Indestructible von stone0902 (Cato x Clove) ================================================================================ Kapitel 3: Teil 1: Der Mentor – Kapitel 3 ----------------------------------------- Es war ein komisches Gefühl, das Trainingscenter wieder zu betreten. Das letzte Mal, als Cato hier gewesen war, war er noch ein Anwärter gewesen. Nun war er ein Sieger. Er war nun all das, wovon die Jungen und Mädchen, die hier trainierten, jahrelang träumten. Sechs Jahre hatte es gedauert, bis er das Können und die Stärke erreicht hatte, die er benötigte, um in den Spielen zu überleben. Sechs lange Jahre … Manche verschwendeten hier nur ihre Zeit, wurden nie ausgewählt sich als Tribut freiwillig melden zu dürfen, manche kämpften sich an die Spitze, überragten alle anderen und zogen los ins Kapitol, um niemals zurückzukehren. Jedes Jahr wurden die zwei besten Achtzehnjährigen ausgewählt, in der Hoffnung, sie mögen Distrikt 2 Ruhm und Ehre bringen.   Die Anwesenheit eines Siegers war im Trainingscenter nichts Ungewöhnliches – hin und wieder ließ sich einer von ihnen blicken, um die Anwärter zu trainieren oder um sich lediglich die zukünftigen Tribute anzuschauen. Dennoch waren alle Augen plötzlich auf ihn gerichtet, als er die Halle betrat.   Unbewusst straffte er seine Haltung, reckte stolz das Kinn und ein selbstzufriedenes Schmunzeln schlich sich auf seine Lippen. Cato hatte es schon immer geliebt im Mittelpunkt zu stehen.   Das Trainingscenter bestand aus zwei Stockwerken. Im Erdgeschoss befanden sich die Unterrichtsräume, in denen Theorie vermittelt wurde, sowie die Trainingsräume für die jüngeren Jahrgangsstufen. Etliche Stationen, ähnlich wie die im Trainingscenter des Kapitols, sorgten für unterschiedliche Trainingseinheiten. Die meisten Geräte dienten dem Muskelaufbau, denn ein guter Tribut durfte nicht schwach sein. Stärke – das wurde mehr als alles andere vorausgesetzt. Und natürlich der gute Umgang mit Waffen. Diese befanden sich allerdings ausschließlich im zweiten Stockwerk, zu dem nur den Älteren Zutritt gewährt wurde.   Ab dem Alter von zwölf Jahren durfte man am Training für die Hungerspiele teilnehmen. In dieser Altersklasse wurden jeweils fünf Jungen und fünf Mädchen ausgesucht. Diese zehn Schüler wurden entweder von ihren Eltern vorgeschlagen – die a) das Potenzial in ihren Sprösslingen erkannten, b) einfach nur auf den Sieg und ein unbekümmertes Leben hofften oder c) es selbst nie geschafft hatten sich als Tribut zu behaupten und nun ihre unerfüllten Wünsche auf ihre Nachkommen projizierten – oder von ihren Lehrkräften, die im Sportunterricht oder durch andere Situationen auf ihr mögliches Talent aufmerksam geworden waren, wie enorme Stärke, besondere Skrupellosigkeit oder der Talent im Umgang mit Waffen. Bereits in der Schule hatte man einen wachsamen Blick auf die Kinder, denn schließlich wäre ein unentdecktes Talent eine verlorene Chance auf den erhofften Sieg in den Hungerspielen.   So kam es, dass die Zwölfjährigen zwei Jahre lang trainierten, bis man das schwächste Mädchen und den schwächsten Jungen aussortierte. Für diejenigen war der Traum eines Tages zum Sieger gekrönt zu werden zerplatzt wie eine Seifenblase. So ging es alle zwei Jahre weiter, immer wieder wurden die zwei Schwächsten aussortiert, bis von den Achtzehnjährigen nur noch insgesamt vier Kandidaten übrig blieben. Ein halbes Jahr trainierten sie gemeinsam, bis zum Zeitpunkt der Siegestour. Von da an wäre es nur noch ein weiteres halbes Jahr bis zu den kommenden Spielen. Der beste Junge und das beste Mädchen qualifizierten sich dafür, sich als Tribut freiwillig melden zu dürfen und wurden von da an von dem jeweiligen Mentor persönlich unterrichtet, der sie anschließend ab der Ernte offiziell betreuen würde. Das Kapitol tolerierte dies alles stillschweigend.   Das Training in den letzten sechs Monaten war besonders hart. Die Ausbilder im Trainingscenter waren selbstverständlich qualifiziert, jedoch kamen sie nie gegen die Erfahrung der ehemaligen Sieger an, die bereits selbst in der Arena gewesen waren. Sie konnten den Tributen am besten vermitteln, was sie in den Spielen erwarten würde.   Und nun sollte Cato, zumindest wenn es nach Brutus ging, diese Rolle übernehmen. An seinem Entschluss, dieses Angebot abzulehnen, hatte sich in den vergangenen Tagen nichts geändert. Trotz allem hatte ihn irgendetwas heute hier her gezogen.   Die jüngeren Anwärter folgten ihm mit neugierigen Blicken, als er durch die Halle ging. Manche hielten in ihrem Training mitten in der Bewegung inne, um ihn mit offenem Mund anzustarren. Andere versuchten unbeeindruckt zu wirken, konnten sich die interessierten Seitenblicke aber nicht verkneifen. Cato beachtete sie nicht groß. Er nickte hin und wieder einem ehemaligen Trainer zu und setzte seinen Weg in Richtung des Treppenhauses fort.   Den Siegern war es gestattet das Trainingscenter ebenfalls zu benutzen, jedoch erst nachdem der allgemeine Unterricht der Anwärter vorüber war. Viele Sieger trainierten hier abends oder nachts. Cato hatte sich in seinem Haus im Dorf der Sieger einen eigenen Trainingsraum einbauen lassen. Jedoch wirkte dieser Raum noch so fremd auf ihn. Er erfüllte seinen Zweck, aber er war nicht vergleichbar mit den hier herumliegenden Gewichten, mit denen er so lange trainiert hatte, oder mit den Waffen, mit denen er unzählige Dummys malträtiert hatte. Mit diesem Trainingscenter verband er so viele Erinnerungen. In diesen Räumen war er zu dem Mann geworden, der er nun war. Ein Karrieretribut, ein Sieger, einer Killermaschine. Allein der Geruch von Schweiß und dem Desinfektionsmitteln für die Trainingsgeräte sowie das vertraute Geräusch der summenden Laufbänder und der keuchenden Atemzüge versetzten ihn in eine Nostalgie, die pure Vorfreude durch seine Venen fließen ließ.   Cato betrat nun den zweiten Stock. Im Gegensatz zum unteren Stockwerk lag hier das Geräusch von aufeinandertreffenden Waffen in der Luft. Die Fünfzehn- bis Achtzehnjährigen durften mit den Waffen trainieren. Hier begann erst das wirkliche Training. Die bisherigen Enttäuschungen waren aussortiert, sodass man sich nun mit denen befassen konnte, die auch tatsächlich das Zeug dazu hatten, an den Spielen teilzunehmen. Dreimal die Woche wurde hier nach dem regulären Schulunterricht trainiert, Kampftechniken erlernt, Kräfte gemessen und Schwachstellen ausgemerzt. Einzelne Stationen boten die unterschiedlichsten Waffen. Zusätzlich gab es noch weitere Trainingsräume, wie die Dunkelkammer oder der virtuelle Raum. Distrikt 2 investierte viel Geld in die Ausbildung seiner Tribute. Hinter dem Trainingscenter befand sich eine riesige Außenanlage, in der ebenfalls regelmäßig trainiert wurde, im Sommer, wie im Winter. Schließlich sollten die Tribute auf alle möglichen Wetterbedingungen eingestellt sein. Die Arenen der Hungerspiele waren stets unberechenbar.   Seine blauen Augen suchten den Raum ab, musterten jeden einzelnen Tribut, der sich hier befand. Inmitten dieser Jungen und Mädchen, die erst auf die nächsten Spiele warten müssen, befanden sich die zwei, die sich bereits für die diesjährige Ernte in sechs Monaten qualifizieren konnten. Dieser vielversprechende Kerl, von dem Brutus gesprochen hatte, musste hier irgendwo sein. Vielleicht war es der Dunkelhaarige, der all seinen Zorn am Boxsack ausließ, oder der rothaarige Hüne, dessen Axt durch die menschliche Puppe glitt, wie ein Brotmesser durch ein weiches Stück Butter.   Catos Blick wanderte weiter. Wie von einem Magnet angezogen landete all seine Aufmerksamkeit auf dem hölzernen Waffenständer mit den Lang- und Breitschwertern. Seine rechte Hand ballte sich wie von selbst zur Faust und er schien den Griff der vertrauten Waffe zwischen seinen Fingern spüren zu können. Langsam senkten sich seine Augenlider und er atmete tief ein. Bilder, Erinnerungen zogen an ihm vorbei – das Geräusch, wie sich Stahl in Fleisch bohrte, der Geruch von frischem Blut in der Luft, das Gefühl von Macht, das ihn berauschte, das Knacken eines Genicks, das Kreischen eines Mädchens, vor Angst panisch aufgerissene Augen, ein Mund, zu einem stummen Schrei aufgerissen …   Für einen Moment driftete er vollkommen ab, befand sich wieder in der Arena, doch die sich ihm langsam nähernden Schritte rissen ihn zurück ins Hier und Jetzt. Er brauchte sich nicht umzudrehen, um zu sehen, wer es war. Der Klang dieser bekannten Schritte war ihm inzwischen viel zu vertraut.   Seine Atmung hatte sich unwillkürlich beschleunigt. Widerstrebend trennte er sich von seinen Empfindungen. Reiß dich zusammen! Cato ließ seinen Nacken kreisen und noch während er sich zu Brutus umdrehte hatte er sich wieder vollkommen unter Kontrolle.   „Da bist du ja. Freut mich, dass du es einrichten konntest.“ Brutus zeigte ein kurzen Lächeln, dass beinahe einem arroganten Grinsen glich, als würde er sich überlegen fühlen, da Cato, trotz seines anfänglichen Widerspruchs, auf seine Bitte hin doch noch zu diesem Treffen erschienen war. Als hätte er nie bezweifelt, dass er auftauchen würde. Cato schnalzte missbilligend mit der Zunge, was Brutus gekonnt ignorierte. Sein Kopf ruckte in eine grobe Richtung. Ohne groß um den heißen Brei herumzureden sagte er: „Komm mit.“   Er folgte seinem ehemaligen Mentor zu einer abgesperrten, etwa fünfundzwanzig Quadratmeter großen Trainingsfläche, die für Zweikämpfe genutzt wurde. Brutus blieb drei Meter vor den Seilen stehen und verschränkte die muskulösen Arme vor der Brust. Cato stellte sich neben ihn. Seine Augen inspizierten bereits die beiden, die gegeneinander mit Bo-Stäben kämpften. Das stetige Klacken von Holz, das aufeinandertraf, war bei weitem nicht so imposant wir das Klirren von Metall und doch wirkten ihre fließenden Bewegungen auf eine gewisse Art faszinierend auf ihn. Cato erinnerte sich noch gut an diese dämlichen Stöcker, dessen Nutzlosigkeit nur von ihrer Leichtigkeit übertroffen wurde. Er hatte sie während seines Trainings nur benutzt, wenn es sein musste und einmal hatte er seinen Bo einfach in zwei Teile zerbrochen und das zerborstene Ende wütend in den Magen seines Trainingspartners gerammt, sodass dieser eine Woche in der Krankenstation verbringen musste. Catos Lippen verzogen sich bei der Erinnerung daran zu einem süffisanten Grinsen. Er bevorzugte weitaus tödlichere Waffen, als dieses läppische Spielzeug. Doch die Art, wie diese beiden damit umgingen, glich vielmehr einer Choreografie, einem Tanz, als einem Kampf. Sie holten aus und schlugen zu, duckten sich hin und wieder unter den Schlägen hinweg oder parierten die Waffe des Gegenübers, als wäre jeder Schlag vorhergesehen. Einige Sekunden schaute er ihnen beiden zu und kam zu dem Schluss, dass man nicht behaupten konnte, wer von ihnen die Oberhand besaß.   „Das ist Titus“, drang schließlich Brutus dunkle Stimme an sein Ohr.   Der Achtzehnjährige war groß und durchtrainiert. Vom Körperbau glich er schon beinahe Cato, auch wenn er nicht an seine Größe und seine Muskeln herankam. Seine Haut war gebräunt und sein braun-blondes Haar leicht gelockt. Seine Augen waren so dunkel, dass sie aus der Entfernung so schwarz wirkten, wie die Kohle, die man im äußersten Distrikt abbaute. Cato beobachtete den Jungen. Seine Bewegungen waren schnell und inzwischen schien es, als teilte er mehr Schläge aus, als er abwehrte. Auf seinem Gesicht spiegelten sich kaum Emotionen wider. Leichte Anspannung ließ sich erkennen, sowie pure Konzentration. Und Cato versuchte sich ihn in der Arena vorzustellen. Wäre er der Emotionsgesteuerte oder der Besonnene? Der Angreifer oder der Taktiker? Er spürte, dass er mehr über ihn erfahren wollte, doch es blieb ein gewisser Zweifel. Dieser Titus war anders, als er. Ruhiger. Beherrschter.   „Mit welcher Waffe kann er am Besten umgehen?“, fragte er Brutus. Seine Augen lagen weiterhin auf dem zukünftigen Tribut. Dieser hob gerade die Hände mitsamt des Langstabes über seinen Kopf, um den Schlag des Mädchens abzufangen, was Cato an seinen Kampf gegen Marvel erinnerte, dessen Speer er mit seinem Schwert einfach in zwei Teile gehackt hatte.   Als Brutus antwortete kam er nicht umhin die leichte Bewunderung in der tiefen Stimme zu hören. „Er bevorzugt die Langaxt.“   Leicht irritiert blickte Cato mit zusammengezogenen Augenbrauen zu dem Mann neben ihm, dessen graue Augen den Bewegungen der beiden Tribute folgten. Eine Langaxt war eine ungewöhnliche Wahl für jemandem aus Distrikt 2. Äxte wurden vorzugsweise von den stupiden Holzhackern aus Distrikt 7 gewählt. Noch dazu war es eine Langaxt. Normale Äxte kamen in den Hungerspielen des Öfteren vor, doch Langäxte waren eher selten. Er blickte wieder zu Titus. Vermutlich würde er die Spielemacher bei seinem Einzeltraining für sich gewinnen müssen, damit er die Waffe seiner Wahl in der Arena wiederfand. So wie damals Finnick Odair, dessen Sponsoren ihm einen Dreizack geschickt hatten, das bis Dato kostbarste Sponsorengeschenk.   Catos Augen musterten nun das Mädchen, das gegen Titus kämpfte. Was ihm zuerst auffiel war ihre Größe. Karrieretribute waren in der Regel alle großgewachsen und gäbe es dafür ein Limit wäre sie vermutlich haarscharf daran vorbeigeschrammt. Sie war mindestens einen Kopf kleiner als Cato. Was ihr an Größe fehlte machte sie jedoch mit Schnelligkeit wett. Im Gegensatz zu Titus wirkte ihr Gesicht verbissener. Während Titus schon fast eine Gleichgültigkeit ausstrahlte war ihre Angriffslust deutlich spürbar. Sie wollte diesen Kampf gewinnen. Vielleicht, weil sie wusste, dass sie inzwischen Zuschauer hatten, vielleicht weil sie, auch wenn es sich nur um einen Übungskampf handelte, Verlieren verabscheute, was er nur zu gut nachvollziehen konnte. Ihr langer, dunkelbrauner Zopf flog bei jedem Angriff, bei jeder Verteidigung durch die Luft.   „Und wer ist sie?“   Bisher hatte Cato nicht einen einzigen Gedanken an den weiblichen Tribut verschwendet. Er wollte ja nicht einmal etwas mit dem männlichen zu tun haben, was also interessierte ihn das Mädchen, das gemeinsam mit ihm ins Kapitol reisen würde? Spätestens bei der Ernte, an der er als amtierender Sieger ebenfalls teilnehmen würde, hätte er ihren Namen erfahren.   „Das ist Clove.“ Brutus wandte sich nun Cato zu. „Enobaria wird ihre Mentorin.“   Als Antwort kam von Cato lediglich ein Brummen. Enobaria mochte eine Siegerin aus Distrikt 2 sein und auch wenn sie für ihre Skrupellosigkeit bekannt war, so war sie doch immer noch eine Frau. Frauen würden, zumindest nach Catos Meinung, niemals mit Männern auf einer Ebene stehen. Dafür waren sie körperlich einfach zu sehr unterlegen. Frauen waren weich, sie waren schwach. Vielleicht gab es einige Ausnahmen, doch die Wirklichkeit zeigte ihm, dass seine Gedankengänge nicht unbegründet waren. Er dachte an Prima, an Glimmer und an Elyse. Bei einem Kampf um Leben und Tod hätten sie gegen Cato keine Chance gehabt. So wie diese Clove keine Chance gegen ihn haben würde.   „Sie ist gut“, fuhr Brutus fort, als er Catos fokussierten Blick bemerkte. „Kein Vergleich zu Prima. Die war im Gegensatz zu Clove– nun, man soll nicht schlecht über Tote sprechen, aber du weißt ja, wo sie jetzt ist.“ Brutus zuckte mit den Achseln, als kümmerte ihn das Schicksal des verstorbenen Mädchens nicht im Geringsten. Ihr Körper lag begraben auf dem Friedhof für die gefallenen Tribute. Und in etwas mehr als einem halben Jahr würden entweder Titus oder Clove ihr Gesellschaft leisten. „Du müsstest mal sehen, wie Clove mit dem Messer umgeht. Das kleine Ding hat keine Skrupel, das kann ich dir versichern. Zwischen ihr und Titus wird es eng werden. Doch unter uns, ich würde mein Geld immer noch auf ihn wetten. Der Bursche ist nicht nur clever, sondern auch brutal. Derjenige, der ihn in den Spielen besiegt, muss erst noch geboren werden.“   Während Brutus weitere Lobpreisungen auf den zukünftigen Tribut von sich gab beobachtete Cato Titus und Clove. Sie kämpften nicht zum ersten Mal gegeneinander, das war mehr als deutlich. Dafür wirkten sie viel zu vertraut miteinander, als würden sie die Stärken und Schwächen des anderen genau kennen. Titus erzielte einen Treffer an ihrem linken Oberarm, sie einen an seiner rechten Wade. Wie alle Karrieros würden sie ein Bündnis miteinander eingehen, sobald sie ins Kapitol aufbrachen. Doch wie lange würde es bestehen? In welchem Zustand befand sich das momentane Band zwischen ihnen? Würde es ihnen schwerfallen, einander im Ernstfall umzubringen? Wenn Cato an Prima dachte, seiner ehemaligen Partnerin aus seinem Distrikt, konnte er ohne Zweifel sagen, dass ihr Tod bei ihm rein gar nichts ausgelöst hatte. Doch nicht jeder war so gefühlskalt wie er. Und Gefühle konnten in der Arena den Tod bedeuten, das wusste er nur umso besser. Diesen beiden war bewusst, dass nur einer von ihren aus der Arena wiederkehren würde und jeder von ihnen würde dafür sorgen, dass er derjenige sein würde.   Letztendlich gelang es Titus Clove schmerzhaft an der Seite zu treffen, woraufhin sie keuchend einknickte. Er versetzte ihr einen weiteren schnellen Schlag gegen die Schulter und rang sie kurzerhand mit seinem Körpergewicht nieder. Ihr Stab fiel klirrend zu Boden und rollte einige Meter weit weg. Rittlings saß er auf ihrem Becken, den Bo mit beiden Händen gegen ihre Kehle gedrückt und starrte auf sie hinab. Der Kampf war entschieden. Ein leichtes, überhebliches Grinsen erschien auf seinen sonst so gleichgültigen Gesichtszügen und entblößte einen Hauch der Arroganz, die einem in Distrikt 2 in die Wiege gelegt wurde. Er keuchte kaum, im Gegensatz zu ihr, als hätte ihn dieser Kampf keinerlei Anstrengung gekostet. Als sei er ein Roboter, der ohne Emotionen und Kraftanstrengungen kämpfte.   „Ah“, seufzte Brutus. „Hab ich zu viel versprochen? Falls sie den Tributen in der Arena keine Waffen geben, könnte Titus seine Gegner mit allem fertig machen, selbst mit einem Zahnstocher!“   Um Cato zu beeindrucken würde es allerdings schon etwas mehr brauchen. Jedoch musste er zugeben, dass sein Interesse geweckt war. Er selbst beherrschte jede erdenkliche Waffe, die das Kapitol in der Arena einsetzen konnte. Er wusste, wie man kämpfte, wusste, wie man tötete. Titus strahlte etwas aus, das ihm definitiv nicht entging: eine düstere Aura, die diesen Jungen umgab, was ihn neugierig darauf machte diesen Menschen kennenlernen zu wollen.   Doch reichte dies aus, um sein Mentor zu werden?   „Clove!“, bellte Brutus plötzlich los. Ohne weiteres ging er zum Übungsplatz und stieg über die Absperrung, um über sie gebeugt wütend auf das Mädchen herabzusehen. „Messer sind verboten beim Bo-Kampf! Wie oft soll ich dir das noch sagen?“   Dann erst sah Cato es. Das kleine Messer, das sie gegen Titus Seite drückte, genau unterhalb der Rippen. Cato schmunzelte. Die Kleine kämpfte unfair.   Während Brutus Clove mit seinen finsteren Blicken durchbohrte und ihr eine Strafpredigt hielt, erhob sich Titus. Er hielt Clove die Hand hin, sein Gesicht wieder ungerührt, und zog sie auf die Beine. Sie steckte ihr Messer zurück in den Bund ihrer Hose, versteckt an ihrem Rücken, wo es sich die ganze Zeit über befunden haben musste. Brutus‘ harsche Worte, die schon manch einen zum Heulen gebracht hatten, schienen sie nicht einzuschüchtern. Im Gegenteil, sie grinste leicht, als würde sie ihre eigenen Regeln machen. Und Cato spürte, wie er selbst anfing zu grinsen. Dann fielen ihre Augen auf ihn.   Es mochten lediglich Sekunden vergingen, in denen sich ihre Blicke kreuzten, doch sie kamen ihm vor wie eine Ewigkeit. Obwohl sie diesen Kampf gerade verloren hatte feixte sie, als wäre sie die eigentliche Gewinnerin. Ihr ganzes Wesen strahlte eine Selbstsicherheit und eine Arroganz aus, die nicht daran zweifeln ließen, dass sie diesen Kampf, hätte sie sich nicht an die Regeln halten müssen, gewonnen hätte. Manch einer wäre wohl in Gegenwart von Cato, dem amtierenden Sieger, bei dieser Niederlage vor Scham im Boden versunken. Doch in Cloves Gesicht erkannte er nur Entschlossenheit. Erst als sie ihm den Rücken zukehrte, brach ihr Blickkontakt. Als Brutus weiterhin vor sich hin grummelnd auf ihn zumarschierte bohrten sich Catos Augen immer noch in ihren Rücken. Gemeinsam mit Titus ging sie zum nächsten Übungsplatz.   „Argh, sie macht mich wahnsinnig!“, beschwerte sich Brutus, der vor Cato stehen blieb und somit seine Aufmerksamkeit wiedererlangte. „Ihr Verhalten wird noch alle Sponsoren vertreiben. Aber was soll’s. Das ist Enobarias Problem.“ Er fuhr sich über seinen kahlen Kopf und rieb sich frustriert den breiten Nacken. „Titus ist da eher wie du. Er weiß sich zu benehmen und wie man die Leute für sich gewinnt. Mit ihm würdest du keine Schwierigkeiten haben.“   „Mhm“, stimmte Cato ihm halbherzig zu. Sein Blick wanderte wieder zu den beiden Tributen. Sie lösten gerade am Stand mit den Messern ein blondes Mädchen ab, das mit langsamen Schritten von dannen trottete. Clove hielt bereits eins der Messer in ihren Händen und drehte die Klinge gedankenverloren in den Fingern. Sie und Titus erwiderten beide seinen Blick und sprachen über irgendetwas, das er aus der Entfernung nicht verstehen konnte. Wussten sie schon, dass Brutus als Mentor zurücktreten wollte und dass Catos Erscheinen, je nachdem wie er sich entschied, mehr bedeutete, als pures Interesse am Nachwuchs aus Distrikt 2?   „Und?“, riss Brutus ihn aus seinen Gedanken. Cato bemerkte, dass er ihm gar nicht mehr zugehört hatte.   „Hm?“   „Machst du es?“ Brutus sah ihn weder drängend, noch bittend, lediglich neugierig an. Cato war seine erste Wahl, doch sollte er ablehnen würde er jemand anderen finden. Mit Sicherheit gab es genügend andere Sieger, die gerne in seine Fußstapfen treten würden. Brutus‘ geplantem ruhigen Familienleben abseits des Kapitols stand nichts mehr im Wege, egal wie er sich heute entschied.   Eigentlich hatte seine Entscheidung längst festgestanden.   Eigentlich.   Cato musste nicht mehr lange überlegen. „Nur unter einer Bedingung.“   Brutus legte den Kopf leicht schief und zog eine Augenbraue hoch, neugierig, aber leicht skeptisch. „Und die wäre?   Cato drehte sich erneut zu den beiden Tributen um. Grün-braune Augen trafen auf blaue.   „Ich will sie.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)