Ich, er und die Liebe von Maginisha ================================================================================ Kapitel 20: Von leckerem Essen und geplanten Verabredungen ---------------------------------------------------------- „Na dann schauen wir doch mal, womit ich dich heute verführen kann", murmelte Julius und kroch noch ein wenig tiefer in den Kühlschrank hinein. „Mhm, okay, das könnte was werden. Ich hoffe, du magst Eier?“   „Ja, klar“, gab ich zurück und beäugte etwas kritisch, was er da alles zutage förderte. War das etwa eine Aubergine? Ich ahnte Schreckliches. Es gab kaum ein Gemüse, das ich so furchtbar fand, nur brachte ich es irgendwie nicht übers Herz, ihm das zu sagen. Als er schließlich den Kühlschrank schloss, leuchteten Julius’ Augen voller Tatendrang. „Ich hab eine Idee“, sagte er und strahlte mich an. „Das schmeckt dir bestimmt. Eigentlich wollte ich die Aubergine zu Chutney verarbeiten, aber das Dal läuft mir ja nicht weg. Außerdem habe ich heute Okraschoten bekommen, daraus kann ich Bagara Bhindi machen. Das schmeckt genauso gut.“   „Äh was?“ Ich verstand nur die Hälfte von dem, was er da von sich gab.   „Die Aubergine“, erklärte er und wedelte mit dem Ding auch noch rum, bevor er sie erst wusch und dem violetten Ding anschließend mit einem großen Messer zu Leibe rückte. „Ich wollte Chutney daraus kochen. Das ist so eine süß-scharfe Gemüse-Soße, die einfach wunderbar zu Dal Makhani passt. Dal Makhani ist ein indischer Linseneintopf mit ganz viel Butter. Daher auch der Name. Dal bedeutet 'Linsen' und Makhani 'mit Butter'. Deswegen hab ich die schwarzen Linsen besorgt. Meine Mutter hat übermorgen Geburtstag und ich wollte ihr was Besonderes zum Abendessen kochen. Das Rezept habe ich von meiner Tante. Mein Onkel hat sie auf einer Geschäftsreise nach Indien kennengelernt. Es war Liebe auf den ersten Blick. So romantisch. Und die Hochzeit hättest du sehen sollen. Ganz anders als hierzulande. Leider konnten wir nicht hinfliegen, aber …“   Er unterbrach sich und betrachtete sehr intensiv die Auberginenscheiben, die er gerade mit Salz bestreut hatte.   „Sorry. Ich quassele schon wieder sinnloses Zeug zusammen.“   Ich lachte und schüttelte den Kopf. „Nein, ist schon okay. Wenn ich eine Tante aus Indien hätte, würde ich das auch irgendwem erzählen wollen.“ Julius lächelte leicht und begann, Tomaten kleinzuschneiden. „Lali ist wirklich ein Schatz. Wir haben uns sofort verstanden, wenngleich auch anfangs eher mit Händen und Füßen. Mein Englisch ist einfach nicht gut genug. Aber als das Eis so richtig gebrochen war, haben wir quasi ständig zusammengehockt. Wenn ich nicht schwul wäre, hätte mein Onkel bestimmt eifersüchtig werden müssen. Ich bin echt froh, dass die beiden inzwischen Nachwuchs haben, damit sie wieder jemanden zum Betüdeln hat. Sie vermisst ihre Familie so sehr, aber Hamburg ist einfach zu weit weg um ständig hinzufahren.“   Er hatte angefangen am Herd zu hantieren und noch mehr Schüsseln herauszunehmen, während er gleichzeitig die Einkäufe in irgendwelche Schränke, den Kühlschrank und eine kleine Speisekammer verfrachtete, die hinter einer Tür verborgen lag, von der ich zunächst angenommen hatte, dass es sich um einen weiteren Schrank handelte. Gerade, als ich mich fragte, wohin wohl die Tür neben der kleinen Küchenzeile führen mochte, meinte Julius: „Ich geh mal kurz ins Bad. Bin gleich wieder da.“ Er verschwand hinter besagter Tür und ließ mich allein mit einem Haufen schwitzender Auberginenscheiben, einer Schüssel kleingehackter Tomaten und einem Eierkarton zurück. Es duftete nach Zwiebeln. Ich nutzte die Zeit, um mich weiter umzusehen. In der kleinen Küche wirkte irgendwie alles alt und ein bisschen abgestoßen. Es erinnerte mich an diese antiken Puppenhäuser mit den Emailleschüsseln und schmiedeeisernen Herden. Ganz so alt war der Herd hier zwar nicht, aber fast. Auch der Tisch, an dem ich saß, war schon ziemlich in die Jahre gekommen. Es war so ein Ding mit einer ausziehbaren, graugemusterten Resopalplatte, wobei in der Küche nicht wirklich Platz gewesen wäre, um noch jemanden hinzusetzen. Daher vermutlich auch nur zwei Stühle. Mir gegenüber gab ein kleines Fenter mit weißen Spitzengardinen Aussicht auf einen schmalen Gang vor einer Hauswand. „Wohnst du mit deiner Mutter alleine hier?“, fragte ich, als Julius zurückkam.   Er nickte. „Mein Vater hat sich aus dem Staub gemacht, als ich noch ganz klein war. Ich kann mich eigentlich gar nicht mehr an ihn erinnern. Er wohnt jetzt irgendwo in Süddeutschland mit seiner neuen Familie. Wir haben keinen Kontakt.“ „Willkommen im Club", erwiderte ich nur. „Geschwister?“ „Keine. Ich bin ein verwöhntes Einzelkind.“   Er grinste und ich glaubte ihm kein Wort. Sein Zuhause sah definitiv nicht nach Luxus aus. Es war gemütlich und ein bisschen altbacken, aber Reichtümer hatte hier sicherlich niemand versteckt.   Julius holte jetzt eine Bratpfanne heraus und begann, das Gemüse zuzubereiten. Nach und nach verschwand alles, was er geschnippelt hatte, in der Pfanne, bis er zum Schluss einen Deckel drauftat und den Herd runterschaltete.   „So, das muss jetzt erst noch ein bisschen schmoren. Derweil kümmere ich mich um das Omelette. Du hast ja gesagt, du isst Eier.“   „Du etwa nicht?“, fragte ich aus einem Gefühl heraus.   „Ah doch“, meinte er und fing an, die Eier aufzuschlagen. „Ich esse auch Fleisch, aber selten. Es gibt einfach so viel andere, leckere Sachen, die man essen kann und für die kein Tier sterben muss. Aber keine Bange, ich bin da nicht militant. Das muss jeder für sich entscheiden.“   Während Julius mit dem Schneebesen die Eimasse traktierte, musste ich feststellen, dass ich in den letzten 20 Minuten bestimmt mehr über ihn erfahren hatte, als über Manuel bei unseren ganzen Treffen. Plus das, was er mir beim letzten Mal erzählt hatte. Na gut, dafür wusste ich andere Dinge über Manuel, die bestimmt in keiner Akte standen. Zum Beispiel, dass er hinter dem Ohr eine empfindliche Stelle hatte, die ihn zielsicher zum Erzittern brachte, wenn man ihn dort küsste. Oder dass er am Bauchnabel kitzlig war und echt unwirsch reagierte, wenn man nicht die Finger davon ließ. Und dass er es mochte, wenn ich mit meiner Zunge …   „An was denkst du denn gerade?“, unterbrach Julius meine erotischen Fantasien. „Nichts“, versicherte ich schnell und merkte, wie mir die Hitze ins Gesicht stieg. Verdammt. Das sah jetzt bestimmt nicht nach „nichts“ aus. Und natürlich hatte Julius sofort Lunte gerochen. „Erzähl“, forderte er und griff nach einer zweiten Pfanne. „Ich rede sowieso schon die ganze Zeit. Wie steht es denn eigentlich mit deinem potentiellen Lover?“   Ich grinste noch breiter und Julius hob eine Augenbraue.   „Ach. Sag bloß, ihr habt euch ausgesprochen.“ „Na ja, ausgesprochen nicht direkt.“ „Aber?“ „Wir haben … Also sagen wir mal so: Ich bin jetzt offiziell keine Jungfrau mehr.“   Julius’ Rührbewegungen wurden für einen Augenblick langsamer, bevor er wieder sein altes Tempo aufnahm. Im Gegenteil wurde er sogar noch ein wenig schneller. Man hätte fast denken können, dass die Eier ihm was getan hätten.   „Aber du sagtest doch, ihr hättet vorher schon miteinander …“ „Na aber noch nicht richtig.“ „Was heißt denn bitte richtig?“   Julius’ Ton war von jetzt auf gleich ziemlich frostig geworden und ich sah mich plötzlich in Erklärungsnot. Warum musste er denn da so blöde Fragen stellen? Er wusste doch mit Sicherheit, wovon ich sprach. Gerade er. Als ich ihm das sagte, schnaufte er ein bisschen. „Ja, ich weiß natürlich, was du meinst. Ich … tut mir leid. Ich finde halt einfach, dass man um diese eine Spielart nicht so viel Tamtam machen sollte. Gibt ja genug andere Möglichkeiten.“   Er schaltete den Herd ein und konzentrierte sich eine Weile lang darauf, das Essen zuzubereiten. Ich betrachtete seinen Rücken, den er mir ziemlich demonstrativ zuwandte. Was ging denn da jetzt gerade ab? Hatte er schlechte Erfahrungen diesbezüglich gemacht? Hatte sein arschiger Exfreund ihn etwa dazu gezwungen? Der Gedanke zog irgendwas in mir zusammen. Das wäre ja wirklich widerlich gewesen.   „Benedikt? Ist alles okay? Du bist so blass um die Nase. Willst du vielleicht was trinken?“   Julius hatte sich wieder zu mir umgedreht und sah mich besorgt an. Seine schlechte Laune schien sich in Luft aufgelöst zu haben.   „Ich … ja. Ja bitte.“   Er holte eine Flasche Mineralwasser aus dem Kühlschrank, goss mir ein Glas ein und stellte es vor mich hin.   „Ich hoffe, du kippst nicht vor Hunger um“, witzelte er. „Das könnte ich mir nicht verzeihen.“ „Nein, nein, das geht schon noch.“   Es zischte ein bisschen, als er die verquirlten Eier in die Pfanne goss. Danach stellte er die Schüssel beiseite und hob den Deckel der anderen Pfanne. Sofort breitete sich ein würziger Geruch aus.   „Mhm, das riecht gut“, entfuhr es mir automatisch.   „Ich hoffe, es schmeckt auch gut“, antwortete er lachend, während er noch jede Menge Gewürze in die Pfanne schmiss und kräftig umrührte. Zum Schluss hielt er mir den Kochlöffel hin, auf dem ein bisschen Soße lag. „Probieren“, verlangte er.   Ich pustete nochmal auf den Löffel und angelte dann vorsichtig das Gemüsehäufchen von der Löffelspitze. Der Geschmack war … unbeschreiblich.   „Wow. Das ist total lecker!“   Ich hatte wirklich keine Ahnung, wie Julius es geschafft hatte, aus dieser weichen, schwammähnlichen Masse, aus der Auberginen bestanden, so eine Soße zu kochen, aber sie war einfach grandios. Würzig, schmelzend, süß und gleichzeitig sauer-fruchtig-aromatisch-keine-Ahnung. Die totale Geschmacksexplosion irgendwie.   Ein Lächeln breitete sich auf Julius’ Gesicht aus, als er meine Reaktion sah.   „Ich werte das mal als Zustimmung zu meinem 'Caponata light'.“ „Capo-was?“ „Caponata. Das ist ein sizilianisches Gemüsegericht, in das neben Auberginen und Tomaten normalerweise auch noch Sellerie oder Fenchel sowie einiges anderes gehören. Unter anderem Pinienkerne, aber die benutze ich eigentlich nie, weil sie so schweineteuer sind. Deswegen halt nur 'light'. Immerhin hatte ich Kapern und Rosinen da.“   Julius lächelte nochmal und schien noch etwas sagen zu wollen, aber dann wandte er sich stattdessen dem Herd zu, auf dem auch der zweite Teil des Gerichts jetzt fertiggestellt zu sein schien. Er nahm die Pfanne vom Herd, zauberte einen Teller aus dem Schrank und ließ das fluffige, gelbe Ding darauf gleiten. Mit einem großen Löffel schöpfte er von dem Gemüse und drapierte es an der Seite des Omelettes, bevor er mir den Teller vor die Nase stellte.   „Guten Appetit.“   Ich blickte nach unten und war wirklich beeindruckt. So einen Teller hätte man auch in einem Restaurant bekommen können. Es sah fantastisch aus, es roch verführerisch und würde wahrscheinlich auch gigantisch schmecken, wenn ich es denn in den Mund bekam.   Ich grinste Julius an und zog die Augenbrauen hoch. „Krieg ich auch noch Besteck oder muss ich mit den Fingern essen?“   Er schlug sich mit der Hand gegen die Stirn.   „Ich Esel. Besteck kommt sofort.“   Aus einer Schublade holte er Messer und Gabel und reichte sie mir, als würde er mir die Waffen zum Duell präsentieren. Lachend nahm ich beides entgegen. „Und wo ist deine Portion?“ „Ach, ich hab beim Kochen meist nicht so einen Hunger.“ „Heißt das etwa, dass ich dir jetzt was voresse?“ „Stört es dich?“ „Ein bisschen.“   Er nickte verständig, schlug zwei Eier direkt in die Pfanne, rührte darin herum und hatte kurz darauf einen Teller Rührei mit Soße.   „Das ist aber nicht so schick wie meins.“ „Du bist ja auch der Gast.“   Er prostete mir mit einem eigenen Glas Mineralwasser zu und begann zu essen. Ich nahm ebenfalls einen vorsichtigen, ersten Bissen und hätte beinahe gestöhnt. Mit dem Omelette zusammen wurde das Ganze noch besser. Keine Ahnung, warum das so war. Die Konsistenz, die verschiedenen Geschmäcker, es ergänzte sich einfach so genial, dass ich die Augen schloss und schließlich doch ein genießerisches Geräusch von mir gab. „So gut, ja?“ Als ich die Augen öffnete, sah ich, dass Julius mich schon wieder beobachtete. Als er meinen Blick bemerkte, guckte er schnell wieder auf seinen Teller herab und steckte sich eine Gabel voll Essen in den Mund. Danach kaute er sehr bedächtig, so als würde er über etwas nachdenken. Als er schließlich schluckte, atmete er tief durch. „Tut mir leid wegen vorhin. Meine Reaktion war blöd.“   Ich runzelte die Stirn. „Was meinst du?“   „Na als du mir erzählt hast, dass du … mit deinem Freund geschlafen hast. Das erste Mal. Das war für dich bestimmt was total Besonderes und ich hab mich so aufgeführt. Das war dämlich.“ Er sah auf. „Es war doch was Besonderes, oder?“   Ich nickte.   „Gut.“ Ein Lächeln hielt auf Julius’ Gesicht Einzug. „Das sollte es auch sein. Ich freu mich für dich.“ „Danke.“   Er schob seinen Teller weg und stützte die Arme auf den Tisch. „Na dann erzähl doch mal was. Wie heißt er, wo kommt er her, was macht er so? Ich will alles wissen.“   „Ähm …“   Okay, das war jetzt irgendwie schwierig. Das Meiste, was Manuel mir erzählt hatte, war sicher nichts, das ich einfach irgendwem anders auf die Nase binden konnte. Das wäre ihm bestimmt nicht recht gewesen. Andererseits wollte ich so gerne mal mit jemandem darüber reden. Ich wollte … keine Ahnung. Irgendwem erzählen, dass ich die ganze Zeit an ihn denken musste, dass er trotz seines manchmal etwas ruppigen Auftretens unheimlich süß sein konnte, dass er mir das Gefühl gab, was Besonderes zu sein, und dass wir Morgen ein Date hatten. Ein Date! Julius wusste bestimmt, was man da machen konnte.   „Sein Name ist Manuel", begann ich schließlich. „Er wohnt bei mir im Dorf und wir haben uns erst ein paar Mal getroffen, aber ich … ich weiß auch nicht. Ich mag ihn halt und wir sind morgen verabredet. Eigentlich würde ich gerne irgendwas mit ihm unternehmen, aber ich weiß nicht so wirklich, was. Hast du eine Idee?“   Julius überlegte. „Mhm. Was mag er denn so?“   „Weiß ich nicht. Wir haben uns noch nicht so viel unterhalten. Ich weiß, dass er auf Horrorfilme steht, aber Kino ist nicht. Zumal ich da ne Krise kriege und er kein Geld hat. Eigentlich müssten wir was bei uns in der Nähe machen, aber da ist total tote Hose. Außerdem … außerdem können wir nicht einfach, also … du verstehst schon. In der Öffentlichkeit und so.“   Ich zuckte ein bisschen hilflos mit den Achseln und Julius verzog den Mund. „Ja, ich verstehe. Na und wenn ihr ein Picknick macht? Du nimmst ne Decke mit, ein bisschen was zu Essen und zu Trinken. Dann sucht ihr euch ein schönes, abgelegenes Plätzchen und könnt euch da mal in Ruhe unterhalten … und bestimmt auch ein bisschen rumknutschen.“   Er grinste und zwinkerte mir zu und ich grinste zurück. Ein Picknick. Das war die Idee. So tolles Essen wie Julius konnte ich da zwar nicht auffahren, aber dafür wusste ich den perfekten Platz dafür. Mein Grinsen wurde breiter. „Julius, du bist ein Engel. Und ein begnadeter Koch. Du solltest das echt beruflich machen.“ Er lachte. „Bei den Arbeitszeiten? Bist du wahnsinnig? Und der Stress erst. Nee, danke. Ich bin froh, wenn ich dem 'Monopoly' regelmäßig den Rücken kehren kann. Alle paar Tage für ein paar Stunden im Gastrogewerbe langen mir vollkommen. Koch ist und bleibt mein Hobby.“   Ich funkelte ihn herausfordernd an.   „Und was gedenkt der Herr Hobbykoch mir als Nachtisch zu kredenzen?“ „Sag bloß, du bist ein Süßschnabel.“ „Vielleicht?“ „Ha. Ich hab’s gleich gewusst. Also schön, damit krieg ich dich bestimmt rum.“ „Na da bin ich ja mal gespannt.“   Ich weiß nicht genau, was er da zusammenrührte und hinterher in einem kleinen Topf frittierte. Aber es war göttlich und dass es dazu noch frische Mango gab, machte es perfekt. Allerdings meldete sich am Ende ein bisschen mein schlechtes Gewissen. Immerhin wusste ich, dass gerade Mango nicht unbedingt billig waren. Aber als ich deswegen etwas herumdruckste, winkte er nur lächelnd ab. „Keine Bange. Ich nage nicht am Hungertuch. Schließlich gehe ich arbeiten und wohne noch zu Hause. Für was könnte ich mein Geld besser ausgeben als für das leibliche Wohl eines Freundes.“   Ich beobachtete ihn dabei, wie er das Schlachtfeld, in das er die Küche verwandelt hatte, langsam zusammenräumte. Wahrscheinlich hätte ich ihm helfen sollen, aber ich war pappsatt und unfähig mich zu rühren und außerdem hätten wir uns auf dem beengten Raum eh nur gegenseitig auf den Füßen rumgestanden. Stattdessen spielte ich mit der Kuchengabel, die noch vom Dessert übriggeblieben war.   „Bin ich das denn?“, fragte ich. „Ein Freund, meine ich.“ „Na klar. Oder meinst du vielleicht, ich schleppe einfach jeden x-beliebigen Kerl hier zu mir nach Hause. Wofür hältst du mich?“ „Für einen viel zu netten Menschen?“   Er seufzte theatralisch. „Manchmal glaube ich auch, ich bin einfach zu gut für diese Welt.“ „Eingebildet bist du wohl gar nicht“ „Nur an ungeraden Mittwochen und jedem dritten Sonntag im Monat.“ „Da hab ich ja Glück, dass heute Freitag ist.“ Wir blödelten noch eine Weile herum, bis es höchst Zeit für mich wurde zum Bus zu gehen. Die Zeit war irgendwie viel zu schnell vergangen und ich wäre gerne noch geblieben, aber der nächste Bus fuhr erst in drei Stunden und so lange wollte ich Julius’ Gastfreundschaft dann doch nicht strapazieren. „Ist dein Heim fenn überhaupt schon schwesternfrei?", fragte er, während ich mir in dem engen Flur die Schuhe wieder anzog, die ich auf dem Hinweg nebenbei abgestreift hatte. An der hellgelben Wand hing ein scheußlicher Kunstsdruck. „Ich fürchte nicht und selbst wenn. Diana ist wie Unkraut die kommt immer wieder." Julius lachte und verschränkte dabei die Finger ineinander. „Tja, dann werde ich dich wohl ziehen lassen müssen. Es war schön, dass du da warst und falls du mal quatschen willst ... weißt du ja, wo du mich findest." „Ja, das weiß ich. Danke nochmal für das Asyl und die tolle Bewirtung. Ich hoffe, ich kann mich mal revanchieren.“ „Kriegen wir hin. Vielleicht … gehen wir ja mal zusammen weg. Also du, ich und dein Freund? Ich würde euch auch abholen.“   Dieses Mal war ich derjenige, der strahlte. „Klar, das wäre super. Ich frag ihn.“ Julius zögerte. „Möchtest ... möchtest du vielleicht meine Nummer? Dann kannst du mich anrufen und mir erzählen, wie es war. Ich bin doch neugierig, wie dein Date verlaufen ist. Und du könntest mir auch gleich Bescheid sagen, ob wir mal was zu dritt unternehmen wollen." „Klar, warum nicht. Gibst du mir dein Handy, dann speichere ich sie dir ein." Er tat es und klingelte auch gleich noch bei mir an, damit ich seine Nummer ebenfalls hatte. Ich sah auf die Uhr. „Ich muss jetzt echt los, sonst gehe ich dir noch den Rest des Nachmittags auf den Sack." „Ach, das würde mich nicht stören." Er lächelte. „Mach's gut, Benedikt und pass auf dich auf." „Wieso?", fragte ich mit einem Grinsen. „Hast du Angst, dass mich ein Bus überrollt?" „So in etwa." Im nächsten Augenblick fand ich mich in einer Umarmung wieder. Julius drückte mich an sich und flüsterte: „Ich mein's ernst. Pass auf dich auf. Und ruf an, wenn was ist." Ich rollte mit den Augen und drückte ihn kurz zurück. „Ja, Mama." „Hey, nicht frech werden." „Ich bin nie frech." Zum Beweis streckte ich ihm die Zunge raus und er lachte schon wieder, bevor ich es endlich aus der Tür schaffte und draußen ziemlich die Beine in die Hand nehmen musste, damit mir mein Bus nicht doch noch vor der Nase wegfuhr. Schwer atmend ließ ich mich auf einen freien Sitz fallen. Ich zog mein Handy heraus, um Julius’ Nummer einzuspeichern, als ich eine Nachricht von Manuel entdeckte. Er wollte wissen, ob es bei Morgen blieb. Ich schrieb ihm zurück, dass ich ihn um drei zu Hause abholen würde. 'Lass uns lieber woanders treffen.', lautete seine Antwort. 'Okay. Dann um drei am Ortsausgang?' 'Geht klar.' 'Gut bis dann. Ich freu mich.' Ich wartete, ob von ihm noch etwas kam, aber er war bereits offline gegangen und so steckte ich das Handy schließlich auch wieder ein und lehnte mich im Sitz zurück. Während draußen die Landschaft vorbeizog, wanderte ich mit meinen Gedanken einen Tag weiter. Dieses Date morgen musste einfach perfekt werden, dann würde Manuel schon ein bisschen aus sich rauskommen. Ich musste ihm nur beweisen, dass ich es ernst mit ihm meinte. Der Rest würde dann ganz von allein kommen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)