Memories von Pragoma ================================================================================ Kapitel 21: Camp Town --------------------- 'Cause you are the cool in my disaster And I can't let you goI try to run to you faster With you, I'm not alone You've been gone way too long, it's getting cold How do I know if you'll be back? These walls are twisting and burning down They all keep screaming out your name Where did you go, my world is caving in I'm holding on and following the winds' Cause you are the cool in my disaster Arctic Moon feat. Shuba - Cool In My Disaster “So kriege ich das auf keinen Fall hin. Das reißt mich finanziell komplett auseinander und ich hab Mitarbeiter, um die ich mich auch noch kümmern muss.” Andre sah niedergeschlagen aus und das, obwohl er Wochen in der Klinik verbracht und seither kein Marihuana angerührt hatte. Seinen Traum, den Kfz-Meister machen zu können, rückte wieder einmal in weite Ferne. Seufzend griff er zu einer Zigarette, drehte sie einige Male in der Hand und zündete sie schließlich an. “Und jetzt?” Fragend sah er Marty an, der bereits zu überlegen schien. “Du weißt, dass du jederzeit zurück kannst? Also nicht zum Film, aber vielleicht machst du ein paar Fotos mit der richtigen Person zusammen und schon hast du die Hälfte zusammen.” Fotos machen mit der richtigen Person? Sprach Marty jemand bestimmten an? Irgendwie kam es ihm so vor. Das breite Grinsen sagte deutlich, dass ihm jemand Besonderes vorschwebte. “Und wer soll diese Person sein?”, fragte er misstrauisch nach, konnte sich aber bereits denken, wer gemeint war. “Denkst du an Kevin?”, wollte er deswegen direkt wissen. Marty nickte vorerst, zündete sich sein Zigarillo an und blies den Rauch in kleinen Kringeln nach oben in die Luft. Aufmerksam sah er Andre anschließend an, beobachtete ihn und studierte ganz genau seine Reaktion. Wie zu erwarten, war eine zarte Röte auf seinen Wangen. Die Gefühle waren noch immer vorhanden, schlummerten und warteten darauf, neu entfacht zu werden. “Wusste ich es doch. Noch immer ist da was.” Andres Schweigen war Antwort genug. Er konnte es nicht leugnen, Marty anlügen oder sich herausreden. Man sah es, merkte es deutlich an seinem Verhalten. Er wirkte unsicher, beinahe wie damals, als es ihm bewusst wurde, dass da mehr war, aber nie sein würde. Das dachte er immer und vor einem Jahr hätte er die Chance gehabt und hatte sie vertan. Nicht, weil er nicht wollte, aber vieles war unklar und Andre war kein Fan davon, lange und breit erklären zu müssen. Besonders über seine Gesundheit oder der Tatsache, dass Kevin noch immer in diesem Job steckte. Er kam damit noch weniger klar, als damit, dass er die Finger von Gras lassen sollte, da es seine Depressionen begünstigte. Nachdenklich biss sich Andre auf die Unterlippe, dachte nach, ob er wirklich so weit gehen sollte. Fotos für seinen Traum, dazu mit Kevin, den er eigentlich vor einem Jahr aus seinem Leben gestrichen hatte. Konnte er nochmal einen Schritt, einen letzten, auf ihn zugehen und es endlich mit seinen Gefühlen vereinbaren? Er war sich nicht sicher, blickte immer wieder zu seinem alten Mentor, zu dem Menschen, der immer schon gewusst hatte, dass da mehr war und nie ein Drama daraus gemacht hatte. Andre war dankbar dafür. “Es gibt bereits jemanden, der dich gerne wieder auf Fotos sehen würde. Dafür müssten wir aber nach Camp Town”, erklärte Marty und fuhr sich nachdenklich über seine Bartstoppeln. Ausgerechnet Camp Town, dachte sich Andre, erinnerte sich zurück an seinen Ausbruch, an den Streit, daran, dass er alles versucht hatte, hinter sich zu lassen. Am Ende hatte es bedingt geklappt, sich ein neues und vor allem anderes Leben aufzubauen. Andre würde diesen Weg jedoch ein letztes Mal gehen, ins kalte Wasser springen und Kevin gegenübertreten. Einige Tage später brannte Andre die afrikanische Sonne gnadenlos ins Gesicht, während Marty einige Telefonate tätigte und wie ein aufgescheuchtes Huhn über die marmorierte Terrasse lief. Erst nach rechts, dann nach links und schließlich lief er angespannt im Kreis. Ein Anblick, der Andre schmunzeln ließ und Marty von einer ganz anderen Seite zeigte. Hier war er ganz er selbst, kein Arbeitstier und doch machte Marty mit einem Schlag ein Gesicht, als würde man ihm seinen heiligen Käse vom Buttertoast stibitzen. Ein Anblick, den Andre kannte und stutzig machte. Scheinbar war in der Villa weiter oben in felsiger Landschaft etwas vorgefallen und er musste weg. “Alles okay, Marty?”, fragte er, legte sein Handy weg und wartete darauf, dass er eine Antwort bekam. “Ich muss nur kurz weg. Einiges mit Lukas durchgehen, da sich ein bisschen etwas verändert hat”, erwiderte der kahlköpfige Mann, steckte sein Handy in die Hosentasche und rieb sich den Nacken. “Du kommst alleine klar, oder?” “Hau schon ab, ich bin kein Baby mehr.” Andre grinste bei seinen Worten und ignorierte den skeptischen Blick, der ihm dennoch zugeworfen wurde. Nachvollziehen konnte er es. Er war noch nicht lang genug vom Gras weg und er musste beweisen, dass es durchaus ohne ging. Enttäuscht hatte er Marty in den letzten Wochen nicht, zeigte, dass er es konnte, sich mit anderen Dingen ablenkte und dem Drang widerstand, rauchen zu wollen. Normale Zigaretten rauchte Andre noch immer. Sie waren nie das Problem und viele andere rauchten genauso ihr Kippe, um zu entspannen. Marty konnte getrost zur Villa fahren, ihn alleine lassen und um wichtige Dinge sich kümmern. Wie auch immer diese aussahen. Andre war zu lange schon raus und dennoch freute er sich irgendwie auf das anstehende Shooting. Der Kunde dahinter war bekannt, schon oft hatte Andre mit diesem zusammengearbeitet und die Fotos sahen immer verdammt gut aus. Lag aber auch an Attila, der als Fotograf einen guten Job machte und gewisse Posen kannte, die nachher nochmal mehr herausholten. Wie aber würde Kevin reagieren? Sowohl Marty als auch Andre selber hatten ihn im Blick und wussten, dass da noch immer Gefühle waren. Jedenfalls von Andres Seite und leugnen war genauso schwierig, wie verdrängen. Wie aber empfand Kevin? Immer noch wie damals oder hatte er aufgeben und längst jemand anderes gefunden? Andre biss sich auf die Unterlippe, konnte es sich nur schwer vorstellen, dass jemand seinen Platz eingenommen hatte und glücklich in Kevins Armen lag. Allein die Vorstellung sorgte für Übelkeit, sein Herz krampfte schmerzhaft zusammen und ihm war, als würde er ungebremst gegen eine Wand fahren. Es liefen sogar Tränen. Unbemerkt stahlen sie sich über seine Wangen, tropften von seinem Kinn und auf sein Handy, welches er noch immer in der Hand hielt. Überlegend sah er es an, dann öffnete er langsam Instagram und hob einige Blockierungen auf. Max wurde entblockt, ebenso Jack und am Ende hob er jene bei Kevin auf, ohne ihn anzuschreiben. Das hätte Zeit, er wollte nicht aufdringlich sein oder ihn am Ende nerven. Nein, ein paar Tage gab er sich noch Zeit, um ihn anzuschreiben. Auf eine Antwort hoffte er erst gar nicht, es war nicht nur ein Jahr vergangen, es war auch eine ganze Menge passiert. Andre seufzte, legte das Handy weg, nur um es einige Sekunden später wieder in die Hand zu nehmen. Warum rief Marty ihn jetzt an? Krontrolle, ob er alleine klarkam oder war am Ende etwas passiert? Mit einem komischen Gefühl in der Magengegend nahm er den Anruf entgegen und hörte angespannt zu, was Marty zu berichten hatte. Was er hörte, gefiel ihm gar nicht. Kevin hatte offensichtlich einen Zusammenbruch, war nervlich am Ende und lag bereits im Krankenhaus. “Ist er ansprechbar?”, wollte Andre wissen, nachdem er den riesigen Kloß in seinem Hals heruntergeschluckt hatte und sprechen konnte. “Weiß ich nicht, aber ich hole dich jetzt und dann fahren wir beide hin”, erwiderte Marty, legte danach schon auf und hinterließ einen verwirrten Andre, der fassungslos auf sein Handy starrte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)