Vom Fuchs und Raben (NEU!) von Momo_Author ================================================================================ Kapitel 2: Kapitel 2: Der Fuchs, der Rabe und die Eule ------------------------------------------------------- Kapitel 2: Der Fuchs, der Rabe und die Eule „Ich wusste, du würdest gleich aufbrechen.“ Erst konnte sie ihren Augen nicht trauen. Dann spürte sie eine Mischung aus Wut und Freude gleichzeitig in sich aufsteigen. Einerseits war sie erbost, dass dieser Kerl es doch glatt geschafft hatte, sie auszutricksen. Sogar Uta, ein langjähriger Freund und geschätzter Kollege hatte sich bei dieser hinterrücks Aktion beteiligt. Wie konnte er nur? Andererseits jedoch wollte sie wieder gegen den Fremden kämpfen, hatte auf eine Revanche hingefiebert. Und jetzt wo sie ihn zum ersten Mal richtig im hellen Licht betrachten konnte, durfte sie auch noch feststellen, dass er wirklich attraktiv aussah. In Jeans und ein weißes Shirt gekleidet, seine Muskeln waren klar definiert, stand er aufgebaut vor ihr. Sein weiß-silbern glänzendes Haar – es fiel ihm tief in den Nacken und über seine Ohren - unterstrich seine Strenge noch einmal. Diese reflektiere sich auch in seinem hübschen, maskulinen Gesicht, in das eine einzelne Strähne hing und geschmückt war von einem Kinnbart. Sie schüttelte den Kopf. Egal, was sie von ihm halten würde, sie würde sich nicht auf derartige Gefühle einlassen. Es war zu gefährlich in ihrer beider Welt, der Schattenwelt der Ghule. Das hatte Kisuna schon früh erfahren müssen. Auch wenn ihre Risikobereitschaft in der Regel hoch lag, soweit wollte sie nicht gehen. Jedenfalls nicht ohne berechtigte Gründe, das hatte sie sich fest vorgenommen. „Was willst du von mir?“, fragte sie zynisch. Skeptisch verschränkte die Ghula ihre Arme vor der Brust. So wie auch er es tat. „Reden.“ „Worüber?“ Er warf ihr einen leicht zornigen Blick zu, überlegte, während er an seinem Bart kratzte. Sie fand, es sah lustig aus. Anscheinend war es ihrem Gegenüber enorm wichtig, sollte sie darauf eingehen? Doch er war noch immer ein fremder Ghul. Was, wenn er sie nur wieder wie gerade eben hereinlegen wollte? Kisuna war sich der Stärke ihres Gegners bewusst, schließlich hatte er es mit ihr aufnehmen können. Leider sagte die Begeisterung, die Aufregung, das Feuer in ihr etwas ganz anderes. Tu es, trieb die Stimme in ihr sie an. Auf welches Gefühl sollte sie nur vertrauen? Vernunft? Oder etwa doch Emotion? „OK. Ich höre.“ Sie entschied sich für Letzteres. Überrascht von ihrer plötzlichen Antwort, sah ihr der männliche Ghul tief in die Augen. Dann nickte er, gab ihr ein Handzeichen, das ihr den Aufbruch signalisierte. „Wohin gehen wir?“, fragte sie nach einer Weile, doch er antwortete nicht. Er schien insgesamt kein Mann vieler Worte zu sein. Schon bei ihrer ersten Begegnung, bevorzugte er es zu schweigen, anstatt mit ihr zu kommunizieren. Sie fand es komisch. Was hatte er nur, fragte Kisuna sich die ganze Zeit über. „Hey, bist du mies drauf?“ Wieder kam nichts zurück. Langsam reichte ihr dieses mysteriöse, vergrabene Verhalten. War es denn zu viel verlangt, wissen zu wollen, wohin ein Unbekannter sie brachte, nur um „Reden“ zu wollen? Wohl nicht! Nach einer weiteren gefühlten Ewigkeit des Schweigens – er hatte kein Wort mehr verloren seit sie vor Utas Studio aufgebrochen waren – hielt die Ghula es nicht noch länger aus. Das Geräusch stapfender Schritte durch leere Gassen hallte in ungewöhnlich penetranter Lautstärke zurück und trieb Kisuna fast in den Wahnsinn. Sie ertrug es endgültig nicht mehr. „Sag mal, was soll das Getue eigentlich? Willst du nur geheimnisvoll wirken oder warum sprichst geschweige denn antwortest nicht?“ Sie atmete tief ein und wieder aus. „Das ist echt respektlos und unhöflich von dir.“ Kaum hatte sie ihren Ärger in Worte gefasst, stoppte der Ghul vor ihr. Vor Missmut zu spät bemerkt, lief sie gegen ihn. Doch er drehte sich nicht um, blieb regungslos, doch mit angespannten Fäusten stehen. Und sagte kein Wort. Sie hatte verstanden. Er wollte nicht reden. Nur über das, wofür er sie extra aufgesucht hatte. Sie verstand ihn nicht. Kisuna war erleichtert, als sie endlich Halt machten. Schon seit die beiden Ghule an der letzten Kreuzung abgebogen waren, war sie sich ziemlich sicher, wohin er sie bringen würde. Sein Schweigen erschien ihr zwar immer noch suspekt, doch freute sie sich auch auf das, was folgen würde. Natürlich ließe sie nicht einfach auf sich einreden, nein. Wollte er angehört werden, musste er sich erneut beweisen. Erst dann, wäre sie willig, ihm auch Aufmerksamkeit für seine Wichtigkeit zu erweisen. Der Ort, wo sie und ihr Gegner sich befanden, war derselbe wie das letzte Mal. Er war perfekt für Ghule. Kisuna hatte ihn vor längerer Zeit gefunden, als sie sich auf Jagd nach Menschenfleisch befand. Es war wunderschön finster, aber man hatte viel Platz geboten. Das Rauschen des fließenden Kanals übertönte außerdem den lautesten Schrei von Verzweiflung und Angst geprägt. Sie hüpfte galant auf den Vorsprung der Brücke. Ihr Gegenüber sah weniger begeistert aus. „Was, dachtest du wirklich, ich würde mir nichts dir nichts einfach nur zuhören? Du bist ein Ghul, ein Gegner. Ich kenne dich nicht.“ „Mein Name ist Renji Yomo.“ Sie sah ihn verwirrt an. „Und wenn du mir zuhören würdest, könnte ich dir alles in Ruhe erklären.“ Seine Worte klangen verärgert, doch sein Gesichtsausdruck blieb neutral. Er bemühte sich wirklich sehr, sie zu überzeugen. Fast bekam sie ein schlechtes Gewissen. „OK, pass auf - “, weiter kam sie nicht, denn ehe sie sich versah, verspürte sie eine Präsenz in ihrem Rücken. Wo war dieser Yomo? Er stand nicht mehr vor ihr, stand nun hinter ihr, umklammerte sie mit seinen muskulösen Armen. Erschrocken stand sie da, bewegte sich nicht, lauschte dieses Mal der Stille. Nein, es war nicht still. Etwas erzeugte ein seltsames Geräusch, dass ihr vertraut vorkam. Ein Tropfen. Immer wieder, in unregelmäßigen Abständen. Tipp, tipp… tipp, machte es. Plötzlich verlor der fesselnde Griff des jungen Mannes an Festigkeit, doch er ließ bestimmt nicht los. Kisuna durchfuhr es wie einen Blitz, sie drehte ihren Kopf schlagartig um. Da sah sie es. Blut. Viel Blut. Unkontrolliert tropfend und sich bündelnd in einem tiefrotem Fleck auf seinem nicht mehr so weißem Shirt. Der Grund dafür ganz klar: Ohne es bemerkt zu haben, aus reinem Reflex heraus, hatte sie ihm ihre Kagune in den Bauch gerammt. Das Blut tropfte – es war dieses eine Geräusch. Dieses eine Geräusch, das sie sonst so frohlocken ließ. Doch nicht jetzt, nicht hier. Ihre Begeisterung nur noch plumpe Regungslosigkeit. „Ich… uh. Das… war keine Absicht.“ Er seufzte tief, sodass kalte Luft in ihren Nacken schoss, es ließ sie erzittern. „Schon gut. Hörst du mir jetzt endlich zu?“ Der lieblich wärmende Duft von gerösteten Bohnen und das helle Klirren von Geschirr verfingen sich in ihrer Nase und ihren Ohren, als sie den Laden betraten. „Antik", hatte sich auf dem Schild draußen angekündigt. Was das wohl sollte? Doch das war im Moment nicht der ausschlaggebende Punkt, nein nicht im Geringsten. „Yomo!", ein blauhaariges Mädchen, sie sah aus wie eine Angestellt, stürmte sofort auf die beiden zu. „Was ist mit dir passiert? Wieso blutest du?" Ohne ein Wort zu dem Vorfall zu verlieren, ging der silberhaarige Mann durch die Tür links von ihm. Aus ihm trat auch ein alter, freundlich wirkender Mann heraus, der Kisuna sofort sanft anlächelte. Moment, hatte er sie gerade wirklich einfach allein gelassen? Was sollte das, verdammt, dachte sie sich, während sie versuchte ebenfalls zu lächeln. Doch das passte nun gerade wirklich nicht. „Ah... Dafür bin ich wohl verantwortlich", versuchte sie sich zu entschuldigen. „Was? Wer bist du überhaupt? Was hast du Yomo angetan? Was willst- " „Toka, bitte", der ältere Herr unterbrach die Angestellte. Dann sah er wieder zu Kisuna herüber. „Lassen wir sie doch erst einmal ausreden." „Aber Chef!" „Genug. Das reicht, Toka." Vor Wut rot angelaufen ballte das blauhaarige Mädchen die Fäuste, ließ jedoch dann ab und machte sich wieder an ihre Arbeit. „Nenn uns doch erst Mal deinen Namen. Ich heiße Yoshimura und leite das Antik." Noch etwas perplex versuchte sie sich vorzustellen. „Mein Name ist Kuromori Kisuna und ich habe keine Ahnung was gerade passiert." Der Chef lachte, dann öffnete er die Tür durch die der andere Ghul vorhin verschwunden war. „Lass uns das in Ruhe mit Yomo klären". Da stand er, die Wunde abgedeckt und oben ohne. Das Licht brach seitlich herein und ließ seine Augen funkeln. Es sah auf eine seltsame Weise episch aus. Dann zog er sich ein frisches Shirt über. Leicht aufgewühlt nickte sie und trat ebenfalls in den hinteren Flügel des Hauses. In einem kleineren Raum nahmen beide Parteien auf zwei Sofas, sie waren gegenübergestellt, Platz. Kisuna fühlt sich, als müsste sie eine Intervention über sich ergehen lassen. Wahrscheinlich lag sie da gar nicht so falsch, denn sie saß den beiden Herren auf dem einem Sofa entgegengesetzt. „Der Grund, warum wir mit dir reden müssen, ist dein Verhalten im 20. Bezirk. Dir ist bestimmt bekannt, dass du etwas Unruhe stiftest." Herr Yoshimura bemühte sich um eine gepflegte Ausdrucksweise. Er besaß diese Aura, der man älteren Menschen zuordnen konnte: weise und ausgewogen. „Natürlich habe ich schon davon gehört. Aber Sie wissen bestimmt auch, dass das Gerücht immer größer ist als die Wahrheit dahinter." Mit zusammengeschränkten Armen ließ sie sich in den weichen Stoff fallen, der sofort nachgab. „Es gibt nichts, das dich hier an etwas fesselt. Was ich, wir von dir wollen ist lediglich, dass du für uns arbeitest." „Arbeiten? Wie muss ich das verstehen?" Kisuna blieb misstrauisch. Yoshimura hingegen total gelassen. „Wir vom Antik versorgen seit Jahren Ghule mit Nahrung. Im Gegenzug erhalten wir ihre Arbeitskraft inner- oder außerhalb des Antik. Das ist ein perfektes Arrangement, wodurch der 20. Bezirk als sicherer Zufluchtsort für unsereins gilt. Es wäre schade, wenn dieses Gleichgewicht außer Kontrolle geraten würde." Er zeigte auf den anderen Ghul. „Yomo hier ist meine rechte Hand. Er wird dir alles noch einmal genauer erklären." „Wirklich? Ich habe ihn noch keine 5 Sätze am Stück sagen hören." Ihr Versuch ihn zu provozieren ging nach hinten los, denn er blieb regungslos sitzen, wie erwartet. „Ich denke, das sollte soweit reichen. Leider muss ich mich wieder an die Arbeit machen. Übernimm du bitte den Rest, Yomo." Kaum hatte Yoshimura seinen Satz beendet richtete sich der junge Mann auf, trat auf Kisuna zu und reichte ihr seine Hand. „Komm mit." Doch diese sah es gar nicht ein, sich auch nur einen Zentimeter zu bewegen. „Moment. Ich soll hier einfach meine Zusage abgeben oder wie muss ich das verstehen?" Der alte Herr, bereits im Gehen, drehte sich nochmals zu ihr um. „Auf keinen Fall zwinge ich dich zu etwas. Aber ich denke es wäre das Beste für beide Seiten und ich würde mich wirklich freuen. Und du hättest endlich ein festes Heim." Erschrocken sprang sie auf. „Woher wissen Sie dass ich-", doch weiter kam sie nicht, wollte sie nicht. Sie sah die rote Iris des alten Ghuls aufblitzen. „Ich habe mich informiert, mehr nicht." Mit zusammengeknirschten Zähnen fiel sie zurück auf die Couch. „Heißt das, ich bekomme endlich eine eigene Wohnung?" Verzweifelte Hoffnung machte sich in ihrem Gesicht breit. Diese blieb auch Yomo nicht unbemerkt. „Wir haben Wohnungen über dem Antik", warf er ein. „Nicht ganz", unterbrach ihn der Chef. Sofort horchte Kisuna wieder auf. „Es stimmt, es sind durchaus extra Wohnungen für unsere Mitarbeiter, jedoch sind alle derzeit belegt." Nach einer kurzen Pause, die die Ghula bereits erzittern ließ, fuhr er fort: „Es gibt natürlich noch die Möglichkeit, dass du bei einem der Angestellten einziehst. Yomo, wärst du bereit, Kisuna bei dir wohnen zu lassen? Dann kannst du mir auch hervorragend über ihre Fortschritte berichten." Dieser nickte sofort. Missmutig packte Kisuna diesen Yomo am Arm um sich hochzuziehen. Er hielt sie fest, was ihr im ersten Moment unangenehm war, doch ließ er bereits wieder los, als sie festen Stand gefasst hatte. Wahrscheinlich hatte er bemerkt, dass sie mit der Situation überfordert war. Es war... seltsam. Doch ohnehin besser als die letzten Tage allein auf der Straße. „Mir bleibt nichts anderes übrig, geben sie es wenigstens zu." Der Chef lächelte sie friedlich an. Damit war alles gesagt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)