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Ich, er und die Liebe

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hey ihr Lieben!

Ich weiß, ich weiß, dass ich mir vorgenommen habe immer erst brav eine Geschichte beende, bevor ich was Neues anfange. Tjaaaa, und plötzlich fing mein aktuelles Projekt Angelo an rumzuzicken und dann kam auf einmal diese kleine, flauschige Plotbunny um die Ecke gehoppelt und hat mich mit seinen großen Kulleraugen so herzerwärmend angesehen, dass ich einfach nicht Nein sagen konnte. Und nun haben wir den Salat. Es hat sich eingenistet und weigert sich wieder auszuziehen. (Beware of the cute ones!)

Daher wünsche ich euch viel Vergnügen bei meinem ersten längeren Ausflug in die Welt des Ich-Erzählers. Ich bin gespannt, wo uns die Reise hinführen wird, auch wenn ich natürlich wie immer bereits einen Ungefähr-diese-da-Richtung-Plan habe.

Zauberhafte Grüße
Mag Komplett anzeigen

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Von zerbrochenen Brillen und besten Freunden

Ich weiß noch genau, wie ich mich in ihn verliebt habe. Es war eine dieser Schulstunden, in denen ich zu viel Zeit hatte in der Gegend herumzugucken. Das heißt, es war entweder Mathe und ich somit schon mit den Aufgaben fertig, während alle anderen noch über ihren Heften schwitzten, oder Geschichte; ein Fach, das mich dermaßen anödete, dass ich mir meistens nicht mal die Mühe machte, dem Unterricht zu folgen. Ich lernte das Nötigste lieber allein zu Hause nach, auch wenn das doppelte Quälerei bedeutete.
 

Eigentlich hätte ich mich zu diesem Zeitpunkt Anton zugewandt, um leise mit ihm zu tuscheln oder Ergebnisse zu vergleichen, während der Schrader vorne am Lehrerpult möglichst nichts davon mitbekam. Anton saß in fast allen Fächern neben mir und war so was wie mein bester Freund. Ich sage „so was wie mein bester Freund“, weil wir im Grunde nichts zusammen unternahmen, dass uns zu Freunden machte. Das lag weniger an mir als vielmehr an Anton beziehungsweise Antons Mutter, die ständig versuchte, ihren Sohnemann in Watte zu packen. Aber, wenn wir mal ehrlich sind, musste man das mit Anton auch, wenn man nicht Angst haben wollte, dass ihn der nächste laue Frühlingswind umpustete. Anton war klein, geradezu winzig. Er hatte eine Hühnerbrust, dünne Ärmchen und Beinchen, eine dicke Brille, die ständig von der Nase rutschte, und Asthma. Außerdem ungefähr 35 verschiedene Allergien und eine Befreiung vom Sportunterricht, von Klassenfahrten, vom Müllsammeln im Schulgarten und er konnte nicht Fahrradfahren. Letzteres lag daran, dass seine Mama immer Angst hatte, dass er runterfiel und sich dabei eine Blutvergiftung holte.

 

Warum ich das erzähle, obwohl Anton eigentlich gerade nicht das Thema ist? Weil er an dem Tag beim Arzt war. Somit fiel er als Gesprächspartner aus und die Alternative auf der andere Seite, Oliver, kam aus diversen anderen Gründen nicht infrage, auf die ich später zu sprechen komme. An Oliver kam man nämlich schwer vorbei, weswegen er in unserer u-förmigen Sitzaufteilung auch ganz außen saß, mit mir und Anton als Puffer zwischen den Mädchen, die sich durch seine Anwesenheit ebenso belästigt fühlten wie alle anderen inklusive der Lehrer und der Putzfrau. Aber dazu später mehr.

 

Das eigentlich Interessante an diese Mathestunde – es muss Mathe sein, sonst hätte er nämlich garantiert zugehört und irgendwann eine dieser trockenen, aber superschlauen Bemerkungen rausgehauen, die alle anderen in Ehrfurcht erstarren und mich normalerweise mit den Augen rollen ließen – saß nämlich auf der anderen Seite des Us und mir somit fast gegenüber. Während ich also Staubkörnchen dabei zusah, wie sie dem Gesetz der Schwerkraft folgten und durch den sonnendurchfluteten Luftraum des Klassenzimmers gen Boden tänzelten, tat er genau das Gleiche. Allerdings hatte das bei ihm vermutlich den Grund, dass er keine Ahnung hatte, wie er die Aufgaben lösen sollte. In Mathe war er nämlich echt schlecht. Und da er in dieser Stunde schon viermal ermahnt worden war, nicht mit Johannes zu quatschen, seinem Nebenmann, den alle nur Jo nannten, obwohl Hannes viel eher zu ihm gepasst hätte, blieb ihm wohl nichts anderes übrig, als ebenfalls in der Gegend rumzugucken und mit seiner Brille zu spielen. Ja, auch er hatte eine Brille, aber nicht so ein Nasenfahrrad wie Anton, sondern so ein randloses, total intellektuell wirkendes Teil, das unter den blonden Strähnen, die ihm immer ins Gesicht rutschten, gar nicht auffiel. Und wenn, unterstrich es eigentlich nur noch das männlich Markante seines Gesichts, das ihn so völlig vom Rest der Typen abhob, die bei uns noch so im Klassenzimmer rumgammelten.

 

Aber, meine Güte, was will man erwarten. Ganz normale Zehntklässler halt. Weder besonders schlau, noch besonders schön, mit Pickeln im Gesicht und bis über beide Ohren voll mit Hormonen und dummen Sprüche. Die Mädchen waren uns schon ungefähr drei Jahre in ihrer Entwicklung voraus, wenn man mal von Corinna absah, der im letzten Schuljahr rausgerutscht war, dass ihr ihre Mama immer noch die Klamotten rauslegte. (Anlass war ein Pullover, den sie auf links angezogen hatte und von dem sie dann steif und fest behauptet hatte, der gehöre so, weil nämlich ihre Mama ihr den so hingelegt habe. Man kann sich die Reaktionen in etwa vorstellen.) Ansonsten waren wir halt ein Haufen Chaoten, bei dem ich irgendwo im Randorbit mitschwamm, weil man gegen mich nicht wirklich was haben konnte.

 

Das Zentrum des männlichen Zehnte-Klasse-Universums bildete jedoch er, seit er vor zwei Jahren als Sitzenbleiber zur Tür reingestiefelt war und sich auf den erstbesten Platz gepflanzt hatte, der ihm vor die Nase gekommen war. Dass dort eigentlich Jo gesessen hatte, interessierte in dem Moment nicht mehr. Wenn er etwas beschloss, muckte halt keiner dagegen auf. Ich auch nicht. Noch nicht mal an diesem ersten Tag, obwohl ich durch die Durchrückerei, die seine widerrechtliche Besetzung zur Folge hatte, meinen Platz ganz am Ende der Bank verloren hatte und so zwischen Anton und Oliver gelandet war. Mir war er nämlich einfach zu blöd gewesen, um mich groß mit ihm abzugeben. Er war ein eingebildeter Schnösel und sich viel zu sehr bewusst, dass nahezu alle Mädchen der Mittelstufe auf ihn standen. Diese Meinung hatte sich auch in den letzten zwei Jahren nicht geändert bis zu dieser Mathestunde, in der wir uns nun also gegenüber saßen wie Cowboys beim High Noon.

 

Ich weiß gar nicht mehr, warum ich eigentlich rübergesehen habe. Vielleicht, weil sich in dem Moment gerade eine Wolke vor die Sonne schob, die mir bis dahin volle Kanne in den Nacken knallte, und mich daher meiner Goldstäubchen zum Zusehen beraubte. Vielleicht, weil ich sehnsüchtig zur Klassenraumtür schielte, die gleich hinter ihm lag und durch die es in den nächsten Minuten zur großen Pause gehen sollte, in der ich mich endlich mit meinem Buch in eine Ecke verkrümeln konnte. Vielleicht auch einfach so, weil man halt überall mal hinguckt, wenn man sowieso nichts zu tun hat. Tatsache war jedoch, dass ich dabei mitansehen durfte, wie [style type="italic"]er[/style], namentlich Theodor von Hohenstein, seine Brille zerbrach. Einfach so mittendurch. Vermutlich hatte er vorher damit herumgespielt, weil ihm die dämlichen Gleichungen nicht so gehorchen wollten wie der Rest der Welt, und plötzlich machte es leise 'Knack' und er hatte zwei zerbrochene Teile in der Hand. In dem Moment, als es passierte, sah er hoch und mir direkt in die Augen. Und dann wurde er rot. Ich schwöre, ich habe es gesehen. Mister Ich-bin-ja-so-eine-obercoole-Sau schoss das Blut ins Gesicht, während er mich anstarrte wie eine Kuh, wenn's donnert. Ich war so verdattert, ich konnte nicht mal lachen. Stattdessen verzog sich mein Mund nach einer halben Ewigkeit zu einem mitfühlenden Kann-ja-jedem-mal-passieren-Lächeln, das er auch noch erwiderte, bevor er sich der Schadensbegutachtung widmete und mich wieder vollkommen ausblendete. Und ich? Ich saß da mit einem Herzklopfen, das noch bis in die nächste Klasse zu hören sein musste, und dachte nur:

 

„Scheiße, ich bin verknallt.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  z1ck3
2020-05-04T18:03:20+00:00 04.05.2020 20:03
Warum habe ich jetzt einen Ohrwurm von:
1000 mal berührt,
1000 mal ist nichts passiert....
Antwort von:  Maginisha
05.05.2020 10:35
Haha, ja, das könnte tatsächlich passen. Manche brauchen eben etwas länger. ^_~


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