Ich, er und die Liebe von Maginisha ================================================================================ Kapitel 16: Von tanzenden Herzen und verräterischen Ärschen ----------------------------------------------------------- Also, ich weiß ja nicht, ob ihr Harry Potter-Fans seid. Ich, wie erwähnt, schon. Ich hab die Bücher gelesen und auch die Filme alle gesehen. Könnte ich jedes Jahr einmal machen … Na egal. Im vierten Band hat Harrys bester Freund Ron sich auf jeden Fall in den Kopf gesetzt, eine der französischen Austauschschülerinnen um eine Verabredung für den Schulball zu bitten. (Nebenbei bemerkt, scheint da echt was dran zu sein. Also an Französinnen. Wir hatten letztes Jahr eine französische Austauschschülerin und alle – wirklich alle – Jungs hingen quasi an ihren Lippen. Sogar die Mädchen wollten mit ihr befreundet sein und am Schluss ist sie unter Tränen und Küsschen und mit einem Riesenpaket Schwarzbrot und Roter Grütze im Gepäck wieder abgereist und hat bestimmt drei gebrochene Herzen hinterlassen. War schon irre.) Na zumindest beschwert Ron sich bei Harry darüber, dass man die nie allein erwischen würde, um sie anzusprechen. Tja, ich wusste genau, wie er sich fühlte. Mir ging es nämlich mit T gerade genauso. Ich wollte unbedingt wissen, ob er was wegen des Jobs erreicht hatte, aber ständig hing eine Traube von Leuten um ihn herum und da ich ja nun mal nicht zu seinem Dunstkreis gehörte, konnte ich schlecht einfach hingehen und ihn fragen. Das hätte vermutlich so geendet wie bei Ron, was … äh … nicht so gut war. Nur würde im Gegensatz zu Ron bei mir vermutlich niemand kommen, um mir den Arm zu tätscheln und beruhigend auf mich einzureden. Erst hatte ich ja noch gedacht, dass ich T gleich beim Sport danach fragen könnte, aber da ich in der Umkleide vorsichtshalber ein bisschen Abstand gehalten hatte, hatte er sich bereits mit Jo zum Aufwärmen abgesetzt und ich konnte ja nun schlecht zu ihnen aufschließen, um ein Gespräch anzufangen. Vor Geschichte fachsimpelte er mit Jo und Leon über irgendwelche Spielzüge beim Basketball, sodass da auch kein Platz für meine Frage war und ich mich damit begnügen musste, mich mit Anton über Mathe zu unterhalten, wo heute eine Klassenarbeit anstand. Und in der großen Pause hatte T sich schließlich zu seinem Bruder verdrückt. Wie bitte? Das mit dem Bruder hatte ich noch gar nicht erwähnt? Oh, sorry, mein Fehler. Ja, T hatte auch noch einen großen Bruder, zwei Jahre älter als er und somit schon im Abiturjahrgang. Die hingen in den Pausen immer in einem ganz bestimmten Teil der großen Halle herum und als Unter- oder Mittelstufler war es einem nur nach schriftlicher Aufforderung in dreifacher Ausführung gestattet, sich ebenfalls dort aufzuhalten. Wann immer ein Jahrgang die Schule verließ, durfte der nächste aufrücken, und natürlich machten die dann gleich wieder von ihrem Recht Gebrauch, den Bereich für sich allein zu beanspruchen. Die rühmliche Ausnahme von dieser Regel war T, der durch seine Freunde aus seiner ehemaligen Klasse, die ja jetzt bereits in der 11. waren, und seinen Bruder jetzt einen doppelten Eintrittspass hatte. Die Welt war wirklich manchmal ungerecht. Missmutig starrte ich von meinem hart erkämpften Platz auf einer der wenigen Bänke auf dem Pausenhof nach drinnen. Das hieß, ich versuchte es, denn viel zu sehen war nicht, da sich lediglich der Pausenhof und meine Wenigkeit in den großen Scheiben spiegelten. Dafür pfiff der Wind hier um die Ecke und kroch unter meine Jacke. Eigentlich war der Tag ja ganz schön, aber durch den Regen der letzten Tage hatte es sich so abgekühlt, dass die Sonne erst mal wieder ein paar Tage scheinen musste, bis wieder an T-Shirt-Wetter zu denken war. Weiter hinten auf dem Hof hätte es sich bestimmt aushalten lassen, aber dazu hätte ich mich unter die Unterstufler mischen müssen, die dort herumsprangen und … was eigentlich? Fangen spielten? Waren die dafür nicht auch schon zu alt? Na egal. Das ging auf jeden Fall gar nicht. Was die Pausen anging, herrschte strenge Rassentrennung, um mal so eben im Geschichtsunterricht erlangtes Wissen anzuwenden. Der einzige Depp, der das nicht einzusehen schien, war Oliver. Der ging zwischen den Knirpsen herum und … Moooment. Hatte der den Kleinen da gerade geschubst? So ein … Ich sah mich um, aber die Pausenaufsicht war gerade in einem anderen Teil des Hofes unterwegs. War ja klar. Lehrer waren nie da, wenn man sie brauchte. Außerdem traute ich Oliver zu, dass er das vorher abgecheckt hatte. Jetzt verhöhnte er den Jungen auch noch, der ihm gerade mal bis zur Brust ging. Meine Hände ballten sich zu Fäusten. Ich bezweifelte, dass die Kleinen sich gegen ihn zu Wehr setzen würden. Und Petzen würde vermutlich auch keiner gehen. Aber was sollte ich tun? Mich als Rächer mit dem Cape dazwischen schwingen war ja nun auch mehr als lächerlich. Wenn ich ihn zur Rede stellte, würde er sowieso nur alles abstreiten. Aber ihn einfach weitermachen lassen konnte ich auch nicht. Bevor ich richtig wusste, was ich tat, war ich schon aufgesprungen und hatte mich grob in Richtung Oliver in Bewegung gesetzt. Der war anscheinend immer noch in einen Streit mit den Fünftklässlern vertieft und merkte gar nicht, dass ich kam. Als ich neben ihm stand, legte ich ihm den Arm um die Schultern. „Oliver! Dich suche ich ja schon überall. Hast du mal einen Moment für mich?“ Ich merkte, wie er sich neben mir versteifte und dann sofort auf Abstand ging. „Pfoten weg, du Schwuchtel“, schimpfte er. „Na du musst es ja wissen“, flötete ich zurück und grinste. „Was willst du damit sagen?“ „Nichts. Nur, dass du aufhören solltest, hier in der Sonne zu stehen. Das verträgt sich anscheinend nicht mit deinen Medikamenten.“ Er funkelte mich noch einen Augenblick lang an, bevor er sich tatsächlich in einen schattigeren Bereich trollte. Irgendwie war ich gerade froh, dass ich heute nicht mit dem Fahrrad da war. Das hätte nachher garantiert einen Platten gehabt. Ich wendete mich den Kleinen zu. „Alles klar bei euch?“ „Logisch. Und jetzt verzieh dich, du Lulatsch. Mit dem Spast wären wir schon klargekommen.“ Äh, wie bitte? Na da hörte sich doch alles auf. Da will man nett sein und dann traten einem diese Hosenscheißer auch noch gegens Knie. Undank war wirklich der Welt Lohn. Zum Glück läutete es in dem Moment und ließ meinen Rückzug weniger wie eine Flucht wirken. Also ehrlich, diese Jugend heutzutage … Als ich wieder an meinem Platz ankam, um mein Buch zu holen, dass ich dort zurückgelassen hatte, erwartete mich eine Überraschung. T stand da, hatte mein Asimov-Band in der Hand und las sich den Klappentext durch. Unwillkürlich wurde ich langsamer. Das war jetzt ja peinlich. Also eigentlich nicht, der Mann war schließlich ein Genie, aber T las bestimmt ganz andere Sachen als Geschichten über Androiden und Roboter. Ich stopfte die Hände in die Taschen meiner Sweatjacke und ging wieder ein bisschen schneller. Bloß nicht kneifen. „Hey“, sagte ich, als ich ankam. Er hob den Blick. „Hey. Ist das deins?“ „Ja, ich … hatte grad was mit Oliver zu bereden. Oliver und Bücher, das verträgt sich nicht so.“ T grinste. „Könntest du recht mit haben. Unser Projekt mache ich auch schon allein.“ Ich sah ein wenig unbehaglich zur Seite. Das hatte er ja quasi mir zu verdanken. T schien aber nicht besonders böse zu sein, sondern reichte mir nur mein Buch. „Weswegen ich eigentlich komme … Ich hab bei Friedrichsen nachgefragt. Holger hat gemeint, jetzt im Sommer könnte er tatsächlich noch wen gebrauchen. Mit der Saison kommen immer ne Menge Surfer.“ „Echt? Cool. Und … soll ich da mal vorbeigehen oder so?“ „Ich hab dir den Zettel für deine Eltern gleich mitgebracht wegen der Einverständniserklärung. Den füllt ihr aus und dann … ja, dann kann’s eigentlich losgehen.“ „Oh, äh … danke.“ Ich wusste nicht so recht, was ich jetzt machen sollte. Um uns herum hatte sich der Schulhof schon ziemlich geleert. Wir waren quasi die letzten. Hatte er das mit Absicht gemacht? Damit uns niemand zusammen sah? Plötzlich fiel mir auf, dass er erstaunlich oft allein mit mir sprach. Ob es ihm peinlich war, wenn das jemand mitkriegte? Aber dann hätte er doch nicht danach gefragt, ob ich in dem Laden arbeiten wollte, wo er zusammen mit den anderen … obwohl … Er hatte gesagt, da arbeiteten immer nur zwei Leute miteinander. Ob er vielleicht hoffte, dass wir beide …? Mein Herz begann plötzlich schneller zu schlagen. Scheiße, Benedikt, reiß dich zusammen. Das ist zu bescheuert, um wahr zu sein. Das kann gar nicht sein. Aber was ist, wenn doch?, wollte eine kleine, aufmüpfige Stimme wissen. Was, wenn er sich für dich interessiert? Nur als Freund!, schnauzte ich die Stimme an. Obwohl selbst das vermutlich noch zu hoch gegriffen war. Da konnte sich mein innerer Höhlenmensch dreimal auf die Hinterbeine niederlassen und den Mond anheulen. Ich stand da in jedem Fall drüber. „Wir müssen dann mal“, sagte ich und ging um die Bank herum, die die ganze Zeit zwischen uns gewesen war. Okay, und jetzt? An ihm vorbei, oder in die andere Richtung? Welche Tür nehme ich? Was sieht möglichst lässig aus? „Klar, los geht’s. Der Reichelt ist immer so pünktlich. Hast du Mathe gelernt?“ „Klar hab ich.“ „Natürlich. Wie konnte ich daran nur zweifeln?“ Er lachte und sah dabei unheimlich gut aus. Also so … glücklich irgendwie. Aber das war bestimmt nur Einbildung, genau wie die Tatsache, dass er ein bisschen zu nah neben mir die Treppe hochging. Totale Einbildung. Oder dass sich unsere Fingerspitzen berührten, als er mir noch schnell den Zettel gab, weil unser Philosophielehrer überraschenderweise doch noch nicht aufgetaucht war. Alles pure Einbildung. Sagte mein Kopf. Mein Herz hingegen schlug Purzelbäume und tanzte Polka. Ihr wisst schon, diese finnische von Loituma, die angeblich keiner hört, aber doch jeder kennt, und deren Text klingt, als würde man damit Dämonen aus dem dritten Kreis der Hölle beschwören. War mir egal. Ich war einfach gut drauf. Während Herr Reichelt uns versuchte, Platons Höhlengleichnis nahezubringen, schweiften meine Gedanken jedoch schon wieder ab. Ich sah mir den Animationsfilm an, den er uns mitgebracht hatte. Eine witzige Adaption der Geschichte mit irgendwelchen Knetmännchen. An der Stelle allerdings, an der das zurückkehrende Knetmännchen von seinen Höhlenkameraden angegriffen wurde, stellte ich mir auf einmal die Frage, ob es das wirklich wert war. War es das wert, das Richtige zu tun, wenn man dafür hinter aufs Maul kriegte und noch dazu allein dastand? Oder war es nicht eigentlich auch nett, zusammen mit den anderen Höhlenmenschen dumm und unwissend zu bleiben? Und welchen Preis war man bereit dafür zu zahlen, dass man anders war? Diese Frage hatte ich immer noch im Kopf, als ich früher als sonst am Busplatz ankam. Unser Klassenlehrer hatte heute noch irgendeinen Termin und uns deswegen früher rausgelassen. Ganz im Tran war ich einfach zum Bus gelatscht und jetzt war der Platz noch fast vollkommen leer. Fast. Ich sah Manuel schon von weitem an der Haltestelle sitzen. Er hatte sich eine der Bänke im Bushäuschen geschnappt, die Beine vorgestreckt und übereinandergeschlagen und rauchte. Er sah nicht in meine Richtung und bemerkte mich daher erst, als ich schon fast bei ihm war. Sein Blick irrte kurz zu mir, bevor er sich betont desinteressiert wieder den beiden Tauben zuwandte, die auf dem Kopfsteinpflaster des Haltestreifens nach irgendwelchen Krumen pickten. Ich blieb stehen. Die andere Bank war leer und bevor ich noch weiter dumm rumstand, setzte ich mich darauf. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie er einen neuen Zug aus seiner Zigarette nahm. Der Geruch wehte zu mir herüber und ich bildete mir fast ein, dazwischen das Waschmittel zu riechen. Was für eine Sorte das wohl war? Ob seine Mutter das immer benutzt hatte? Oder war das einfach nur irgendeine billige Marke, die alle aus seiner WG nahmen. Nichts persönliches. Und warum machte ich mir über so einen Scheiß eigentlich Gedanken? Ich drehte den Kopf ein wenig und bemerkte, dass er neue Schuhe anhatte. Graue Sneaker. Keine Markenschuhe, aber definitiv neu. So sauber bekam man die weißen Sohlenseiten nie wieder. Auch der Rest von ihm wirkte irgendwie … zurechtgemacht. War das ein Hemd, was er da anhatte? Sah so aus. Es stand ihm. Und hatte er sich rasiert? Ja, definitiv. Dieser komische Bartverschnitt war ab. Das war im ersten Moment ungewohnt, im zweiten konnte ich nicht leugnen, dass mir das definitiv besser gefiel. Er warf erneut einen genervten Blick in meine Richtung, sah dann aber wieder weg. Ich riss mich zusammen und guckte auch woanders hin. So ein Mist. Da hatte ich auf einmal die Chance, unseren Streit aus der Welt zu schaffen, und jetzt wusste ich nicht, was ich sagen sollte. Ich hatte es doch nur richtig machen wollen. So wie das Knetmännchen, das die Wahrheit wissen wollte. Einer plötzlichen Eingebung folgend, holte ich mein Handy raus. Ich öffnete den Messenger und tippte zwei einfache Buchstaben. Als ich auf Senden drückte, piepte es kurz darauf ganz in der Nähe. Ich hörte, wie Manuel sein Handy rauskramte. 'Hi', stand auf seinem Bildschirm. Hoffte ich zumindest, denn das hätte geheißen, dass er meine Nummer auch nicht gelöscht oder wenigstens nicht blockiert hatte. 'Was willst du?', kam es unfreundlich zurück. 'Reden?', schlug ich vor. Ich hörte ihn schnauben. „Das hatten wir doch schon.“ „Hat beim letzten Mal aber nicht so hingehauen.“ Er antwortete nicht mehr, sondern beschränkte sich aufs Rauchen. Der Busplatz begann sich langsam zu füllen. Bald würden auch hier die ersten Leute auftauchen. Das hieß, ich hatte nicht mehr viel Zeit. Also gab ich mir einen Ruck, stand auf, ging zu ihm rüber und deutete auf die Bank neben ihm. „Ist da noch Platz?“ Er zuckte mit den Schultern und meinte in gleichgültigem Ton: „Ist ein freies Land.“ Ich wertete das mal als „Ja“ und setzte mich neben ihn. Die hölzerne Bank in diesem Gebilde aus dunkelrot lackiertem Stahl und Plexiglas war nicht gerade groß und so saßen wir ziemlich eng zusammen. Unsere Arme berührten sich und wenn ich mich ein bisschen breitbeiniger hingesetzt hätte, wären unsere Oberschenkel zusammengestoßen. Er war bestimmt warm. Unter der Jacke und dem Hemd und allem war er bestimmt warm. Ich roch jetzt tatsächlich das Waschmittel zusammen mit dem frischen Rauch. Unwillkürlich atmete ich ein bisschen tiefer ein. Plötzlich stand er auf. „Ich brauch neue Kippen“, verkündete er und stiefelte los zur anderen Seite, wo sich in dem alten Bahnhofsgebäude ein kleiner Kiosk befand. Ich sah ihm hinterher und stellte fest, dass er heute wirklich ganz schön scharf aussah. Aber warum sagte er mir, dass er Zigaretten holen ging? Und ließ mich noch dazu so blöd hier sitzen, bevor ich ihm hatte sagen können, dass es mir leidtat. Man! Er hatte sich doch ebenso wenig mit Ruhm bekleckert wie ich. Wieder nahm ich mein Handy zur Hand. 'Ich bin kein Bonze!', schrieb ich und schickte die Nachricht ab, bevor ich es mir anders überlegen konnte. Angriff war ja bekanntlich die beste Verteidigung. Keine 20 Sekunden später piepte es. 'Schön für dich', stand auf meinem Display. 'Du bist ein Arsch', schrieb ich. 'Ein Arsch der auf deinen Arsch steht ;)', kam postwendend zurück. Ich musste grinsen. Echt jetzt? Das schrieb er einfach so? Na warte. 'Mein Arsch gehört mir.' Ha, nimm das, du Blödmann! 'Ich will ihn ja auch nicht kaufen. Nur ausleihen.' Ich tippte noch an einer Antwort, als er noch hinterher schickte: 'Dein Arsch und ich könnten ne Menge Spaß zusammen haben.' Ich verzog das Gesicht. 'Und was mache ich derweil?' 'Kannst ja zugucken.' Ich stellte mir das bildlich vor und musste lachen. So ein … Arsch halt. Ich überlegte gerade, wie ich das kontern wollte, als sich zwei neue, grauweiße Sneaker in mein Sichtfeld schoben. Ich sah hoch und blickte Manuel direkt ins Gesicht. „Kannst natürlich auch gerne mitmachen. Dann wird das ein flotter Dreier.“ Ich grinste. „Was? Du, ich und mein Arsch?“ Er zuckte mit den Schultern. „Warum nicht? Ich hab das Gefühl, er wäre dafür.“ „Gar nicht.“ „Ach nein? Hast du ihn mal gefragt?“ Er legte den Kopf schief und sah mich immer noch an. Neben uns trudelten die ersten, anderen Fahrgäste ein. Ein Gespräch über meinen Hintern wollte ich jetzt bestimmt nicht mehr führen. Also am besten taktischer Rückzug. „Kommst du morgen vorbei?“ „Willst du wieder quatschen?“ „Müssen wir nicht.“ „Welche Zeit?“ „Wie immer?“ Er zog nochmal an seiner Zigarette und warf den brennenden Stummel dann in Richtung der Tauben. „Okay“, sagte er, während er den Rauch ausblies. Dann lehnte er sich vor und flüsterte: „Aber nur, wenn dein Arsch auch kommt. Den hab ich nämlich echt vermisst.“ „Spinner“, flüsterte ich zurück und versuchte, nicht zu grinsen. Und ihn nicht zu küssen, was mir gerade echt schwerfiel. Ich musste an das denken, was Julius erzählt hatte. Dass er sich so versehentlich geoutet hatte. Plötzlich verstand ich, wie ihm das passieren konnte. Manuel und ich würden da auch echt vorsichtig sein müssen. Besonders was meine Mutter anging. Der Gedanke, wie sie mich mit ihm im Bett erwischte, war definitiv kein guter. Zum Glück hatte unser Amt ja verlässliche Öffnungszeiten. Zu Hause erwartete mich mal wieder ein Zettel. Meine Mutter war zu Diana gefahren. Die beiden wollten eine Runde Baby- und Hochzeitspläne schmieden. Und danach wollte sie einkaufen. Na sollte mir recht sein, dann hatte ich das Haus für mich. Ganz kurz bedauerte ich, dass ich Manuel nicht schon heute eingeladen hatte. Im Bus hatten wir natürlich nicht zusammen gesessen, obwohl ich sehr in Versuchung gewesen war, mich neben ihn in die letzte Bank zu quetschen. Die kurze Berührung auf dem Busbahnhof hatte mir gezeigt, wie sehr ich es vermisste, mit ihm zusammenzusein. Und, wenn ich mal ehrlich war, ich wollte doch auch. Also irgendwas in Richtung Sex auf jeden Fall. Wobei ich mir noch nicht sicher war, war diese eine, letzte Schritt. Der Gedanke was reinzustecken, wo eigentlich was rauskam, erschien mir irgendwie … eigenartig. Andererseits schienen das ja ne Menge Leute ziemlich geil zu finden. Sogar Frauen. Die konnten doch nicht alle nur so tun als ob. Ob ich das mal … ausprobierte? So alleine? Um mal zu gucken, wie es sich anfühlte? Ich sah zu der Schublade ganz unten in meinem Schrank. Da lagen meine Socken drin und ganz hinten in ein Paar eingewickelt, dass ich nie trug, war die Tube Gleitgel. Die Kondome lagen hinter einigen Büchern im Regal. Nur zur Sicherheit. Aber von denen würde ich ja eigentlich keins brauchen. Oder ob ich … nein, ganz schlechte Idee. Keine Gegenstände, die da nicht reingehörten. Auch nicht mit Kondom drüber. Obwohl die Vorstellung sich irgendwie interessant anhörte, wie mein Schwanz plötzlich fand. Etwas missmutig sah ich auf den kleinen Verräter hinab, der jetzt nicht mehr ganz so klein war. Also war er generell nicht. Manuels war – ohne angeben zu wollen – auf jeden Fall kleiner. Aber der hier war gerade angetan von dem Gedanken, dass ich mir am Hintern rumspielte. War das pervers? „Ach was. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.“ Ich schnappte mir also das Gleitgel und verzog mich in die Dusche. Da konnte ich auch bei zu früh heimkehrender Mutter sicher sein, dass sie mich nicht störte. Und Hände waschen war so auch kein Problem. Und alles andere auch gleich, wo ich schon mal dabei war. Und dann … mhm. Das war jetzt irgendwie nicht besonders. Drinnen fühlte es sich komisch an und auch sonst tat sich da eigentlich nicht viel, außer dass ich mir ziemlich lächerlich vorkam. Mein Schwanz wollte sich schon enttäuscht zurückziehen, als ich beschloss, ihm auch ein bisschen Aufmerksamkeit zu gönnen. War gar nicht so einfach und ich war heilfroh, dass mich hier gerade keiner sehen konnte bei diesen komischen Verrenkungen, aber mit ein paar Streicheleinheiten auf Vorder- und Rückseite, ließ sich das schon eher an. Und was, wenn ich jetzt mehr als einen Finger nahm? Und was, wenn ich mir dazu noch vorstellte, dass das eben nicht meine Finger waren, die sich da gerade in mir bewegten, sondern stattdessen Manuels Schwanz? Ich biss mir auf die Lippen und ließ mich auf den Boden gleiten, während ich die Beine weiter spreizte. Ja, das war definitiv anregend. Sehr sogar. Ich machte einfach weiter und weiter, bis ich irgendwann kam und die Spuren gleich von der Dusche beseitigt wurden. Als ich danach die Finger hinten rauszog, wurde mir doch ein bisschen anders. Allein die Vorstellung, dass die nun gerade dort gesteckt hatten, war irgendwie ein wenig ähm, naja … Ich griff nochmal zur Seife, bis alles wieder okay war. An der Feinausführung würde ich definitiv noch arbeiten müssen. Immer noch etwas wackelig auf den Beinen stieg ich aus der Dusche, trocknete mich ab und ging dann ins Bett, um mich dort zu verkriechen. Normal war ich nach dem Wichsen immer ziemlich entspannt, aber heute wirbelte es in meinem Kopf durcheinander wie in einer Schneekugel. Hatte mir das jetzt gefallen? Schon irgendwie, obwohl es eigenartig war, dass das jetzt noch so puckerte und mich daran erinnerte, was ich gerade getan hatte. Ob ich es also einfach mal auf einen Versuch ankommen lassen sollte? Klang nach dieser Erfahrung gerade gar nicht mehr so abwegig. Andererseits … da waren einfach Dinge, über die wir vorher sprechen mussten. Schlucken war ja eine Sache, aber das hier war nochmal eine andere Arsch anscheinend beschlossen, die Seiten zu wechseln und die Pro-Anal-Fraktion zu unterstützen. Ich stand also allein gegen Manuel, meinen Schwanz und meinen Hintern und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich diese Debatte in der Hitze des Gefechts glasklar verlieren würde. Die Frage war nur, ob ich das auch wollte. Ich schloss die Augen und musste wieder an dieses Knetmännchen denken. Das, das aus seiner Höhle rausspaziert war und nun nicht mehr zufrieden war mit dem, was es vorher hatte. Aber wo genau war ich denn nun eigentlich falsch abgebogen und wo würde dieser dumme Weg mich noch hinführen? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)