Spiel ohne Limit von Lady_of_D ================================================================================ Kapitel 50: ------------ "Was war das denn?", Yamato blickte in die Richtung, in die der Fremde verschwunden war. Seine linke Augenbraue schnellte in Höhe, kleine Falten entstanden auf seiner Stirn. Nur Rin blieb unbeeindruckt. Sie nahm den Umschlag und drehte ihn in alle möglichen Richtungen. "Wohl ein Handlanger von Industrial Illusions. Auch wenn man das schwer an ihrem Aussehen ausmachen kann. Die Kerle sehen alle gleich aus - egal für wen sie arbeiten." Und die Frisur scheint ein Auswahlkriterium für den Job zu sein. "Das gerade war trotzdem echt seltsam", schüttelte der Schwarzhaarige mit dem Kopf, bevor er sich dem Rest seines Frühstücks widmete. "Vor allem ein Brief - wie altmodisch", Rin musterte das raue Papier. Der Umschlag hatte kleine Verzierungen, die wie Hieroglyphen aussahen. Auf der Rückseite war er mit einem Firmensiegel verschlossen. In goldener Schrift, die wie handgezeichnet wirkte, stand ihr Name in überdeutlicher Größe. Sonst deutete nichts auf dessen Inhalt hin - es gab weder eine Adresse, noch einen Absender. Die Neugier stieg, doch Rin wollte sich jetzt nicht ablenken lassen, dass sie dem Schwarzhaarigen den Umschlag überreichte. "Könntest du ihn solange für mich aufbewahren?" "Du willst nicht wissen, was drin steht?" Yamato blinzelte. "Naja, es wird sicherlich mit dem Turnier zu tun haben. Aber da ich den Chef von Industrial Illusions gleich persönlich antreffen werde und er mir alles Wichtige vor Ort erzählen kann, glaube ich, dass es noch warten kann." "Wenn du meinst", er nahm den Umschlag entgegen. In seinem Gesicht sah man die Neugier, dass er wohl etwas enttäuscht war, ihn vorerst ungeöffnet zu lassen. "Ich warte solange auf dich." Rin nickte eifrig. "Wird bestimmt nicht lange dauern." "Ich kann dich auch unmöglich dieser Meute überlassen", er schüttelte lachend den Kopf, dass kleine Locken aus seiner Frisur sprangen. Die junge Frau lächelte zurück. "Bis gleich." Rin brauche nicht lange bis zur Hauptarena. Es gab eine Abkürzung, die nur von den Mitarbeitern der Kaiba Corporation genutzt wurde, dass sie keinem weiteren Gaffer oder DuelMonsters-Fan begegnete. Die paar Minuten, in denen sie lediglich einer Aushilfskraft und einigen von der Reinigungshilfe über den Weg lief, ließen ihre Gedanken klarer werden, dass sie sich ganz auf das Wesentliche konzentrieren konnte. Der heutige Tag war maßgebend. Die Wahl der Gegner konnte über Sieg oder Niederlage entscheiden. Sie dachte an die verbliebenen Duellanten, von denen es keinen gab, der nicht ein Ass im Ärmel hatte, mit dem die junge Frau in eine Zwickmühle geraten könnte. Ein paar der Spieler waren zähe Brocken. Alt eingesessene Duellanten, die seit Jahren mit ihren Standarddecks und lediglich einigen Neuerungen Erfolge aufzuweisen hatten, an die Rin noch nicht einmal zu träumen wagte. Sie dachte an ihre Karten und überlegte im Geiste, welche Kombinationen für die nächsten Runden wirksam wären. Ihr war klar, dass einige Gegner mehr drauf hatten als sie in den Runden zuvor bewiesen hatten. Zu gern würde sie selbst herausfinden wollen, wozu ihre Konkurrenten alles in der Lage waren. Hii Yuta. Was hast du wirklich vor? Sein gehässiger Blick nistete sich in ihr ein, dass sie die Hände zur Faust ballte. Egal, was kommt, ich werde meine Revanche bekommen Vor der Absperrung wurde ihr Platz gemacht. Einer der Security-Männer nickte ihr wissend zu, bevor er das Absperrband wieder gerade rückte. Seichter Wind blies ihr entgegen, Rin blickte hinauf in den klaren Himmel, der seit Tagen nicht mehr so strahlend hell gewesen war. Eigentlich schade, dass sie den Tag nicht anders nutzen konnte. Wenn ich Glück habe, bin ich in einer Stunde wieder draußen Langsam sah sie zu der Arena, die einige hundert Meter von ihr entfernt war. So gut es ging, versuchte sie nicht auf die Plakate zu blicken. Die Profile der Top-Spieler und mittendrin ihr eigenes Gesicht, waren noch immer ein befremdlicher Anblick für sie. Nach einem tiefen Atemzug setzte Rin ihren Weg Richtung Haupteingang fort. Quietschende Reifen näherten sich ihr von hinten, dass Rin den Kopf drehte. "Achtung!", rief eine trällernde Stimme. Noch bevor Rin reagieren konnte, bretterte ein klappriges Fahrrad an ihr vorbei, fuhr einmal über den Rasen, der den Hauptweg von der Arena trennte, bog dann in eine scharfe Rechtskurve, bevor es mit einem weiteren Quietschen zum Stehen kam. Der Fahrer schnaubte. "Oh Mann, tut mir echt leid", hechelte er und fasste sich an die Stirn. Die junge Frau blieb direkt vor dem jungen Mann stehen, der holprig vom Rad abstieg. "Sorry nochmal", er tat eine tiefe Verbeugung, dass Rin dessen dunkelrotes Basecap ins Auge stach. Die Kürzel des städtischen Pizzaservices waren direkt auf Augenhöhe, unter der Kopfbedeckung lugte das wirre blonde Haar hervor. Sie musste schmunzeln. Mit einem nervösen Lachen stellte er sich wieder auf und fasste sich an die Kappe, "weißt du, eigentlich dürftest du gar nicht hier sein", seine Stimme war sanft, weniger belehrend als seine Worte vermuten ließen, "momentan sperren sie hier die Anlage für das Turnier ab. Also falls du nicht alleine raus findest-", er hielt inne. Seine Augen begannen sich mit Erkenntnis zu füllen. Dann riss er abrupt den Mund auf und sprang einen Satz zurück: "Moment! Du bist doch Rin Yamamori!" "Hallo...Jonouchi." Die junge Frau versuchte, nicht in Gelächter zu verfallen. Der Ausdruck ihres Gegenübers machte es ihr schwer, sich zu beherrschen. Irgendwie ist er ja schon putzig. "Ich hab' dich erst gar nicht erkannt", er kratzte sich an den Hals und fing erneut an zu lachen. Seine Augen wurden dabei zu kleinen Schlitzen, die seine Seelenspiegel zum Leuchten brachten. "Wo ist dein roter, langer >Die-Welt-kann-mich-mal-Mantel< hin?" Rins Mundwinkel zuckten: "Der schien mir bei dem Wetter nicht passend", entgegnete sie und verschränkte die Arme vor der Brust. "Und bei dir?", dabei deutete sie auf sein Basecap, "arbeitest du nebenbei als Pizzajunge, oder warum die Aufmachung?" "So in etwa, ja", grinste er sie an, "eigentlich", der Blonde lehnte sein Fahrrad direkt neben die Eingangstür, "eigentlich ist das hier nur zu Werbezwecken gedacht, aber", er nahm ein rostiges Schloss und kettete die Räder fest, "während des Worldcups nimmt das Ganze abartige Züge an, dass es sich wie echte Arbeit anfühlt." Damit nahm er das Basecap vom Kopf und schüttelte seine Mähne frei, dass sie wie an einen Griff durch die Steckdose erinnerte. "Anfangs haben sie damit die Werbetrommel gerührt, dass jeder hundertste Kunde die Pizza von mir geliefert bekommt. Das ist aber völlig ausgeartet", er fuhr sich mit Zeigefinger und Daumen durch das blonde Gestrüpp und sah zu zwei wirren Strähnen seines Ponys hinauf, "zum Glück hat auch der Besitzer irgendwann eingesehen, dass die Idee irre ist. Darum fahre ich auch nur noch jede tausendste Pizza aus." "So wie du aussiehst, ist das immer noch zu viel." "Ach, kein Ding", er stopfte sich das Basecap sporadisch in die Jeanshose und stemmte anschließend die Hände in die Hüften, "immer noch besser als für einen dieser Fatzkes zu arbeiten...nicht böse gemeint." "Ich hab es nicht als Beleidigung aufgegriffen", grinste sie zurück und steuerte langsam die Eingangshalle an. Zwei weitere Herren in dunklen Anzügen begrüßten die Neuankömmlinge mit einem knappen Nicken. "Nein, ehrlich", eilte ihr der Blondschopf hinterher, "ich weiß selber, dass man sich nicht immer aussuchen kann, wo man landet. Vor allem nicht am Anfang." Als er sie eingeholt hatte, entschleunigte er das Tempo: "Ich bin einfach nur platt, dass du nicht so rüberkommst wie du dich in deinen Duellen zeigst. Dachte eher, du spielt lieber die Unnahbare." Sie drehte sich zu ihm um. "Na du weißt schon", er sah beim Reden hinauf zur Decke als hätte diese die richtigen Worte, "dieses abgefahren Großspurige. Ich dachte schon, du willst mit Kaiba in Konkurrenz um den Großkotz aller Zeiten antreten." "Katsuya", hinter ihnen tauchte eine weitere Duellantin auf - Mai schwenkte gerade ihre lange Mähne nach hinten als sie sich neben den Blonden platzierte, "schon mal überlegt, dass das zu ihrem Image gehören könnte", ihre Lippen zierten ein Lächeln. Keines, das tatsächlich ihre Augen erreichte, aber dafür die Zähne zum Strahlen brachte. Ihr Anblick hatte etwas leicht Verwegenes, dass Rin sich nicht zum ersten Mal fragte, ob dies nur zu ihrem restlichen Auftreten passen sollte. "Hey, Mai", entgegnete der Blonde, der zunächst überrascht schien, von ihr angesprochen worden zu sein. Doch dann wurde sein Blick weicher, das Lächeln weniger kindlich, wie er es zuvor bei Rin gezeigt hatte: "Image sagst du", Jonouchi schien darüber zu grübeln, "stimmt das?" Er sah wieder zu Rin, die nicht ganz wusste, wie sie mit der Situation umzugehen hatte. Bisher hatte sie nie ein ordentliches Gespräch mit einem der anderen Duellanten geführt. Es fühlte sich seltsam an, dass sie Mühe hatte, locker zu bleiben: "Ich habe mir noch gar keine Gedanken über mein Image gemacht." "Hm", überlegte der Blonde weiter und tippte sich mit dem Finger ans Kinn, "dann ist das vielleicht so wie bei Yugi", er sah sie wissend an, obwohl Rin nichts verstand, "er ist auch immer wie ausgewechselt, wenn er sich duelliert. Fast als würde es zwei von seiner Sorte geben." "Wie auch immer", winkte Mai ab und schritt an ihnen vorbei, "am Ende zählt nur eines. Also zieht euch warm an und betet, dass ihr nicht gegen mich antreten müsst", damit verschwand sie als erste aus der Vorhalle in Richtung Duellschauplatz. "Kannst du mir sagen", Rin sah der Duellantin hinterher, deren blondes Haar hinter einem der Security-Männer abtauchte, "wieso jemand wie Mai Kujaku zu Spinnern wie Paradius wechselt?" Neben sich hörte sie ein tiefes Seufzen. Seine hellbraunen Augen sahen ins Leere. "Wenn ich das wüsste", seine heiteren Züge bekamen tiefe Furchen, "sie sagt, ich würde es sowieso nicht verstehen. Aber ich kenne sie. Ich weiß, dass sie sich irrt." Seine kryptische Antwort versuchte Rin nicht weiter zu ergründen. Eigentlich ging es sie ja nichts an, und der ernste Gesichtsausdruck ihres Nachbarn bestätigte sie darin, nicht weiter nach zu bohren. "Wie ich mitbekommen habe", setzte Jonouchi an, wobei er noch immer Löcher in die Decke starrte, "hast du auch noch eine offene Rechnung mit Paradius." "So in etwa", entgegnete Rin und blickte finster in die Haupthalle. Die Hälfte der Duellanten hatte sich bereits eingefunden. Direkt vor der großen Bühne standen die verbliebenen Spieler von Industrial Illusions. Daneben ein, zwei Duellanten der Sponsorengruppe. "Dann sind wir schon zu zweit", der Blonde wirkte ebenso entschlossen wie die junge Frau. Auch wenn es keine Rolle spielte, war es für sie beruhigend zu wissen, dass sie damit nicht alleine war. In Jonouchis Augen kehrte das Funkeln zurück, er ballte die linke Hand zur Faust. "Und wenn wir schon dabei sind: ich hätte auch nichts dagegen in der Endrunde gegen dich anzutreten." Er grinste breit. "Dann habe ich endlich wieder die Chance, gegen einen Kaiba zu gewinnen." "Einen Kaiba?", murmelte Rin. "Zumindest einen würdigen Nachfahren", sein Grinsen reichte nun bis zu seinen Ohren, "die anderen aus seinem Team zählen nicht. Mit denen werde ich locker fertig, aber du", er zeigte auf die junge Frau, "das könnte spaßig werden." "Ich verstehe", Rin blieb stehen und musterte den Blonden, "du weißt aber schon, dass ich niemals gegen dich verlieren könnte. Schon allein aus Prinzip." "Das wollen wir doch sehen", feixte er zurück. "Ich würde meinen Job verlieren." "Schon möglich, dass er dir das übel nimmt", dachte er über das Gesagte nach, "nachdem du die weißen Drachen mit eiskaltem Blick gespielt hast, gibt es kein Zurück mehr." Ich fürchte, da hat er recht "Das muss man dir lassen", Jonouchi schüttelte lachend den Kopf, "du hast echt Eier, dass du einfach so seine Monster gespielt hast. In den letzten Jahren hat sich keiner getraut, Kaibas Drachen zu spielen - nicht einmal, wenn ihnen die Karten gehören. Darum war es ja so witzig, dass ausgerechnet jemand aus seinem Team seine Monsterchen beschwört. Hätte nicht gedacht, dass er das einfach so durchgehen lässt." "Ich auch nicht", entgegnete Rin. Noch immer wartete sie darauf, dass sich der junge Firmenchef auf irgendeine Weise an ihr rächen würde. Jonouchi stellte sich direkt vor sie und blinzelte verdutzt: "Wie jetzt? Kein Arschtritt von der Geschäftsleitung? Nichts? Mann, du kannst dich glücklich schätzen. Scheinbar stehst du hoch im Kurs." Darüber hatte Rin auch schon nachgedacht. Ihr Blick schweifte über die Bühne, auf der sich einige Bühnentechniker eingefunden hatten. Einige weitere Mitarbeiter wuselten an der Seite, die meisten von ihnen wirkten geradezu angespannt. Rin hatte davon gehört: Von Wetteinsätzen der höheren Rigen, die auf bestimmte Duellanten gemacht wurden. Dabei ging es um Summen, die ins Absurde gingen. Je überraschender der Duellant in die Saison startete, umso monströser wurden die Wetteinsätze. Sie hatte auf den Straßen der Nord-City davon gehört. Amateurspieler hatten sich darüber unterhalten, wie man sich selbst an diesen Einsätzen beteiligen konnte. Das schien der jungen Frau aber sehr riskant - für reiche, gelangweilte Aktionäre und Firmenbosse war das schon eher was. Diese tummelten sich ebenfalls in der Arena, dass sie sich durch ihre überteuerten Anzüge und den selbstgefälligen Blicken von dem Rest der Anwesenden abhoben. Auch diesmal schien der Chef von Paradius Inc. mit Abwesenheit zu glänzen, dass Rin lediglich seine zwei Spieler ausmachen konnten, die außer ihrer Biker-Aufmachung wenig gemeinsam hatten: während Mai mit einigen Herrschaften der Oberschicht ins Gespräch kam, hatte sich Hii Yuta von dem Rest gänzlich abgeschottet. Seine kränkliche Erscheinung lehnte an der Wand, weit weg von den anderen, dass er auch als bloßer Schatten hätte wahrgenommen werden können. Die Abneigung, die er mit seinen Augen versprühte, erreichte schließlich Rin, die mit einem finsteren Blick konterte - zumindest finster genug, dass Hii ein schwaches Lächeln zustande brachte, bevor er wieder ins Leere starrte. "Na sieh' mal einer an." Du hast mir gerade noch gefehlt. Mit verschränkten Armen und Augen, die sie von oben herab anblickten, war Yoshi an die beiden herangetreten. "Na", schmatzte er, dass Rin seinen Kaugummi aufblitzen sah, "der Pöbel hat sich zusammen getan. Ich war schon immer der Meinung, dass Amateure lieber dort bleiben, wo sie hingehören." "He, du Schmalzfriese", entgegnete Jonouchi, der fast einen halben Kopf größer als Yoshi war, "du solltest lieber aufpassen, was du sagst. Ich kann mich nicht erinnern, deinen Namen jemals auf der Weltrangliste gesehen zu haben. Also zisch' du lieber ab." Hii lächelte, dass seine Augen einen dunklen Ton annahmen. Mit einer wegwerfenden Handbewegung warf er ihnen einen letzten abschätzenden Blick zu und drehte sich schließlich von ihnen weg. "Mann, und mit sowas arbeitest du zusammen?", der Blonde zuckte mit den Schultern, "die Duellanten der großen Firmenhaie waren schon immer Arschgeigen. Sie glauben, weil sie mit einem goldenen Löffel zur Welt gekommen sind, nichts für ihren Erfolg tun zu müssen. Wenigstens lässt sich sowas immer bei einem guten Duell klären", er grinste schief, "bisher ist jeder von denen auf den Arsch gefallen. Da können Papis Millionen auch nicht helfen." Rin lächelte zaghaft zurück. Ihr Gegenüber hatte recht. In DuelMonsters mochten meist nur die privilegierten einen Platz zugesprochen bekommen haben, aber in einem Duell spielte es keine Rolle, wer man war oder woher man kam. Die raue Realität des Spieleralltags holte jeden auf den Boden der Tatsachen zurück. Am Ende überlebten nur die Besten - und diejenigen, die sich mit aller Härte durchzusetzen wussten. Immer deutlicher wurde der jungen Frau, dass sie sich genau wegen dieses Kicks duellierte - sie wollte Leuten wie Yoshihiko Taba den Dreck unter ihren Fußshohlen spüren lassen. Ihnen die Position aufzeigen, in die sie wirklich hingehörten. Wer zuletzt lacht- "Rin?", von Weitem rief ihr eine bekannte Stimme zu, dass sie aus ihren Tagträumen erwachte und ihren Kopf drehte. Mokuba kam aus einem der hinteren Bereiche, in der sich allerhand Sicherheitspersonal befand, und winkte der jungen Frau zu. Seine Augen scannten einmal über ihre Aufmachung, bevor er breit grinste: "Wow, ich hätte dich fast nicht erkannt...Oh, hallo Katsuya. Na, wie geht's?" Er wandte sich an den Blonden, der ihn ebenfalls begrüßte und den üblichen Smalltalk startete, dass Rin gedanklich wieder abschweifte und sich genauer umsah: Vorne, direkt an der Bühne hatte das Techniker-Team Sitzplätze aufbauen lassen. Die ersten Reihen waren einfache Sitzgelegenheiten, die Rin aus Konzerten und Theatervorstellungen kannte und wohl für die Spieler reserviert waren. Dahinter, mit einem gewissen Abstand, gab es eine weitere Reihe mit gepolsterten Sitzplätzen, auf denen sich bereits einige der älteren Herrschaften niedergelassen hatten. Zwischen zwei schwarzhaarigen, finster dreinblickenden Herren strahlte Pegasus J. Crawfords silbernes Haar hervor und lenkte den Fokus auf dessen entspannte Gesichtszüge. Er war zwischen all dem Gewusel und der Hektik von allen Seiten die Ruhe selbst, dass sie ihn schon fast dafür beneiden könnte. Das Gesicht zur Seite geneigt begegneten sich ihre Blicke. Er nickte, müde lächelnd und widmete sich wieder ganz seiner eigenen Ausgeglichenheit. Sie wüsste schon gerne, was der Erfinder von DuelMonsters von ihr wollte. Diese Geheimniskrämerei und dazu dieser Brief - jemand wie Crawford hatte für alles seine Gründe. Aber um den zu erfahren musste sie sich etwas gedulden. Ich muss mich auf das Wesentliche konzentrieren Eine Hand klopfte ihr auf die Schulter: "...ach kein Thema", wie ein Honigkuchenpferd grinste Jonouchi und ließ Rin keine Chance, darauf zu reagieren, als er sie auch schon nach vorne geschleift hatte. Zufrieden ließ er sich auf einem der Sitzplätze nieder. "Soll ich dir die nächste Runde erklären? In diesem Gebiet bin ich sowas wie ein Experte", er zwinkerte ihr zu. Auch Rin ließ sich nieder, schlug die Beine übereinander und lehnte sich zurück. "Also", begann ihr Sitznachbar zu erzählen, "Es werden drei Gruppen mit jeweils fünf Duellanten zusammengestellt. Der Zufallsgenerator wählt die Konstellation aus. Danach duellieren sich die Spieler aus den jeweiligen Gruppen - jeder gegen jeden. Wer die meisten Gewinne einfährt, ist der Sieger und darf in die finalen Spiele nach Kairo einziehen. Bei Gleichstand entscheidet der jeweilige Rang der Spieler, wer weiterkommen darf. Meist entscheidet sich das schon vorher. Die von der Kommission bestimmen das am Anfang - oft wissen die das schon vor den Battle-City-Turnieren." "Wenn einer der zweiten Liga gegen einen Champion gewinnt, geht der Punkt dann an den Zweit-Legisten?" "Irgendwie so, ja. Manchmal geht's auch um Spekulationen. In jedem Duell gibt es einen Favoriten. Gewinnt aber der Außenseiter bekommt er so 'ne Art Bonus zugeschrieben. Am Ende geht's nur um Annahmen, diese Anzugträger haben gar keine Ahnung, wie DuelMonsters gespielt wird. Da geht es nur um Zahlen und Statistiken - davon hab' ich echt keinen Schimmer." Die Bekanntschaft mit den Herren von der Kommission ließ keinen Zweifel zu, dass Jonouchi mit seinen Vermutungen recht hatte. So wie sie mit Rin gesprochen hatten, wussten sie mit Geldern und Papieren umzugehen, aber nicht wie eine DuelDisc geführt wurde, geschweige denn die Karten gespielt werden mussten. Wenn sie also die Endrunde gewinnen wollte, musste sie sich einzig auf sich selbst verlassen und kein einziges ihrer Spiele verlieren. Also alles wie immer. Neben ihr gähnte Jonouchi und ließ die Augen kleiner werden. "Ich hoffe, die legen langsam einen Zahn zu. Die brauchen viel zu lange. Normalerweise sind die mit den Vorbereitungen längst fertig, wenn ich hier antanze. Ich seh' noch nicht mal Kaiba, und der ist nie unpünktlich." Kaiba Seine unumgängliche Präsenz hatte Rin bisher weitestgehend verdrängt. Obwohl ihre letzte Begegnung sicher nicht zu ihren schlechtesten zählte, kreiste ihr noch der letzte Traum durch den Kopf. Sie sah diese ruhelosen, wachsamen Augen vor sich und schüttelte gedanklich den Kopf. So viel zu einem klaren Kopf bewahren. Du lernst es nie, Rin. Schließlich erkannte sie seine dominante Statur - was an diesem Mann ist nicht dominant? - im hintersten Winkel der Bühne. Er sprach zu einem seiner Mitarbeiter. Sein Blick war eisig wie eh. Rin bemühte sich, nicht in seine Richtung zu starren - dieser Fixpunkt im weißen Mantel machte es ihr unglaublich schwer. Der Angestellte nickte und verschwand. Lichter über ihr lenkten ihre Aufmerksamkeit von der Bühne weg. Es ging also los. Die Letzten fanden sich auf den freien Plätzen ein, die Lautstärke regelte sich, und selbst das Personal wurde minimiert. Rin wurde etwas flau im Magen. Sie wusste nicht, wieso. Schließlich musste sie sich heute niemandem beweisen. Egal, wer ihre nächsten Gegner sein würden, der Zufallsgenerator war dafür verantwortlich - und nicht sie. Ein kleinerer Mann mit Sturmfrisur betrat die Bühne und hielt sein Mikrofon bereit. "Wer ist das", flüsterte Rin, weil sie nicht wusste, ob Reden erlaubt war. "Das ist Heiji, der Kommentator." "Echt?! So hab' ich ihn mir gar nicht vorgestellt." "Heiji lost die Spieler für die Gruppen aus. Die meisten Firmenbosse trauen einander nicht. Die haben meist Schiss, dass Kaiba die Gruppen zu seinem Vorteil manipulieren könnte." Rin sah zur Seite, zu Seto Kaiba, der genervt an der Wand lehnte und wohl auf das baldige Ende wartete. Vieles traute sie ihm zu - die Gruppen zu manipulieren eher nicht. Sie war davon überzeugt, dass seine Technologie zu viel Vorrang hatte als dass er sich wirklich um die Platzierung seiner Spieler scherte. Solange sie ihn nicht blamierten. Wenn sie sich einredete, bloß als Spielfigur wahrgenommen zu werden - als Testsubjekt und Werbegesicht der Kaiba Corporation - dann würden vielleicht auch die verwirrenden Gedanken und Bilder verschwinden, die ihr einzureden versuchten, mehr als das zu sein. "Also gut, Leute", hallte Heijis Stimme durch die Arena und ließ auch den Letzten verstummen. Der Kommentator begrüßte die Anwesenden und erklärte kurz die Regeln, die Jonouchi weitaus kompakter rüber gebracht hatte. Dann zeigte er auf eine Tafel, auf der die drei Gruppen abgebildet waren - jeweils in der Farbe rot, blau und grün. Er verwies auch auf das Losverfahren. Eine Methode, bei der Heiji mit der Hand in das Maul des weißen Drachen greifen und die Namen der Spieler ziehen sollte. "Dann wollen wir mal star-", das Mikrofon hakte aus. Ein leiser Fiepton drang in Rins Ohren. Heiji versuchte es von Neuem, diesmal setzte das Mikrofon ganz aus. Es brachte nichts, darauf zu klopfen. Also wurde ein Neues angeschafft - sehr zum Verdruss ihres Chefs, dessen Miene mit jeder verstrichenen Minute weiter absackte. Gerade als einer der Tontechniker ein neues Mikrofon beschafft hatte, gab es einen Knall, irgendwo hinter den Sitzplätzen. Die Lichter gingen aus und wurden durch zwei Scheinwerfer ersetzt, die den Mittelpunkt der Bühne beleuchteten. "Was soll das denn jetzt", murmelte Jonouchi und sah sich um, "siehst du Kaiba? Das gehört auf jeden Fall nicht zum Programm." Gehörte es auch nicht. Laute, widerhallende Schritten lenkten ihren Blick nach rechts. Aus einem der Seitenbereiche schritt jemand auf die Bühne zu. Rin hätte sich am liebsten die Augen gerieben. Zigfried? Was macht der denn hier? "Habe ich endlich deine Aufmerksamkeit?", Zigfried schritt ganz selbstverständlich auf die Bühne zu. Die Hände vor sich gefaltet näherte er sich der Mitte und drehte den Kopf Richtung Kaiba, der sich keinen Zentimeter vom Fleck bewegt hatte. "Was soll das, Zigfried?", fragten der junge Firmenchef, dass Rin einen Seufzer heraus hören konnte, "nach deiner Schmach von neulich könnte man meinen, du hättest es endlich verstanden: Du hast hier nichts mehr zu suchen", sein eiskalter Blick wurde knallhart von Zigfried abgeschmettert. "Ach, Kaiba", schmunzelte er, "du glaubst, allen anderen überlegen zu sein, dabei bin ich es, der dir immer einen Schritt voraus ist." Jetzt lächelte auch Kaiba, dass Rin ein Schauer durchzuckte. "Was du glaubst, ist mir herzlich egal. Aber du störst schon wieder mein Turnier und ehrlich gesagt, verliere ich langsam die Geduld. Ich kann mir schon denken, dass du für unseren Ausfall verantwortlich bist, aber wieso sparst du dir nicht die Mühe und widmest dich ausnahmsweise mal deiner Firma? Die hätte es einmal dringend nötig. Also hör' mit diesen Kinderspielchen auf und lass' die Profis ihre Arbeit machen." "Oh, das werde ich, keine Sorge", entgegnete Zigfried, "aber zunächst fordere ich eine letzte Revanche. Ein Nullspiel!" Um Rin herum begann ein aufgeregtes Murmeln. "Ein Nullspiel?", sie verstand die Aufregung nicht. "Oh Mann", murmelte Jonouchi und schlug Falten auf der Stirn, "der Kerl rafft es echt nicht. Und jetzt auch noch ein Nullspiel. Das ist ein Ehrenduell unter Top-Spielern. Wenn jemand zu einem Nullspiel herausfordert, kann dieses Duell nicht abgeschlagen werden. Das wäre dann wie eine Niederlage. Der Spieler gibt damit zu, seinem Gegner nicht gewachsen zu sein und wird als Verlierer gebrandmarkt." "Klingt ganz schön übertrieben." Und nicht so als würde Kaiba auf so etwas anspringen. "So eine Herausforderung ist kein Witz", sprach Jonouchi voller Ernst zu ihr, "die DuelMonsters-Branche versteht da keinen Spaß. Kaiba muss dieses Duell annehmen, auch wenn es ihm nicht passt. Was ich nur nicht ganz verstehe", er kratzte sich an den Kopf, "normalerweise wird ein Nullspiel zu viert ausgetragen. Also ein Doppelduell - man kann es auch als eine Art Joker sehen. Aber Zigfried ist alleine...es sei denn, sein Spieler versteckt sich irgendwo." "Das ist hier doch keine Verschwörung." Doch Jonouchi lächelte sie an. "Man merkt, dass du noch nicht lange im Geschäft bist. Je abstruser es wird, umso mehr haben wir es mit dem echten DuelMonsters zu tun. Und sieh' mal", er zeigte auf Zigfrieds wahnwitziges Lächeln. Dieser schwenkte mit dem rechten Arm: "Ich habe dir sogar eine kleine Überraschung mitgebracht. Wie du dir denken kannst, bin ich nicht der einzige, der noch eine offene Rechnung mit dir zu begleichen hat." "Du musst dich schon präziser ausdrücken", entgegnete Kaiba und stellte sich nun aufrecht hin. Aus einem der Backstagebereiche kam ein weiterer, ungebetener Gast. Ein junger Mann mit blonden, mittellangen Haaren stellte sich neben Zigfried von Schroeder. Rin erkannte den Duellanten. "Hiro Hachurui", sagte Kaiba trocken als überraschte ihn seine Anwesenheit nicht, "dass du ausgerechnet Zigfried aufgesucht hast beweist nur, dass meine Entscheidung von damals die richtige war." "Nach diesem Duell", entgegnete Angesprochener und starrte den jungen Firmenchef voller Hass an, "werden Sie nicht mehr so große Töne spucken." "Ach wirklich", die herablassende Arroganz war nicht mehr zu überbieten, "Zigfried, du schaffst es auch immer wieder eine Blamage noch grauenhafter zu gestalten. Schleppst du schon benutztes Material von mir an." Benutztes Material Sie wollte nicht weiter darüber nachdenken als was Kaiba sie bezeichnete. "Nun, Kaiba", Zigfried schaltete seine DuelDisc ein und nickte dem mächtigen CEO zu, "nimmst du nun meine Herausforderung an, oder nicht?" "Wenn du mich dann ein für alle mal in Ruhe lässt", Kaiba bewegte sich auf die Mitte zu. "Ich verspreche, das wird das letzte Mal sein", er grinste diabolisch. "Dann wirst du sicher nichts dagegen haben, wenn ich mir ebenfalls meinen Joker wähle." "Seto Kaiba und ein Doppelduell?", Zigfried sah ihn überrascht an, "ich dachte, du verabscheust Teamarbeit?" "So wie ich das sehe", Kaiba zeigte nach oben zu den Kameras, die verdächtig zu blinken begonnen hatten, "willst du, dass die ganze Welt diesem Spiel beiwohnt. Warum sonst hättest du dir ausgerechnet diesen Tag aussuchen sollen, wo alle Sender und Bildschirme der Stadt diesen Augenblick mitverfolgen. Du scheinst dir ja sehr sicher zu sein...oder einfach nur dumm, wie bei all deinen Entscheidungen. Aber wenn du schon eine große Nummer abziehen willst - gönnen wir den Zuschauern ein wenig Unterhaltung. Schließlich bin ich bei einem Nullspiel dazu verpflichtet, einen weiteren Spieler auszuwählen." Er drehte seinen Kopf zu den Sitzplätzen. "Rin?!" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)