Spiel ohne Limit von Lady_of_D ================================================================================ Kapitel 76: ------------ Dass ein Sonnenaufgang in der Stadt so atemberaubend sein würde, hatte sie nicht für möglich gehalten. Als Rin durch die Drehtür der Kaiba Corporation auf die fast verlassene Straße des Geschäftsviertels von Domino schritt, hatten die ersten zarten Fühler des Morgens ihre Hälse gen Wolkenkratzer ausgestreckt. Gold und Rot funkelten die einzelnen Glasfenster des höchsten Gebäudes der Stadt. Kurz schien es als stünde das Hochhaus in Flammen. Ein loderndes Inferno - in der Einsamkeit des Morgens. Der Anblick zog Rin so magisch an, dass sie den Fahrer auf der anderen Straßenseite erst gar nicht bemerkte. Erst als dieser auf die Hupe drückte, riss sich Rin von dem malerischen Ausblick los und überquerte die Straße. Diese angenehme Stille - sie war trügerisch. Die Ruhe vor dem Sturm. Mit einem Kaffeebecher in der Hand, den sie sich aus dem Automaten der Kantine gezogen hatte, setzte sich Rin auf den Beifahrersitz und blickte verträumt aus dem Fenster. Sie war hellwach, noch völlig aufgedreht und ein wenig nervös. Dieser Abend hatte alles gefordert. Körperlich wie mental. Sie massierte sich das Handgelenk, noch immer glaubte ihr Körper, sie wäre mit allerhand Noppen und Kabeln versehen. Rin war sich während der Datenscsans wie in einer abgedrehten Arztpraxis vorgekommen. Vor Jahren hatte ihr Hausarzt einmal ein EKG durchgeführt. Dieses war bei Weitem nicht so aufwendig gewesen, wie das Prozedere, das Kaiba veranstaltet hatte. Der junge Firmenchef hatte die ganze Zeit über am Rechner gehangen, während Rin keine zwei Meter von ihm entfernt an besagter Kabelage angeschlossen war, als wäre sie die Energiequelle für dessen Maschinerie. Ein kräftiger Schluck Kaffee ließ sie daran erinnern, weshalb sie Heißgetränke aus dem Automaten verabscheute, doch für den Augenblick genügte die hellbraune Suppe. Es half, die Gedanken zu ordnen. Nachdem Kaiba mehrmals versichert hatte, dass ihre Daten innerhalb des Programms geschützt bleiben würden, hatten sie den Rest der Nacht schweigend verbracht. Kaiba hatte geschwiegen, weil ihm die Arbeit alle geistigen Reserven abverlangte, und Rin, weil sie irgendwann vor Erschöpfung eingeschlafen war. Zu ihrem eigenen Erstaunen hatte Kaiba sie einfach schlafen lassen. Manchmal, wenn sie aus dem Tiefschlaf gerissen wurde, da eines der Geräte zu piepen begonnen oder Kaiba an einem der Regale rumgefummelt hatte, dann spürte sie etwas Warmes, wohlig Riechendes, das sich um ihre Schultern gelegt hatte und Rin zurück ins Reich der Träume beförderte, sobald der Duft sie wie einen zweiten Mantel umnebelt hatte. Ohne sich dessen bewusst gewesen zu sein, hatte Rin nach dem Stoff gekrallt, hatte das Gesicht darin vergraben und seufzende Töne von sich gegeben. Wenn sie tief und fest schlief, war es beinahe unmöglich, die junge Frau zu wecken. Dafür war der gestrige Tag viel zu stressig und nervenaufreibend gewesen - in vielerlei Hinsicht. Der Vorfall während ihres Duells mit Seto Kaiba bildete dabei bloß der Höhepunkt einer Reihe unvorhergesehener Obskuritäten. Aus dem Wagen gestiegen, streckte sie erstmals ihre Glieder. Es tat gut, den eigenen Körper zu spüren - wenn sich dieser auch beklagte, dass er die ganze Nacht kein vernünftiges Bett gesehen hatte. Vielleicht hätte sie es nachgeholt, wenn das heutige Duell nicht gegen Hii Yuta wäre und Rin deswegen nicht schon nervös genug gewesen wäre. Seitdem sie aufgewacht war, hatte nur ein Gedanke ihren Geist bestimmt: sie durfte heute nicht verlieren. War eine Niederlage zu keinem Zeitpunkt gewünscht, blieb ihr diesmal keine andere Wahl, als alles daran zu setzen, dieses Spiel für sich zu entscheiden. Etwas in ihr sagte, dass sie nicht nur um ihretwillen gewinnen musste. Dass es um weit mehr ging als den Ruf einer Firma zu verteidigen oder das eigene Ticket zu sichern. Der Titel des Worldcup-Champions war schon lange zweitrangig geworden. "Hast du eine Ahnung, wie spät es ist?!" Sobald die Tür ins Schloss gefallen war und Rin möglichst unbemerkt an Luminas Couch hatte vorbeischleichen wollen, war der schwarzhaarige Wuschel abrupt aufgesprungen, hatte mit aufgerissenen Augen zu Rin herüber gesehen, die sich für ihr Zuspätkommen entschuldigte und matt lächelnd den Kopf schief legte. "Echt, Rin! Es ist sechs Uhr morgens. Der arrogante Penner hat sie doch nicht mehr alle-" Sie wurde schlagartig ruhig, betrachtete Rins zerzaustes Haar und kniff die Augen zusammen. "Es ist nichts gelaufen", Rin hob die Arme. Der Blick ihrer Freundin war aber auch zum fürchten! "Ach wirklich…bis zum Morgengrauen…" "Ich habe dir geschrieben, dass es später wird." Wieso kam sie sich auf einmal wieder wie ein siebzehnjähriger Teenager vor? "Und seit wann stört es dich, wenn ich die ganze Nacht wegbleibe?" "Du, die Tatsache stört mich nicht, sondern mit wem du die ganze Nacht verbringst." "Das ist doch Quatsch" winkte Rin ab. Ihr war so gar nicht nach Diskussionen, aber Lumina ließ nicht locker. Der Blick wurde immer düsterer, während sie die Arme vor der Brust verschränkte und die finsterste Miene aufsetzte, zu der ihr schwarzhaariger Wuschel zu dieser Uhrzeit imstande war. "Ach wirklich?! Mann, Rin, dieser Kerl ist definitiv nicht gut für dich. Du solltest da echt die Grenze ziehen-" "Er ist mein Boss", entgegnete Rin nicht zum ersten Mal, "und das Ganze ist rein beruflich." Sie geriet ins Stocken. Nach dem gestrigen Vorfall war es wohl nicht mehr nur rein beruflich. Selbst Kaiba wäre nicht mehr in der Lage, diese Tatsache zu leugnen. Aber sie ging nicht weiter darauf ein. Rin durfte ihrer Freundin nicht von dem Projekt erzählen. Und selbst wenn: Lumina wäre wohl vollkommen ausgetickt, wenn sie hörte, was Kaiba und sie hinter den Mauern der Kaiba Corporation wirklich trieben. Da wäre Sex wohl das Harmlosere von beidem gewesen. "Du machst dir selbst etwas vor", grummelte Lumina. Dann seufzte sie und ließ sich auf die Sofalehne fallen. "Aber lass' uns ein anderes Mal darüber reden. Ich will dich nicht auch noch durcheinander bringen. Gerade vor diesem wichtigen Duell." "Ach, Lumina", Rin setzte sich neben ihre beste Freundin und legte einen Arm um ihre Schulter, "mach' dir nicht so viele Sorgen um mich." "Wenn du dich endlich wieder normal aufführen würdest, müsste ich mir auch keine Sorgen machen." Lumina bemühte sich um ein Lächeln. "Die hätten einen Mal vorwarnen können. Wer hätte denn ahnen können, dass das Leben mit einer Profiduellantin so an den Nerven zerrt." Sie schüttelte den Kopf. "Es sollte einen Leitfaden für arme, unwissende Mitbewohnerinnen geben." "Ich werde Mokuba fragen, ob die Medienabteilung auch Bücher herausgibt." Rin knuffte Lumina in die Seite. Solange ihre beste Freundin noch zu Scherzen aufgelegt war, musste sich Rin keine Gedanken machen. Die junge Frau erhob sich. "Brauchst du heute etwas taktischen Beistand?", fragte Lumina und deutete auf den Schrank, in dem ihre Deckbox lag. "Nein", winkte Rin ab und machte sich daran, in der Küche frischen Kaffee zuzubereiten. "Yuta spielt nach ganz eigenen Regeln. Ich will mich nicht zu sehr auf eine Strategie versteifen." Sie stellte die Kaffeemaschine ein. "Ich hab so lange an meinem Deck herum gefeilt - wenn es damit nicht klappt-" Sie hielt inne. Das Gesicht des Grünhaarigen kam ihr in den Sinn. Dazu die glasig roten Augen. Wie die Kamera seinen Hass aufgefangen hatte. Hass, den er heute auf Rin projizieren würde. "Wird schon schief gehen", sagte Rin, um Lumina nicht noch mehr in Unruhe zu versetzen. Ihre beste Freundin kam in die Küche getrottet, riss das Fenster auf und wedelte mit den Händen frischen Wind in die stickigen Räumlichkeiten. Dann begann sie die erste Zigarette des Tages aus der Verpackung zu ziehen. Ihr Blick blieb dabei an den gegenüberliegenden Häuserzeilen hängen, dass Rin ihr Gesicht nicht sehen konnte. Sie wünschte, sie könnte Lumina etwas sagen, das ihren Lieblingswuschel zumindest etwas besänftigen könnte. Dass diese Angst um Rin hatte, war nur allzu verständlich. Würde es der jungen Frau nicht anders ergehen, wenn Lumina an ihrer Stelle heute spielen müsste. "Wie läuft das eigentlich heute ab?" fragte Lumina, nachdem von ihrer Zigarette bloß noch ein mickriger Stummel übrig geblieben war. "Holen uns wieder Kaibas Diener ab?" Sie zerknüllte das verbliebene Stück in den Aschenbecher. "Die Nachbarn haben mich schon darauf angesprochen. Als dieses Monster von Limousine vor unserem Fußweg geparkt hatte. Frau Kamei schien mir fast einem Herzinfarkt nahe…und ich dachte immer, die Alte wäre aus Stahl." Beinahe gleichzeitig verdrehten Rin und Lumina die Augen. "Ich habe Mokuba darum gebeten, dass sie uns einen dezenten Wagen schicken sollen. Naja, zumindest was Mokuba Kaiba unter dezent versteht." Nicht, dass der große schwarze Schlitten der Klasse S bescheiden wirkte. Nur das protzige Gefährt, die Limousine, die Rin zu ihrem letzten Duell chauffiert und gleich zwei Hauseingänge in Beschlag genommen hatte, topte alles Bisherige. "Solange im Stadion nicht so ein Affentheater veranstaltet wird-" Lumina stützte sich mit dem Oberarm am Küchentisch ab. "Ich tue mir diesen Wahnsinn nur dir zuliebe an! Das Stadion im Themenpark war ja schon 'ne Nummer zu groß für mich. Ganz abgesehen davon, dass die Aussicht zum kotzen gewesen ist…und mir vermutlich dieser Anblick wieder nicht erspart bleibt." "Mit Seto Kaibas Rücken wirst du wohl Vorlieb nehmen müssen." Rin überreichte Lumina einen großen Pott Kaffee. Die Tasse mit beiden Händen umfasst, starrte ihre beste Freundin auf die schwarze Flüssigkeit. "Kaibaland…da ist ein Stadion gewaltiger als das andere. Ich will gar nicht wissen, wie viele Leute sie da heute rein gequetscht bekommen..." ~ "Vierzigtausend." Seto Kaiba blickte starr zu den Zuschauertribünen herüber, während von allen Seiten das DuelMonsters-Thema aus den Lautsprechern dröhnte. "Das ist verdammt viel", Mokuba kratzte sich an den Kopf. Sein Headset rutschte ihm ständig aus der wilden Mähne, dass er es schließlich mit einem Stöhnen von den Ohren abgenommen und sich stattdessen um den Hals gehangen hatte. "Meinst du, unsere Sicherheitsleute bekommen das hin?" Mokuba schien jedenfalls skeptisch. "Das ist schließlich ihr Job", entgegente Kaiba mit stoischer Miene. "Es ist ja nicht das erste Mal, dass wir es mit apokalyptischen Spinnern zu tun haben.'' Vorerst musste diese Antwort auch ihm genügen. "Mann, ich hoffe wirklich nicht, dass Dartz und seine Männer auftauchen. Ich hab allmählich die Schnauze voll, dass unsere Firma ständig in die Scheiße geritten wird." "Neider wird es immer geben, Mokuba." Doch er musste dem Jüngeren recht geben. Auf das Vergnügen mit Dartz und dessen Lakaien konnte selbst der junge Firmenchef verzichten. Wieder wanderte sein eiskalter Blick zu den Zuschauerrängen. Wie zu erwarten war nichts von dem Blauhaarigen und seinen Anhängern zu sehen. "Aber", seine Stimme verriet den Zorn, den er seit einigen Stunden herunter zu schlucken versuchte, "wenn Amelda recht hat, wird Paradius' Firmenchef hier irgendwo herum lungern." Den Gedanken ausgesprochen, stellten sich ihm sämtliche Nackenhaare auf. Er ballte die Hände zur Faust. Als Mokuba heute Morgen mit Neuigkeiten um die Ecke gekommen war, hätte Kaibas Tag nicht schlechter beginnen können. Der Jüngere der Kaiba Brüder hatte, nach mehreren vergeblichen Wochen, an denen die Telefonverbindungen ständig abgebrochen worden waren, Dartz ehemaligen Handlanger kontaktieren und zu den neuesten Ereignissen ausfragen können. Dank Mokuba, der in Amelda Erinnerungen an seinen kleinen Bruder weckte, war er diesem gegenüber stets redselig gestimmt. Er berichtete dem jungen Kaiba, wovor es Seto immer gegraut hatte: Die Technik, die Dartz einst von ihm gestohlen hatte, war weiterentwickelt worden. Nicht so fortschrittlich wie Kaibas neuestes Projekt, dennoch gefährlich genug, um für jede Menge Ärger zu sorgen. Der junge Firmenchef wusste ja bereits, dass Dartz seine Leute manipulierte und die Chaos DuelDisc als Werkzeug benutzte, um seine lächerliche Götter-Show abzuziehen. Dass er dafür jedoch in unmittelbarer Nähe bleiben musste, war ihm neu. Möglich, dass die Verbindung über Infrarot oder Bluetooth funktionierte - recht einfallslos und rückständig, doch für Dartz' Zwecke ausreichend. Es würde bedeuten, dass sich der Chef von Paradius Inc. unter das einfache Volk gemischt hatte. Sich seelenruhig im Stadion versteckte, um von dort das Geschehen nach Herzenslust lenken und verdrehen zu können. Die Fingerknöchel wurden weiß. Seine Augen nur noch zwei gefährliche Schlitze. Der Dreh vor den Rooftop-Battles - wenn Dartz an dem Sicherheitspersonal vorbeigekommen ist…womöglich gibt es einen Verräter. Einer, der es tatsächlich wagt, mich zu hintergehen… Er tat einen tiefen Atemzug. Diese falsche Schlange würde er nicht ungestraft davonkommen lassen! Du kannst dich nicht ewig verstecken, Dartz. Früher oder später musst du dich zeigen Aus dem Augenwinkel bemerkte er Mokuba, wie dieser von der Bühne sprang und mithilfe der Security auf den Nebeneingang des Stadions zusteuerte. Setos Augen verdunkelten sich bei dem Anblick dieser Menschenmassen. Er hatte keine andere Wahl gehabt. Nachdem die Ticketnachfrage kaum mehr überschaubar gewesen war, hatte Seto kurzerhand umdisponieren müssen. Statt des Themenparks musste nun das zweitgrößte Stadion auf Kaibaland herhalten. Die Kommission hatte ihm solange damit in den Ohren gehangen, bis Kaiba nachgegeben hatte. Die Duellarena neben der Achterbahn war ein Kompromiss gewesen. Das Hauptstadion wollte Kaiba für das letzte Spiel. Die Vorbereitungen waren noch im vollen Gange, dass Kaiba nicht sämtliche Arbeit wieder verwerfen wollte, nur weil die Kommission glaubte, dem mächtigen CEO auf der Nase herumtanzen zu können. Schließlich wusste er, dass diese abartig hohe Nachfrage Hii Yutas Sticheleien geschuldet war. Wenn Seto raten müsste, dann war es wohl Teil seines Plans, die Zuschauerzahl auf ein Dreifaches anzuziehen. Ein größeres Stadion bedeutete auch mehr Raum um unentdeckt zu bleiben. Kein dummer Schachzug von Dartz, wie er zugeben musste. Seine Security würde sich in all dem Chaos dumm und dämlich suchen. Es gab zu viele versteckte Winkel, und selbst wenn Kaiba sie alle kannte, war das keine Garantie, dass Dartz nicht wieder abtauchen würde, sobald jemand hinter sein Versteck gekommen wäre. Die Musik endete, ohne dass es dem jungen Firmenchef aufgefallen wäre. Unruhe machte sich breit, das Publikum konnte es kaum erwarten, die beiden Spieler zu sehen. Die ersten begannen bereits die Namen der Duellanten im Chorus zu singen. Andere wiederum schwenkten ihre selbst gebastelten Fahnen, in der Hoffnung, dass die Kamera ihre künstlerischen Beiträge auffinge. Auch Seto blickte auf die Digitaluhr, die aus dem Backstagebereich hervorlugte. Noch zehn Minuten Er hoffte, dass Rin ihre Zeit genutzt und genug Schlaf nachgeholt hatte. Nicht so wie er. Der junge Firmenchef hatte noch Stunden in seinem Büro damit verbracht, die übertragenen Daten auf sein Backup-System zu ziehen. Es war viel Arbeit gewesen, die sich letztendlich ausgezahlt hatte. Die virtuelle Version von Rin Yamamoris Gehirn war nun vollständig mit dem neuen Programm verbunden. Dass das Ganze so schnell über die Bühne gebracht werden konnte, hatte er den ausführlichen Untersuchungen während ihres Krankenhausaufenthalts zu verdanken. MRT, CT…Kaiba besaß sämtliche Aufzeichnungen, die der Chefarzt angefertigt hatte. Endlich zahlten sich seine Investitionen aus! Wie zu erwarten hatte Kaiba nur beschränkten Zugriff auf die Daten, aber das störte ihn nicht weiter. Bedeutete dies, dass die Informationen nicht einfach das System in Beschlag nehmen konnten. Um alles Weitere würde er sich nach dem Duell kümmern. Als Mokubas Mähne zusammen mit einem weiteren Wuschelkopf auftauchte, stieg auch der junge Firmenchef von der Tribüne. Die gesamte erste Reihe vereinnahmt, gab er letzte Instruktionen an Isono und seine Leute, die ihn auf den neuesten Stand gebracht hatten, und schaltete seine DuelDisc ein. Es war eine reine Vorsichtsmaßnahme. Seine Disc war so ausgelegt, dass er damit direkt mit dem virtuellen System verbunden war. Sollten unvorhergesehene Ereignisse auftreten - Kaiba würde vorbereitet sein. Kein zweites Mal würde der Chef der Kaiba Corporation zulassen, dass ein Virus den Ablauf des Worldcups sabotierte. "Uff", neben ihm stand Mokuba und kramte aus der Tasche seines Jacketts einen Schokoriegel hervor. "Soweit alles safe", sagte der Jüngere der Kaiba Brüder und riss die Verpackung auf. Normalerweise konnte es Kaiba nicht ausstehen, wenn Mokuba diese elend süße Zuckerbombe in seiner Gegenwart verschlang. Das Zeug stank nach zu vielen chemischen Zutaten, (als hätte man einen Kaugummiautomaten mit Vollmilchschokolade überzogen und dann noch einmal in die Fritteuse geworfen) dass Seto allein beim Anblick seines Bruders, der genüsslich den Riegel in sich hinein stopfte, der Appetit verging. Heute unterdrückte sich der Chef der Kaiba Corporation einen Kommentar. Dafür war er viel zu angespannt, dass jedes Wort wie eine scharfe Anklage rübergekommen wäre. Seinen Frust bekäme dann nur der Jüngere zu spüren - und Mokuba war heute der Letzte, an dem er seinen Ärger auslassen wollte. "Wenn dasch Gantsche vorbei isch, will isch Urlaub", schmatzte der schwarzhaarige Wuschel und ließ die leere Verpackung in seiner Hosentasche verschwinden. "Kannst ihm ja deinen Vorgesetzten einreichen", entgegnete der Ältere trocken. "Ha-ha", Mokuba verschränkte die Arme vor der Brust. "Übrigens", murmelte der Schwarzhaarige, dass es bei der Lautstärke im Stadion fast unterging, "nicht, dass du gleich sauer wirst, aber-" "Waaaaahnsinn!" Hörte es Kaiba auch schon dicht hinter sich jubeln. Mit starrem Blick sah er zu seinem jüngeren Bruder herunter. Dieser zuckte mit den Schultern und versuchte ein entschuldigendes Lächeln aufzusetzen. "Zieh' dir mal diese Aussicht rein!" Der vertrottelte Köter hat mir gerade noch gefehlt Und er war nicht allein - natürlich nicht. Nur unweit hörte er die etwas ruhigere Stimme des ehemaligen Königs der Spiele. Die können auch nicht alleine aufs Klo gehen, oder? Der junge Firmenchef versuchte, das Gerede so gut es ging auszublenden. Bei Jonouchis Lautstärke fast ein Ding der Unmöglichkeit. "Mann, ich bin echt gespannt, was Rin gegen diesen Hii ausrichten will", die Stimme des Blonden klang auf einmal weniger heiter - fast schon erwachsen für dessen Verhältnisse. "Ja", bestätigte sein bester Kumpel, "das wird keine leichte Sache. Hii Yuta ist ein extrem starker Gegner. Seine Karten haben es in sich. Wenn Rin nicht aufpasst, wird er sie gnadenlos fertig machen." "Na wenigstens kann Orichalcos sie nicht mehr ins Koma versetzen. Mann, das war damals echt 'ne kranke Scheiße gewesen." "Rin sollte trotzdem vorsichtig sein. Vielleicht hat Dartz schon die nächste irre Idee am Start…ähm ich meine", Yugi geriet ins Stocken, "natürlich wird alles gut gehen. Die Leute vom Worldcup geben ihr bestes, damit niemand zu Schaden kommt… Tut uns leid, Lumina. Wir wollten dich nicht erschrecken." Da war also Rins kleine Freundin abgeblieben. Hatte sich der Kindergartentruppe angeschlossen. Kaiba wäre es egal, wenn Lumina ihm nicht damit den ganzen Dreck von der Straße angeschleppt hätte. "Ihr denkt also", die Stimme der kleinen Frau klang gebrochen, "Rin hat keine Chance gegen Hii?" "So würde ich das nicht sehen", erwiderte Yugi. Der Kleinere sprach so sanft, dass Kaiba sein Lächeln im Rücken spürte. "Ich habe Rin ein paar Mal spielen sehen und ich glaube, dass sie noch nicht alles von sich gezeigt hat." "Das stimmt." "Weißt du, um in DuelMonsters zu bestehen, braucht man zwei entscheidende Dinge. Zum einen die Kontrolle über das Duell und zum anderen den Mut, ein Risiko einzugehen. Ohne diese beiden kann man nicht gewinnen." "Und außerdem", fügte Jonouchi gut gelaunt hinzu, "werden wir Rin so richtig anfeuern, dass die Bude wackeln wird. Wirst sehen, mit einer ordentlichen Portion Unterstützung kann sie gar nicht verlieren." Kaiba konnte gar nicht anders als die Augen zu verdrehen. Dieses ständige Gesülze von Teamwork und Freundschaft hing ihm schon zum Halse raus. Die lernen es nie "Hm", mischte sich die Schwarzhaarige in die Unterhaltungen ein, "lieber nicht. Rin kann es überhaupt nicht ab, wenn ihr zugejubelt wird." "Was?!", rief ein entsetzter Katsuya Jonouchi. "Und was ist mit den Fans?!" "Wie ich Rin kenne, kriegt sie das Publikum gar nicht mit. Wenn sie sich duelliert, ist sie wie ein Pferd mit Scheuklappen. Die ist da voll in ihrem Tunnelblick gefangen. Sie würde es wohl nicht einmal merken, wenn ich ihr zujubeln würde…und wenn, dann würde es ihr gar nicht gefallen." "Ach", erwiderte der Blonde gelassen, "Rin ist einfach noch nicht auf den Geschmack gekommen. Die Ärmste weiß gar nicht, was sie verpasst. Wenn meine Freunde nicht immer für mich dagewesen wären… glaub' mir, ich wäre so einige Male am Arsch gewesen." "Man darf es Rin nicht übel nehmen. Wenn sie DuelMonsters spielt, wird sie ein wenig sonderbar. Sie nimmt das Ganze viel zu ernst." Sie wäre auch dumm, wenn sie es nicht ernst nehmen würde "Dann", jetzt war es wieder Yugis helle, warme Stimme, die zu ihr sprach, "unterstützen wir Rin eben auf mentale Art." "Mental?" War ja klar, dass dieser Schwachkopf keine Ahnung hat Kaiba entlockte es ein schwaches Lächeln. Einen passenden Kommentar an seinen ehemaligen Mitschüler hatte er bereits auf den Lippen. Die Atmosphäre auf der Bühne hielt ihn davon ab. Bevor Yugi etwas darauf erwidern konnte, schalteten sich zwei Scheinwerfer ein, tränkten die Tribüne in ein grelles Licht, dass das Publikum augenblicklich zur Ruhe kam. Heijis Stimme hallte durch die Boxen - schrill und hoch motiviert kündigte er das kommende Duell an. "Wird es schon heute eine Entscheidungsschlacht geben? Oder werden nach dem Duell die Karten neu gemischt?" Kaibas Mund wurde ein einziger gerader Strich. "Wie siehst du das Seto", Mokuba blickte auf die Tribüne, während seine Stirn tiefe Falten schlug - ein äußerst seltener Anblick. "Ich weiß es nicht, Mokuba. So jemandem wie Yuta stand Yamamori noch nie gegenüber. Mag sein, dass sie sich schon auf der Straße begegnet sind, aber sein wahres Gesicht wird sie noch nicht gesehen haben." Rin Auf Kommando betrat seine Duellantin die Tribüne. Ihr Blick war auf die andere Seite des Duellrings gerichtet. Ohne große Verzögerung schritt auch Hii Yuta auf seinen Platz. In seiner üblichen Aufmachung unterschied er sich kaum von den anderen Spinnern seines Teams. Die dunkelblaue Bikerjacke war ihm mindestens zwei Nummern zu groß und auch sonst sorgte sein Outfit dafür, dass er wie der entflohene Sträfling eines Jugendgefängnisses aussah. "Yamamori", seine krächzende Stimme hallte über die gesamte Tribüne. Die junge Frau erwiderte seinen hungrigen Blick. Dieser Bursche lechzte nach Blutvergießen. Vielleicht nicht auf die herkömmliche Weise, aber am Ende würde er Rin bluten sehen wollen. Kaiba spürte, wie sich alles in ihm anspannte. "Heute", Yuta legte den Kopf schief, er begann zu grinsen, "holen wir unser kleines Spielchen von damals nach. Aber diesmal ohne Einmischungen - nur du, ich und unsere DuelDisc's." "Einverstanden", kam es klar von Rin Yamamori. "Sehr schön", damit fuhr Yuta seine Chaos DuelDisc aus. Grünes Licht umhüllte die Technik. Dem kam Rin umgehend nach. Das strahlende Blau ihrer eigenen DuelDisc legte sich auf die junge Frau wie eine zweite Haut. Stählern war ihr Blick. Sie hatte sich also entschieden. Von nun an gab es kein Weg zurück. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)