Der eine zählt des anderen Tassen von Encheduanna ================================================================================ Kapitel 30: Mitnichten ---------------------- Die Schule rief und Lene eilte. Bereits in der ersten Stunde hatte sie ihre Klasse, die 6, in Geschichte. Schon gestern hatte sie überlegt, ob die Sitzordnung, die die Schüler selbst gewählt hatten, tatsächlich sinnvoll war. Hannah und Christoph, neben Ronja und Susanne, die beiden Leistungsstärksten der Klasse, saßen vorn, während René, der Schwächsten einer in der hintersten Reihe saß. Das ging so nicht. Auch würde sie Ronja und Sama etwas weiter nach vorn holen. Und Sascha musste sich natürlich von Susanne verabschieden. Den wollte sie lieber neben Jenny setzen. Und Susanne, tja, die setzte sie erst einmal allein. Vielleicht, so überlegte sie, würde Amar bald ihr Banknachbar werden? Die Schüler gingen leicht murrend auf Lenes Pläne ein, schließlich hatten sie ja auch keine andere Wahl. Christoph und Hannah in die Mitte – ja, und beide zusammen. So hatte sie ihre beiden Streber, wie sie sie nannte, stets im Blick, denn sie wusste, dass es zu Konflikten kommen würde, da sie sich nicht sonderlich leiden konnten und vor allem miteinander um die besten Noten wetteiferten. Sollten sie. Lene war gespannt, wie lange sie das aushielten, wenn sie sich so unmittelbar miteinander konfrontiert sahen. Beide waren starke, jedoch vollkommen ich-bezogene, um nicht zu sagen egomane Persönlichkeiten, denen sie keineswegs einen schwächeren Schüler anvertrauen konnte. Sollten sie sich also aneinander die Hörner abstoßen und es lernen, so gut wie möglich miteinander auszukommen! Denn als zwar gute, aber eben auch asoziale Schüler wollte sie sie nicht von dieser Schule lassen. Natürlich würde sie ihnen dabei helfen, sich zu finden, und wenn sie sähe, dass es absolut nicht ginge, würde sie die beiden auch wieder trennen. Doch gerade jetzt, am Anfang des Schuljahres, setzte sie auf Konfrontation. Die Gefahr, dass einer den anderen unterbuttern und vielleicht sogar in den Leistungen drücken würde, bestand nicht. Und da die beiden es dringend lernen mussten, sich einander als gleichwertig zu respektieren, würden sie ihnen im Laufe des Schuljahres immer wieder Aufgaben zukommen lassen, die sie nur zu zweit lösen konnten. Lene musste sich das Schmunzeln verkneifen als sie die langen Gesichter der beiden sah. Aber auch Ronja warf ihr einen fragenden Blick zu, bedeutete jedoch Sama, ihr zu folgen, um sich mit ihr zusammen in die dritte Reihe zu setzen. Ja, dort am Fenster wusste sie die beiden gut. Auch Sascha hatte das Gesicht verzogen, als er sich Jenny näherte. Die allerdings machte ihm nur allzu gern den Platz neben sich frei. Und wieder musste sich Lene auf die Innenseite ihrer Wange beißen, um sich nichts anmerken zu lassen. Vielleicht, so ahnte sie, hatte sie Jenny mit ihrer Entscheidung in die Hände gespielt. Der Blick des Mädchens sprach jedenfalls Bände. Der Unterricht an sich verlief vorerst ohne Unterbrechungen. Lene hatte im letzten Jahr die Entwicklung des Menschen bis zu den frühen Hochkulturen in Mesopotamien, Ägypten und Anatolien durchgenommen – gleichwohl nur sehr stichpunktartig, wie es eben der Lehrplan vorsah. Leider. Und so war sie mit ihren Schülern noch nicht einmal im Pergamon-Museum oder im Ägyptischen Museum gewesen. Das wollte, das sollte sie nachholen – und zwar bald. Doch zunächst meinte sie, dass den Schülern eine Wiederholung guttäte. Also fragte sie sie, was Geschichte eigentlich sei. Zunächst blieb es still in der Klasse. Auch Ronja, die sicher wusste, worauf Lene hinauswollte, verhielt sich ruhig. Also holte sie noch ein wenig weiter aus, fragte, ob ihr jemand sagen könne, was der Unterschied zwischen einer Geschichte, einem Märchen, und dem Fach Geschichte sei. Wieder meldete sich niemand und sie vermutete, dass die Klasse vielleicht noch im Nachferiendämmer gefangen sei, bis sich plötzlich doch einer meldete. Es war Philipp. Ein wenig erleichtert nahm sie ihn heran und der Junge sagte: „Ich denke, dass wir vielleicht eine Gesprächsrunde machen könnten.“ Lene war erstaunt, wollte es sich aber nicht anmerken lassen, fragte: „Wieso?“ „Na ja, weil doch Sama neu in die Klasse gekommen ist. Vielleicht weiß sie ja noch gar nicht, wie alle heißen und außerdem wissen wir auch noch nicht sehr viel von ihr. Nur, dass sie aus Syrien kommt.“ Lene mühte sich um ein Lächeln, nickte dann. „Das ist eine sehr gute Idee, Philipp. Das hatte ich sowieso vor, allerdings erst, wenn Amar auch bei uns ist. Oder wie seht ihr es?“ Erst einmal blieb es still, doch dann meldete sich ausgerechnet Ronja. „Ich kann mich Philipp nur anschließen. Wir sollten uns alle zusammensetzen und Sama in unseren Reihen begrüßen. Sama ist damit auch einverstanden.“ Lene hatte gerade dies noch ein wenig hinauszögern wollen, da sie wusste, dass man die Neuankömmlinge so normal wie möglich behandeln und sie nicht mit Fragen konfrontieren solle, die sie wohlmöglich verunsichern könnten. Lieber im Stillen beobachten und abwarten. Wenn sie von selbst kämen und erzählten … Ja, aber gerade da lag ja der Hase im Pfeffer: wie sollte Sama denn erzählen, wenn sie Deutsch nicht konnte. Und, so fragte sich Lene, war es nicht auch ein wenig Feigheit ihrerseits, Sama erst einmal zu ignorieren? Hatten die Schüler nicht recht und auch ein Recht darauf, zu erfahren, was mit Sama war? Klar, sie würde einspringen und moderieren müssen, wenn es aus dem Ruder liefe. Aber wollte sie sich nicht gerade davor drücken? Sie hatte doch keine Erfahrung mit traumatisierten Kinder – ebenso wenig mit deren Eltern, die sie in Bälde auch zu einem Elterngespräch hier in der Schule erwartete. Auch davor graute ihr ein wenig. Wie weit durfte, wie weit konnte sie gehen? Und was waren letztlich die Ziele für Sama und auch Amar dieses Jahr? Lene gab sich einen Ruck, sah Ronja in die Augen, spürte, dass das Kind darauf drängen würde und wusste ebenso, dass sie selbst sich nicht in Schweigen hüllen durfte, wenn die Klasse eine Vorstellungsrunde wünschte. Schließlich war sie nicht nur deren Lehrerin, sondern auch Betreuerin, jemand, der für den Zusammenhalt in der Klasse sorgen musste. „Ich möchte mal gerne wissen, warum sich ausgerechnet Ronja um Sama kümmern soll“, hörte sie Hannah in ihre Gedanken hinein fragen, sah auf und spürte ausgerechnet in diesem Moment wieder dieses Kribbeln in der Unterlippe. Nach der Stunde würde sie sich sofort wieder Salbe auftun müssen, um keine Bläschen aufkommen zu lassen. Diese Gedanken gestattete sie sich noch, ehe sie sich an Hannah wandte: „Das können wir gern nach der Stunde klären, Hannah, jetzt erst einmal räumt ihr bitte die Tische zur Seite und stellt die Stühle in einen Kreis. Beeilt euch, denn wir haben nicht mehr viel Zeit für …“ Im Grunde nannte sich so etwas Klassenleiterstunde, doch diesmal ging es nicht um Fragen, die das Klassenklima betrafen, sondern um Sama, die sich, das bemerkte Lene, doch sehr an Ronja hielt. Ja, sie machte ihr alles nach, half mit, die Tische zu verrücken. Und das schon am zweiten Tag ... Nein, sie musste sich dem Mädchen auch einzeln nähern. Spätestens kurz vor dem Elterngespräch, wenn möglich schon früher. Doch wie. Ganz normal? Mal eben so? Hallo Sama, kommst du mal kurz zu mir ... Sieben Minuten später, Lene hatte auf die Uhr gesehen, saßen sie alle in einem großen Kreis. Sama neben Ronja, Hannah nicht neben Christoph, Sascha dafür bei Susanne und Philipp links neben ihr. „Also“, begann Lene und rieb sich die kribbelnde Unterlippe. Keine Frage, es wurde nicht besser, eher schlechter. Sie wurde fast wahnsinnig. Wenn sie – und das war nur einer ihrer unzählig verqueren Gedanken heute Morgen – noch gleich eine Sexualkundestunde heranhängen würde und sich als rühmendes Beispiel anführte, nach dem Motto: Knutscht nicht jeden, den ihr seht, denn dann ist es schon zu spät … Ach, was war nur mit ihr los? Warum diese kindlich anmutende Stimmung? Jakob? Ja, er war der Grund. Aber an den durfte sie jetzt nicht denken, also fuhr sie sich noch einmal über den Mund und sagte: „Wie ihr alle wisst, sitzt jetzt Sama unter uns. Sie stammt ursprünglich aus Syrien …“ „Aus Aleppo oder auf Arabisch Ḥalab“, warf Ronja ein und wandte sich an Sama, die nickte. „Aleppo“, wiederholte Lene und mühte sich, keine Miene zu verziehen, doch in ihr begann es rumoren. Aleppo war in den letzten Monaten und Wochen nicht nur zum Sinnbild einer zerstören Stadt geworden, sondern gleichsam zum Symbol für den Krieg und den Terror im Nahen Osten. Tagtäglich las man in den Medien vom Leid und Elend der noch immer belagerten Stadt, las, dass Lebensmittel knapp wurden, die Medizinische Versorgung kaum oder gar nicht mehr gewährleistet war. Russen und Assads Truppen bombardierten gezielt Krankhäuser, zerstörten die Infrastruktur. Die Menschen lebten in den Ruinen ihrer Häuser, suchten in den Trümmern Schutz. Es drohten Krankheiten … und dann die vielen Leichen … All das schoss Lene durch den Kopf und sie wusste nicht, wie damit umgehen. Zwar hatten sie alle, die sie Lehrer an dieser Schule waren, eine Konferenz oder besser einen Workshop zu diesem Thema, dem Umgang mit traumatisierten Flüchtlingskindern gehabt, doch der nützte ihr jetzt gar nichts, da sie einerseits aller Augen auf sich gerichtet sah und andererseits nicht wusste, was konkret sie tun sollte. Und so fragte sie sich im ersten Moment allen Ernstes, ob es sinnvoll wäre, eine Karte aus dem Geographie-Zimmer zu holen, um den Kindern die Lage von Syrien und genauer, von Aleppo zu zeigen. Doch war das wirklich hilfreich? Lene fühlte sich in diesen Momenten, da ihr Blick über die Kinder ihrer Klasse ging, hilflos und von den an sie gestellten Erwartungen bedrängt. Als sie sich an diesem Abend mit Petra traf – sozusagen auf ein Feierabendbier –, war sie ob dieses Erlebnisses noch immer sehr erregt – und hatte, wie konnte es anders sein, auch vergessen sich die Lippe einzucremen, sodass sie nun das erste Bläschen spürte. Petra machte sie in ihrer unnachahmlich trockenen Art auch darauf aufmerksam, was sie ihr nicht übelnahm. Es berührte sie auch kaum, da sie gedanklich noch immer in der Klasse saß und sich um Worte ringen sah. „Sama kommt aus Syrien. In diesem Land herrscht seit Jahren Krieg. Sama und ihre Eltern sind geflüchtet – hierher, um in Frieden leben zu können.“ Das hatte sie gesagt und es dabei nicht gewagt, Sama in die Augen zu sehen. Sie wollte nicht wissen, ob die Kleine verstand, was sie sagte und fürchtete mehr noch deren Reaktion. Lene wusste, dass sie sich keineswegs korrekt verhielt, doch fühlte sie sich überfordert. Wie erklärt man Kindern das Elend eines Krieges, in dem Hunderte, Tausende abgeschlachtet und eine ganze Stadt zerstört wurde. Abgesehen vom menschlichen Leid schmerzte es sie auch, dass die Altstadt von Aleppo, die Zitadelle, der über 5000 Jahre alte Kern der Stadt ebenfalls zerstört war. Vor Jahren hatte sie eine Reise nach Syrien gemacht. Vor Jahren … Sie war durch den alten Suq gelaufen, hatte sich schwarzen Tee gekauft und ein soganntes Arafat-Tuch … „Ich denke, dass du richtig reagiert hast“, hörte sie Petra in ihre Gedanken hinein sagen. „Die Kinder wissen teilweise selber schon über den Krieg Bescheid und können damit umgehen, dass nun auch Flüchtlingskinder zu uns kommen. Wichtig ist, dass man es ihnen sagt, aber wichtig ist es eben auch, so normal wie möglich weiter zu machen. Wenn Sama Sprachschwierigkeiten hat, sollte sie am Nachmittag unbedingt gesondert Deutsch lernen. Gibt es so etwas schon an euer Schule?“ Lene biss sich auf die Unterlippe, ließ jedoch ebenso schnell wieder davon ab, denn ihre Lippe kribbelte zur Antwort besonders stark, und schüttelte den Kopf. „Dann muss das eingerichtet werden. Deutschunterricht. Und das möglichst eben nicht an irgendeiner anderen Schule, sondern bei euch. Und wenn sich niemand findet, warum auch immer, dann obliegt es dir …“ Petra sah Lene an, die den Blick senkte und sich die Augen rieb. Sie fühlte sich müde – und das bereits nach dem zweiten Arbeitstag. Da half auch der Gedanke an Jakob nicht. Jakob, der sie so schnell wie möglich wiedersehen wollte. Und am liebsten hätte sie von ihm erzählt. Aber das, so ahnte es Lene, wollte Petra im Moment nicht hören. Ihr ging es um die Kinder und darum, wie mit ihnen umzugehen sei. „Sei so normal wie möglich, blende deine eigenen Gedanken aus. Geh auf die Kinder ein. Du hast nur zwei in der Klasse, da sollte das machbar sein.“ Lene nickte. „Ich habe Ronja in der Klasse, ein hochintelligentes Kind. Beide Eltern Wissenschaftler, Physiker. Sie kümmert sich um Sama“, sagte sie. Petra nippte an ihrem Glas Bier, nickte. „Das ist gut, sehr gut. Wenn Sama auf Akzeptanz in der Klasse trifft, fällt es ihr leichter, Vertrauen aufzubauen. Aber auch du solltest sie niemals aus dem Blick lassen. Traumatisierte Kinder …“ Lene sah auf. „Ich habe Angst“, sagte sie leise. Petra nickte nur. „Ich weiß nicht, was ich tun soll. Was, wenn … ich kann das nicht …“ Petra nickte erneut. „Wenn du meinst, dass es dir aus dem Ruder läuft, dann …“ „Ach, du weißt, dass es das nicht ist …“, schnappte Lene, zog ihr Glas Bier heran, setzte es an, nahm einen Schluck. „Ich glaube, dass ich es einfach nicht mehr bringe.“ „Das ist doch Quatsch. Allerdings musst du dir Hilfe holen …“ „Ich habe Angst vor mir selbst“, fuhr Lene fort und starrt auf ihr Bierglas. „Angst …“ „Ja, ich verstehe“, entgegnete Petra. „Und gerade deswegen ist es besser …“ „Vor dem Unvorhersehbaren. Damals war es Ronja, jetzt Sama und bald noch Amar. Ich weiß nicht, ob ich das schaffe. Ich fühle mich schon jetzt überfordert“, sprudelte es aus Lene heraus. „Umso wichtiger ist es doch, wenn dir ein Sozialpädagoge zur Seite sitzt“, sagte Petra und Lene sah sie an, schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht, ob ich wirklich schon wieder soweit bin. Manchmal spüre ich eine Müdigkeit in mir, eine Abgeschlagenheit …“ Petra nickte und sagte dann: „Du musst differenzieren und dir klarmachen, dass Ängste, deine Ängste, normal sind. Aber du darfst sie nicht mit in den Unterricht tragen. Es sind deine Ängste, die erst einmal nichts mit der Situation in deiner Klasse zu tun haben.“ „Aber, was, wenn Sama, wenn …“ „Nein!“, erwiderte Petra. „Sama ist erst einmal Sama und du bist du. Wenn du spürst, dass du mit Sama nicht klarkommst, wenn sie dir zu entgleiten droht, hast du das Recht, dich an den Sozialpädagogen deiner Schule …“ „Wir haben ja gar keinen …“ Lene fing einen stirnrunzelnden Blick von Petra auf, zuckte mit den Schultern. „Brauchten wir bisher nicht.“ „Dann reg das an, besteh darauf. Ihr benötigt ganz dringend einen.“ Lene nickte. „Aber wichtig ist auch“, fuhr Petra fort, „dass du dir klar machst, dass deine eigenen Ängste nicht das Unterrichtsgeschehen dominieren dürfen. Und das, was du mir gesagt hast, klingt alles gut. Geh auf deine Klasse ein. Wenn deine Schüler einen Stuhlkreis wünschen, dann gib ihnen die Möglichkeit. Ich meine, die Kinder sind ja, je nachdem, aus was für einem Elternhaus sie kommen, ebenfalls mit dem Geschehen in der Welt konfrontiert. Da könnten sich unter Umständen ja auch Ängste aufbauen.“ „Und ich bin dann dafür da, ihnen zu sagen, dass sie keine zu haben bräuchten?“, schnappte Lene, doch Petra schüttelte den Kopf. „Lehrer zu sein ist noch nie leicht gewesen, jetzt, in dieser speziellen Situation wird viel von uns gefordert – keine Frage und uns obliegt es, weiter zu unterrichten und den Kindern zu erklären, was dort draußen in der Welt geschieht. Ja …“ Lene war auch nach dem Gespräch mit Petra noch immer aufgewühlt, versuchte sich allerdings immer wieder zu sagen, dass sie ihre Ängste tatsächlich nicht mit in die Klasse tragen durfte. Sicherlich hatte sie Angst – Angst vor der neuen Situation, dem Unvorhersehbaren. Richtig darauf vorbereitet worden war sie nicht. Aber wie sollte das auch gehen? Im Grunde galt nur, dass sie sich als Lehrerin zunächst neutral, aber eben aufgeschlossen zeigen sollte. Aber was, wenn Sama durch irgendeine Äußerung getriggert würde? So wie sie selbst dereinst … und, wie es schien, noch immer … An diesem Abend ging Lene sehr spät ins Bett – und das, obwohl die Müdigkeit groß war. Sie zündete sich eine Kerze an, setzte sich an ihren Küchentisch, sah in die Flamme. Lange, sehr lange. Und sie mühte sich dabei, an nichts zu denken, sondern ihre Gedanken kommen und gehen zu lassen. Das hatte sie gelernt – damals, in der Therapie. Und was hatte Petra ihr noch gesagt? Hab Geduld mit dir. Und dann, irgendwann, das Treffen ging bereits dem Ende entgegen, hatte sie ihr plötzlich dazu geraten, Jakob nicht ausgerechnet dann zu küssen, wenn er über kribbelnde Lippen klagte. Und sie solle ihn bloß nicht am Freitag küssen, ja, sich ihm nicht einmal nähern, sonst würde er sich wieder bei ihr anstecken und sie sich dann wieder bei ihm .... Das hatte die gute Petra gesagt, ohne die Miene zu verziehen und Lene hatte doch gespürt, wie sehr sie sich für sie freute. Gerade diese Gedanken, auch wenn sie sie nicht festhalten konnte, erfüllten Lene, machten sie glücklich. Ja, das Wissen darum, Jakob spätestens am Freitag wiederzusehen, ließ sie sogar lächeln. Und dann war da noch Ekke Nekkepenn, dieser kleine, aus Strandflieder und Sturm gewebte Kerl, in ihren Gedanken erschienen. Sie hatte ihn von der Hallig mitgebracht, um sich von ihm auch hier in Berlin Trost zukommen zu lassen. Trost, Kraft und das Wissen darum, dass sie, unabhängig davon, ob ihre Schule einen Sozialpädagogen einstellte oder nicht, doch wieder professionelle Hilfe in Anspruch nehmen sollte. Sie war mitnichten über alles hinweg. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)