Philomathie von Rakushina (Wenn Neugier nicht wäre) ================================================================================ Kapitel 5: Amygdala ------------------- „Dieses Mönch-Digimon ist immer noch da?“ „Ja, schon drei Wochen.“ „Wie lange will der Meister sie denn noch hierbehalten? Das sieht ihm gar nicht ähnlich, dass er Gäste so lange dabehält.“ „Geschweige denn sie unberührt lässt...“ „Ihr kennt den Meister, das hat sicher einen Grund. Früher oder später wird sie mit den anderen das gleiche Schicksal teilen.“ „Meinst du?“ „Irgendwie schade... Für so einen heiligen Serum ist sie ganz in Ordnung. Stellt nur zu viele Fragen.“ „Lasst diese Gefühlsduselei. Früher oder später wird es so kommen. Sie ist doch selbst schuld. Sie wusste von Anfang an, was auf sie zukommen könnte.“ „Auch wahr. Dennoch schade.“ „Man merkt schon, wie ungeduldig der Meister wird. Lange wird das nicht mehr gehen. “   *   Etwas in Sanzomon sagte ihr, dass es morgens war und sie aufstehen müsse, als sie aber die Augen aufschlug war sie sich nicht mehr so sicher ob es wirklich Morgen war. Nicht nur dass das Schloss immer noch nicht anders wirkte wie sonst, sie könnte schwören morgens war bereits gewesen, nämlich kurz bevor sie weg nickte. Vielleicht hatte sie ja nur ein paar Stunden geschlafen? Vielleicht auch den halben Tag, schwer zu sagen an diesem Ort. Es lag noch alles da wie am vergangenen Abend, auch das Amulett lag vor ihr, ohne dass es verändert schien. Verärgert kräuselten sich ihre Lippen und Sanzomon schob ein paar lose Haarsträhnen hinter ihr Ohr. „Und ich dachte, ich hätte es begriffen.“ Vor ihr erstreckte sich das Chaos. Sanzomon war nie so ordentlich, wie man es stets von ihr erwartet hätte, aber wenn sie etwas Ordnung hineinbringen würde, würden sich vielleicht zeitgleich ihre Gedanken ordnen. Außerdem würde Myotismon nicht erfreut über dieses Durcheinander sein (er liebte schließlich Ordnung). Sie griff als erstes nach den Schreibutensilien, aber obwohl sie eigentlich noch nach Kohlestift und Feder griff, hielt sie nun stattdessen das Wappen in der Hand. Die Schnur hatte sich zwischen ihren Fingern verheddert. Sie schnaubte genervt und zog an der Schnur, sich fragend wie das passieren konnte und kaum, dass Sanzomon sich davon löste legte sie es wieder auf den Tisch – neben das andere Wappen. Sanzomon blieb starr. Blinzelte. Sah sich erst das Wappen in ihrer Hand, dann das auf den Tisch an. Optisch konnte sie nicht sagen, was davon das Original und was die Kopie war. Kopie... Kopie! „Bei Shakamons -“ , schrie sie auf, aber ihr Jubel blieb ihr im Halse stecken. Sie sprang aus ihrem Stuhl, der hinter ihr umfiel. Doch gebannt von der Faszination hatte Sanzomon einzig und allein Augen für die beiden Amulette. Sie hatte es wirklich geschafft, dabei hatte sie nicht viel getan außer gelauscht. Und genau hingehört, auf das, was hinter dem lag, was man sonst hörte. Ob sie... Eines der Amulette legte sie ab. Das andere, dessen Hauch an Energie stärker war und ihr sagte, dass dies wohl das Original sein musste, schloss sie in ihre Hände. Wie am Abend zuvor lauschte Sanzomon wieder den Glockenschlägen, aber diesmal war es leichter diesen eigenartigen Ton zu hören, der nicht von dieser Welt zu sein schien. In ihrem Gedanken summte sie den Takt mit, bis sie und dieser Ton vollkommen synchron waren. Durch die geschlossenen Lider nahm sie das Licht wahr und zeitgleich mit ihren Augen öffneten sich ihre Hände. Sie hielt zwei Amulette in der Hand. „Das... das ist es! Ich hab's geschafft!“, jubelte Sanzomon laut, dann schnappte sie sich alle drei Amulette und verstaute sie in ihrer Robe. Sie musste Myotismon davon berichten und aufgebracht, mit klopfendem Herzen rannte sie aus dem Raum. Ihr erster Anhaltspunkt war der große Speiseraum, wo sie tatsächlich Myotismon ab und an antrafen, vermutlich weil er kontrollierte ob sie wirklich aß, oder ob sie das mal wieder in ihrem Eifer und ihrem Arbeitswahn vergessen hatte. Doch er war nicht hier, nicht einmal der lange, schmale Speisetisch war gedeckt, aber zwei Bakemon putzen die Oberfläche und kehrten den Boden. Sie unterbrachen ihre Arbeit, als sie die aufgeregte Sanzomon bemerkten. „Wo ist euer Meister?“, fragte sie außer Atem, ehe eines der Geist-Digimon etwas sagen konnte. Mit offenen Münder starrten sich die Bakemon gegenseitig in die runden Augen. „Wir denken, er ist beschäftigt.“ „Meister Myotismon ist immer beschäftigt.“ „Sagt ihm, dass ich ihn sprechen möchte, es ist wichtig!“, forderte sie aufgebracht auf, bis sie etwas hinter sich hörte, was nach Flügelschlägen klang. Als Sanzomon über die Schultern schaute sah sie noch Umrisse von DemiDevimon, der gerade am Speiseraum vorbeiflog und Sanzomon rannte ihm nach. „DemiDevimon! DemiDevimon!“, rief sie im hinterher. DemiDevimon blieb stehen und drehte sich zu ihr um. Das kleine, dämonische Digimon schlug wild mit seinen Flügeln und war mit Sanzomon auf Augenhöhe. „Geehrte Sanzomon, was gibt es denn?“, fragte DemiDevimon fast übertrieben höflich. „DemiDevimon, weißt du, wo dein Meister ist? Ich muss ihn etwas sehr, sehr wichtig mitteilen!“ „Oh, gerade ist das etwas ungünstig. Der Meister hat Besuch.“ „Besuch?“, fragte Sanzomon nach. Ihr Atem beruhigte sich allmählich wieder. „Ja, manchmal führt er wichtige Gespräche und Vereinbarungen mit anderen erhabenen Digimon aus den umliegenden Regionen“, erklärte DemiDevimon weiter und Sanzomons Verwunderung löste sich auf. Natürlich. Er war ein König und König taten nun mal auch wichtige Dinge, gerade in Zeiten wie diesen. Sie würde gerne zusehen oder zuhören, aber vermutlich würde sie mehr stören und die Kultur und die soziale Struktur Servers war Sanzomon noch nicht klar genug, um bei wichtigen politischen Gesprächen mitreden zu können. Geschweige denn würde sie vielleicht nicht einmal alles verstehen. Sie würde nur stören. Schade war es dennoch. „Weiß du, wie lange er noch braucht?“ „Tja, das kann ich schwer sagen. Diesmal ist nur ein Digimon hier, aber diese Besprechungen nehmen sehr viel von Meister Myotismons Zeit ein. Und nicht selten ist er nach so etwas nicht besonders gut gelaunt, insbesondere bei... solchen Gästen“, erklärte DemiDevimon. Sein Gesicht wirkte geradezu schmerzverzerrt. „Könntest du ihm dennoch mitteilen, dass ich ihn sprechen muss. Ich bin sicher, er weiß, um was es geht. Vielleicht hebt dies auch seine Laune.“ „Na schön. Sobald ich ihn sehen sollte, richte ich es ihm Euer Anliegen aus.“ Mit nachdenklichen Blick sah Sanzomon DemiDevimon hinterher. Ihre Freude war wieder abgeflacht. Dabei hatte sie sich so sehr darauf gefreut Myotismon diese Nachricht zu übermitteln und sein Gesicht zu sehen. In ihre Schwärmerei vertieft lief Sanzomon nun den Korridor entlang, in den DemiDevimon zuvor verschwand und fand sich nach wenigen Schritten in den verworrenen Gängen wieder. Brücken erstreckten sich kurz und quer und jede von ihnen hatte seinen eigenen physikalischen Regeln. Oben und Unten war hier im wahrsten Sinne des Wortes subjektiv. Myotismon hatte sie zwar schon früh darüber aufgeklärt, wie sie sich zurechtfand, dennoch stand sie verwirrt da und wusste nicht wohin. Vielleicht sollte sie in die Bibliothek zurück, aber wie kam man nochmal dahin? Der Weg, der sie erst an ihren aktuellen Standort brachte führte nicht automatisch auch zurück. Nachdenklich legte Sanzomon ihre Finger auf die von Stoff bedeckten Lippen und sah sich die Gänge und Brücken an und versuchte sich zu erinnern, wie genau man sich in diesem Labyrinth orientierte. Sie blies Luft aus ihrer Nase. Sie meinte, es hatte etwas mit den Fackeln zu tun. Doch sie sah keine, die brannte. Gerade als sie sich fragte, was sie nun tun sollte hörte sie Schritte. Sie hörte wie sich zwei Digimon unterhielten. Eine Stimme klang sehr deutlich nach Myotismon. Die andere jedoch war ihr fremd. Ihre Stimmen kamen näher. Sanzomon lief an die Brüstung und sah erst nur Myotismons Schatten, der auf die Wand traf, dann sah sie einen Teil des hohen Kragen seines Umhangs. Von dem anderen Digimon – sein Besuch offensichtlich – erkannte sie so gut wie nichts. Die beiden liefen zwei Brücken unter ihr vorbei, doch liefen sie, aus Sanzomons Sicht kopfüber. „ - und Etemon -“ „Ich sagte bereits, dass mir Etemon, oder welche Digimon die du dir noch an der kurzen Leine hältst nicht kümmern. Ich werde ihnen keine Soldaten zur Verfügung stellen. Bei deinen waghalsigen Aktionen verliere ich bereits zu viele Soldaten und Ressourcen.“ Myotismon klang schlecht gelaunt. Sanzomon kannte ihn nur mit seinem ruhigen Ton und einer eher langsamen Art zu reden. Ihn so laut, so gereizt zu hören machte ihr fast Angst, dennoch hätte sie gerne gewusst, was ihn so sehr missfiel, dass es seine Fassade zum bröckeln brachte. Lag es an seinem Besucher? „Zum Krieg gehört Kampf, zu Kampf gehört Opfer. Das solltest gerade du am besten wissen, zumal auch du von unseren Siegen profitierst“, sagte dieser. Seine Stimme klang maskulin, aber sie hatte einen merkwürdigen Unterton. Einerseits verspielt und als würde er Myotismon nicht so ernst nehmen (vermutlich brachte ihn genau das in Rage). „Zudem scheint du doch ausreichend Soldaten zu haben. Ich höre, du rekrutierst sehr fleißig.“ „Irgendwie muss ich ja meine Verluste ausgleichen, die du zu verschulden hast“, baffte Myotismon zurück. Man hörte ihm an, dass er alles andere als erfreut war und er versuchte seinen Ärger zu unterdrücken. Ihr fiel auch auf, dass sie sich per du waren. Waren die beiden mehr wie nur Bekannte? Aber sagte Myotismon nicht zu ihr, er pflegte keine engeren sozialen Bindungen? „Warum so viele, verschiedene Digimon?“, fragte sein Besuch weiter. Er klang nicht nur verspielt, es hatte etwas unheimliches an sich. „Da sind ein paar sehr raue Gesellen dabei. Bist du sonst nicht lieber unter deinesgleichen?“ „Was geht dich das an?“ „Sei doch nicht gleich so gereizt. Ihr Untoten seid immer so empfindlich...“ Ihre Schritte entfernten sich von Sanzomon und nur die Spitze ihrer Schatten zeigten ihr, wohin sie liefen. Sanzomon wollte ihnen nachlaufen, bis ihr wieder klar wurde, dass es so gar keinen Sinn hätte, da sie nicht wusste, wie die Gänge verliefen. Die beiden Digimon verschwanden und sie wartete ab, ob sie sie irgendwo wieder zu sehen bekam. Sie hatte Glück, die Stimmen kamen näher. Noch näher wie zuvor, aber die Anspannung war etwas gelöst. Die beiden unterhielten sich normal, doch wer Myotismons Besucher war, konnte sie immer noch nicht sagen. Sie waren direkt unter ihr und liefen davon. Sanzomon beugte sich weiter über die Brüstung und streckte ihre Arme nach unten, um die Unterseite (oder obere Seite) der Brücke zu erreichen. Ihre Finger hielten sich an den Steinen fest, während sie langsam nach unten rutschte. Irgendwo zwischen dieser Brücke war die Verzerrung und wenn sie diesen Punkt erreichte, könnte sie sich auf die andere Seite ziehen. Aber sie musste den richtigen Punkt auch erreichen, ansonsten würde sie in die Tiefe stürzen und dort unten sah sie außer Schwärze nichts, genauso wie über ihr. Konzentriert wie Sanzomon war, bekam sie kaum etwas von dem Gespräch der beiden Digimon mit. Nur einzelne Fetzen von Sätzen und Worten. „- ritter könnten -„ „ Devimon hat -“ „- Dunkelheit zu-“ „- die Wappen -“ Sanzomons Füße berührten den Boden nicht mehr. Ihr Körper balancierte auf der Brüstung, wippte hin und her wie eine Schaukel. Weiter streckte sie ihre Arme nach unten und versuchte mit ihren Händen die einzelnen Ziegelsteine der Brücke zu fassen zu kriegen. Sie brauchte guten Halt. Und dann musste sie schnell sein. Als sie gerade glaubte nach vorne zu fallen gingen ihre Beine in die Höhe, als hob sie jemand hoch, doch ihre Haare und Falten ihrer Kleider fielen zurück. Sanzomon hatte den Punkt der Verzerrung erreicht und baumelte nun wie das Pendel einer Uhr an der Brücke und sie merkte schon, wie ihr Gewicht sie nach unten zog. Weit hatte sie es aber nicht. Mit aller Kraft zog Sanzomon ein Bein an, stieg mit diesen auf einen der Steine und mit diesem Halt konnte sie sich das letzte Stück nach oben ziehen. Ächzend zog sie sich über die Steine, erst ihren Oberkörper, dann langsam ihre Beine. Erschöpft ließ sie sich fallen, hielt sich aber die Hand vor den Mund, als sie anfing laut nach Luft zu schnappen. Myotismon und seinen Besucher sah sie nicht mehr, hörte aber ihre Schritte noch. Sie stand auf und rannte die Brücke entlang, die in einen der Türme führte. Die stand vor den Torbogen, wo sie erst nur Schwärze sah, doch plötzlich stoppte sie abrupt. In diesem Turm war zwar Raum, dass ein Digimon darin Platz hatte, aber sonst waren nur Wände um Sanzomon herum. Keine Türe, keine Treppe. Und von den beiden Digimon keine Spur. Verständnislos tastete Sanzomon die Steinwand vor ihr ab, ob sie vielleicht etwas damit auslöste oder ob es nur eine Illusion war. Aber die Steine waren kalt und hart. Hier war nichts. „Ich versteh das nicht. Sie sind doch hier entlang...“ Sanzomon stützte sich von der Wand ab und drehte sich, noch immer verwirrt, um. Sie schüttelte ihre Kopf, schaute geradeaus zur anderen Seite der Brücke. Hatte sie sich vielleicht einfach vertan? Aber sie hatte es doch gesehen. „Verehrteste...“ Sanzomon entwich ein Schrei und erschrocken presste sie ihre Hände an ihre Brust. Schockiert sah sie zurück. Myotismon stand hinter ihr, mit einem völlig resignierten Ausdruck. Verwirrt starrte Sanzomon ihn an, dann hinter ihn, wo immer noch nur der Torbogen und die Wand war. Unauffällig versuchte sie auszumachen, ob es noch andere Möglichkeiten gab wie er hierher kam, aber erkannte nichts dergleichen. „Man sagte mir, Ihr wolltet mich sprechen?“, fragte Myotismon, ohne auf Sanzomons Schreck einzugehen. Auf Sanzomon wirkte er müde und ausgelaugt. Sie erinnerte sich an DemiDevimons Worte. Wichtige Besprechungen waren sicher Kräfte zerrend. Vor allem bei solchen Gästen... Was genau hatte er damit gemeint? War dies mehr wie nur eine Besprechung gewesen? Mit wem auch immer Myotismon gesprochen hatte, ihr Umgangston untereinander wirkte sehr vertraut, mehr wie nur eine politische Beziehung. „DemiDevimon sagte, es sei sehr wichtig“, sagte Myotismon nach einer kurzen, schweigsamen Pause. Sanzomon blinzelte ein paar Mal schnell hintereinander. „Ähm – Ja, ja ist sehr wichtig! Seht!“ Voller Stolz holte Sanzomon die drei Wappen hervor und hielt sie hoch. Myotismons ermüdeter Blick klarte auf und plötzlich schien er gar nicht mehr abgeschlagen. Er musterte das Wappen und die beiden Kopien erst ungläubig, sein Mund klappte auf, aber es kam kein Wort über seine Lippen. „Es tut mir Leid, das ich so lange gebraucht habe um die Daten zu analysieren. Aber jetzt scheine ich sie begriffen zu haben und sie lesen zu können. Ich habe zur Probe noch eine zweite Kopie gemacht, aber sie unterscheidet sich nicht von der ersten. Sicherlich lassen sich noch mehr machen, wenn es denn nötig wäre“, erklärte Sanzomon. Sie klang stolz, dass war sie auch, doch traute sie sich nicht Myotismon in die Augen zu schauen. „Ich gebe zu, Ihr erstaunt mich“, sagte er und Sanzomons Gesicht wurde rot. Sie zog ihren Schal hoch, damit man es nicht sah, aber sie hatte nicht das Gefühl, dass es half. „Verzeiht, dass ich Eure Fähigkeiten erst in Frage stellte.“ „Ihr müsst Euch nicht entschuldigen, ich habe schließlich anfangs auch gezweifelt. Vielleicht bin sogar ich überraschter darüber, als Ihr“, lachte sie gezwungen. Ein Lächeln erschien auf ihren Lippen, von dem Sanzomon nicht wusste, ob es gut war, dass man es nicht so offensichtlich sah oder nicht. Ihre leuchtenden Augen sahen auf und auch wenn Myotismon ihr weniger Beachtung schenkte als den Wappen, klopfte ihr Herz warm und angenehm. „Es ehrt mich, dass ich Euch helfen durfte.“ „Und ich weiß Eure Hilfe zu würdigen. Dank Eurem Einsatz bin ich mit meiner Arbeit und meinen Zielen ein großes Stück weiter gekommen.“ Myotismons müde Erscheinung schwindete dahin. Sein charismatisches, selbstsicheres Selbst blickte ihr stattdessen wieder in die Augen, dass Sanzomon immer so schnell um den Finger wickelte. Eine angenehme Gänsehaut fuhr über ihre Haut, als Myotismons über ihre Wange strich, um Sanzomon anschließend in einer fließenden Bewegung die Hand zu reichen. „Würdet Ihr mir daher das Amulett wieder überreichen? Und die Kopien?“, forderte Myotismon sie auf, gerade als Sanzomon ihre Hand in seine legen wollte. Für einen Moment war sie ganz verlegen, bemühte sich aber nichts anmerken zu lassen und legte stattdessen die Amulette in Myotismons Hand. In dem Augenblick jedoch, als sie die Schnüre losließ und die Amulette in seine Hand fielen, drängte sich Sanzomon eine Frage auf, die sie, wie sie erschreckend feststellen musste eher hätte fragen sollen. „Für was... braucht ihr dieses Amulett überhaupt?“ Von ihrer Schwärmerei war nichts mehr übrig. Ihr Lächeln war aufgesetzt, aber Sanzomon war wirklich nach lachen. Es war absurd. Und so sehr geirrt konnte sie sich doch nicht haben. „Aufbewahren, bis sein wahrer Besitzer sich zeigt. Es ist unhöflich Fragen zu stellen, deren Antwort man schon kennt.“ „Und... wenn der wahre Träger auftaucht, was macht Ihr dann?“ „Wenn ich Euch verrate was ich vor habe, schließlich kennt ihr ja die alten Märchen über meinesgleichen - was gedenkt Ihr zu tun?“ Myotismon schaute sie an, schloss kurz die Augen und mit ihren hoben sich auch seine Mundwinkel zu einem Lächeln. Sanzomons hingegen verschwand nun endgültig und auch von ihrem Drang zu Lachen, dass sie sich so alberne Gedanken machte war nichts mehr übrig. Ihre erst angenehme Gänsehaut wurde zu einem kalten Schauer. „Was ist los? Ihr seid plötzlich so blass. Hat Euch Eure Arbeit zu sehr beansprucht?“ „Ähm... ja. Ich schätze schon. Es hat mich sehr viel an Energie gekostet. Ich sollte schlafen gehen. Und danach sollte ich vielleicht wieder zu meiner Reise aufbrechen.“ „Ihr wollt schon gehen?“, fragte Myotismon künstlich enttäuscht, aber Sanzomon schwor, er habe nur sein Lachen zu unterdrücken versucht. Er trat einen großen Schritt nach vorn, als Sanzomon dabei war zu gehen. Der Weg war frei, aber dass Myotismon ihr so nah trat, gerade nach so einem Gespräch hinderte sie daran zu gehen. „Habe ich Euch gekränkt? Oh, denkt Ihr etwa ich habe nur deswegen...“ Er lachte gedrückt, doch das Echo in diesem Gewölbe war gut hörbar und es machte Sanzomon klar, wie einsam und verlassen sie hier war. Sonst war gerade zur Dämmerung so viel los im Schloss. Überall waren Geist-Digimon oder eben nicht-untote Digimon, die ihre Tagwache hielten, während ihr Meister schlief. Aber nun, ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt, zu dieser Situation war kein Digimon hier weit und breit. „Seid nicht wütend. Meine Gastfreundlichkeit hat nichts damit zu tun. Das Ihr gewisse Eigenschaften mit Euch bringt, die mir aktuell sehr nützen war Zufall. Ihr seid und bleibt dennoch mein Gast. Und ein sehr angenehmer Gast dazu. Mein Angebot bleibt. Ihr dürft solange hier bleiben, wie Ihr möchtet“, erklärte ihr Myotismon ruhig und sacht und doch klang er so falsch dabei. Vorsichtig griff er nach ihrer Hand, ihre Fingerknöchel berührten seine Lippen, aber statt sich angenehm anzufühlen, meldete sich nur mehr Sanzomons Drang wegzurennen. Sie zog an ihrer Hand, ihre Finger glitten aus Myotismons heraus. „I-Ich weiß das sehr zu schätzen. Aber ich muss weiter. Ich bin schon viel zu lange hier.“ „Es macht mir doch nichts aus, dass ihr hier verweilt. Es gibt noch genug Bücher, die Ihr lesen könnt. Und ich habe noch sehr viele Geschichten, die Euch interessieren könnten. Wenn Ihr sie hören wollt, erzähle ich sie Euch gerne.“ „Aber... Ich muss weiter und die unbekannten Winkel der Digiwelt für mich entdecken, so sehr ich Eure Gastfreundlichkeit zu schätzen weiß. Spätestens morgen“, sagte sie nervös, während ihre Hand über die kalte Haut strich. „Außerdem bin ich ein Mönch und kein Schmarotzer. Ich kann mich nicht ewig hier durchfüttern lassen.“ „Zu schade. Ich treffe selten ideale Gesprächspartner und Zeitgenossen. Ich habe Eure Gesellschaft sehr genossen. Zudem habe ich mich für Eure Hilfe noch gar nicht ausreichend bedankt.“ „Das macht nichts. Ich brauche nichts und verlange nichts. Aber auch ich danke.“ Sanzomon lächelte sogar vor Erleichterung und atmete auf, auch wenn sie sich nicht viel sicherer fühlte. Doch da Myotismon kein Anschein erweckte, dass er sie festhalten oder zu etwas zwingen sollte, machte sie sich weniger Sorgen. Die Dunkelheit in dem Gewölbe und die Einsamkeit erdrückten sie nicht mehr so sehr. Myotismon war ein unheimlicher Zeitgenosse, schon die ganze Zeit, aber sicher nicht, wie in den alten Geschichten. Er hatte Gründe. Bestimmt. Er war nicht so, wie es immer hieß. Wäre es so, wäre sie doch schon längst... Warum aber dann diese Skepsis in ihrem Hinterkopf, eine Stimme die wie eine Mischung aus Sistermon Ciel, der Äbtissin und ihrer alten Freundin Salamon klang, als Myotismon so direkt vor ihr stand und ihr in die Augen sah. (denk daran was er ist) War sie sich wirklich so sicher? (denk daran was er ist) „Ich bestehe jedoch darauf, Euch Eure Belohnung zu überreichen. Ihr habt Zeit und Energie dafür verbraucht. Und schließlich habe ich es versprochen.“ „Belohnung?“ Ein Schauer lief ihr über den Rücken, den Sanzomon erst nicht einzuordnen wusste. Ihre Haut kribbelte. Ihre Schultern. Und ihr Hals. Dieser ganz leichte Druck, der genau die empfindlichste Stelle traf und diesen Schmerz in etwas verwandelte, von dem sie wollte, dass er nicht so schnell endete. „Dann seid Ihr doch -“, murmelte Sanzomon entgeistert. Ihre Finger legten sich vor ihren Mund und überrascht, verstört, verängstigt von ihm und irgendwo auch von sich selbst ging sie einige Schritte zurück. Doch Myotismon folgte ihr. „Hat mein Besuch Euch verschreckt? Ich wollte nur sicher gehen, dass Ihr Euch nicht überarbeitet. Meinen Gästen soll es schließlich gut gehen. Oder habe ich etwas missinterpretiert? War es doch nicht so angenehm, wie Ihr anfangs dachtet? Oder schämt Ihr Euch zu sehr davon, es zu genießen?“ Die Verwirrung war zu groß für Sanzomon, als dass sie antworten konnte, genauso wie die Scham. Nicht nur dass sie ihm bei irgendetwas geholfen hatte, was sicherlich mehr als nur verwerflich war, sie hatte sich tatsächlich... für einen kurzen Moment vorgestellt... mit diesem Digimon... Sie ging noch einen Schritt zurück, diesmal jedoch einen größeren, als Myotismon die Hand nach ihr ausstreckte und es für Sanzomon erschien, als wollte er nach ihr schnappen, doch er griff ins Leere. Verwirrt und erfüllt von Scham presste Sanzomon ihre Hände an ihre Brust. Sie zitterte, obwohl sie sich dagegen wehrte. „Ich sehe schon. Ihr habt Angst“, stellte Myotismon letztlich fest und klang darüber sogar überaus deprimiert und enttäuscht. Überrascht horchte Sanzomon auf. Ihr Zittern erstarb. „Gut, ich verstehe es durchaus. Digimon wie ich haben einen mehr wie nur schlechten Ruf. Digimon meiden diesen Wald nicht umsonst. Und dass ich Euch nicht komplett über meine Motive aufgeklärt habe kränkt Euch zurecht. Für Eure Angst und Euer Misstrauen habe ich Verständnis.“ „Nein, das... Das ist es wirklich nicht. Ich bin auch nicht gekränkt.“ „Warum wirkt Ihr dann so nervös? Oder als würdet Ihr Euch für etwas schämen?“ Sanzomon fehlten die Worte. Las er ihre Gedanken? Sah man es ihr so sehr an? Sie sah Myotismon in die Augen, aber sie wusste immer noch nicht, was sie empfinden sollte. So eindringlich, wie sein Blick war empfand sie einerseits wirklich Angst, bis ihr wieder ihre verruchten Gedanken einfielen. Myotismon streckte ihr seine Hand entgegen, höflich und fast grazil, aber an Sanzomon deutete nichts an, dass sie bereit war sich dieser Geste anzunehmen. Aber sie starrte Myotismon weiter in die Augen, vielleicht um sich zu beweisen, dass sie keine Angst zu haben brauchte, so tief sie konnte, bis ihr der Gedanke kam, dass sie vielleicht gar nicht mehr davon wegkam – und schließlich den Punkt erreichte, wo sie das auch gar nicht mehr wollte. „Mir scheint, Ihr habt doch Angst vor mir. Welch ein Bedauern.“ „Nein. Ich habe keine Angst vor Euch...“ „Wirklich nicht?“ „Nein... Niemals...“ Kraftlos, fast schon gespenstisch hob Sanzomon ihre Hand und legte sie schließlich doch in Myotismons. Sie fühlte sich auf einmal so schwach. Vielleicht überkam sie nun doch die Erschöpfung. Diese Kopien anzufertigen hatte sie schließlich Energie gekostet, nur hatte sie dies in ihrer Euphorie vermutlich nicht bemerkt. Ihr wurde schwindlig und dieser Schwindel zog ihr regelrecht den Boden unter den Füßen weg, um schließlich in Myotismons Armen zu landen. Die Kraft in ihrer Gliedern schien fort, nur ihren Kopf konnte sie anheben, nur um Myotismon weiter in die Augen sehen zu können. An alles andere dachte sie nicht mehr. Es gab nur noch ihn und und seine blauen Augen hinter der Maske, in denen sich Sanzomon immer mehr verlor. „Wie wäre es dann mit einem kleinen Vertrauensbeweis Eurerseits, im Austausch für Eure Belohnung?“ Seine Worte drehten sich in Sanzomons Kopf wie in einem Karussell. Ihre Welt wirkte schummerig, Farben verliefen in sich und schwarze Flecken verschlangen die Konturen der Gemäuer. Ihr war kalt. Schrecklich kalt, während sich um Sanzomon alles zu drehen schien und sie sich an Myotismon festhalten musste. Er war das Einzige, dass sie ganz klar sehen konnte. Er sah zu ihr herab und er hielt ihren Kopf, der sich zur Seite neigte, ohne aber auch nur für einen Moment den Augenkontakt abzubrechen. Nur Myotismon war für sie klar zu erkennen, aber statt sich zu fragen, warum sich abgesehen von ihm alles um sie herum drehte und woher diese Benommenheit kam, fragte sich Sanzomon nur, was für einen Vertrauensbeweis sie darbringen sollte. Auch diese Frage erübrigte sich schnell, als ihr Blick für einen Moment Myotismons Augen verließ und auf seine Lippen sah. Stattdessen fragte Sanzomon sich vielmehr nun, wie sich diese wohl anfühlten und was passieren würde, wenn sie diese küssen würde. Dass Myotismon schließlich ihr Halstuch herunterzog, sich ihre eigenen, roten und warmen Lippen offenbarten und seinen schwarzen, schweren Umhang um Sanzomons zierlichen Körper legte verstärkte nur die Hitze, die sich in ihrem Bauch sammelte. Sie glaubte, sein Gesicht kam ihrem langsam näher und Myotismon küssen zu wollen schien nun nicht nur einfach nur eine Idee, sondern auch eine doch ganz gute sogar zu sein, wie auch ein idealer Vertrauensbeweis. Küssen. Das klang in Sanzomons Kopf nach einer mehr wie nur guten Idee. Leicht spitzten sich ihre Lippen. Sanzomons Augenlider schlossen sich und sie ließ sich von dem Schwindelgefühl und dieser Neugierde tragen, die sich anders anfühlte wie die Art Neugierde, die sie sonst kannte, vollkommen ungeachtet, dass sich Myotismon Lippen nicht ihren, sondern ihrem entblößten und freien Hals näherten und damit auch seine langen, spitzen Eckzähne. Erwartungsvoll stand Sanzomon vor ihm, auf eine sinnliche Berührung wartend und Myotismon leckte sich die Lippen bei dem Gedanken an ihrem Blut, sicher das Daten eines solchen Digimon mehr wie nur schmackhaft sein würden. Doch irgendwas gummiartiges streifte ihn und beraubte Myotismon seiner Konzentration. Er sah auf. Luftballons umkreisten sie. Sofort war ihm klar, wessen Werk das war, und sein Umhang legte sich um ihn und Sanzomon, gerade als die Ballons mit einem immensen Knall zerplatzten. Rauch verteilte sich, es stank nach Schießpulver und Zuckerwatte. Was für Myotismon ein ohrenbetäubender Krach war, klang für Sanzomon in ihrem benebelten Zustand mehr, als sei dieser Knall irgendwo tief unter Wasser. Obwohl Myotismon sich nicht mehr auf die konzentrierte, hielt die Hypnose und sie bekam nichts mit vom Ärger des Schlossherren mit und dass sie beide nicht mehr alleine waren. Buntes Konfetti flog umher, aber Sanzomon hatte nur Augen für die roten Flocken. „Wieso störst du immer beim Essen?“, keifte Myotismon den Eindringling an. Sanzomon hörte seine Stimme, sie hörte auch wie wütend Myotismons Stimme war, während er sie weiter festhielt, aber ihr sedierter Geist verstand nicht warum, geschweige denn was er überhaupt sagte. „Denkst du, ich lass es auf mir sitzen, dass du mich einfach hinauswirfst? Es ist noch nicht alles besprochen worden.“ „Für mich durchaus. Und nun sieh zu, dass du mein Land verlässt!“ Doch der Eindringling kam stattdessen näher. Sanzomon hörte seine Schritte kaum, dafür sein Gekicher. Ihr Blick war gesenkt und ihr fehlte die Kraft aufzuschauen, aber in ihren Sichtfeld erschienen gelbe Stiefel. „Und was haben wir denn da?“ Zwei Finger legten sich unter Sanzomons Kinn und hoben ihren Kopf an. Keine kalten Finger, also konnte es nicht Myotismon sein. Was für ein Digimon es war erkannte Sanzomon nicht, aber die Stimme erinnerte sie an etwas. War das Myotismons Besuch von zuvor? Ihre Sicht war trüb, aber Sanzomon erkannte den roten Anzug des Digimon. So rot wie die Baumkronen in ihrer Heimat. Sie konnte sein Lächeln sehen. Rot wie sein Anzug. Ein Lächeln ohne jeden Funken Freude dahinter. Ein falsches Lächeln... „Das ist aber ein hübsches Digimon, dass du dir da diesmal geschnappt hast. Eine von der unscheinbaren Sorte. Die magst du doch am liebsten.“ „Nimm deine Finger von ihr. Ich brauche sie noch.“ Mit ihr im Arm ging Myotismon einen Schritt zurück. Sein Umhang legte sich um sie. Sanzomon sah nur Dunkelheit. „Keine Sorge, ich nimm sie dir nicht weg. Ich stehe nicht auf diese biederen Dinger. Was aber ist der Grund, warum du dir so ein Digimon hier hältst? Das ist doch ein heiliges Digimon. Spielst du wieder mit deinem Essen, oder -“ Der Griff um sie wurde enger. Wieder ging Myotismon einen Schritt zurück, als dieses andere Digimon erneut versuchte einen genaueren Blick auf Sanzomon zu werfen. Doch Myotismons schwerer Umhang hüllte sie komplett ein, wie ein schwarzer Kokon. „Was hast du vor? Du planst doch keine krummen Dinger, mein Freund? Hast du unseren Waffenstillstand vergessen? Und unseren Deal? Ich habe dir das Schloss nicht aus Nettigkeit überlassen.“ Sie hörte Schritte. Hörte ein verärgertes Knurren. Myotismon zog sie weiter zurück. Die beiden unterhielten sich, aber die Worte erreichten Sanzomons Kopf nicht einmal annähernd. Dieses fremde Digimon kam näher. Sein Karma war merkwürdig, geradezu chaotisch. Wer war das? „Wir bereden das woanders.“ Der rote Anblick verschwand vor ihr. Myotismons Umhang legte sich komplett um sie und hüllte sie in Schatten, der sich aber kurz darauf wieder lichtete. Sie war in irgendeinem Zimmer, von dem sich sich nicht sicher war, ob sie es kannte. Myotismons Kraft auf ihren Schultern zwang sie zum sitzen. Der Untergrund war weich. Er hob ihr Kinn, damit sie in das Gesicht des Schlossherrn sehen konnte, das Einzige, dass vor ihren Augen noch klar zu erkennen war. „Ihr wartet schön brav hier, bis ich wiederkomme. Dann machen wir dort weiter, wo wir aufgehört haben. Verstanden?“, sagte Myotismon zu und sie nickte. „Gut. Träumt so lange etwas Schönes.“ Er gab ihr nur einen leichten Schubs, doch es reichte um Sanzomons bereits erschlafften Körper umzuwerfen und müde und benebelt wie sie war, blieb sie auf dem weichen Untergrund liegen. Sie befand sich in einem Dämmerzustand. Sie hörte wie Myotismon davonging, aber hätte nicht sagen können wohin, geschweige denn wo sie war. Sie schlief nicht, aber träumte dennoch, wie von ihm befohlen. Rote Flecken wirbelte noch vor ihren Augen umher. Ob es rote Blätter waren? Sie hoffte es. Sie vermisste das Gefühl von zu Hause doch irgendwo. Einen sicheren Hafen zu wissen, zu dem man wiederkehren konnte und wo jemand auf einen wartete. Ein Gleichgesinnter. Ein Seelenkamerad, der mit ihr unter den roten Baumkrone saß. Ach, wäre das schön, so wunderschön... (wünscht du dir das? Komm für einen Moment hast du dir das mit ihm vorgestellt und lüg mich nicht an) Saß jemand bei ihr? Die Stimme – das war definitiv nicht Myotismon. Aber vertraut. „Sorcerymon...?“ Zwei gelbe Kugeln leuchteten über ihr. Waren es Augen? Um sie herum war alles schwarz. War das ein Kopf? Eine Kutte... Und wieder war alles so rot. (dein Drang nach Wissen ist wie eh und je nicht zu bändigen und selbst vor einem wie ihm schreckst du nicht zurück? Aber sieh an in was für eine tödliche Falle es dich getrieben hat) „Falle...?“ Das viele Rot vor ihren Augen tat weh und bereiteten ihr Kopfschmerzen. Die Farbe war nicht mehr angenehm, sondern brannte regelrecht auf ihrer Netzhaut. Es war so grell. Waren das wirklich noch die Bäume? Es schien so hell und so heiß. Es war wie Feuer, je lauter Sorcerymons Stimme wurde. Und sie hörte etwas in der Ferne. Ein vertrautes Geräusch, dass immer lauter wurde. (Aber zur Neugierde gehört auch über Grenzen und Hürden zu gehen und es gibt kaum eine größere Hürde als die eigene Angst und die Scham) „Scham...?“ Das Geräusch wurde unerträglich. Läuten. Es war Glockenläuten. Es war so laut, dass es Sanzomon aus ihrem Tagtraum riss. Schreiend und sich die Ohren haltend richtete sie sich auf und hielt sich dabei die Ohren zu. Es fühlte sich an, als explodierte ihr Kopf, wie damals, kurz nach ihrer Ultra-Digitation. Doch statt penetrant weiter zu Läuten, bis es sie fast in den Wahnsinn trieb, hörte es auf, kaum dass sie aufrecht saß. Ihr Tunnelblick löste sich auf und Sanzomon nahm wieder ihre Umgebung wahr. Was war das für ein Raum? Sie saß auf einem Bett und sie meinte diesen Raum einmal gesehen zu haben, aber sie wusste nicht mehr wann genau. Wie spät war es? Ihren verrutschten Schal zog Sanzomon stramm und den Stoff wieder über Mund und Nase. Wieder ertönte das sachte Klingeln. Sanzomon schaute zur Seite. Gatomon saß neben ihr und schaute sie streng an, während ihr Schwanz mit dem Heiligen Ring hin und her peitschte. Das hatte sie also geweckt. „Dafür, dass Ihr angeblich so schlau sein sollt, fällt Ihr leicht auf sein Gerede rein“, schimpfte Gatomon überaus tadelnd. Fast erinnerte sie Sanzomon an Sistermon Ciel. „Was... was ist passiert?“, fragte Sanzomon. Sie war immer noch etwas neben sich. Sie rieb sich über die Augen und richtete ihre Krone. „Meister Myotismon hat Euch hypnotisiert. Er versucht das schon die ganze Zeit, hatte aber bis jetzt nie Erfolg. Habt Ihr das nie bemerkt?“, erklärte Gatomon. Sie klang vorwurfsvoll, oder als würde sie Sanzomon für dämlich halten. Hypnose... Und schon die ganze Zeit? Die Schwindelanfälle... Ging es ihr deswegen manchmal nicht so gut und war so müde? „Mit seinem Süßholzraspeln hat er Euch wohl dann doch um den Finger gewickelt.“ „I-Ich dachte, er -“, stammelte sie, aber eigentlich wusste sie selbst nicht, was sie wirklich gedacht hatte. Gatomon sprang vom Bett und stellte sich aufrecht hin, ihre Arme verschränkt vor ihrer Brust. „Das Spielchen treibt er immer mit Digimon, die ihm gefallen. Er spielt mit ihnen, ehe er sie beißt. Sie alle fallen drauf herein, selbst auf diesen fliegenden Flohbeutel, der sie hierher lockt.“ „Hierher locken? Du redest von DemiDevimon? Aber er wurde doch -“ „Von Devidramon angegriffen? Ja. Von des Meisters Devidramon. Er hält sie sich wie Haustiere.“ Zuerst glaubte Sanzomon sie erhörte sich, dann kam der säuerliche Geschmack der Übelkeit in ihren Mund und ihr Magen drehte sich. Sie sah DemiDevimon vor sich, an dem Tag als sie ihn umzingelt von den Devidramon fand und erst nun wurde ihr Details klar. Devidramon waren trotz ihrer Brutalität gerissene Jäger, sie nahmen es sogar mit Ultra-Digimon auf, warum also, warum sollte eine Dreiergruppe Devidramon ihre Kräfte für ein kleines, mageres DemiDevimon aufopfern, das nicht mal eines von ihnen sättigen würde? Sie hätte es wissen müssen, aber sie hatte nur Augen für das verängstliche Rookie-Digimon. „Die Nummer bringt DemiDevimon nicht zum ersten Mal“, erklärte Gatomon weiter. „Digimon meiden die Gegend, aber wenn ein schwächeres Digimon um Hilfe schreit kommen sie doch meistens angerannt. DemiDevimon bezahlt sogar andere Digimon, damit sie solche wie Euch in unsere Gegend locken und legt sich auf die Lauer, in der Hoffnung es kommt eines, dass dem Geschmack des Meisters entspricht, um sich selbst so bei ihm einzuschleimen.“ Sanzomon schluckte. Der säuerliche Geschmack verschwand, aber übel war ihr immer noch. Gatomon sprang derweil vom Bett hinunter. „Jetzt seht zu, dass Ihr verschwindet, ehe er wiederkommt.“ „Warum hilfst du mir?“, fragte Sanzomon sie. Gatomon sah über ihre Schultern zu ihr zurück, wich aber dann ihren Blicken aus. „Mir sind die meisten Digimon, die er für seine Spielchen hier anschleppt zu arrogant, also ist es mir auch egal, was er mit ihnen macht. Ihr jedoch scheint ganz in Ordnung zu sein, für ein Digimon das nicht mehr ganz richtig tickt.“ „Wirst du aber dann nicht bestraft?“ „Lasst das mal meine Sorge sein“, und selbstsicher (wenn auch Sanzomon dieser Hauch von Zweifel und, ja, Scham nicht entging) sprintete sie an die Türe. „Jetzt geht. Entkommen müsst Ihr selbst. Ich kann nur die Wachen für eine gewisse Zeit beschäftigen.“ Sanzomon nickte ihr zu. Gatomon erwiderte es mit derselben Geste. Sie ließ die Türe einen Spalt offen und hörte auch schon Digimon näherkommen. Der Grund, warum sie hier waren war egal, dass sie hier waren traf sich gut. „Hey, was macht Ihr zwei hier?“, keifte Gatomon die Digimon an. Sanzomon hörte sie ächzen. Die Digimon klangen nach Bakemon. „Der Meister hat befohlen, dass wir auf das Mönch-Digimon aufpassen, solange er beschäftigt ist.“ „Ich übernehme das bereits. Also kehrt auf euren Posten zurück!“ „Aber... der Meister sagte“, warf eines der Bakemon ein, wurde aber von Gatomon sofort unterbrochen: „Jetzt denkt mal nach. Das ist ein Serum-Digimon. Und ihr seid Viren. Sie verkörpert Heilige Energie. Wenn sie zu sich kommt und versucht zu fliehen, wer denkt ihr hat die besseren Karten bei einem Zusammentreffen?“ Sanzomon hörte nichts mehr von den Bakemon. Die meisten von ihnen waren zwar keine besonders guten Denker, aber dieses Prinzip verstanden sie durchaus. Schließlich war es auch überlebenswichtig. Sie hörte sie irgendwas brummen, dann flogen sie davon und Sanzomon hörte nichts außer das schwache Läuten von Gatomons Heiligen Ring. Vorsichtig spähnte Sanzomon in den Gang, um zu sehen wie Gatomon ihr Fell in Unordnung brachte. „Geht“, forderte das Katzen-Digimon sie auf. „Ich bleibe hier liegen. Wenn er kommt, behaupte ich, Ihr hättet mich überrumpelt.“ Mit ausgestreckten Armen und Beinen legte sie Gatomon zu Boden. Ein Auge hielt sie offen und als Sanzomon ihr zunickte, erwiderte sie dieses. Ohne die Tür zu schließen rannte Sanzomon in die andere Richtung, hoffend, dass Gatomons Plan sich eine Weile halten würde. Und ihr nichts zustieß. Myotismon würde schließlich nicht erfreut sein, wenn er merkte, dass sie fort war. Ihr Weg blieb eine Weile gerade und stetig hinunter, bis sich die ersten Winkel und Ecken zeigten. Sie hatte keine Ahnung, wo sie hin sollte. Hier und da blitzen manchmal die weißen Laken der Bakemon auf, aber Sanzomon konnte sich schnell genug hinter den Ecken verstecken, ehe man sie bemerkte. Wo war nur der Ausgang? Sie war damals durch ein großes Tor gelaufen, aber in all den Tagen und Wochen, in denen sie hier war und umhergewandert war, hatte sie dieses Tor nie wieder zu Gesicht bekommen. Das Schloss hätte seine Launen, hatte Myotismon erzählt. Seine Energie war überall und er deutete mehrmals an, dass es Räume gab, die man nur schwer finden konnte. Und Sanzomon beschlich der grauenhafte Verdacht, dass sie den Ausgang vielleicht gar nicht finden konnte, solange Myotismon das nicht wollte. Sanzomon schüttelte ihren Kopf. Sie durfte so nicht denken. Es gab sicher einen Weg. Ein Gefühl, gleich eine entfernten Donnergrollen ertönte durch die Korridore und übermannte Sanzomon regelrecht und erschütterte selbst die kleinste Datei in ihr. Es war eine große Menge an geladener, negativer Energie, die ihr Innerstes erschütterte und ihr schließlich eiskalt den Rücken runterlief. Das konnte nur Myotismon gewesen sein. Er hatte bemerkt, dass sie fort war. Hoffentlich bemerkte er nicht, dass Gatomon da mit drin steckte. Nun aber schlich Sanzomon nicht mehr, die beschleunigte ihr Tempo. Die immer gleich aussehenden Gänge aber verwirrten sie nicht nur, sondern machten sie zudem nervös. Manchmal war sie sich auch nicht sicher, ob sie in diesem Gang nicht schon einmal war oder nicht. Sie kam an so vielen verschlossenen Türen vorbei, alle mit einem dicken Hängeschloss davor. Sie sah Bakemon aufgebracht durch die Gänge fliegen, während Sanzomon sich hinter den Ecken versteckte. Bestimmt suchte das ganze Schloss nach ihr. Zwei Bakemon flogen weiter und Sanzomon rannte in die entgegengesetzte Richtung, schaute noch einmal über ihre Schultern zurück um zu prüfen, dass ihr kein Digimon folgte. „Hey, da ist sie!“, rief eine Stimme, die nach DemiDevimon klang. Er war in Begleitung von zwei weiteren Bakemon. Von DemiDevimons unschuldigen Erscheinungsbild, das einen glauben ließ er könne kein Wässerchen trüben war nichts anzumerken. „Keinen Schritt weiter. Entweder Ihr kommt freiwillig mit oder wir zwingen Euch dazu!“, drohte DemiDevimon mit gefletschten Zähnen. Unter den Laken der Bakemon kamen ihre klauenhaften Hände zum Vorschein. Die beiden Geist-Digimon flogen auf DemiDevimons Befehl hin auf Sanzomon zu. Sie legte ihre Hände ineinander, ihre Mala-Kette erschien in ihrer Hand und augenblicklich formten ihr Lippen die Worte einer alten Sprache und diese Worte bildeten sich zusammen zu einem Gebet. „To Shishun-Kyou!“ Das Sutra und das Karma, was sie freisetzten lähmte erst die Bakemon und zerstörte ihren Impuls und den Willen, den Befehl zu folgen. Es erreichte auch DemiDevimon, dem plötzlich der Befehl seines Meister nicht mehr so wichtig erschien. Die drei Digimon segelten vorsichtig zu Boden. Ihre Münder standen auf und die Worte des Sutra hallten in ihrem Kopf, während sie mit einem fast friedfertigen Gesicht vor sich hin träumten. Sanzomon lief an ihnen vorbei. Wenigen Meter später, an einer Gabelung sah sie Phantomon auf sich zukommen, doch eher er sie bemerkte, rannte sie um die Ecke. Sie lief eine Treppe hinunter. Eine Abzweigung tat sich auf und Sanzomon bog nach rechts. Lange lief sie diesen Weg stur gerade aus, ohne einen anderen Weg zu sehen, ohne überhaupt ein Fenster zu erkennen und als sie gerade anfing zu glauben im Kreis zu laufen, sah sie eine Türe. Eine ohne Schloss, eine die vielleicht sogar auf war. Vielleicht ein Raum, in dem sie sich kurz Verstecken und nachdenken konnte. Sie riss die Tür regelrecht auf und sprang in den Raum, aber schloss sie sachte, um keine unnötigen Geräusche oder ein Echo zu erzeugen, dass sie verraten könnte. Erleichtert seufzte sie, als die Tür zu war. Sie schnaufte. Ein paar Haare klebten in ihrem Gesicht. Mit der Hand fuhr Sanzomon die Strähnen aus den Gesicht, richtete sich auf und sah sich den Raum an, in den sie geflüchtete war. Sie stellte entsetzt fest, dass sie diesen Raum kannte. Die Bücher, mit diesen unheilvollen Schriften, der Tisch in der Mitte des Raumes, die schweren Vorhänge, die das Fester komplett verdeckten – das war Myotismons Arbeitszimmer. „Wie bin ich denn jetzt hierhergekommen?“ Plötzlich hörte sie Fledermäuse in der Ferne. Vor Schreck sprang Sanzomon von der Türe und jeder Laut, der den hinausschreien wollte, unterdrückte sie damit, dass sie sich beide Hände vor den Mund schlug. Sie hörte die Tiere näher kommen, doch Sanzomon rührte sich nicht, traute sich nicht einmal zu atmen, betend, dass der Türknauf sich nicht rührte, bitte ging diese Tür nicht auf, bitte - Sie ging nicht auf. Es war nicht einmal sicher, dass die Fledermäuse an genau dieser Tür vorbeiflogen, geschweige denn ob sie ihren Meister dabei hatten, aber als Sanzomon das nächste Mal ihr Pfeifen hörte, klang dieses nicht mehr all zu nahe. Sie entfernten sich von ihr. Sanzomon atmete auf, traute sich aber erst nicht ihre Hand vom Mund zu nehmen. Sie hatte etwas Zeit gewonnen. Die Frage war nur wie viel. Hektisch sah sie sich um und da es außer einem Tisch und Büchern nichts gab, war das Fenster die einzige Option, die Sanzomon blieb. Vielleicht hatte sie Glück und dieses Zimmer war nicht so weit oben und sie könnte hinausklettern. Riskant, aber vielleicht waren alle damit beschäftigt sie im Inneren zu suchen, als dass sie auf diese Idee kämen. Hoffnungsvoll packte Sanzomon den schweren, violetten Saum des Vorhangs, zog ihn zur Seite und sah im ersten Moment nichts als absolute Schwärze und ihre Spiegelbild. War es etwa schon Nacht und so dunkel? Einige Male presste Sanzomon die Augen zusammen, starrte wieder hinaus, aber sie sah immer noch nur schwarz. Nicht einmal irgendwelche Konturen des Schlosses, keine schemenhaften Wolken, dort war absolut nichts. War dieser Raum etwa unterirdisch? Aber dann müsste sie doch Steine, Kies oder Sand sehen. Aber sie sah nur das absolute Nichts. War dieser Raum etwa in einer so starken Verzerrung verwickelt? Sagte Myotismon deswegen, er wäre so schwer zu finden und darum war der Weg dorthin bei ihrer Flucht ein anderer? Hieß das auch, sie käme von hier nicht weg? „Nein...“ Missmutig stützte Sanzomon ihre Stirn gegen die Glasscheibe. Ihre Finger berührten das Glas. Es war kalt. Sie dachte darüber nach, was sie tun sollte, aber sie fand keine Lösung, als sich doch irgendwie durchzuschlagen. Gegen ein oder zwei mehr Bakemon käme sie an und sie außer Gefecht zu setzen wäre nicht schwer. Gegen Phantomon könnte es schwieriger werden, aber wenn sie schnell genug war konnte sie es schaffen. Aber gegen Myotismon...? Sie hatte ihn zwar schon einmal in die Flucht geschlagen, aber reichte das wirklich aus, um von hier zu fliehen? Sie schaffte es ja nicht einmal den Ausgang zu finden. „Was mache ich jetzt...?“ Sanzomon betrachtete ihre Finger und das Spiegelbild. Die Finsternis vor ihr ließ ihr Spiegelbild so dunkel erscheinen. Bis sie merkte, dass die Finger ihres Spiegelbildes viel zu breit und zu lang waren, um ihre zu sein und die Robe war auch nicht ihre. Eine tiefrote Robe. Als sie ihren Kopf hob, starrten sie zwei gelbe Kugeln an, genau wie vorhin und der schwarze Kopf war nur dank der weißen Kapuze erkennbar. Das war ein Digimon vor ihr. Ein Wisemon. „Sorcerymon...?“ Wisemons Hand entfernte sich vom Glas. Er streckte seinen Finger aus und deutete auf etwas hinter Sanzomon. Die Bücherregale... Sie trat vom Fenster fort und sah sich die Reihen der Regale an. Bücher. Über und über mit Büchern und im gedämmten Licht übersah sie das Offensichtlichste fast. In einem der Bücherregale war eine Steinplatte. Sanzomon erinnerte sich, dass sie diese im Augenwinkel zwar bemerkt hatte, aber die Bücher und dass, was Myotismon ihr erzählte ihre ganze Aufmerksamkeit an sich zogen, dass sie dieser Steinplatte mit dem Zirkel wenig Achtung schenkte. Sie hielt es sogar für einen Moment für Dekoration. Ob sie... Ihre Hände umklammerten je eine der Stäbe des Zirkels. Sie waren beweglich. Zuerst bewegte Sanzomon den rechten Stab so weit nach oben, wie es möglich war, dann wieder halb zurück, dann wieder nach oben, bis sie ein Knacken hörte. Das Geräusch, als hätte ich ein Schloss geöffnet. Mit dem linken Stab war sie etwas vorsichtiger. Auch sie bewegte ihn, so weit sie es möglich war nach oben, jedoch langsamer und lehnte ihr Ohr gegen die Steinplatte, um besser hören zu können, ob sie das Schloss traf. Sie brauchte länger wie beim ersten Mal, doch dann ertönte das Geräusch erneut und das Bücherregal vor ihr ging zur Seite. Vor Sanzomon tat sich eine Gang auf und die Treppe führte hinunter ins Dunkle. Verunsichert sah sie zum Fenster zurück, doch von Wisemon war nichts zu sehen. Hatte sie es sich eingebildet? Noch einmal schaute Sanzomon zur Türe zurück, dann in den Gang hinunter, der wo weiß wohin führte. Aber es war besser als in diesem Raum auf Myotismon oder auch einen seiner Schergen zu warten. Was immer dort war, es war besser als ihr aktueller Aufenthaltsort. Vielleicht käme sie von dort aus auch weiter. Sanzomon ging ein paar Schritte in den Gang hinein. Nach etwas drei, vier Stufen, die sie hinter sich ließ schloss sich die Wand hinter ihr wieder, doch es war hell genug, dass sie dennoch sah, wohin sie lief. Die Treppen ging wirklich weit in die Tiefe. Es erinnerte sie ein wenig an die Ruinen zu Hause, deren Gänge tief in den Berg Mount Boot führten. Das Echo ihrer Schritte verfolgte sie. Ihre Nervosität und ihre Anspannung spielten ihrem Verstand Streiche und während sie lief, war sie sich kurz unsicher darüber, ob das wirklich nur ihre Schritte waren oder ob sie noch etwas hörte. Sie hoffte wirklich, dass es einen Ausgang gab. Es war kalt in dieser Höhle, aber sie spürte keinen Wind. Kein gutes Zeichen. Stattdessen aber spürte Sanzomon etwas anderes. Chaos. Aber nicht die Art von Chaos die sie von der Dunkelheit gewohnt war. Es wirkte einfach ungeordnet, als würden viele verschiedene Ströme versuchen ineinander zu verlaufen, aber es nicht konnten. Und die Quell dieser Macht offenbarte sich Sanzomon, als sie ganz unten angekommen war. Dieser Gang führte nicht einfach nur in eine schlichte Höhle, einen Hohlraum im Berg, auf dem das Schloss stand. Dieser Raum glich mehr einem Altarraum, den sie ähnlich auch aus ihrer Heimat kannte, nur war dieser düster und unheimlich. Devidramon-Statuen schauten zu Sanzomon hinab und sie hatten etwas erschreckend lebendiges an sich. Und dann war da vor ihrer dieses riesige Eisentor. Instinktiv ahnte sie bereits, dass dieses Tor nicht hinaus führte. Man konnte es nicht sehen, rein optisch wirkte es wie jedes andere Tor auch. Doch die Energie strömte heraus und durch den ganzen Raum, ein Wirrwarr aus verschiedenen Energien, pulsierend und ständig in Bewegung. Ein Chaos verbarg sich dahinter und wäre die schwere Tür nicht, vielleicht hätte sie alles wie ein Vakkuum oder wie ein Schwarzes Loch in sich eingesogen. Hinter diesem Tor steckte eine Macht. Eine, die weder dunkel, noch heilig war. Sie erinnerte sich. Diese Energie hatte sie schon an ersten Tag gespürt, aber Myotismons eigene dunkle Aura überdeckte sie. Die Felswand um das Tor herum wirkte wie geschmolzen, aber je weiter der Abstand zum Tor wurde, um so gleichmäßiger wirkte sie wieder. Ob das an der chaotischen Energie lag? Vielleicht bewirkte dieses auch, dass sich die Räume und Gänge im Schloss so merkwürdig verhielten und ständig veränderten. Meinte Myotismon das damit, das Schloss hätte seine Launen? Mit großen Augen, die vor Erstaunen glänzten ging Sanzomon weiter in den Raum. In der Mitte stand ein Steintisch in den mehrere Felder eingraviert waren, doch welchen Sinn diese haben sollte wurde Sanzomon nicht klar. Sterne waren an der Seite abgebildet. Das Sternbild des Löwen, des Schützen und des Affen waren über ihnen abgebildet. Ob hier okkulte Rituale gehalten wurden? Bei einem Digimon wie Myotismon, der sich mit solcher Magie auskannte und aufgewachsen war wäre es nicht überraschend. Nur was das Tor dabei für eine Rolle spielte war ihr nicht klar. Es war fest verschlossen, hatte weder Riegel noch Türschloss, dennoch strömte so viele verschiedene Datenströme heraus, oder was auch immer sich dahinter verbarg. Je länger sie dieses Tor ansah, um so sicherer war Sanzomon sich, dass diese Energien der Grund für die Verzerrungen war. Daten, die von diesem Tor ausgingen veränderten die Daten in der Nähe und brachten sie durcheinander. Daten, die mit nichts kompatibel zu sein schienen. Normalerweise nutze Sanzomon ihr eigenes Karma um eine Verbindung zu einem Digimon aufzubauen und je nach Typ und Art war es leichter oder schwerer. Aber das hier war etwas komplett anderes. Als kämen sie von ganz wo anders her. (wenn das Namen sind aber alle Digimon doch Digimon-Namen haben was ist der logische Schluss?) „Wenn alles in dieser Welt eine Reihe von Daten sind... Aber diese Daten mit nichts kompatibel sind. Und sich nicht ordnen lassen..“ Dieser Raum. Der Steintisch... Dieses Tor, mit solch einer Aura, so fremdartig und gewaltig, dass es Sanzomons Karma fast erschütterte. Gleich wie von einer anderen Welt. „Du... du hattest Recht, Sorcerymon... Du hast Recht. Ich sehe es. Das ist der Beweis...“ Ergriffen von dieser Erkenntnis, lief Sanzomon einige Schritte zurück, ohne darauf zu achten wohin genau, um das Tor vor sich, der Beweis, dass es doch andere Welten gab, die vielleicht sogar direkt mit der Digiwelt verbunden waren voll und ganz betrachten zu können. Sie lief zurück, ohne über ihre Schultern zu schauen, ihre Augen und alle ihre anderen Sinne komplett auf diese Entdeckung fixiert. Bis sie gegen etwas stieß. „Was treibt Ihr hier?“ Ihr Atem stoppte. Jegliches Körpergefühl ging verloren. Sanzomons Herz fing irgendwann an deutlich zu pochen, aber sie wünschte sich, es würde still stehen. Ihr war, als fiel sie jeden Moment um. Stattdessen wagte Sanzomon, mit ihrem letzten bisschen Mut sich umzudrehen und blickte direkt in Myotismons erbostes Gesicht. Ihr eigenes wurde klamm, ihr Körper zitterte. „Habe ich Euch nicht gesagt, dass Ihr auf mich warten sollt? Solche schlechten Manieren hätte ich Euch nicht zugetraut.“ Sie konnte Abstand zu ihm gewinnen, aber nicht so schnell wie Sanzomon es gerne gehabt hätte. Ihre Beine zu zwingen sich in Bewegung zu setzen glich einem Versuch sich von engen Ketten loszureißen. Sanzomon lief rückwärts von ihm fort, Myotismon aber lief ihr nach. „Ich frage mich ja, wie Ihr es aus der Trance geschafft habt. Und dann führt Euch Euer Weg ausgerechnet hierher.“ „W-Was ist das für ein Tor?“, rief Sanzomon erschüttert. „I-Ist es das, was ich denke?“ „Die Information nützt Euch nicht mehr. Euer Reise endet hier.“ Ein Blick, kälter als eine Winternacht und ohne jeden Hauch von Mitgefühl. Nichts weiter als ein Loch, in dem jedes Licht verloren ging, aber fest auf sie fixiert. Nur die bedrohlichen, langen Eckzähne blitzen auf, Vorboten dessen, was passieren würde. In diesem Moment glich Myotismon seinen Artgenossen, die Sanzomon aus den Erzählungen der Sistermon kannte bis ins letzte Detail. Wieder ging er einen Schritt auf sie zu. Das Echo dieser Schritte und die knirschenden Steine unter Myotismons Stiefeln weckten Sanzomon aus ihrer Starre. Statt aber diesmal wieder einen Schritt zurück zu gehen, festigte sie ihren Stand. Sie ließ ihre Hand kreisen und da erschien ihre rote Perlenkette, die sich um ihre beteten Hände wickelte. „Shushi-“ „Albtraumkralle!“ Der erste Schlag der roten Peitsche traf sie direkt und brachte Sanzomon nicht nur dazu ihr Sutra abzubrechen, sondern auch ihre Halt zu verlieren, der zweite Schlag schlug ihr ihre Malakette aus der Hand, die durch die Luft flog und laut klirrend zu Boden fiel. Sanzomons stand der Mund offen, starrte verwirrt auf ihre Hand, wieder zur Kette und dann zu Myotismon, dem ihre Energie und ihr Sutra plötzlich gar nichts ausmachte. „I-Ihr habt mich reingelegt!“, stellte sie schockiert fest. „Bitte. Ich bin mehrere hundert Jahre alt. Denkt Ihr, ich hätte so lange überlebt, wenn ich mich nicht gegen meinen natürlichen Feind durchzusetzen wüsste?“ „Also seht Ihr mich doch als Feind?! Alles war nur eine Farce?“, schrie Sanzomon erneut, aber diesmal deutlich wütender. Ihr Hals schnürte sich zu. „Ihr seid nicht an geistigen Fortschritt interessiert. Ihr seid also genauso wie die Meister der Dunkelheit! Zerstören, statt versuchen irgendwas an dieser Welt zu verändern!“ „Nun werdet nicht beleidigend“, warf Myotismon ein, weiter emotionslos und unbeeindruckt, auch wenn sie wohl einen wunden Punkt traf. „Die Beziehung zwischen mir und den Meister der Dunkelheit ist komplex. Mir ist egal was sie treiben. Ich will nur meine Ruhe vor ihnen. Doch für Frieden braucht es Kompromisse. Und letztlich sind wir alle dunkle, bösartige Digimon. Wir sind alle gleich. Überrascht Euch das so sehr?“ Mit seinen Schritten kam auch sein Schatten näher. Dieser wurde länger, bis Sanzomon fast komplett von ihm verdeckt wurde, als wollte er sie wirklich verschlingen und abschotten vom Licht dieser Welt. Sie fühlt ihn und die Dunkelheit sogar auf ihren Schultern. „Hat es Euch etwa nicht missfallen, was Ihr gehört habt? Seid Ihr nicht angewidert? Könnt Ihr die Meister der Dunkelheit denn nicht ausstehen, obwohl Ihr nie einen von Ihn getroffen seid? Ihr lebt eine andere Philosophie, aber Ihr unterscheidet Euch kaum von anderen Digimon Eurer Art. Digimon wie wir beide sind von Natur aus Feinde. Licht hasst die Dunkelheit, wie umgekehrt und ihre Beziehung besteht allein darin, sich gegenseitig aufzufressen. Ihr seid selbst Schuld, wenn Ihr so blind in meine Falle lauft. Ich habe Euch gewarnt – Träumer, Naivlinge, Pazifisten – sie werden als Erste in dieser unbarmherzigen Welt untergehen. Vielleicht lehrt Euch diese Erfahrung das in Eurem nächsten Leben. Gruselflügel!“ Eine Schar Fledermäuse flogen aus den Schatten seines Umhangs und stürzten sich direkt auf Sanzomon. Von dem Anblick der zahllosen, schwarzen Tiere übermannt blieb ihr Körper starr. Doch als ihr Pfeifen so erschreckend nah war, kehrte die Kraft in ihrem Armen zurück. Ihre Hände falteten sich zu einem Gebet und auch ohne ihre Malakette fing Sanzomon an mit geschlossenen Augen zu beten. Die Fledermäuse stoppten. Sanzomon hörte sie, ihr Fauchen und ihr Flügelschlagen war nah. Sie zitterte, aber sie konzentrierte sich ihre Energie zu bündeln. „Ihr versucht es weiter?“, fragte Myotismon und er klang mehr danach, als müsste er lachen. Aber Sanzomon ignorierte ihn. Sie sprach weiter ihre heiligen Worte, voller Überzeugung und tiefen Glauben. Die Fledermäuse wichen weiter von ihr. Sie zischten und fauchten, aber trauten sich kein Stück näher an sie heran, zu sehr schreckte diese Macht sie ab. Myotismon trat näher. Er stand zwischen den Fledermäusen. Im Schatten wirkte es fast, als sei er mit ihnen verschmolzen. Von Sanzomons Schutzsutra war er weniger beeindruckt. Sanzomon stierte ihn an, murmelte immer weiter, aber der Schweiß an ihren Schläfen und ihre Fingernägel, die sich in ihre Haut krallten verrieten ihre Angst. „Ihr seid hier in meiner Welt. Meine Fledermäuse und meine Diener könnt ihr Euch mit Euren Stoßgebeten vielleicht vom Leib halten -“ Mit diesen Worten lief er an seinem Fledermäusen vorbei, die noch immer verschreckt von Sanzomon fern blieben. Und nun, da sie sahen wie ihr Meister die für sie unüberwindbare Grenze einfach überschritt, klang ihr Fauchen für Sanzomon, als lachten sie sie aus. „Doch gegen mich seid Ihr machtlos.“ Entsetzt sah Sanzomon zu, wie Myotismon ihr näher kam. Die Fledermäuse tauchten in die dunklen Schatten ein und wurden damit regelrecht unsichtbar. Sie lief zurück und stieß schließlich gegen die Wand. Und Myotismon stand direkt vor ihr und nichts an ihm zeigte an, dass ihr Sutra irgendeinen Effekt auf ihn hätte. Sie war eingekesselt. Ihr Puls stieg an. Vor Angst konnte sie kaum atmen und begann zu stottern. Aber Sanzomon versuchte weiter zu sprechen, leise, aber deutlich. Irgendetwas musste es bringen. Es musste. Sie durfte es nicht aufgeben. Sie machte weiter, so sehr Sanzomon ins Straucheln kam bei Myotismons Anblick. Der Geruch von Tod umhüllte sie. Seine kalte Hand strich ihr über die Wange, aber Sanzomon versuchte so zu tun, als kümmerte sie es nicht. „Ihr seid eben doch noch zu jung, zu leichtgläubig, gutmütig und zu unerfahren. Früher oder später rächt sich dies. Seid froh, dass ich es bin, der Euch dies klarmacht.“ Entsetzt beobachtete Sanzomon, wie Myotismon seine Hand nach ihr ausstreckte, doch nur ihren Schal packte, um ihn schließlich ihr von den Schultern und dem Gesicht zu reißen und warf ihn zu Boden. Sanzomons rote Lippen zitterten und es fiel ihr schwer, ihre Worte deutlich auszusprechen. Wie ausgeliefert stand sie mit dem Rücken zur Wand, in Myotismons Schatten, der sie verschlang. „Und wenn es nichts gibt, was Ihr angeblich fürchtet, dann können wir ja weiter fortfahren. Ihr schuldet mir noch einen Vertrauensbeweis und ich Euch eine Belohnung. Gänzlich undankbar bin ich nicht. Und Ihr habt schließlich mein Wort, dass es Euch gefallen wird...“ Myotismon packte ihre ineinander gefalteten Hände, riss sie auseinander und fixierte Sanzomon an die Wand. Er packte ihre Handgelenk so fest, dass es weh tat. Aber Sanzomon hörte nicht auf ihr Sutra zu sprechen. Weiter und weiter und weiter und versuchte sich darauf zu konzentrieren. Nur darauf. Auch wenn sein Atem ganz dicht an ihrer Haut war. Sie zog die Schultern an, aber ihr Gebet verstummte nicht. „Hör auf Euch zu wehren. Ihr zögert es nur hinaus. Ich weiß, dass ihr es wollt. Denkt Ihr, ich habe nicht bemerkt, wie Ihr mich anstarrt?“ Die Scham über diesen Vorwurf (wenn auch nicht unbegründet) machte Sanzomons erst sprachlos, bis sie seine Lippen auf ihrer Schulter fühlte und versuchte, ihrem Hals näher zu kommen. Doch sie zog ihre Schultern weiter hoch und ihren Kopf ein, um ihren Hals zu schützen. Myotismons Versuche, ihre Muskeln durch Streicheln oder Küsse zu entspannen scheiterte. Entweder verkrampfte sich Sanzomon noch mehr oder sie versuchte, obwohl er sie weiter von ihm festgehalten wurde von sich zu drücken. Und sie betete weiter. „Hört damit auf. Es nützt Euch nichts. Gibt Euch einfach hin. Das wolltet Ihr doch schon die ganze Zeit. Ihr wollt wissen, wie das hier ist.“ Aber Sanzomon betete weiter. Sie flüsterte nur, aber in ihrem Kopf waren die Worte laut. Sie war sich sicher, es nützte etwas. Helle und dunkle Mächte verursachten immer eine Reaktion, trafen sie aufeinander. Immer. Und musste mehr geben wie nur Zerstörung. „Hört. Endlich. Auf.“ Ihr Sutra verstummte nicht. Sanzomon betete inbrünstig weiter, zwar leise, zwar nervös und von Angst gehemmt, aber dennoch verlor die Kraft dessen nicht ihre Intensität. Sie sprach weiter, hoffend, dass etwas geschah, etwas das ihr half. Etwas was nicht zum Tod eines oder beider Seiten führte. Sie machte weiter. Und weiter. Weiter. Weiter weiter wei- „Schluss damit!“ Seine Faust schlug neben Sanzomon in die Wand ein. Der Knall hallte durch die Höhle und Sanzomon rührte sich keinen Millimeter mehr, nicht einmal ihre Lippen. Sie starrte nur die Faust an, wartend, was passieren würde. Doch es geschah nichts. Sekunden verstrichen ohne dass weder sie, noch Myotismon sich rührten. Irgendwann nahm sie ihren Mut zusammen und sah in sein Gesicht und daraufhin trafen sich wieder ihre Blicke. Seine Augen war zornig und vorwurfsvoll. Zwar betrachtete Myotismon noch immer ihren blanken Hals doch man sah ihm an, dass ihm der Hunger vergangen war und diese Tatsache verstimmte ihn noch mehr. Blut und Furcht war vergleichbar mit einer versalzenen Suppe, doch das diese bekam man durchaus noch hinunter. Blut aber ohne jeden Hauch von Leidenschaft und des Wollens war ungenießbar. Und in dieser Situation empfand Sanzomon weder Hingabe, noch Wollen. Und Myotismons Sinn für Ästhetik war zu groß, wie auch sein Stolz, um darüber hinwegzusehen, geschweige denn um sich auf so ein niedriges Niveau zu begeben. Unsanft packte Myotismon ihr Kinn, als Sanzomon versucht wegzusehen. Die Manie und die Bosheit war erloschen. Sie würde nicht sagen, dass sein Blick sanft war, aber zumindest weniger furchteinflößend. „Euer Glück ist, dass ich im Gegensatz zu gewissen anderen Exemplaren meiner Art noch ein Hauch Ehrgefühl besitze. Und ich keine Pazifisten angreife“, sagte er mit zusammengepressten Zähnen. Er ließ Sanzomon los und trat schließlich einen großen Schritt von ihr zurück. Ungläubig stand sie da. Hatte sie ihn mit ihren Sutra doch erreicht und zurück zur Besinnung gebracht? Oder waren ihm seine Prinzipen so wichtig, dass er sich ganz aus freien Stücken entschied? „Geht. Packt Eure Sachen und verschwindet von hier. So schnell wie möglich. Bevor ich es mir anders überlege.“ Etwas geschockt stand Sanzomon immer noch da und letztlich setzte sie sich langsam in Bewegung. Wenn auch nur für ein paar Schritte. Sanzomon blieb stehen, eigentlich nur um ihren Schal aufzuheben der auf dem Boden zwischen ihr und Myotismon lag. Ihre Beinen zitterten. Sie war dem Tod gerade so entkommen, oder vielleicht einem schlimmeren Schicksal als dieses, doch trotz dieser Angst sah sie doch auf. Vor Wut presste Myotismon die Lippen zusammen, sein Blick, geradezu tödlich, starr auf sie gerichtet. Obwohl sie gerade aus einer tödlichen Situation entkam schämte Sanzomon sich ein wenig. Sie wollte ein Danke herauspressen, weil er sie doch verschonte, aber seine Wut schüchterte sie ein. Und auch wenn es eine Falle war, hatte Sanzomon nie das Gefühl, auch nach dem hier nicht, dass Myotismon schauspielerte. Von seinen Essgewohnheiten abgesehen mochte er nicht das sympathischste Digimon sein, aber dafür ein interessantes Digimon. Ein sehr interessantes. Sie wollte nicht so mit ihm verbleiben. Sie wollte nicht wieder einfach gehen, wie es damals in ihrer Heimat war. Und sie weiß immer noch so wenig über ihn. Viel zu wenig. Dann brachen Sanzomons aufgestaute Gefühle, die sie seit gut drei Wochen in sich bündelte und zu unterdrücken versuchte aus. In dem Augenblick, als Myotismons Lippen kein Strich mehr waren, sondern sich wieder in ihrer ganzen Fülle zeigten versiegte jeder Hauch von Vernunft wie Überlebenstrieb in Sanzomon. Ihren eben erst aufgehobenen Schal ließ sie wieder fallen, ihre Armen breiteten sich aus, nur um sich dann in Myotismons Nacken wieder zu umfassen. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, musste sogar etwas hochspringen um schließlich das zu tun, was sie schon eine ganze Weile tun wollte. Seine Lippen waren wirklich so kalt, wie sie es erwartete. Dadurch fühlte sich dieser Kuss erst ziemlich merkwürdig an. Steif, fast leblos, bis sich ihre Lippen bewegten und seine mit ihren. Sanzomon spürte seine Zungenspitzen, dann die Zähne, die an ihren Lippen nagten. Vielleicht ein Test, vielleicht um sie einzuschüchtern, aber Sanzomon unterbrach den Kuss nicht, erst als sie glaubte, die Wärme in ihrem Gesicht raubten ihr die Vigilanz und die Kraft in ihren Gliedern. Myotismon war im Gegensatz zu ihr schlicht perplex, wenn dieses Gesicht auch etwas humoristisches an sich hatte, wenn man sonst nur seine steife, arrogante und eher emotionslose Mimik kannte. Sanzomons Gesicht hingegen glühte in einer Mischung aus Scham und Erregung. Ihre Augen leuchteten, ihre Lippen kribbelten. Gerade, als Sanzomon sich jedoch einen Schritt von ihm entfernen wollte, packte Myotismon sie an den Schultern und hielt sie an Ort und Stelle fest. „Glaubt Ihr wirklich, Ihr könntet mich damit besänftigen?“, knurrte er. Ihre Gesichter waren sich so nah, dass sich fast ihre Nasenspitzen berührten. „Es...“ Sanzomon bekam kein Wort heraus. In ihrer Brust hämmerte es und ihr Hals war immer noch trocken. Ein paar Mal versuchte sie unauffällig mit ihrer Zunge über ihre Lippen zu lecken, die sich wieder danach sehnten Myotismon nochmal zu küssen und hätte Sanzomon nicht doch noch etwas Angst, hätte sie es vielleicht sogar getan. „... es kam einfach über mich. Ich wollte nicht gehen, ohne zu wissen, wie sich... -“, Sanzomon warf einen verstohlenen Blick auf Myotismons Lippen, dann wieder in sein Gesicht, „- das anfühlt.“ „Habe ich Euch nicht gewarnt? Habe ich Euch nicht gesagt, dass das Verlangen, insbesondere Neugier ins Verderben führt, wenn man es nicht unter Kontrolle behält?“ Myotismon drückte sie zurück, bis Sanzomon mit ihrem Rücken wieder die Wand berührte. Sie war regelrecht eingezwängt zwischen diesen Digimon und der Steinwand und traute sich kaum tief nach Luft zu schnappen. Myotismon sah ihr tief in die goldenen Augen, die umringt waren von langen, schwarzen Wimpern und Sanzomon starrte in seine. Er versuchte diesmal nicht sie hypnotisieren. Kein Schwindel, keine Müdigkeit. Er schien erzürnt, doch irgendetwas war anders als zuvor und es gab ihr die Sicherheit, dass er sie nicht versuchen würde umzubringen. Sie konnte nicht sagen, was er als nächstes tun würde. Umso mehr wollte sie es wissen und mit jeder Sekunde, die schweigend an ihnen vorging stieg Sanzomons Aufregung in ihrem Körper an. Dieses Digimon war so undurchsichtig wie eh und je. Aber umso mehr wollte sie ihn. Sie wollte ihn. „Und wie ich sehe, scheint Ihr Euch nicht zu schämen.“ „Kein bisschen“, hauchte Sanzomon und atmete dabei flach und zitternd, aber weiter in seine Augen starrend. Ihr Brustkorb hob sich, sank wieder und bei jedem Mal spürte sie das warme Ziehen in ihrem Unterleib. Die Luft erschien ihr plötzlich so dünn und ihr Kleider empfand sie als lästig. Myotismons Gesicht kam ihrem noch ein Stück näher. Sie zuckte, wich aber nicht aus oder wandte ihren Blick ab. Sie konnte immer noch nicht klar aus ihm lesen, was er empfand oder dachte. Aber er würde sie nicht töten, da war sie sich sicher. Aber was würde er tun, oder was wollte er nun mit ihr machen? Aber was immer es war, sie wollte es wissen. Sie wollte. Sie wollte es so sehr, dass sie die Spannung kaum mehr aushielt. Im Gegensatz zu Myotismon war Sanzomon ein offenes Buch. Er sah, wie sehr sie es wollte und ein Schmunzeln huschte über seine Lippen. „Ihr überrascht mich immer wieder“, lachte er. Das letzte bisschen Distanz zwischen ihnen ging vollständig verloren und er flüsterte ihr ins Ohr: „Ich frage mich ja, wie weit ihr für Eure Neugierde gehen würdet.“ Seine Hände auf ihren Schultern lösten sich, fuhren jedoch ihren Körper hinab, dann verschwanden sie unter ihrer Robe und und griff nach ihren Brüsten. Sanzomon blieb erst starr, unsicher was sie tun oder wie sie reagieren sollte. Myotismons Hände waren kühl, aber anfangs blieb er sanft, strich ihre Rundungen nach, aber stetig wurde sein Griff fester. Und gerade als Sanzomon anfing es dennoch, trotz der Unsicherheit, trotz des es ein wenig weh tat zu genießen, fuhr er weiter hinab. Seine schmalen Finger wanderten ihren Bauch hinab und streichelten sie genau dort, wo sie dieses Ziehen spürte. „Hört nicht auf damit... Bitte...“ „Ganz wie Ihr wollt.“ Wieder packte er Sanzomon an den Schultern, diesmal jedoch um sie umzudrehen. Ihre Krone rutschte vom Kopf und fiel und während sie sich gegen die Wand lehnte, hörte sie, wie der schwere Stoff von Myotismons Umhang zu Boden ging. Dann auch seine Handschuhe, ehe er Sanzomons Oberwand herunterriss und ihre weiße Robe weit genug öffnete, bis ihre Oberweite gänzlich entblößt war. Nun ohne die Handschuhe war der Griff um ihre Brust geradezu eisig. Die andere Hand jedoch legte Myotismon auf ihrem Schenkel ab und fuhr langsam nach oben, unter den Stoff und zwischen ihre Schenkel. Ihre Beine öffneten sich fast von selbst. Ihre Selbstkontrolle schien wie aufgelöst und Sanzomons Verstand taumelte zwischen der immer stärker werdenden Wollust und der Scham, gerade weil es ihr so sehr gefiel. Ihr Körper wandt sich, eingezwängt zwischen Myotismon und der Steinwand, seine Finger glitten immer wieder in sie und wieder heraus und brachte sie dazu, dass Laute ihre Hals verließen, die Sanzomon nie zuvor von sich selbst hörte. „Klingt ganz danach, als gefällt Euch das“, hauchte Myotismon ihr zu. Sein Griff um ihre Brust wurde fester, seine Finger schob er tiefer in sie hinein. Er sog ihre Haut in den Mund, roch an ihrem Haar und sachte biss Myotismon in ihre Haut. Nicht direkt in den Hals, nicht zu fest, aber auch nicht zaghaft. Zwar überkam Sanzomon Angst, als sie seine Zähne spürte – doch gleichzeitig erregte dieser Schmerz sie noch mehr. „Ihr seid grob...“ „Ihr sagtet nicht, dass ich aufhören soll. Und so wie Ihr Euch anfühlt, wollt ihr das auch gar nicht.“ Sanzomon versuchte zu antworten, um nicht einfach das letzte Wort zu überlassen, aber mehr wie ein Stöhnen kam nicht aus ihr heraus. Abrupt ließ er jedoch von ihr ab. Keuchend lehnte sich Sanzomon gegen die Wand und lauschte, wie Myotismon seine Gürtelschnallen öffnete und dann wieder ihre Hüften packte. „Bevor man in die Welt hinausgeht, sollte man zuerst sich selbst gut genug kennen. Es gibt viel über sich zu erfahren, aber nur zwei Dinge, denen man sich wirklich im Klaren sein muss. Seine höchsten Prioritäten und seine niedersten Triebe. Eines scheint Ihr ja bereits gut genug zu kennen. Und was das andere betrifft, so helfe ich Euch gerne, es zu begreifen.“ Seine Hüfte presste sich an ihre – dann war er in ihr. Im ersten Moment erschrak Sanzomon sein dem stechenden Schmerz. Sie biss sich auf die Unterlippen, konnte aber ein Wimmern nicht gänzlich unterdrücken. Sie hörte Myotismons Atem direkt hinter sich und auch er klang nicht mehr so gefasst und so ruhig, wie sie ihn eigentlich kannte. „Bereut Ihr es etwa schon?“ „Niemals würde ich das...“ Sanzomon hörte sein Lachen, dann, mit einem zweiten, kräftigen Stoß war er vollständig in ihr, begleitet von einem tiefen und leisen aufstöhnen. Myotismons Hände hielten Sanzomon in ihrem Griff, als er langsam begann sich aus und wieder in sie zu bewegen. Schmerz überkam Sanzomon, sie biss sich auf die Lippen, ihre zu Fäusten geballten Hände so stark verkrampft, dass die Knöchel weiß wurden. Er hatte kein Mitleid mit ihr. Myotismon hatte zwar vorsichtig begonnen, aber seine Stöße wurden nach kurzer Zeit härter, erregt von Sanzomons Zittern, dass er in seinem Schoss spüren konnte und ihrer Enge, die sich so warm und feucht um ihn schloss. Aber, wenn auch hart und schmerzlich, so musste Sanzomon sich schnell eingestehen, dass es ihr gefiel. Mit dieser Erkenntnis verging der Schmerz mit jedem Mal mehr. Es gefiel ihr, obwohl sie nie daran gedacht hatte so etwas zu tun, die Vernunft beiseite zu legen und der körperliche Neugierde zu verfallen, geschweige denn mit einem Digimon dieser Sorte. Es war nicht nur das spüren eines anderen Digimon in ihren Innersten, über eine der intimsten Grenzen hinaus, auf eine gewisse Weise spürte sie sich selbst und einen Teil von sich, der ihr bisher unbekannt gewesen war. Ein Teil, der das wollte. Myotismon in sich zu spüren fühlte sich gut an und ihr Körper entspannte sich, erlaubte ihr die Augen zu schließen, um sich von den Bewegungen treiben zu lassen. „Myotismon...“, keuchte sie, doch ihr Mund war so trocken und als Sanzomon noch ein weiteres Mal nach ihm schreien wollte, ging dies in einem Stöhnen verloren. Wieder hörte sie ihn leise lachen. „Hört nicht auf. Ruft immer schön weiter nach mir, dann gebe ich Euch alles was Ihr und Eure schreckliche Neugierde so sehr brauchen.“ Sie versuchte es, konnte aber nicht. Sanzomon verlor die Kontrolle über sich, ihr Körper gehorchte ihr nicht mehr, der sich nach mehr Stößen und Berührungen sehnte und dies durch rasches Keuchen und Atmen zeigte. Sanzomon hob ihre Zehen an, schreckte ihren Rücken durch, um Myotismon entgegen zu kommen, ihn tiefer in sich spüren zu können. Seine rechte Hand ließ ihre Hüfte los, packte Sanzomons Brust, strich mit den Finger über die Haut ihres Oberkörpers, während die andere ihr Becken näher zu sich zog. Sein eigener Atem streifte ihren Nacken, als er sein Tempo beschleunigte, kräftiger in sie stieß und die Luft in den Raum, in dem kein Digimon sah oder hörte, was sie taten, mit ihren Stöhnen füllten. „Myotismon, ich.. ich will Euch küssen...“ Er antwortete ihr nicht, sie sah ihn nicht und doch spürte Sanzomon, wie Myotismon auf sie blickte und langsamer wurde. „Ich will – ich will in Euer Gesicht gesehen. Ich will Euch küssen, Euch dabei in die Augen sehen, ich brauch das, bitte, ich brauch Eure Lippen so sehr!“ „Küssen wollt Ihr mich...“, hauchte Myotismon ihn ins Ohr und fast schon provokant berührten seine kalten Lippen ihre Schulter, wanderten dann zu ihren Nacken. Wieder kam ein Zittern über sie, diesmal ausgelöst durch die Erregung, die sie bei dieser kühlen, aber zarten Berührung empfand. „Habt Ihr das denn verdient?“ „Bitte... Ich...“ - ihre Stimme versagte wieder kurz, als seine Zungenspitze ihren Nacken berührte - „... brauche das.“ „Wenn Ihr weiter so schön bettelt, überlege ich es mir vielleicht.“ Sein Atem streifte ihre Wange kurz. Sanzomon versuchte ihren Kopf zur Seite zu drehen, um so seinem Gesicht und damit seinen Lippen entgegenzukommen. Doch Myotismon wich ihr aus, die Lippen weiter auf ihrer Haut. „Ich... bitte Euch, Meister... Bitte, Meister Myotismon, küsst mich...“ „Gut. Braves Mädchen...“ Dann, gänzlich unerwartet, ließ Myotismon von ihr ab, ließ Sanzomon für einen winzigen Moment auf wackligen Knien stehen, ehe er sie packte und ihren Körper zu sich drehte. Sie sah direkt in seine Augen und er in ihre, während Sanzomon sich an ihm festhielt, da sie allein kaum mehr fähig war ihr Gleichgewicht zu halten. Myotismons Hände packten sie unter ihren Schenkel und hob Sanzomon damit hoch, presste ihren Körper gegen die kalte Wand hinter ihr und drang wieder in ihr warmes Inneres ein. Alles unter Sanzomons Blicken, ihre goldenen Augen sahen ihn direkt an, starrten auf die blauen Lippen, ehe Sanzomon einen Kuss auf diese legte, von Myotismon erwidert, der mit seinen Bewegungen fortfuhr, als hätte es diese kleine Unterbrechung gar nicht gegeben. Sanzomons Arme legten sich um seinen Körper, ihr Beine hingen in der Luft. Was sie hielt war einzig Myotismon, dessen Fingernägel sich in ihre Schenkel vergruben und dessen Körper ihren gegen die Wand drückte, während sie sich dem Rhythmus ihre Hüften hingaben, den Geschmack fremden Speichels und den Geruch seiner Haare genoss, durch die ihre Hände fuhren. Sanzomon schnitt sich ihre Lippen an Myotismons Eckzähnen, dennoch ließ sie seine Zunge in ihren Mund. Ihr Rhythmus änderte sich, die Stöße wurden schneller und so tief, genau gegen die empfindlichste Stelle in ihrem Inneren, der Sanzomon endgültig in Ekstase verfallen ließ, zusammen mit der Vibration ihres Körpers, jedes Mal wenn sie gegen die Wand gedrückt wurde. Die Härte und die Tiefe ließen Sanzomon keine andere Wahl als den Kuss zu lösen, sich noch für einen Augenblick dem Gefühl in ihrem Bauch hinzugeben, bis sie schließlich, ihr Kopf von Lust benebelt und mit einem lauten Stöhnen kam. Ihre Finger krampften, ihr Inneres zog sich zusammen und umfasst von dem Beben dieses zierlichen Körpers, der plötzlichen Enge und der Nässe, die ihm noch einen letzten, tiefen Stoß erlaubte, erreichte auch schließlich Myotismon seinen Höhepunkt. Als Sanzomon die Wärme spürte, die in ihr zerfloss, entspannte sich ihr Unterleib wieder. Für einen Moment verharrten sie in dieser Haltung und nur lautes Atmen war zu hören. Ganz langsam lösten sich die angespannten Muskeln wieder, genauso wie die Kraft, die Myotismon noch auf den Beinen hielt und mit Sanzomon in seinen Armen rutschten beide zu Boden. Sie war erschöpft. Ihr war noch etwas schummrig, aber gleichzeitig fühlte sich Sanzomon so leicht. Ihre Beine und Finger zitterten, die sich noch an Myotismon festklammerten. Sein Gesicht blieb in ihrer Halsbeuge vergraben. Mit seinen Zähnen in ihrem Hals. Sanzomon wehrte sich jedoch nicht. Sie hörte was Myotismon tat, sie hörte ihn schmatzen und roch den Geruch ihrer eigenen Daten, die in ihrer Vorstellung genauso rot waren wie die ihr vertrauten Wälder. Aber sie genoss es, während ihr Bewusstsein dahin schwamm. Rotes Flackern vor ihren Augen. Dann verliefen die Farben vor ihr.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)