Ich, er und die Liebe von Maginisha ================================================================================ Kapitel 22: Von gemütlichen Gräbern und verliebten Volltrotteln --------------------------------------------------------------- Am nächsten Tag packte ich meinen Rucksack, während meine Mutter unter der Dusche war, und widmete mich danach meiner eigenen Körperpflege. Also nicht, dass ich sonst nicht reinlich war, aber … na ja. Wenn man wusste, dass einem jemand so nahekommen würde, das war ja doch noch mal was anderes.   Dummerweise war ich damit schon viel zu früh fertig, sodass ich die restlichen Stunden bis zu meiner Verabredung irgendwie rumbringen musste und zwar möglichst, ohne mich dabei von meiner Mutter zu einer anstrengenden Arbeit einspannen zu lassen. Schließlich wollte ich nicht völlig erledigt und mit Muskelkater zu unserer Verabredung erscheinen. Zum Glück war der Rasen noch kurz genug und meine Mutter hatte beschlossen, ihren Kleiderschrank auszumisten, sodass sie mich in Ruhe ließ und ich der Langeweile frönen konnte, bis es endlich halb drei war.   Eigentlich war ich selbst dann noch zu früh dran, aber ich hielt es einfach nicht mehr aus, in meinem Zimmer zu sitzen und die Uhr anzustarren. In meiner Verzweiflung hatte ich tatsächlich nochmal Julius geschrieben, der mich wieder tief bedauert und mich mit Stories von irgendwelchen indischen Seifenopern ein wenig abgelenkt hatte. Ich sage euch, die spinnen, die Inder!     Ich fuhr mit dem Fahrrad zum Ortsausgang und hockte mich dort auf einen Grenzstein. Es war immer noch eine halbe Ewigkeit bis um drei, also richtete ich mich auf eine längere Wartezeit ein. Ich zog mein Handy raus und las mir nochmal die Nachrichten von Julius durch. Er hatte wirklich ein Faible für bunte Smileys, wie ich feststellen musste. Mir war das immer zu fummelig, die Dinger aus dem Menu zu holen, also beschränkte ich mich im Fall der Fälle auf Satzzeichen. Also nicht, dass ich überhaupt viele benutzen würde. Vielleicht fiel es mir deswegen bei Julius so auf.   Als ich damit fertig war, surfte ich ein bisschen sinnlos herum. Also wirklich sinnlos. Ich hätte mich natürlich zum Weltgeschehen informieren können, aber, mal ehrlich, lernen musste ich in der Schule schon genug und heute war Samstag. Da musste ich meinen Kopf nicht noch weiter mit irgendwelchem Kram vollstopfen.   Es wurde drei und die Zeit ging vorbei. Ich wollte schon anfangen unruhig zu werden, als ich eine bekannte Gestalt die Straße entlangkommen sah. Manuel. Und er war fast pünktlich. Mein Herz begann schneller zu schlagen.   „Hey“, sagte ich trotzdem nur, als er endlich da war. Er grüßte genauso zurück.   „Wollen wir?“ „Wo soll’s denn hingehen.“ „Verrate ich dir nicht.“   Er zog die Augenbrauen zusammen, sagte aber nichts. Weil er kein Fahrrad hatte, schob ich meins, während wir das Dorf verließen und auf der Landstraße einträchtig nebeneinander herliefen.   „Und?“, fragte ich, um die Stimmung ein bisschen aufzulockern. „Was hast du so gemacht heute?“   „Aufgeräumt“, lautete die unglaublich ausführliche Antwort.   „Den ganzen Tag?“ „Ja.“ „Muss ja ein Palast sein, in dem du da wohnst“, versuchte ich einen Witz, woraufhin er mich böse anfunkelte.   „Es war halt viel zu tun. Wir … wir sind nicht so viele Leute, da muss eben jeder mitanpacken.“   Ich biss mir auf die Lippe und schielte zu ihm rüber. Vielleicht …   „Was heißt denn 'nicht so viele Leute'?“, fragte ich vorsichtig weiter. „Wie viele … äh … Leute wohnen denn bei euch?“ „Nur ich und Anna. Die anderen Zimmer müssen noch renoviert werden.“ „Mhm.“   Okay, das war irgendwie schwieriger als gedacht, aber ich war noch nicht bereit aufzugeben.   „Und wie ist Anna so?“   Er zuckte mit den Schultern. „Sie sagt nicht viel. Hat wohl irgendwelche Scheiße hinter sich. Sie mussten sie rausholen.“   Er griff in seine Tasche und holte eine Zigarette raus. Während er den Rauch inhalierte, betrachtete ich sein Profil. Wahrscheinlich war es besser, wenn ich jetzt erst mal aufhörte zu bohren. Vielleicht würde er ja später noch ein bisschen was erzählen.   „Na gut, dann mach dich mal bereit für die Überraschung“, rief ich entschieden fröhlich und zeigte auf einen Feldeingang. „Wir sind nämlich da.“   Manuel sah skeptisch aus. „Und was wollen wir hier?“ „Siehst du gleich.   Ich schob mein Rad auf den Acker, auf dem in ein paar Wochen vermutlich wieder Mais stehen würde, und versteckte es im Knick, damit es von der Straße aus niemand sah. Dann schnappte ich mir meinen Rucksack und die Decke vom Gepäckträger und grinste Manuel an.   „Komm mit.“   Er folgte mir ein bisschen widerwillig.   Wir stiefelten querfeldein über die staubige, braune Fläche auf die zwei großen, grasbewachsenen Hügel zu, die sich mitten in dem Feld erhoben. Ich vermute mal, dass es sich dabei um Hügelgräber handelte. Davon gab es hier in der Gegend eine ganze Menge. Einige waren erschlossen so mit Infotafeln und so, andere standen einfach nur so in der Gegend herum. Und bevor jetzt jemand rumnölt: Ja, ich hatte vor, mein Date mit Manuel auf der letzten Ruhestätte eines toten Wikingers zu veranstalten. Der war immerhin bereits ein paar tausend Jahre tot und bestimmt schon nach Walhalla oder wo auch immer eingeritten, sodass ihn das jetzt nicht mehr stören würde.   Auf der hinteren der beiden bestimmt drei Meter hohen Erhebungen standen einige Bäume, einer davon ein knorriger Apfelbaum, an dem im Herbst immer jede Menge winziger, quietschsaurer Äpfel hingen. Unter dem bereitete ich jetzt unseren Picknickplatz vor. Es sah eigentlich ganz gemütlich aus und bot vor allem Schutz vor der Sonne, die heute ziemlich heftig vom Himmel runterknallte. So allerdings malten die Bäume ein unregelmäßiges Schattenmuster auf die rotkarierte Wolldecke, die mitten im wildwuchernden Gras lag. Ich setzte mich und sah Manuel erwartungsvoll an.   „Und jetzt?“, fragte er. „Jetzt kommst du her und hörst auf zu meckern.“   Ich klopfte neben mich auf den Boden und Manuel ließ sich nach einem kurzen Zögern tatsächlich neben mir nieder. Er schüttelte den Kopf.   „Du hast vielleicht Ideen, Bambi.“ „Gefällt es dir nicht?“ „Doch. Ich … ach egal.“   Er ließ sich rückwärts auf die Decke sinken und schloss die Augen. Wie er so dalag, wirkte er fast friedlich. Ich betrachtete sein Gesicht mit den dunklen Augenbrauen, dem sonst immer ein wenig spöttisch verzogenen Mund, der jetzt ganz entspannt wirkte, und der ein bisschen zu blassen Haut, die im Gegensatz zu meiner nicht eine einzige Sommersprosse aufwies. Um uns herum war nichts außer Landschaft. Noch nicht mal Kühe gab es hier, nur Ackerflächen und Brachen und irgendwelche Vögel und Insekten und vermutlich auch Mäuse, wenn man den vielen, kleinen Löchern im Boden glauben durfte. Ansonsten war niemand da, der uns sehen, hören oder stören konnte.   Ich rückte etwas näher ran und betrachtete ihn weiter. Seine Oberlippe zeigte einen leichten Schatten. Er wollte sich doch wohl nicht schon wieder so einen scheußlichen Bartverschnitt wachsen lassen. Das wäre wirklich albern gewesen. Ohne sah er viel besser aus. Ein bisschen jünger vielleicht, aber definitiv besser. Ob ich ihm das mal sagen sollte?   Manuel öffnete ein Auge. „Willst du vielleicht ein Foto machen? Das hält länger.“   Ich lachte, als ich mich daran erinnerte, dass das mit das Erste gewesen war, was ich zu ihm gesagt hatte.   „Mit einem Foto kann ich aber nicht das hier machen“, antwortete ich, lehnte mich vor und küsste ihn ganz leicht. Nur eine kurze Lippenberührung. Er lächelte.   „Gibt’s da noch mehr davon?“ „Wenn du magst.“   Ich kam noch ein wenig dichter und legte erneut meinen Mund auf seinen. Er erwiderte den Kuss und für eine Weile lagen wir mit geschlossenen Augen da und küssten uns. Es war wundervoll. Ihn einfach so neben mir zu spüren, den Geruch nach Zigaretten und Waschmittel in meiner Nase durchmischt mit dem Duft nach frischem Gras und herannahendem Sommer, um uns herum die Stille, die Sonne und der leichte Wind, der meine Haare zauste. Es war, als wären wir in einem kleinen, friedlichen Kokon eingeschlossen und die Welt da draußen konnte uns mal. Einfach nur sein und nicht nachdenken müssen über nichts und niemanden.   Dann jedoch änderte sich plötzlich das Tempo. Manuels Zunge strich über meine Lippen und ich öffnete den Mund, um ihm Einlass zu gewähren. Er griff mit der Hand in meinen Nacken und zog mich näher. Unsere Zungen streichelten sich, unser Atem wurde schneller und ich merkte deutlich, dass mich diese tiefen Küsse nicht so kalt ließen, wie mir eigentlich lieb gewesen wäre. Das hier ging viel zu schnell in eine Richtung, in die ich es nicht haben wollte. Noch nicht. Trotzdem war es schwer, sich der Verlockung zu entziehen, als Manuels Hand unter mein Shirt schlüpfte und sich zielsicher in Richtung Hosenbund bewegte. Also tat ich das Einzige, was mir einfiel, um Schlimmeres zu verhindern. Ich schnappte ihn mir und rollte mich auf den Rücken, sodass er zwischen meinen Beinen zu liegen kam und hielt ihn einfach dort fest. So konnte ihm zwar nicht entgehen, dass mich unsere Knutscherei bereits ziemlich angemacht hatte, aber meine Hose würde er nicht so ohne Weiteres aufbekommen.   Ein wenig brummig unterbrach er den Kuss und sah auf mich herab. Mit leichtem Nachdruck presste er seinen Unterleib gegen meinen.   „Soll das eine Einladung sein?“ „Eher eine Ausladung.“ „Was denn? Willst du nicht? Soll ich dich erst noch überzeugen?“   Er beugte sich zu mir runter und legte seine Lippen an meinen Hals. Instinktiv wollte ich ihm mehr davon darbieten, aber ich beherrschte mich. Stattdessen nahm ich meine Hände zur Hilfe, um ihn ein wenig von mir wegzuschieben.   „Erzähl mir was über dich.“   Manuel seufzte und ließ sich neben mich auf die Decke gleiten. Sein Blick richtete sich in die Ferne hinauf in den blauen Himmel, über dem ein leichter, weißer Schleier lag. Frühlingshimmel.   „Da gibt’s nichts zu erzählen.“ „Das glaube ich nicht.“ „Ist aber so.“   Er fing an, in seiner Tasche nach den Zigaretten zu graben. Als er sie endlich herausgefriemelt hatte, setzte er sich auf, steckte sich eine an, inhalierte tief und ließ den Rauch dann langsam wieder zwischen seinen Lippen herausquellen. Ich lag immer noch auf der Decke und beobachtete ihn. Sein Profil gegen den blauen Hintergrund.   Als er noch einen Zug nahm, musste ich an gestern denken.   „Du solltest übrigens aufhören, deine Kippen bei uns in den Garten zu schmeißen. Meine Schwester hat schon gedacht, ich rauche heimlich.“   Er warf mir einen spöttischen Seitenblick zu. „Und das passt nicht zu deinem Image?“   „Nee, aber ich will sie halt nicht anlügen deswegen. Sind ja nicht meine.“   Er nickte und rauchte schweigend, während irgendwo in der Nähe ein Grashüpfer anfing zu zirpen. Ich ließ innerlich den Kopf auf die Tischplatte fallen. Dass das Gespräch jetzt so zum Erliegen kam, war blöd. Ich war dabei, das ganze Picknick zu ruinieren, bevor es richtig angefangen hatte mit meiner Fragerei. Aber trotzdem wollte ich es nicht einfach so auf sich beruhen lassen.   „Sie heiratet übrigens bald“, sagte ich daher. „Meine Schwester meine ich. Und sie kriegt ein Baby. Ich werde also Onkel.“ „Schön für dich.“   Okay, das war eine Sackgasse. Ich ließ ihn zu Ende rauchen und versuchte, die Stille zwischen uns zu genießen. Mir vorzustellen, dass sie nicht von lauter unausgesprochenen und nicht beantworteten Fragen herrührte. Es gelang mir nur teilweise.   Nachdem er die Zigarette auf einem Stein ausgedrückt hatte, deutete Manuel mit dem Kopf auf meinen Rucksack. „Hast du was zu Trinken mit?“ „Ja, bedien dich.“   Er schnappte sich den Rucksack und zog die Cola hervor. Ich hatte keine Becher mit, also trank er gleich aus der Flasche. Er reichte sie mir und während ich ebenfalls einen Schluck nahm, begann er tiefer zu kramen. Ich hielt ein bisschen die Luft an, aber er zog nur die Packung Zitronenwaffeln heraus und schnaubte belustigt.   „Ich … das sollte ein Picknick werden“, verteidigte ich meine Kekse und nahm ihm den Rucksack ab, um auch noch die restlichen Sachen auszupacken. Das, was sich ganz unten befand, ließ ich wohlweislich in der Tasche. Ich hatte vor dem Einpacken lange gezögert und war mir auch jetzt noch nicht sicher, ob ich es hier herausholen wollte, wo uns theoretisch halt doch jemand sehen konnte.   „Süß oder salzig?“, fragte ich und hielt die beiden Packungen hoch.   „Keinen Hunger“, antwortete er und ließ sich wieder auf die Decke sinken.   Ich packte die Sachen beiseite, legte mich neben ihn und sah hinauf in den Himmel. Dort oben zog gerade ein Flugzeug vorbei und hinterließ einen weißen Streifen in dem diesigen Blau. Der Grashüpfer bekam Gesellschaft von einem Artgenossen und gemeinsam zirpten die beiden um die Wette. Ich tastete mit meiner Hand nach Manuels. Als ich seine Finger in meinen spürte, griff ich danach und hielt sie fest. Es war … irgendwie kitschig, aber es fühlte sich gut an, ihn so neben mir zu wissen. Er ertrug es eine Weile lang, bevor er sich halb aufrichtete, eine weitere Zigarette herausholte und sie ansteckte. Der Rauch wehte über mich hinweg.   „Du nervst“, meinte er plötzlich. „Wie bitte?“   Ich richtete mich ebenfalls auf und sah ihn an. Er schaute in eine andere Richtung.   „Dass du mich ständig ausfragst. Das nervt“, konkretisierte er seinen Vorwurf.   „Aber …“ Ich atmete tief durch. „Tut mir leid, ich wollte dir nicht auf den Senkel gehen. Ich will dich doch nur … kennenlernen. Ist das so schlimm?“   Er stieß ärgerlich den Rauch aus. „Ich hab dir gesagt, dass es da nichts zu wissen gibt. Lass es doch einfach dabei. Je weniger du weißt, desto besser. Besser für dich.“   Die Art, wie er das sagte, war irgendwie eigenartig. Fast so, als müsse er sich selbst davon überzeugen. Oder mich.   Ich richtete mich auf und robbte ein Stück näher an ihn heran. Er sah mich nicht an, sondern nahm noch einen Zug aus der bereits halb aufgerauchten Zigarette.   „Ich … ich glaube nicht, dass du so schlecht bist, wie du mich immer glauben machen willst. Ich glaube, dass du …“ „Dass ich was, Bambi? Ein netter Kerl bin? Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, aber dem ist nicht so. Ich bin ein Arschloch, schon immer gewesen und du wirst das nicht ändern.“   Er drückte die Zigarette im Sand aus und machte Anstalten, sich zu erheben.   „Ich sollte gehen. Es war ein Fehler herzukommen.“ „Halt, warte.“   Ich hielt ihn fest und er wehrte sich tatsächlich nicht, als ich ihn wieder neben mich zog. Entschlossen hielt ich ihn fest und sah ihm direkt ins Gesicht.   „So leicht wirst du mich nicht los.“   Er schnaubte. „Du hast keine Ahnung, Bambi.“   „Dann erklär’s mir. Was hast du denn ausgefressen, dass du meinst, so ein Arsch zu sein?“   Er zuckte nur mit den Schultern. „So einiges.“   „Das da wäre?“   Er rollte mit den Augen. „Oh man, Bambi. Lass es doch einfach.“   „Ich will es aber nicht lassen. Ich … ich mag dich. Wirklich. Ich …“   Keine Ahnung, warum sich bei dem Satz mein Magen so zusammenzog und meine Augen so komisch kribbelten. Ich wollte nicht, dass er ging. Also sagte ich ihm das. Er sah mich an und seufzte leise.   „Du bist wirklich ne Nervensäge.“   Ich ließ ihn los. Vielleicht war es tatsächlich besser, wenn ich ihn gehen ließ, wenn er das denn so unbedingt wollte. Wer wusste schon, was ihm heute bereits alles schiefgegangen war. Vielleicht hatte er sich wieder mit seinem Betreuer gestritten. Konnte ja sein.   Ich wartete, aber er ging nicht. Stattdessen saß er da, den Blick auf den Boden gerichtet und sah auf einmal irgendwie … schlecht aus. Ein bisschen verloren vielleicht.   Vorsichtig rutschte ich wieder ein Stück näher. Ich fasste ihn nicht an, sondern lehnte nur meinen Kopf an seine Schulter. Er tolerierte es und nachdem er auch nicht aufgesprungen war, als ich mein Gesicht ein wenig an ihm gerieben und ihn angestupst hatte, fasste ich mir ein Herz und strich mit meinen Lippen über seinen Nacken. Küsste die warme Haut, die an dieser Stelle zur Abwechslung mal nur nach ihm roch. Ich vergrub meine Nase in seinem Haaransatz und merkte, wie er sich unmerklich ein Stück an mich lehnte. Meine Lippen streiften die Stelle hinter seinem Ohr. Ein Schauer lief durch seinen Körper.   Ich lächelte, stemmte mich hoch und schob mich hinter ihn, sodass er zwischen meinen Beinen zu sitzen kam. Gemeinsam rutschte ich uns ein bisschen an den Apfelbaum heran und lehnte mich an. Nach einer Weile begann ich, Manuel zu streicheln.   Zuerst war ich noch vorsichtig, ließ meine Fingerkuppen nur ganz eben über seine Brust gleiten, seine Arme, den Rand seines T-Shirts. Ich küsste erneut seinen Nacken, knabberte an seinem Ohr herum. Er ließ es zu und hielt ganz still, auch als ich meine Hand schließlich unter sein Shirt auf seinen flachen Bauch schob. Sanft malte ich die Linien seiner Bauchmuskeln nach, während ich meine Finger zunächst nach oben und dann wieder langsam tiefer wandern ließ. Ich spürte, wie sein ganzer Körper vibrierte, aber er tat nichts, um mich aufzuhalten oder mich zu unterstützen. Ließ es einfach geschehen, dass ich jetzt seine Hose öffnete und meine Hand hineingleiten ließ. Ich strich zunächst nur über den Stoff der Unterhose, die er heute zu meiner Verwunderung tatsächlich trug, bevor ich auch deren Bund lüftete und noch eine Schicht tiefer ging. Erst, als meine Finger über seine Erektion strichen, entwich ihm ein leises Keuchen. Er wollte sich in meinen Armen drehen, aber ich hielt ihn fest.   „Zieh das aus“, wisperte ich in sein Ohr und zuckelte gleichzeitig an seiner Hose herum. Er half mir, indem er seinen Hintern anhob und mich die störenden Stoffschichten nach unten schieben ließ. Als ich endlich freien Zugang hatte, griff ich zu und begann ihn zu wichsen.   Es war ein wahnsinnig geiler Anblick, der sich mir über seine Schulter hinweg bot. Zwischen meinen Beinen pochte es bereits heftig und am liebsten hätte ich meine andere Hand benutzt, um mir ebenfalls Erleichterung zu verschaffen, aber ich schaffte es irgendwie, mich weiter auf Manuel zu konzentrieren. Er wurde immer erregter und das Pulsieren in meiner Hand nahm an Heftigkeit zu. Als ich wirklich kurz davor war, meine Pläne über den Haufen zu werfen und es ihm einfach mit dem Mund zu machen, stoppte ich die Bewegung. Er knurrte unwillig.   „Was ist los? Warum hörst du auf?“   Ich schluckte und gab mir einen Ruck. „Ich … ich hab was mit. Du weißt schon. Damit wir …“   Ich kam nicht weiter, denn im nächsten Augenblick presste er seine Lippen stürmisch auf meine. Meine Klamotten verabschiedeten sich mit rekordverdächtiger Geschwindigkeit zusammen mit Manuels T-Shirt und im nächsten Moment fand ich mich auf dem Rücken wieder, während Manuel mir einen blies und mich vorbereitete. Als er sich schließlich das Kondom überzog und mich aufforderte, mich umzudrehen, schüttelte ich jedoch den Kopf.   „Komm her“, sagte ich und zog ihn zu mir runter. Er wollte sich zuerst dagegen sträuben, aber dann erwiderte er den Kuss, während unsere Erektionen sich aneinander rieben. Ich neckte ihn so noch ein bisschen, bevor ich uns umdrehte. Verstehen ließ seine Augen aufleuchten, als ich über ihn kletterte und er endlich kapierte, was ich vorhatte. Fast ein bisschen ungläubig sah er zu, wie ich dieses Mal derjenige war, der sich seinen Schwanz schnappte und an der richtigen Stelle positionierte.   „Bist du sicher?“, fragte er noch. „Ganz sicher“, meinte ich und begann, mich langsam auf ihn herabzusenken.   Ich gebe zu, ich war mir eigentlich so überhaupt nicht sicher und es war auch nicht ganz so einfach, wie ich es mir vorgestellt hatte, aber ich gehe jetzt mal nicht auf die peinlichen Details ein. Irgendwann war auf jeden Fall tatsächlich alles an Ort und Stelle und ich beugte mich zum Manuel herab, um ihn zu küssen. Dass er sich dadurch bereits in mir bewegte, ließ mich kurz die Augen schließen. So die Kontrolle zu haben war interessant und anders als beim ersten Mal. Probeweise bewegte ich mich ein wenig und erntete dafür ein Keuchen.   „Na los, Bambi, mach schon.“   Ich grinste und küsste ihn nochmal. „Alles zu seiner Zeit.“   Natürlich bekam er irgendwann, was er wollte. Ich wollte es ja selbst. Und es war gut. Besser als beim ersten Mal, was sicherlich nicht nur daran lag, dass ich ihn viel intensiver spürte. Innen und außen. Es war einfach näher und intimer und ich konnte genau sehen, wie er es genoss, wenn ich mich von ihm zurückzog und mich dann langsam wieder auf ihn schob. Auch mich ließ das alles andere als kalt und schon bald begann ich, das Tempo zu erhöhen. In meinem Kopf war plötzlich kein Platzt mehr für Gedanken oder irgendwelches Drumherum. Da war nur noch ein intensives Reiben und Gleiten und das Gefühl von Manuel in mir und an mir, seinem Geschmack auf meiner Zunge, seinem Geruch in meiner Nase, dem Anblick seines Körpers unter meinem und dem unheimlichen Drang, immer noch mehr davon haben zu wollen.   Irgendwann wechselten wir die Position. Er kniete zwischen meinen Beinen und hatte die Augen geschlossen, während er sich in einem stetigen Takt bewegte und ich ihn dabei beobachtete und mich selbst anfasste. Ich spürte das verräterische Zucken, als er kam, auch wenn mein Blick die ganze Zeit auf sein Gesicht gerichtet war. Er war atemberaubend schön.   Als es vorbei war, öffnete Manuel die Augen und schluckte. Seine Brust hob und senkte sich und ich lächelte nur, während ich ihn in einen Kuss zog. Er knurrte kurz, bevor er sich aus mir zurückzog und das Kondom einfach neben die Decke schmiss. Wie ein Stein fiel er neben mich und lehnte sich an mich. Meine Hand lag immer noch auf meinem Schwanz, der nach wie vor vor sich hin pulsierte. Was sollte ich jetzt tun? Mir einfach weiter einen runterholen? Oder ausnutzen, dass er auf Kuschelkurs ging?   Die Entscheidung wurde mir abgenommen, als sich plötzlich eine Hand zwischen meine Beine schob.   „Lass mich das machen“, brummte er und brachte doch tatsächlich zu Ende, was wir begonnen hatten. Als ich kurz darauf kam, hörte ich ihn seufzen und er lehnte sich an meine Schulter, so wie ich es ganz zu Anfang getan hatte. Mein Herz preschte immer noch durch meinen Brustkorb, aber Manuel war inzwischen schon wieder so weit runtergekühlt, dass er sich wahrscheinlich gleich erheben und eine rauchen würde. Schnell schlang ich meine Arme um ihn und zog ihn über mich.   „Hey, vorsichtig mit der Wichse“ murrte er und wich angeekelt vor meinem Bauch zurück.   Ich lachte leicht. Voll verkackt, würde ich mal sagen.   „Im Rucksack sind Taschentücher.“   Er wühlte kurz darin herum, bevor er mir die Packung hinschmiss. Natürlich kam er danach nicht zurück, sondern grub in seiner Hose nach den Zigaretten.   Okay, nächstes Mal dann, dachte ich mir und warf die Taschentücher irgendwo in Richtung Kondom. Darum würden wir uns später kümmern. Jetzt war ich einfach erst mal platt.   Ich rückte von hinten an Manuel heran, sodass er neben mir saß und ich meinen Arm um seine Taille schlingen konnte, während er weiter rauchte. Befriedigt schloss ich die Augen und lauschte den Vögeln und Manuels leisen Geräuschen. Irgendwann kam mir dabei dieser Witz in den Sinn. Es ging um die Frage, wie man einen Mann glücklich macht. Die gar nicht mal so weit hergeholte Antwort lautete: „Komm nackt und bring Bier mit.“ Ich blinzelte gegen die Sonne an zu meinem wirklich noch ziemlich nackten Freund und befand, dass immerhin der erste Teil ganz schön stimmte. Plötzlich hielt mir Manuel seine Zigarette hin.   „Auch mal?   Ich betrachtete den weißen Glimmstengel, der zwischen seinen Fingern steckte, die vorhin noch interessante Dinge mit mir angestellt hatten. War vielleicht noch so ein Punkt, den ich nächstes Mal berücksichtigen sollte, gerade in Kombination mit einem Picknick. Feuchttücher oder so.   Ein wenig zögernd öffnete ich den Mund und ließ mir die Zigarette zwischen die Lippen stecken. Und jetzt? Fuck, ich hatte keine Ahnung. Also sog ich an dem Ding wie an einem Strohhalm. Im nächsten Moment hatte ich einen ausgewachsenen Husten- und Manuel einen Lachanfall.   „Oh, Bambi“, wieherte er und hielt sich den Bauch. „Du bist so scheiße unschuldig.“   „Was denn?“, krächzte ich und versuchte, wieder zu Atem zu kommen. „Das Zeug ist … voll widerlich. Ich … scheiße.“   Ich spuckte aus und hustete noch ein bisschen, während Manuel sich immer noch vor Lachen kringelte. Zur Strafe warf ich mich auf ihn und begann, ihn durchzukitzeln. Er rächte sich auf die gleiche Weise und keine zwei Minuten später lagen wir lachend und schnaufend auf der Decke. Ich schnappte mir die Zigarette aus Manuels Mund und drückte sie entschieden in den Sand.   „Damit ist jetzt Schluss“, verkündete ich. „Ab heute keine Kippen mehr für dich.“ „Du bist grausam“, jammerte er mit Hundeaugen. „Ich denke nur an deine Gesundheit … und an meine.“   Er lachte wieder und betrachtete mich von unten herauf. Da war irgendwas in seinem Blick, das mich … keine Ahnung. Berührte? Fast so als hätte er gerade überlegt, ob er mir irgendwas sagen sollte, aber dann sah er wieder zur Seite und ich ließ mich neben ihn fallen.   So lagen wir eine Weile da, bis er auf einmal meinte: „Du hast noch eine Frage gut.“ „Mhm?“ „Von letztens.“   Ach ja. Die dritte Frage. Ich überlegte. Was wollte ich wissen? Sollte ich ihn fragen, was er gerade gedacht hatte? Nee, das war zu weibisch. Aber da war noch was, was ich sonst vermutlich nicht erfahren würde.   „Dein Bruder“, meinte ich zögernd. „Du hast gesagt, er ist im Gefängnis. Warum?“ „Das willst du doch gar nicht wissen.“ „Doch will ich.“   Zuerst antwortete mir nur Schweigen, aber dann seufzte er.   „Du hast echt ein Talent, die falschen Sachen wissen zu wollen, Bambi. Aber gut, meinetwegen. Er hat Autos geklaut.“   „Mhm.“ Ich rupfte einen Grashalm ab und begann, die Samen davon abzupulen. Einen nach dem anderen. „Aber er wurde geschnappt?“   Manuel schüttelte den Kopf. Als ich schon dachte, dass das Gespräch jetzt beendet war, sagte er plötzlich leise:   „Einer seiner Komplizen hat ihn verpfiffen, um seinen eigenen Hals zu retten. Pascal war stinksauer und hat dem Typ im Gerichtssaal gedroht, dass er ihn umbringt, wenn er wieder rauskommt.“ „Und das würde er tun?“ „Er hat’s schon versucht. Vor ein paar Monaten, als er auf Bewährung draußen war. Hat den Kerl windelweich geprügelt und irgendwann ein Messer gezogen. Wenn nicht seine Kumpels dazwischen gegangen wären, hätte das echt schlimm ausgehen können. Tja und dann ging es schnurstracks wieder zurück in den Bau.“   Manuel unterstrich die Erzählung mit einer Geste. Ich sah ihn an um herauszufinden, was er von der Sache hielt, aber da war nichts. Nur eine Maske.   „Und deine Eltern? Was haben die dazu gesagt?“ „Die waren ziemlich angepisst, dass ihre Geldquelle wieder einfahren musste. Pascal hat zu Hause immer was von der Kohle abgedrückt, die er mit seinen Raubzügen verdient hat. Fanden die natürlich nicht so super, dass das plötzlich wegfiel.“ „Und du?“   Manuel zuckte mit den Schultern. „Ich hab auch immer was abbekommen. Wenn ich was brauchte, konnte ich einfach hingehen und er hat’s besorgt. Hab mir nie große Gedanken darüber gemacht, wo die Sachen herkamen. Ich wollte sie, er hatte sie. Ende der Geschichte.“   Manuel warf mir einen Blick zu.   „Was?“, sagte er und lachte ein kleines, fieses Lachen. „Hast du gedacht, ich wäre das Unschuldslamm, das in einer Familie von Wölfen groß geworden ist? Sorry dich enttäuschen zu müssen, aber da hast du falsch gedacht.“   Ich musste an die Szene im Supermarkt denken. Wenn ich es Manuel erzählt hätte, hätte er vermutlich gelacht, dass ich mich so schissig angestellt hatte. Vielleicht wäre er sogar extra hingegangen und hätte tatsächlich was geklaut. Nur um sich was zu beweisen. Dass ihm niemand was konnte. Dass er niemanden brauchte. Vielleicht nicht mal mich.   „Danke, dass du es mir erzählt hast.“   Er machte ganz kurz ein komisches Gesicht, bevor der Ausdruck von einem schmalen Lächeln abgelöst wurde.   „Kein Ding, Bambi. Für dich doch immer.“   Ich betrachtete ihn noch einen Augenblick lang, bevor ich mich wieder neben ihn legte, die Augen schloss und hoffte, dass dieser Tag einfach nie enden würde. War natürlich nicht der Fall. Wir aßen später doch noch was, tranken die Cola leer, bis Manuels schließlich auf sein Handy sah.   „Ist spät, ich muss dann mal“, sagte er und zum ersten Mal glaubte ich, echtes Bedauern in seiner Stimme zu hören.   Schweigend zogen wir uns an, packten zusammen und gingen dann gemeinsam in Richtung Dorf. Kurz vor dem Ortsschild blieb er plötzlich stehen. Er atmete tief durch.   „Also dann, Bambi. Ich … ist vielleicht besser, wenn wir da nicht zusammen auftauchen, meinst du nicht?“   Ich nickte langsam. Am liebsten hätte ich ihn gar nicht gehen lassen. Aber natürlich mussten wir jetzt wieder zurück. Ich klaute mir noch einen Kuss, bevor ich mir mein Rad zwischen die Beine klemmte.   „Sehen wir uns nächste Woche?“ „Mhm.“ „Donnerstag?“ „Okay.“   Er sah mich an und lächelte ein bisschen traurig. „Bis dann, Bambi. Und halt die Ohren steif.“   Ich lächelte zurück und widerstand dem Drang, ihn nochmal in die Arme zu schließen. Bis Donnerstag war es nicht so lang. Das würde ich schaffen. Und vielleicht war er ja Mittwoch wieder im Bus. Sehnsuchtsfutter für verliebte Volltrottel wie mich. Denn das ich das war, daran hatte ich inzwischen leider so gar keinen Zweifel mehr. Ich hatte mich in Manuel verknallt, ob dem das nun passte oder nicht.   „Jetzt hau schon ab“, rief er mich wieder in die Realität zurück.   Ich grinste, nickte ihn nochmal zu und schaffte es endlich, mich auf meinen Drahtesel zu schwingen und in die Pedale zu treten. Ich bildete mir ein, hinter mir noch das Feuerzeug klicken zu hören und tatsächlich stand Manuel bei meinem Blick zurück mitten auf der Straße, die Kippe in der Hand, die andere lässig in die Hosentasche gesteckt, so als könnte niemand an ihn rankommen. Aber ich hatte nicht vor, mich davon aufhalten zu lassen. Da waren Risse in der Fassade und ich würde diese Nuss namens Manuel schon irgendwie geknackt bekommen. Ganz, ganz bestimmt würde ich das. Es konnte nicht mehr lange dauern. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)