Das Schlachthaus in der Minton Street von ReptarCrane ================================================================================ Kapitel 11: Chapter 3 - 4 ------------------------- Nachdem die Suche nach Richard schließlich nach drei Tagen erfolglos abgebrochen worden war dauerte es keine Woche, bis Abigail verschwand. Dieses Mal war es keines der Elternteile, die jemandem davon erzählten, offenbar hielten die beiden es für besser, das Verschwinden zu verheimlichen. Wahrscheinlich war ihnen klar, dass all das langsam auffällig wurde. Vielleicht hatten sie sich auch genau deshalb Abigail als nächstes Opfer ausgesucht; die Tochter die keine Freunde hatte, sehr introvertiert war und in der gesamten Stadt als sonderbar galt; teilweise sogar als irre. Doch eines Tages klopfte es an der Tür bei einem der Nachbarn, und Charlotte, die jüngste Tochter, die damals grade erst fünf Jahre alt war, erzählte vollkommen verängstigt davon, dass ihre Schwester verschwunden war, dass ihre Eltern sich seltsam verhielten und dass sie Angst hatte. Die Nachbarn wussten zunächst nicht, was sie tun sollte, doch die nahmen Charlotte fürs erste bei sich auf, versuchten von ihr zu erfahren, was genau ihr solche Furcht bereitete, doch das kleine Kind konnte nicht mehr sagen als dass ihre Eltern sich merkwürdig verhielten, vor allem, seit Michael verschwunden war. Es dauerte zwei Tage, in denen Charlotte bei den Nachbarn blieb, bis diese sich schließlich entschieden, zur Polizei zu gehen. Warum sie so lange gewartet hatten konnten sie selbst nicht sagen; der Mann hatte wohl ein paar Mal an die Haustür der Crichtons geklopft um mit Phillip zu reden, doch hatte er nie eine Reaktion bekommen, und so hatte er einfach einen Brief hinterlassen mit der Information, dass Charlotte sich bei ihnen befand und sich die Familie keine Sorgen um sie zu machen brauchte. Doch nach zwei Tagen war es ihnen dann anscheinend alles zu seltsam erschienen. Die Polizeibeamten klopften ebenfalls an die Tür, und auch sie erhielten keine Antwort, sodass sie entschieden, die Tür gewaltsam zu öffnen. Was sie dort im Inneren des Gebäudes vorfanden, überraschte und schockierte sie gleichermaßen. Im Flur, am Fuße der Treppe, lag der Körper des jüngsten Sohnes; auf dem Rücken und mit weit aufgerissenen Augen an die Decke starrend. Er hatte drei Einschusswunden, zwei in der rechten Schulter und eines direkt in der Brust. Offensichtlich war er grade dabei gewesen, nach oben zu gehen, als von vorne auf ihn geschossen wurde. Die nächste Leiche fand man im Wohnzimmer. Bei dieser handelte es sich um Eliza, die jüngste Tochter, die in ihrem Sonntagskleid auf dem Sofa saß, auf dem Schoß einen Teller mit einer halb gegessenen Brotstulle. Der weiße Stoff des Kleides war durchtränkt von Blut, und noch etwas; einer gräulichen Masse, denn Eliza war in den Kopf geschossen worden und…“ „Nora, bitte“ Dads Stimme klang seltsam belegt, vorwurfsvoll blickte er seine Frau an und verschränkte demonstrativ seine Arme vor der Brust. „Wir essen grade!“ „Ist ja gut, ist ja gut. Jedenfalls war Eliza ebenfalls tot. Gleichzeitig fand einer der Beamten oben, in Victorias Zimmer, ein Skelett, welches, ebenfalls in ein weiße Sonntagskleid gekleidet, im Bett lag. Die Knochen waren sorgsam abgeschabt worden, vollkommen frei von Muskeln, Sehnen und Fleisch, und das Skelett war sorgsam zugedeckt worden als wolle man den Eindruck erwecken, dass Victoria einfach bloß schlief. In der Küche fand man schließlich die verbliebenden Familienmitglieder der Crichtons. Sie saßen am gedeckten Esstisch, vor sich jeweils ein Teller mit einer Scheibe Brot und Tassen, die leer waren. Das letzte Kind, dessen Leiche hier gefunden wurde, Elizas Zwillingsschwester Teresa, lag mit dem Kopf auf ihrem Teller in einer Blutlache. Ihr war von hinten in den Kopf geschossen worden. Felicia und Phillip saßen nebeneinander. Sie hielten sich an den Händen, ihre toten Augen starrten ins nichts, neben Phillips Stuhl lag ein Gewehr. Felicia war direkt ins Herz geschossen worden, wahrscheinlich war sie direkt tot gewesen. Phillip, der sich wohl als letztes verbliebenes Familienmitglied selbst gerichtet hatte, hatte wohl nicht so viel Glück gehabt. Eine Kugel steckte in seinem Schädel, hatte das Gehirn jedoch nicht durchdrungen, sodass er anscheinend unter Schmerzen beschlossen hatte, sich ebenfalls einen Herzschuss zu verpassen. Eine weitere Kugel war in einer Rippe steckengeblieben, eine dritte hatte die Bauchdecke durchbrochen. Das war definitiv kein schneller Tod. Neben seinem Teller lag ein Briefumschlag. Offensichtlich hatte er sich vor seiner furchtbaren Tat, in deren Verlauf er seine gesamte restliche Familie gerichtet hatte, die Zeit genommen, eine Art Abschiedsbrief zu verfassen. Eine Erklärung für seine Taten. Vielleicht sogar ein Versuch von Rechtfertigung. Der genaue Wortlaut dieses Briefes ist heute natürlich niemandem mehr bekannt. Es gibt auch keine Fotos von diesem Stück, und das ist auch eines der Details, den viele Leute als Begründung dafür anführen, dass diese ganze Story nichts weiter als eine Urban Legend ist. In der Form der Geschichte, die wir uns früher erzählt haben, lautete der Inhalt des Briefes allerdings ungefähr so: Ich weiß, dass es keine Erklärung gibt, die die Menschen verstehen und akzeptieren werden, warum ich all das getan habe. Ich werde es ihnen nicht begreiflich machen können, denn sie befinden sich nicht in meiner Lage. Mir und meiner geliebten Frau, Gott habe sie selig, bot sich die Wahl zwischen dem Hungertod und dem Opfer eines geliebten Menschen. Es sollte durchaus verständlich sein, dass wir uns entschieden den Tod mehrerer mit dem einer einzigen Person zu verhindern, obgleich die Grausamkeit wohl kaum von euch Außenstehenden akzeptiert werden kann. Ich wünschte, ich wäre nicht gezwungen gewesen, diese Schritte zu unternehmen, doch so bleibt mir nichts weiter als um Vergebung zu bitten und zu hoffen, dass Gott meine missliche Lage versteht. Michael, Richard, Victoria und Abigail starben nicht umsonst, denn sie hielten und länger am Leben als es uns unter gottesfürchtigen Umständen möglich gewesen wäre. Man vergebe mir diesen nahezu blasphemischen Ausfall, doch ich bin ein verzweifelter Mann, der weiß, dass seine Zeit nun gekommen ist. Ich weiß, was ich getan habe, und ich bin bereit, die Konsequenzen dafür zu tragen. Doch nicht hier auf der Erde, denn hier kann ich nicht aus Verständnis hoffen. Ich bete, dass Gottes Engel Gnade walten lassen, und dass sie verstehen, dass mir keine andere Wahl blieb. Ich bete, dass ich in den Himmel eingelassen werde, wo ich meine geliebten Kinder dann wiedersehe, gemeinsam mit meiner Frau, die zwar von meinen Taten Kenntnis hatte, die selbst jedoch niemals Hand angelegt hat. Ich weiß, dass es vorbei ist, dass sie erfahren werden, was hier geschehen ist, und nun bleibt mir nichts weiter als meiner Familie die Schmach zu ersparen, die ich über sie gebracht habe, und sie vorzeitig zum Herrn zu schicken. Möge Gott mich gerecht richten. Gezeichnet Phillip Richard Crichton Laut diesem Brief hat Phillip also zugegeben, seine Kinder getötet zu haben um nicht zu verhungern, und am Ende tötete er den Rest seiner Familie, damit diese nicht mit dem Wissen leben mussten, dass ihr Vater ein Mörder war. Später dann fand man im Stall den Leichnam von Abigail. Ihr Fleisch war bloß teilweise entfernt worden, so als wäre nicht mehr genügend Zeit gewesen sie vollends zu verarbeiten. Wahrscheinlich war Phillip klar gewesen, dass es, nachdem Charlotte weggelaufen war bloß noch eine Frage der Zeit wäre bis die Polizei vor seiner Tür stand und ihn für das festnahm, was er getan hatte. Im Schlachthaus selbst fand man Behälter mit Organen, von denen der örtliche Arzt schnell feststellen konnte, dass sie einem menschlichen Körper entnommen worden waren. Wahrscheinlich hätten die Crichtons diese auch noch zubereitet und verspeist, wären sie nicht durch Charlottes Flucht ausgehalten worden…“ Mit einem seltsam zufriedenen Lächeln lehnte Mom sich zurück und musterte jeden einzelnen der am Tisch sitzenden mit abwartendem Blick. Dad blickte ein wenig unglücklich auf seinem Teller, als sei er sich nicht ganz sicher ob er die nächste Gabel Reis wirklich essen wollte, und Lilith schien im Laufe der Geschichte vollkommen vergessen zu haben, dass sie vor sich noch eine gute Portion Curryreis auf dem Teller hatte. „Krass!“, murmelte sie, dabei mit der Messerspitze über den Tellerrand kratzend. „Die Kannibalenfamilie von Seborga!“ Auch Eddie sah beeindruckt zu seiner Mutter, einerseits hatte ihn die bloße Tatsache beeindruckt, dass sich solch eine romanreife Horrorgeschichte in Seborga abgespielt haben sollte, andererseits fand er auch die Art, wie seine Mutter die ganze Story wiedergegeben hatte, als würde sie sie grade ablesen, ausgesprochen faszinierend. Neben sich hörte er Victor sagen: „Okay, so eine Geschichte hab ich wirklich nicht erwartet.“ Wie automatisch nickte Eddie. Das ging ihm ganz genau so. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)