angesehen wurde, ist es wahrscheinlicher, dass die anderen Wory ein Exempel an ihm statuiert haben.“ Zustimmend nickte der Jüngere. „Dann bleibt nur noch die Frage was wir jetzt mit ihm machen. Immerhin ist es nicht unwahrscheinlich, dass die 'Wory w Sakone' ihn jetzt ebenfalls finden werden.“ Für einen Moment wurde es vollkommen still im Raum. Nur das Papier raschelte leise, als es auf den Schreibtisch zurückgelegt wurde. „Er hat Akihito beschützt?“ Als Antwort nickte Michel. „Ich will, dass du ihn her bringst!“, befahl Eury ihm in einem durchdringenden Ton. Ruhig stand der Jüngere auf. „Wann?“ „Du hast zwei Stunden, um ihn zu finden und in meinem Büro abzuliefern.“ „Eury, du weißt was heute für ein Tag ist.“ Genervt sah dieser auf seine Uhr. „Muss es denn wirklich sein?“ „Deine Gäste kommen in vier Stunden, also sieh zu, dass du etwas weniger nach Keller aussiehst und versuch zumindest so etwas wie ein Lächeln hinzubekommen. Immerhin ist heute dein Geburtstag.“ Fragend sah der Ältere an sich herunter und bemerkte zum ersten Mal die feinen Blutspritzer auf seiner Kleidung. Etwas ratlos starrte er dann auf seine wunden Knöchel. „In einer Stunde wieder hier. Ich werde in der Zwischenzeit duschen und mich für die, zweifellos übertriebene, Feier fertig machen.“ Zusammen mit Michel verließ er anschließend sein Büro. Dieser sah noch einmal auf die Hände seines Bruders. „Wenn noch genug von deinem Spielzeug übrig ist, solltest du dich vielleicht mal mit Kanou darüber unterhalten, was man noch so mit ihm machen könnte. Fei erzählte mir, dass er anscheinend vollkommen neue Maßstäbe in Sachen Folter setzt.“ Eury, in Gedanken schon bei der, in seinen Augen vollkommen unnützen Feier, sah überrascht auf. „Was sollte Kanou schon Außergewöhnliches mit seinem Gefangenen anstellen? Ich denke nicht, dass er mir viel sagen kann, was ich nicht schon gehört habe.“ „Ich drücke es mal so aus. Er hat sich nicht damit zufrieden gegeben, die Ehefrau und Tochter von diesem Shiro zu verkaufen. Anscheinend hat er sich vorgenommen, die Methoden des Folterns vollkommen neu zu erfinden. Oder hast du schon mal davon gehört, dass man IHN schälen kann?“ Für eine Sekunde stockte der Ältere, dann wurde sein Gesichtsausdruck wieder vollkommen ungerührt. „Das hört sich in der Tat ungewöhnlich an. Vielleicht rufe ich den Yakuza ja wirklich mal in den nächsten Tagen an. Ich bin mir sicher, dass ich noch genügend dran gelassen habe, um das auch mal auszuprobieren.“ Da er sich bei seinen Worten bereits abgewandt hatte, sah Eury nicht mehr das breite Grinsen im Gesicht seines Bruders, als dieser ihm antwortete. „Tu das.“ Anscheinend hatte Michel nicht lange suchen müssen. Eurys Haare waren noch feucht, als er erneut sein Büro betrat und feststellte, dass es nicht mehr leer war. Er ließ sich Zeit den Mann zu mustern, der jetzt in einem der bequemen Sessel vor seinem Schreibtisch saß. „Koroljow.“ Der Angesprochene sah ihn aus erstaunlich klaren Augen an, welche die warme Farbe von Honig hatten. Allerdings waren die Augen auch das Einzige, was man in seinem Gesicht erkennen konnte, war der Rest doch unter einem wild vor sich hin wuchernden Bart versteckt. „Albatof.“ Beim Klang der tiefen, kühlen Stimme hätte Eury am liebsten aufgeknurrt, doch er beherrschte sich und rief sich ins Gedächtnis, mit wem er es hier zu tun hatte. „Ich hätte nicht gedacht, dass es Akihito noch einmal gelingt einen Mafioso zu finden, der ihn rettet.“ Ein erstaunlich warmes Lachen kam von dem Älteren, während der Blonde an seine Bar trat, um sich ein Glas einzuschenken. Fragend sah er zu seinem Gast, der sofort abwinkte. „Für mich nichts.“ Mit nur einem Glas, kehrte Eury zu den Sesseln zurück und setzte sich dem Anderen gegenüber. Fragend sah Mischa zu dem großen Schreibtisch. „Willst du dich nicht lieber dorthin setzen?“ Entspannt lehnte der Jüngere sich zurück und nippte an seinem Glas. „Ich denke nicht, dass es nötig ist.“ Schweigend musterten die honigfarbenen Augen den Mann vor sich. „Wahrscheinlich wirst du mir jetzt erklären, warum ein kleiner Japaner, in einem viel zu teuren Mantel, versucht hat, sich vor meinen Augen zu ertränken.“ Nur für einen Sekundenbruchteil fiel die Maske Eurys in sich zusammen und er zuckte beinahe unmerklich, dann hatte der Blonde sich wieder unter Kontrolle. Trotzdem kam es ihm so vor, als würde der Ältere in ihm lesen können wie in einem Buch. Ohne den Blick von seinem Glas zu heben antwortete er. „Etwas in der Art hatte ich tatsächlich vor. Doch so wie du sprichst, weißt du bereits wie es dazu kommen konnte. Deshalb erspare ich dir die Einzelheiten und komme zum Punkt. Ich habe heute eine einige Zeit mit Asami telefoniert, der mich darüber informiert hat, was unter der Brücke vorgefallen war. Außerdem hat er mir mitgeteilt, dass du unbedingt nach Russland zurück wolltest, sobald du genesen warst. Allerdings hat er mir auch gesagt, dass du ihm den Grund dafür nicht nennen wolltest, weshalb ich nur vermuten kann, dass es mit Maria und Tatjana zu tun hat.“ „Erwähne ihre Namen nicht.“ Die bisher so ruhige Stimme des Älteren war kalt geworden, als er sich jetzt nach vorne beugte und zum ersten Mal eine Reaktion auf das Gesagte zeigte. Als hätte der Andere nichts gesagt, fuhr Eury fort. „Aus diesem Grund, habe ich nachforschen lassen, was nach dem Tod der Beiden vorgefallen ist. Ich muss gestehen, dass ich ein wenig schockiert bin. Denn es ist nichts in Folge passiert. Nicht ein Einziger wurde bestraft. Weder jene, die in dein Haus eindrangen und über deine Frau herfielen, noch die Schweine die Unvorstellbares mit deiner Tochter anstellten. Es gibt sogar noch das Video, dass sie davon gedreht haben. Wusstest du das?“ Mit einem Satz war der Ältere aufgesprungen und stürzte sich auf den Blonden. Ohne große Mühe wich der Jüngere seinem Angreifer aus und ließ mit Wucht eine Faust auf den ungeschützten Nacken krachen, als er diesen zu fassen bekam. Stöhnend ging Mischa zu Boden und rollte sich instinktiv zusammen, so als wollte er sich vor den folgenden Schlägen schützen. Erst als diese nicht kamen sah er langsam zu Eury auf. Dieser stand, einer Statue gleich, über den am Boden Liegenden und musterte ihn aus eisigkalten Augen. „Warum hast du nichts getan?“ Geschlagen schloss der Ältere seine Augen. Eury brauchte einen Moment, bis er sah, wie sich die Lippen des Anderen bewegten. Dieser sprach so leise, dass es kaum noch zu verstehen war. „Ich kann nicht.“ „Was kannst du nicht? Bist du nicht Manns genug dich zu wehren und ihren Tod zu rächen?“ Die Stimme des Blonden war verächtlich, während er zusah, wie sich der, noch eben so selbstsichere Mann, wieder zusammenrollte und so sein Gesicht vor ihm verbarg. Plötzlich schrie er laut auf. „Ich kann es eben nicht! Wer gibt dir eigentlich das Recht, über mich zu urteilen, Eury Jefimowitsch Albatof? Du hast doch nie um deine Stellung kämpfen müssen. Deine einzige Leistung war es doch, nur aus dem richtigen Geburtskanal zu rutschen. Also wag' es nie wieder über mein Leben zu urteilen! Alles was ich habe - alles was ich bin - habe ich mir hart erarbeiten müssen!“ Eury blieb von diesem Gefühlausbruch vollkommen unbeeindruckt, als er kühl antwortete: „Und genau deshalb verstehe ich deine Reaktion nicht. Was kann den Patriarchen von Moskau so in die Knie zwingen, dass er sich ohne einen Kampf zurückzieht - Er noch nicht einmal daran denkt, dass ihm Wertvollste auf dieser Welt zur rächen.“ Ein gequälter Schrei kam über Mischas Lippen, als er sein Gewicht blitzschnell auf seine Arme verlagerte und den Jüngeren mit einem gezielten Tritt von den Füßen riss. Überrascht keuchte Eury auf und fand sich kurz darauf in einem erbitterten Kampf mit dem Anderen wieder. Es dauerte mehrere Minuten, bis es dem Blonden gelang, sich weit genug herumzuwälzen, damit er den Älteren in einen Würgegriff bekam und diesen so bewegungsunfähig machte. Nur noch das angestrengte Atmen der Beiden war zu hören, während Mischa sich, noch immer hartnäckig, versuchte zu befreien. Erst als immer weniger Sauerstoff in seine Lungen gelangte, wurden die Bewegungen des Braunhaarigen schwerfälliger, bis er endlich vollkommen ruhig liegen blieb. „Ich kann es einfach nicht, Eury. Wie hätte ich auch meinen eigenen Sohn töten können?“ Geschockt ließ der Blonde seinen Gegner los und starrte ihn an. „Alexei ist dein Sohn?“ Bitter lachte Mischa auf und rieb sich den schmerzenden Hals, den der Jüngere endlich losgelassen hatte. „Es hat schon seinen Grund, dass es den 'Wory w Sakone' verboten ist eine Familie zu gründen. Mein eigener Sohn hat, aus lauter Eifersucht, seine Stiefmutter und seine Stiefschwester getötet. Sie waren nie eine Gefahr für ihn. Er hat es nur getan um mich leiden zu sehen. Dass er es dabei geschafft hat, der neue Patriarch Moskaus zu werden, war für ihn ein angenehmer Nebeneffekt.“ Langsam ließ Eury den Braunhaarigen los und erhob sich wieder. Die ersten Schritte humpelte er leicht, als er sich ein neues Glas holte, welches er diesmal jedoch mit Wasser auffüllte. „Und was machst du dann hier in Sankt Petersburg?“ Ächzend richtete sich jetzt auch der Ältere auf und rieb sich seinen schmerzenden Nacken. „Moskau war zu unsicher. Der Einzige der genug Macht aufbrachte, um gegen meinen Sohn zu bestehen, war damals Jefim. Ich wusste, dass Sankt Petersburg der letzte Ort sein würde, wo er nach mir suchen würde.“ Zustimmend nickte der Jüngere, während er an seinem Glas nippte. „Dir ist aber schon bewusst das, wo Akihito dich jetzt gefunden hat, die Worys es auch bald tun werden?“ Der wilde Bart zuckte nur leicht, als Mischa jetzt ebenfalls nach der Wasserflasche griff, um sich etwas einzuschenken. „Wenn mir eines klar geworden ist in den letzten Jahren, dann, dass ich eigentlich nur auf den Tod warte. Von eigener Hand wollte ich nicht sterben, doch wenn die Worys mich finden, werden diese keine Skrupel haben es zu Ende zu bringen.“ Ohne den Braunhaarigen aus den Augen zu lassen, setzte sich Eury auf die Platte von seinem Schreibtisch. „Was wäre, wenn ich das verhindern würde?“ Überrascht sah der Ältere auf. „Warum solltest du das tun?“ „Akihito.“ Für einen Moment war es vollkommen still im Raum. Nur das leise Plätschern des Wassers, welches Mischa sich gerade einschenkte, war zu hören. „Was genau schwebt dir vor, Eury?“ Die Stimme des Braunhaarigen war wieder kühl und beherrscht. Als wäre nichts geschehen, setzte er sich in den Sessel und starrte sein Gegenüber an. Entspannt griff der Blonde nach einer schmalen Mappe, die bisher unbeachtet auf dem Tisch gelegen hatte. „Nachdem Asami ihn darum bat, hat mein Bruder Nachforschungen angestellt. Unter Anderem habe ich hier eine Liste von den Männern, die dein Haus gestürmt haben. Außerdem haben wir die Bilder, von dem Video deiner Tochter, ausgewertet und die meisten der Männer darauf identifiziert. In diesem Augenblick, in dem wir hier miteinander reden, haben wir schon Leute in Position gebracht, um sie abzufangen. Genauso wie jene, die deine Frau gequält haben, werden sie nicht mehr lange leben. Außerdem warten gerade weitere Teams auf Anweisungen. Sie haben die Häuser hochrangiger Worys aus Moskau umstellt und stellen sicher, dass uns niemand abhanden kommt.“ Erschrocken keuchte der Ältere auf. „So mächtig ist das Albatof-Kartell nicht, dass es die 'Wory w Sakone' ohne Vorwarnung angreifen kann. Das ist Selbstmord, was du da tust, Eury!“ Lächelnd klappte der Blonde die Mappe in seinen Händen wieder zu und warf sie zurück auf den Tisch. „Ich habe nie gesagt, dass ich alleine handle. Die 'Wory w Sakone' mögen mächtig sein, doch würde es mich sehr wundern, wenn sie gegen Albatof, Asami und die Baishe bestehen könnten. Allein die Verbindung von Yakuza und Triade ist eine nicht zu unterschätzende Gefahr. Da Alexei jedoch dein Sohn ist, wird es deine Entscheidung sein, was mit ihm geschieht. Alle Anderen werde ich an Feilong und Asami übergeben. Natürlich übernehme ich im Gegenzug die Kontrolle über Moskau.“ Still starrte Mischa in sein Glas und beobachtete die einzelnen Luftblasen, die nach oben wanderten. Es dauerte lange, bis der Ältere sein Schweigen brach. „Ich danke dir für die Rache, doch auch dir dürfte klar sein, dass dadurch nichts ungeschehen wird.“ Seufzend nahm der Blonde dem Älteren das Glas aus der Hand und setzte sich ihm wieder gegenüber. „Was einmal verloren ist, bleibt auch verloren,“ stimmte er Mischa zu. „Doch das heißt nicht, dass man es einfach so hinnehmen sollte. Bewahre deine Frau und Tochter im Herzen auf. Du tust ihnen keinen Gefallen, wenn du dich selber zugrunde richtest. Es ist deine Entscheidung wie es weiter geht. Du kannst unser Geschenk annehmen und zumindest ein wenig deinen Frieden finden oder du kannst unter deine Brücke zurückkehren und dort irgendwann allein sterben. Egal wie du dich entscheiden wirst, du wirst auf jeden Fall unter dem Schutz des Albatof-Kartells stehen.“ Fragend richteten sich goldfarbene Augen auf den Jüngeren. „Warum tust du das? Und jetzt komm mir nicht damit, dass du nur für Gerechtigkeit sorgen willst! Gerade du solltest wissen, wer ich gewesen bin und womit ich mein Geld verdient habe. Ich verdiene es nicht, dass jemand für mich Gerechtigkeit verübt.“ „Ich habe dir die Antwort schon gegeben. Der einzige Grund, weshalb ich das Ganze tue, heißt Akihito.“ „Dann muss Akihito eine sehr bemerkenswerte Person sein, wenn er es schafft, das kalte Herz Eury Albatofs zu erwärmen.“ Ein seltenes Lächeln stahl sich auf die Lippen des Blonden. „Das ist er in der Tat. Allerdings hat er nicht nur mein Herz berührt, dasselbe hat er auch schon bei Asami Ryuichi und Liu Feilong geschafft. Und würde ich hier nicht von Akihito reden, hätte ich nicht geglaubt, dass ein so hochrangiger Wory sich in unserem Gebiet versteckt hat.“ Wieder legte sich ein Schweigen über sie, doch diesmal war es weder angespannt noch unangenehm. Erst ein lautes Klopfen riss sie schließlich aus ihren jeweiligen Gedanken. Ohne die Erlaubnis abzuwarten, riss Michel die Tür auf und starrte seinen Bruder vorwurfsvoll an. „Bist du endlich fertig? Ich hab dir doch gesagt, dass du heute keine Zeit hast.“ Der Jüngere achtete nicht auf das genervte Gebrumme seines Bruders, als er den Raum betrat und diesem ein Jackett und eine Krawatte zuwarf. Erst dann schien er den ramponierten Zustand der restlichen Kleidung Eurys zu bemerken. Misstrauisch wanderte sein Blick von dem Blonden zu Mischa, der ebenfalls deutlich zerzauster aussah, als noch zuvor. Da Beide nicht so aussahen, als würden sie ihm irgendetwas erklären wollen, schüttelte Michel nur genervt den Kopf. Noch bevor der Braunhaarige begriff, was der Jüngere vor hatte, griff dieser bereits nach seinem Arm und zog ihn aus dem Sessel. „Ich schlage vor das du dich endlich fertig machst, Eury. Vater hat einige verdammt hohe Tiere eingeladen. Es wäre wirklich nicht gut sie warten zu lassen. Besonders nicht, wenn du in absehbarer Zeit das Kartell übernehmen willst. Und komm mir jetzt nicht damit, dass du nicht in Feierlaune bist. Du weißt selbst, wie schnarchnasig langweilig es auf solchen Feiern zugeht. Ich erwarte dich in zehn Minuten an der Treppe. In der Zwischenzeit werde ich mich um Herrn Koroljow kümmern.“ Mischa hatte noch nicht einmal die Zeit auch nur an Flucht zu denken, als der Blonde ihn, hinter sich her, durch die Tür zog. Seufzend beschloss der Wory sich zunächst seinem Schicksal zu ergeben. Er konnte auf jeden Fall gut darauf verzichten vor den, jetzt schon grinsenden Leibwächtern, erneut zu Boden geschickt zu werden. Schließlich konnte er es nicht leugnen, dass der Ältere der Albatof-Brüder einen verdammt harten Schlag drauf hatte. Wenn der Jüngere, der noch immer seinen Arm hielt, auch nur annähernd so heftig zuschlug, hatte er verdammt schlechte Karten. Das Grinsen verging den Leibwächtern jedoch ziemlich schnell, als Eury an ihnen vorbeiging und ihnen etwas von wegen Keller und Manieren zu raunte. Es war selbst für Mischa erstaunlich wie blass die Männer auf einmal wurden. Nicht einer von ihnen wagte es noch, ein Wort an den zukünftigen Patriarchen des Albatof-Kartells zu richten. Genervt starrte Eury auf die Gäste seiner Feier. Niemand hatte darauf geachtet, dass der Erbe des Albatof-Kartells sich in eine Ecke, neben den großen Kamin, zurückgezogen hatte. Mit den verstreichenden Stunden war es immer ausgelassener geworden. Und nachdem sie die Nachricht von der Zerschlagung der 'Wory w Sakone' in Moskau bekommen hatten, artete das Ganze mehr in eine Siegesfeier aus. Beinahe war der Blonde eifersüchtig auf seinen Bruder, der sich, schon vor einer gefühlten Ewigkeit, zurückgezogen hatte. Offiziell, weil er sich noch um die neuen Gefangenen kümmern musste, doch Eury hätte schwören können, dass er eine Person in einem roten Sarong auf der Treppe gesehen hatte. Müde lächelte der Russe in sein Glas. Wie gern hätte er jetzt auch jemanden, der sein Bett wärmte. Stattdessen lauschte er jedoch desinteressiert dem besoffenen Typen vor sich, der gerade versuchte ihm etwas Geld aus den Rippen zu leiern, um ein neues Bordell zu eröffnen. Dabei lallte er immer wieder etwas von 'erstklassiger Ware', die möglichst jung sein sollte. Schließlich hatte der Blonde genug und schob den Anderen angeekelt beiseite, um sich sein Glas erneut aufzufüllen. Dabei versuchte er, so gut es ging, das amüsierte Grinsen von Mischa zu ignorieren, der sich zu seinem Vater auf die Couch gesetzt hatte. Beinahe hätte Eury den Älteren nicht wieder erkannt, nachdem Michel es gelungen war, ihn wieder herzurichten. Wie dieser das in der kurzen Zeit geschafft hatte, würde für den Blonden auf jeden Fall ein ewiges Rätsel bleiben. Immerhin war der Andere nicht nur geduscht, sondern auch rasiert und mit einer deutlich kürzeren Frisur wieder aufgetaucht. Nur die leicht feuchten Haarspitzen verrieten, wie schnell das Ganze hatte gehen müssen. Einen passenden Anzug zu finden, war nicht wirklich schwer gewesen, besaß Mischa doch etwa die selbe Figur wie Eury. Jetzt, da der Bart das Gesicht nicht mehr versteckte, waren die scharfen Gesichtszüge deutlich zu sehen. Auch wenn der Ältere fast drei Jahre auf der Straße gelebt hatte, war er eine beeindruckende Gestalt und hatte nichts von seinem früheren Charisma verloren. Doch etwas beeindruckt sah Eury, dass es bisher noch kein Anderer gewagt hatte, sich zu den beiden älteren Russen auf das Sofa zu setzen. Nicht, dass es an Versuchen gemangelt hätte, doch bisher hatte immer nur ein Blick aus den honigfarbenen Augen ausgereicht, um den Anderen schnell das Weite suchen zu lassen. Für einen kurzen Moment spielte Eury mit dem Gedanken, sich zu den beiden Älteren zu gesellen, verwarf diesen jedoch schnell wieder. Soweit kam es noch, dass er auf der Seniorenbank Platz nahm. Erneut wanderte sein Blick über die Feiernden, wobei er zugeben musste, dass eigentlich eine recht ausgelassene Stimmung herrschte. Nur, dass es so gar nicht Seins war. Ihm hätte auch ein ruhiger Abend mit seinem Vater und seinem Bruder vor dem Kamin ausgereicht. Dazu eine Flasche Wodka, gutes Essen und vielleicht später ein williger Körper, der sein Bett wärmte. Doch er war nun einmal der Erbe des Albatof-Syndikats. Was bedeutete, dass man ihn mit unnützen Geschenken überhäufte und eine gigantische Feier zu seinen Ehren gab. Wobei er noch nicht einmal die Hälfte der Gäste kannte und auf die andere Hälfte hätte er auch gut ein weiteres Jahr verzichten können. Mit einem bitteren Lächeln bemerkte der Blonde, in welche Richtung sich seine Gedanken bewegten und beschloss, dass er genug hatte. Mit einem harten Ruck legte er den Kopf in den Nacken und leerte das kleine Glas erneut. Mit einem letzten Nicken zu den beiden Älteren, drehte sich Eury herum, um den Raum zu verlassen. Er erstarrte jedoch sofort wieder in seiner Bewegung, als kein anderer als Asami den Raum betrat. Wie immer gelang es dem japanischen Yakuza, mühelos den Raum zu beherrschen. Sofort verstummten alle Gespräche in seiner Nähe, während er vollkommen ungerührt auf Eury zukam. Es klirrte leise und der Russe sah, dass der andere eine dünne Kette in der Hand hielt. Überrascht hob der Blonde eine Augenbraue, als sein Blick auf die komplett vermummte Gestalt fiel, an der das andere Ende der Kette befestigt worden war. Direkt vor ihm blieb der Ältere stehen und musterte ihn mit einem leicht spöttelnden Blick aus seinen goldenen Augen. „Alles Gute zum Geburtstag, Eury Albatof.“ Für einen kurzen Moment, sah der Blonde an dem Yakuza vorbei und hoffte darauf, hinter diesem Akihito zu sehen. Doch wie nicht anders zu erwarten, war der Jüngere nicht da. Seufzend sah Eury deshalb wieder zu Asami, der ihm gerade die Kette entgegenhielt. Für einen kurzen Moment hielt der Russe dies für einen Scherz. Wollte der Yakuza ihm wirklich einen Sklaven schenken? Soweit er wusste, handelte dieser eigentlich nicht mit menschlicher Ware. Was der Grund dafür war, dass er die Albatofs in Tokio duldete. Trotzdem hielt er nur wenige Minuten später die Kette in seinen eigenen Händen. Etwas perplex starrte Eury auf die vermummte Gestalt die sich ihm langsam näherte. Der scharfe Befehl Asamis, riss ihn jedoch kurz darauf aus seiner Starre. „Sitz!“ Ohne zu Zögern ging die Gestalt zu Boden und saß jetzt unterwürfig zu seinen Füßen. Mit einem zufriedenem Lächeln, beugte der Yakuza sich vor und strich über die dunkle Kapuze. Nur kurz sah er zu dem Blonden. „Ich an deiner Stelle würde auf jeden Fall mit dem Auspacken warten, bis du mit ihm auf deinem Zimmer bist.“ Damit ließ er Eury stehen, um sich an der Bar zu bedienen. Etwas ratlos starrte der Blonde auf sein Geschenk, welches sich bis jetzt nicht mehr gerührt hatte. Die Blicke der Anderen waren dabei auch nicht wirklich hilfreich. Erst als einer der Gäste versuchte die Kapuze zu lüften, kam wieder Leben in den Russen. Hart riss er die Hand des Anderen weg und erkannte jetzt, dass es sich um den Typen handelte, der ihn schon den ganzen Abend vollgelabert hatte. Ohne Mitleid verdrehte er dessen Handgelenk, bis der Mann schmerzerfüllt aufschrie. Zwar sahen nicht alle begeistert aus, als er so handelte, doch zumindest würde es jetzt niemand mehr wagen, etwas zu berühren, was ihm gehörte. Zufrieden mit der Wirkung, zog Eury vorsichtig an der Leine und sein Geschenk erhob sich sofort gehorsam. Nach einem letzten Blick auf den Yakuza, der noch immer an der Bar stand, machte sich Eury auf den Weg in sein Schlafzimmer. Da er Asami den Rücken dabei zudrehte, sah er nicht wie dessen Mundwinkel sich unzufrieden herabsenkten. Der Blick des Yakuzas wurde kalt, während er dem Russen mit einem großen Abstand folgte, ohne dass dieser es bemerkte. Das Glas, welches der Japaner sich gerade erst aufgefüllt hatte, blieb unberührt auf der Theke stehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)