Ich, er und die Liebe von Maginisha ================================================================================ Kapitel 39: Von verbrauchten Akkus und schützenden Helmen --------------------------------------------------------- Das Tolle an der nächsten Chemiestunde war, dass wir nach der Hälfte davon die letzte Klassenarbeit für dieses Jahr hinter uns hatten. Dumm war nur, dass der Unterricht dann noch nicht vorbei war. Und Herr Wilkens voller Tatendrang.   „Ihr braucht die Stifte gar nicht wegzulegen“, rief er und erntete dafür ein allgemeines Stöhnen. „Nun mal nicht so schlapp hier. Die meisten, also eigentlich alle von euch, haben ihre Leistungskurse noch nicht gewählt. Schöne Schlamperei. Also teilt doch mal eben die Zettel hier aus, dann können wir das schnell erledigen.“   Sandra sprang auf und holte gehorsam den Stapel Papier, mit dem Herr Wilkens herumwedelte, vom Lehrertisch ab und fing an, die Dinger nach hinten durchzugeben. Darauf stand nochmal genau erklärt, wie man die Fächer auszuwählen hatte, damit auch alle drei Lernfelder abgedeckt waren. Abitur mit Kunst und Sport war somit nicht drin und ich starrte auf den Zettel. Als erstes hatte ich natürlich Mathe reingeschrieben, aber was dazu? Wenn ich eine Naturwissenschaft wählte, würde ich mich zusätzlich noch in einer Sprache prüfen lassen müssen. Ob meine eigene oder eine fremde stand dabei nicht fest. Wobei Englisch als Prüfungsfach so schlecht nicht klang. Aus dem gesellschaftlichen Sektor hätte ich ja Erdkunde als mündliches Fach nicht übel gefunden, aber da ich Geschichte eh nicht abwählen konnte, nahm ich halt das als schriftliches Prüffach. Würde schon irgendwie gehen. Und ich würde so weniger Unterricht haben. Am Ende trug ich tatsächlich Physik als zweiten Leistungskurs ein.   Anton neben mir schob seine Brille nach oben. Seine Wahl sah ähnlich aus, nur dass er sich in Latein prüfen lassen wollte. Na dann mal frohes Vokabel-Lernen, mein kleiner Freund.   „So, nachdem ihr euch jetzt erfolgreich die Zukunft versaut habt, wollen wir noch mal ein paar kleine Sachen wegen der Klassenfahrt besprechen. Wie ihr wisst, wird das Gepäck mit dem Auto zum jeweiligen Zeltplatz transportiert. Das heißt jedoch nicht, dass jeder von euch drei Koffer mitschleppen kann. Eine Tasche für jeden. Ja, auch für dich Corinna.“   Corinna ließ ihren Arm wieder sinken. „Außerdem werden wir jeden Tag mehrere Kilometer radeln. Seht also zu, dass eure Räder fit sind. Von euch wage ich das ja nicht zu hoffen. Ihr hockt ja heutzutage nur noch drinnen und guckt auf irgendwelche Bildschirme. Womit wir beim nächsten Thema wären. Handys. Wir haben überlegt, die Mitnahme zu verbieten …“   Allgemeines Protestgeschrei erhob sich, wobei sich Ben und Sandras ausnahmsweise mal einig waren. Herr Wilkens wartete ab, bis sich der Tumult ein wenig gelegt hatte, dann schüttelte er den Kopf.   „Ich sagte, wir haben es überlegt. Aber ihr seid alt genug, um selbst zu entscheiden, ob ihr lieber eurem Nachbarn in die Augen oder auf euer Display gucken wollt. Ich möchte euch jedoch Folgendes zu bedenken geben: Wir werden auf Campingplätzen und in der freien Natur unterwegs sein, sodass es kaum Gelegenheit geben wird, die Akkus wieder aufzuladen. Zum anderen werden eure Sachen die meiste Zeit des Tages unbewacht auf dem Campingplatz herumliegen. Ihr könnt euer Handy natürlich mitnehmen, aber falls es verloren geht, ist es weg. Es wird keinerlei Haftung übernommen. Also überlegt euch gut, ob ihr das Ding wirklich einpacken wollt, nur um dann unter Umständen eine Woche lang eine batterieleere Leiche mit euch rumzuschleppen. Außerdem möchte ich eure elektronischen Freunde tagsüber maximal zum Fotografieren sehen. Abends dürft ihr dann gerne eure Mami anrufen und ihr sagen, was ihr doch für eine Sehnsucht nach ihr habt, aber nicht vorher.“   Herr Wilkens hatte sein Plädoyer offenbar beendet und schwadronierte noch weiter über wetterfeste Kleidung, geeignete Zelte, Warnwesten und Fahrradhelme, während ich die Backen aufplusterte und hörbar die Luft entweichen ließ. Anton sah mich fragend an. „Was ist los?“ „Ach, ich überlege wegen des Handys. Ist ja schon ne ganze Zeit. Meine Mutter würde ich nun nicht anrufen wollen, aber dich vielleicht.“   Anton schmunzelte ein bisschen. „Wieso habe ich das untrügliche Gefühl, dass ich nicht der Erste auf deiner Telefonliste wäre?“   Ich konnte mir ein Grinsen nicht ganz verkneifen. „Na schön, aber der zweite. Okay?“ „Klar.“   Anton hatte nicht noch mal gefragt, was jetzt mit mir und Julius war, obwohl ich natürlich ein bisschen was erzählt hatte. Unter anderem von dem Besuch bei Lali, aber das, was Julius mir in dem Café anvertraut hatte, hatte ich selbstverständlich nicht erwähnt. Das ging nur mich und Julius was an. Zudem hätte ich Anton nicht sagen können, wie denn nun unser offizieller Beziehungsstatus war. Eigentlich fühlte es sich an, als wären wir zusammen, aber irgendwie hatte ich den Eindruck, das Julius noch zögerte, es auszusprechen. Wir beide vielleicht ein bisschen. Im Grunde war es uns wohl klar, aber irgendwie … Andererseits: Wer brauchte schon Etiketten? Es war gut, wir hatten Spaß zusammen, verstanden uns manchmal ohne viele Worte und hatten andererseits kein Problem, über Dinge zu sprechen, die uns beschäftigten. Wir vertrauten einander blind. Und ich vermisste ihn jetzt schon ein bisschen. Die Zeit in Dänemark so ganz ohne ihn würde lang werden. „Triffst du dich nochmal mit ihm, bevor es losgeht?“   Ich seufzte und schüttelte den Kopf.   „Nicht wirklich. Meine Mutter hat drauf bestanden, dass ich noch die Dachrinne saubermache und irgendwelche Sachen aus dem Keller für den Sperrmüll rausstelle, bevor ich verschwinde. Am Samstag muss ich arbeiten und Sonntag hat Björn Geburtstag. Und natürlich muss ich mit. Die Veranstaltung ist so unnötig wie nur was. Bloß weil meine Schwester den Kerl heiratet, muss ich doch nicht den ganzen Tag da rumsitzen und mich zu Tode langweilen.“ „Du hast mein volles Mitgefühl.“ „Warum hört es sich dann so an, als würdest du lügen?“   Anton grinste und ich wuschelte ihm durch die Haare, was dazu führte, dass ihm die Brille fast von der Nase rutschte. Auf seinen Protest hin, rollte ich nur mit den Augen. „Besorg dir halt endlich mal eine, die passt. Das Ding ist dir doch eh viel zu groß.“ „Und was würdest du mir empfehlen?“ „Was weiß ich denn? Bin ich Optiker?“ „Vielleicht sollte ich Theo mal fragen, wo der seine herhat.“   Für einen Moment zuckte ich zusammen. War das grade eine Anspielung von Anton gewesen? Der sah zwar aus, als könne er kein Wässerchen krümmen und kein Härchen trüben, aber trotzdem. „Wie meinst du das?“ „Wenn du das nicht weißt.“ Das war alles, was Anton dazu zu sagen hatte, denn das Klingeln war so gnädig, ihn von einer weiteren Antwort zu entbinden. Reges Stühlerücken setzte ein, das Herr Wilkens noch versuchte, mit irgendwelchen Ermahnungen zu übertönen, bevor alle zum vorletzten Mal vor der großen Tour das Schulgelände verließen. Auch ich packte zusammen, doch als ich aufstand, galt mein Blick nicht der Tür. Ich suchte nach Theo. Überraschenderweise fand ich ihn in einem Gespräch mit … Oliver!   „Du musst aber einen Helm aufsetzen“, erklärte er den Blödmann gerade. „Ich hab aber keinen Bock darauf.“ „Dann kannst du nicht mitkommen.“ „Mir egal.“ Theo seufzte. „Was genau ist dein Problem? Ich find die Dinger auch nicht besonders, aber es dient nun mal der Sicherheit.“ „Da scheiß ich drauf.“ „Aber ich nicht. Und Herr Wilkens auch nicht. Wir werden alle einen aufhaben, also stell dich nicht so an.“   Oliver funkelte Theo wütend an, doch der ließ sich nicht einschüchtern. Plötzlich huschte allerdings Verstehen über sein Gesicht.   „Du hast keinen, oder?“   Oliver schnaubte, bevor er den Blick senkte und langsam den Kopf schüttelte.   „Soll ich dir einen leihen? Ich hab noch einen alten zu Hause, den könntest du haben.“ „Ich will deinen Scheiß nicht.“ „Gut, dann halt nicht. Wenn du unbedingt hierbleiben willst, von mir aus. Aber falls du deine Meinung änderst, sag Jo Bescheid, dann bring ich ihn Montag mit.“   Damit drehte Theo sich um und ließ Oliver stehen. Der hatte die Hände zu Fäusten geballt und sah gleichzeitig so aus, als könnte er nicht glauben, dass Theo so nett zu ihm gewesen war. Ich konnte es ihm nachfühlen.   Als er allerdings den Kopf hob und mich sah, wurde sein Gesicht wieder finster.   „Was glotzt du so, Schwuchtel?“ „Vielleicht genieße ich die Aussicht.“   Er klappte den Mund auf und starrte mich an, bevor er endlich wieder Luft bekam.   „Das ist widerlich!“, schrie er mich an, bevor er aus der Tür flüchtete. Ich bemerkte eine Bewegung neben mir. Es war Anton. „Das war nicht besonders klug.“ „Ich weiß“, seufzte ich. „Aber irgendwie muss ich mit ihm ja umgehen. Was würdest du denn empfehlen?“ „Provozier ihn nicht, bleib möglichst auf Abstand und lass dich nicht auf Stress ein.“ „Und wenn er mit dem Stress anfängt?“ „Dann such dir Hilfe.“   Ich sah Anton an, der zu mir hochblickte und dabei einmal mehr aussah wie ein Erdmännchen mit Brille. Plötzlich musste ich grinsen.   „Was?“, fragte er verwirrt. „Ach, ich musste nur gerade an 'König der Löwen' denken.“ „Was ist damit?“ „Ach nichts. Gar nichts.“ „Benedikt!“ „Anton?“ „Du bist unmöglich.“ „Aber du liebst mich trotzdem.“ „Wenn du das sagst.“   Ich summte „Can you feel the love tonight“ und Anton schüttelte lachend den Kopf, bevor wir endlich den Chemieraum verließen, vor dem Herr Wilkens schon ungeduldig wartete. Dabei musste ich nochmal an Theo denken. Anscheinend hatte er sich doch mit der Zeltsache mit Oliver abgefunden. Warum war mir schleierhaft und ich nahm mir vor, ihn nochmal danach zu fragen, wenn wir am Samstag zusammen Schicht hatten.     Erstaunlicherweise musste ich ziemlich lange warten, bevor Theo auftauchte. Fast eine Stunde nach Ladenöffnung erschien er endlich. In der Hand hatte er einen Fahrradhelm. „Was willst denn damit?“ „Der ist für Oliver.“   Ich folgte Theo zum Umkleideraum, wo er Helm und Rucksack im Schrank verstaute. Möglichst ignorierend, dass er sich danach das T-Shirt über den Kopf zog, fragte ich: „Und wieso schleppst du den hier mit her?“ „Musste ihn erst noch bei einem Freund abholen.“ „Hä?“   Er blieb stehen, das Arbeitsshirt in der Hand, und sah mich an.   „Was gibt es denn da zu hä-hen? „Na, ich dachte, du hast noch einen zu Hause.“ „Das hast du mitbekommen?“   Ups. Damit hatte ich wohl zugegeben, dass ich gelauscht hatte. Nicht gerade die feine, englische. Ich räusperte mich.   „Na ja, schon irgendwie. Ich hab dich mit Oliver stehen sehen und war neugierig, was du mit ihm zu besprechen hast. Ich dachte, du wolltest noch mal mit Herrn Wilkens reden.“ „Hab’s mir anders überlegt.“ „Und warum das?“   Er atmete tief durch.   „Ich wusste nicht so recht, was ich ihm sagen soll. Also hab ich beschlossen, das selbst zu regeln. Mich nicht rauszuhalten. Mich einzumischen und so Jo und hoffentlich auch Oliver klarzumachen, wie dämlich das ist, was sie da von sich geben.“   Er sah mich an und lächelte.   „Ich lasse nämlich nicht zu, dass jemand Schwachsinn über meine Freunde verbreitet. Noch nicht mal, wenn es ein anderer Freund ist.“ „Nicht mal dein bester?“ „Nein, auch der nicht.“   Für einen Moment lag mir auf der Zunge ihn zu fragen, was denn wäre, wenn es gar kein Schwachsinn wäre, den Oliver da rumposaunte. Einfach weil … weil ich ihm gegenüber ehrlich sein wollte. Weil ich wollte, dass er nicht irgendwann aus allen Wolken fiel, wenn es vielleicht doch rauskam. Aber dann ging mir zum Glück gerade noch rechtzeitig auf, dass das eine ziemlich dumme Idee war. Zumal ich mir nicht ganz sicher war, wie er wohl reagieren würde, wenn er davon erfuhr. Mein Blick fiel nochmal auf den Helm. Ich seufzte leise.   „Wenn du den nicht mitgebracht hättest, hätte Oliver vielleicht nicht mitgedurft.“   Theo blickte ebenfalls auf die Halbschale aus Plastik herab.   „Ja, da hast du wohl recht. Aber das Problem zu ignorieren macht es ja nicht besser. Wir sind in knapp zwei Wochen wieder da und dann? Soll es dann wieder von vorne losgehen? Nein. Dann lieber die Chance nutzen. Es heißt doch immer, solche Fahrten stärken die Gemeinschaft. Also stärken wir doch mal ein bisschen.“ „If you can’t beat them, join them.“ „Exakt.“   Ich sah Theo ein bisschen bewundernd an, während er mir jetzt den Rücken zudrehte um sich anzuziehen. Ich hatte mich immer gefragt, was die Leute denn an ihm fanden. Was ihn so besonders machte, denn schließlich konnten ja nicht alle nur auf sein Äußeres fliegen. Aber wahrscheinlich war es diese Art, die die Leute anzog. Dass er ihnen das Gefühl gab, etwas wert zu sein. Das Gefühl, etwas zu tun, statt nur darüber zu reden. Das Gefühl, zu etwas dazuzugehören.   Es wäre schön gewesen, mich noch ein bisschen an diesem Gefühl erfreuen zu können, aber kaum dass wir den Umkleideraum verlassen hatten, war die Zeit des Müßiggangs vorbei. Die Kunden stürmten das Sportgeschäft in Scharen und schienen bereit, buchstäblich die Regale leerzukaufen. Wären noch mehr Leute gekommen, wir hätten sie Nummern ziehen lassen müssen.     Am Ende des Tages wusste ich nicht mehr, wo mir der Kopf stand. Vielleicht hatte ich meine grauen Zellen auch einfach nur an die vielen Klassenarbeiten verbraucht oder an den ganzen Mist, der mir sonst noch im Kopf herumspukte. Hätte mir so was zugestanden, hätte ich gesagt, ich wäre urlaubsreif.   Auch Theo sah ein bisschen mitgenommen aus. Er schnaufte, bevor er die Tür des Spinds öffnete und seine Sachen rausholte. Als ich ihm ein aufmunterndes Lächeln schenkte, erwiderte er es. „Hast du heute noch was vor?“   Ich schüttelte den Kopf. „Du?“   „Nein. Bisschen abhängen, vielleicht noch Gitarre üben.“   Ich lachte. „Besser ist das. Immerhin hast du mir was versprochen. Hast du schon ein Lied ausgesucht?“   Er wich meinem Blick aus. „Vielleicht. Ich schwanke noch, welches ich nehme.“ „Na, jetzt machst du mich ja neugierig. Was steht denn zur Auswahl?“   Ich sah, wie er sich auf die Lippen biss. Was hatte das zu bedeuten? „Theo?“ „Ja?“ „Alles in Ordnung?“ „Ich … ja. Ja, alles in Ordnung. Ich musste nur gerade an etwas denken.“   Ich hätte zwar nur zu gerne gewusst, an was genau er hatte denken müssen, aber in dem Moment erschien Holger, um uns rauszuwerfen. Auch schien Theo es plötzlich sehr eilig zu haben, nach Hause zu kommen, denn als ich mein Fahrradschloss gerade mal geöffnet hatte, hatte er sich bereits auf den Sattel geschwungen.   „Also dann, bis Montag.“ „Ja, bis Montag.“ „Und vergiss deinen Helm nicht.“ „Wieso? Würdest du mich dann etwa hier lassen und stattdessen Oliver mitnehmen.“   Er grinste. „Würde mir nie einfallen.“ „Na, da bin ich aber froh.“ Theo antwortete nicht mehr, sondern nickte mir nur noch einmal zu und trat dann in die Pedale. Im nächsten Moment war er bereits um die Ecke verschwunden. Ich sah ihm noch einen Augenblick lang nach, bevor ich mein Rad in Richtung Monopoly schob. Heute Nachmittag würde ich Julius das letzte Mal sehen, bevor es auf Klassenfahrt ging, und ich hatte nicht vor, mir diese Gelegenheit entgehen zu lassen.     Als ich am Sonntagabend in meinem Bett lag, den Blick an die Zimmerdecke gerichtet, meine Reisetasche in einer Ecke liegend wie ein schlafendes Raubtier, hatte ich das Gefühl, am Rand eines riesigen Ozeans zu stehen. Um mich herum nur Wasser, Wasser, Wasser. Kein Halt, kein Grund, keine Möglichkeit mich auszuruhen und zu verschnaufen. Wie würde es werden, solange ohne echte Rückzugsmöglichkeit mit den anderen zusammenzusein? Ich hatte mir, ehrlich gesagt, noch nie Gedanken gemacht, ob die anderen Jungs eigentlich solche Probleme auch hatten. Und selbst wenn, war es ja „okay“ dass sie die hatten. Die wollten schließlich was von Mädchen und mussten sich keine Gedanken darum machen, ob sie ihre Mitbewohner mit ungewollten Körperreaktionen belästigten. Natürlich wussten sie nichts davon und vermutlich musste ich mir auch einfach nur sagen, dass es ja nichts mit ihnen zu tun hatte, da ich ja schließlich nichts von ihnen wollte. Aber der Gedanke an Gemeinschaftsduschen und enge Zelte machte mich trotzdem ein bisschen nervös. Selbst wenn Timo und Elias nun wirklich out of question waren.   Die Szene am See aus dem Film, den ich mit Julius geguckt hatte, fiel mir ein und ich musste ein bisschen lachen. Ja, so in etwa würde es wohl sein. Mulan hatte sich zurückgezogen, um in Ruhe zu baden und dann? Kam auf einmal eine Herde nackter Männer herbeigestürmt und sie musste sich von Muschu retten lassen, damit niemand merkte, was mit ihr los war. Mal ganz davon abgesehen, dass sie gar nicht wusste, wo sie zuerst nicht hingucken sollte. Ich würde mich wohl geschickter anstellen müssen als Mulan, denn mir würde leider kein kleiner, roter Drache zur Seite stehen. Eigentlich schade. Die Rolle hätte Anton bestimmt gut gestanden.   Ich presste die Hände auf meine Augen und fuhr mir über das Gesicht. Ich musste dringend schlafen. Diese Gedanken halfen nämlich so überhaupt gar nicht. Ich würde es einfach auf mich zukommen lassen müssen. Wahrscheinlich würde ich abends sowieso nur wie tot ins Zelt fallen. Immerhin hatte unser Klassenlehrer ja angekündigt, dass er uns ordentlich auspowern wollte. Würde schon irgendwie gehen.   Ich griff nach meinem Handy, das ich gerade nochmal ans Ladekabel gehängt hatte, damit der Akku morgen auch wirklich randvoll war. Ein paar Prozent fehlten noch und so wollte ich es zuerst wieder weglegen, als ich kurzentschlossen noch einmal den Messenger öffnete.   'Hey, schläfst du schon?', schrieb ich an Julius. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis er online war und mir angezeigt wurde, dass er eine Antwort tippte. 'Nein, noch nicht. Du?'   'Haha.'   'Also nicht? Dachte ich mir.'   'Ich kann nicht einschlafen.'   'Warum nicht?'   'Bin aufgeregt. Wegen morgen.'   'Verstehe. Wie war der Geburtstag?'   'Öde. Baby, Baby, Hochzeit, Baby, Hochzeit, freust du dich schon auf die Klassenfahrt, Baby, Hochzeit, Hochzeit, neue Wohnung, neue Wohnung, Baby, Hochzeit.'   Julius schickte lediglich ein paar sich beömmelnde Smileys zurück. Wütend schrieb ich eine neue Nachricht.   'Ey! Das war echt Folter!'   'Armes Hascherl. Ich würde ja gerne pusten, aber du bist zu weit weg.'   'Blasen wäre mir auch lieber.'   'Teenager! *augenrollender Smiley*'   'Wenn du nun mal so talentiert bist …'   Zufrieden registrierte ich, dass er auf meine Vorlage einstieg. Die nächste Nachricht war durchaus expliziter und ich ließ mit einem Grinsen meine Hand in meine Hose gleiten. Mit Chance würde mir das wenigstens für ein paar Tage Ausgeglichenheit bescheren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)