Das Schlachthaus in der Minton Street von ReptarCrane ================================================================================ Kapitel 5: Chapter 2 - 2 ------------------------ Das Buch in der Hand drehte er sich wieder um, hielt es beinahe triumphierend hoch. „Das hier…“ Weiter kam er nicht mit seiner Erläuterung, bevor Victor ihn unterbrach. „Was hast du mit deinem Arm gemacht?“ Ein wenig überrascht richtete Eddie seinen Blick auf das angesprochene Körperteil. Sicher, den Schmerz hatte er bemerkt, doch einen Blick darauf geworfen hatte er, seit er aus dem Keller herausgeklettert war, nicht. So hatte er auch keine Ahnung, dass der Schnitt um einiges schlimmer aussah, als er sich anfühlte. Der Ärmel seiner Jacke war heruntergerutscht und gab den Blick frei auf eine etwa zehn Zentimeter lange und vielleicht halb so breite Kruste, über die in diesem Augenblick erneut frisches Blut rann; wahrscheinlich war die Wunde durch eine ungeschickte Bewegung wieder aufgerissen. Ein wenig verlegen antwortete er: „Ja, lange Geschichte irgendwie… hängt aber mit dem zusammen, was ich dir zeigen wollte!“ „Was auch immer das auch ist, du kannst es mir zeigen nachdem dieser Schnitt da behandelt wurde!“ Victor wandte sich wieder seinem Schreibtisch zu und öffnete Zielstrebig eine der Schubladen, holte eine Flasche, in der sich wahrscheinlich Desinfektionsmittel befand, und eine kleine rote Tasche heraus. „Und jetzt setz dich bitte endlich hin, du machst mich nervös, wenn du da so rumstehst!“ Der Aufforderung Folge leistend ließ Eddie sich aufs Bett fallend und machte sich nun auch endlich daran, seine Jacke auszuziehen; hier drinnen war es ohnehin viel zu warm um sie zu tragen. Victor setzte sich neben ihn, stellte Desinfektionsmittel und Tasche neben sich ab. Während er die Wunde betrachtete, fragte er: „Gut, okay. Also was Bitteschön hast du gemacht?“ Und, noch bevor Eddie antworten konnte, fügte er hinzu: „War das wieder Dan, oder Neil, oder Alva?“ „…nicht direkt…“ Angestrengt starrte Eddie auf das Buch, das er noch immer in der Hand hielt. Den Part, in dem er vor den Idioten weggelaufen war, hätte er eigentlich gerne weggelassen. Andererseits hätte sich ohne dieses Ereignis wohl kaum erschlossen, was er in dem Keller eines fremden, verlassenen Hauses zu suchen gehabt hatte, also stieß er ein resigniertes Seufzen aus und begann mit seiner Erklärung: „Neil, Dan und Jay haben an der Main Street auf mich gewartet, als ich nach Hause wollte. Keine Ahnung, was die schon wieder für ein Problem hatten… Ich bin jedenfalls weggerannt, und… aua!“ Er blickte auf und sah, wie Victor mit einem Tuch etwas von dem Desinfektionsmittel auf dem Schnitt verteilte; es brannte höllisch. Victor blickte ebenfalls auf, lächelte leicht verlegen. „Entschuldigung… die Wunde war aber ziemlich verdreckt! Also, was haben diese Arschlöcher gemacht?“ „Gar nichts. Also, nicht direkt.“ Allmählich ebbte der Schmerz ab, und Eddie beobachtete, wie Victor die rote Tasche öffnete und eine Tüte mit Mullbinden und eine kleine weiße Tube herausholte. Bei jeder anderen Person hätte es ihn wahrscheinlich äußerst verwundert, wenn sie derartige Dinge einfach in ihrem Zimmer griffbereit gehabt hätte, bei Victor jedoch erschien ihm das vollkommen normal. Während Victor die Tube öffnete und die Schnittwunde mit Creme bestrich fuhr Eddie fort: „Sie haben mich nicht erwischt. Neil hat sich auf die Klappe gelegt, und Dan und Jay haben erst mal doof daneben gestanden, und darum habe ich‘s geschafft, in eine Nebenstraße zu rennen. Die, blöderweise, eine Sackgasse war. Aber ich hab gesehen dass bei einem dieser uralten Häuser in dieser Straße das Kellerfenster kaputt war, und als ich da durchgeklettert bin hab ich mir den Arm zerschnitten.“ Grade war Victor dabei gewesen, die Tüte mit den Mullbinden zu öffnen, nun jedoch blickte er erneut auf und fragte perplex: „Moment, du bist in ein fremdes Haus eingebrochen?“ „…okay, so klingt das irgendwie sehr drastisch…“ Gut, streng genommen war es genau so gewesen, dennoch gelang es Eddie nicht, das Ganze wirklich mit einem Einbruch gleichzusetzen. Victors auffordernden Blick bemerkend fuhr er fort: „Das Haus hat ausgesehen, als hätte da schon seit Jahren niemand mehr gewohnt. Ein… Lost Place, quasi. Und was hätte ich denn machen sollen? Abwarten bis die drei mich eingeholt haben?“ „Nein, natürlich nicht!“ Nun wandte sich Victor wieder dem Verbandszeug zu, diese Erklärung schien ihm bezüglich des Vorwurfes des Einbruchs vollkommen auszureichen. „Also, ein Lost Place in Seborga? Wo denn?“ „In der Minton Street“, erwiderte Eddie, und fügte, als Victor ihn erneut fragend ansah, hinzu: „In der Nähe vom Rathaus. Ich war da glaube ich auch noch nie… das ist so eine ganz kleine Nebenstraße, und eben eine Sackgasse, wie ich bemerkt habe. Sieht allgemein alles sehr alt aus da…“ „Okay. Und? Was Spannendes gefunden?“ Während Victor mit einer Hand eine Auflage auf den Schnitt legte und mit der anderen den Anfang einer Verbandsrolle entwirrte warf er einen Blick auf das Buch, das Eddie noch immer in der Hand hielt, was der für den Augenblick vollkommen vergessen hatte. Nun jedoch nickte er, legte das Buch auf seinen Schoß und klappte den Einband auf. „Da drinnen war alles total verstaubt, aber ich hab mich ein bisschen umgesehen und Fotos gemacht… und dann hab ich dieses Buch gefunden.“ „Und mitgenommen“, stellte Victor knapp fest. Es klang nicht vorwurfsvoll oder dergleichen, es war wirklich lediglich eine Feststellung. Erneut nickte Eddie. „Ja… ich fand es interessant. Da sind Zeichnungen und Notizen drin, zu menschlichen Organen und Knochen und so. Keine Ahnung, ich fand das echt spannend… und ich dachte, du kannst da bestimmt mehr mit anfangen!“ „…menschliche Knochen und Organe?“ Victor sah nicht auf, sondern konzentrierte sich augenscheinlich darauf, den Verband um Eddies Arm zu wickeln, dennoch war ihm seine Irritation deutlich anzumerken. „Okay, ich verstehe, dass du das spannend fandest, so aus künstlerischer Sicht wahrscheinlich, aber hallo; das klingt einfach so als wärst du im Haus von irgendeinem Serienkiller gelandet!“ Nun konnte Eddie nicht umhin, kurz aufzulachen. „Das sagst ausgerechnet du? Du hast ein Poster über den menschlichen Körper an deiner Wand hängen!“ Wie zum Beweis zeigte er in Richtung des angesprochenen Gegenstandes, ein Poster im A1 Format, das zwischen Victors Schreibtisch und dem Fenster hing. „Ganz ehrlich, dieses Buch könnte auch gut dir gehören!“ Victor, grade dabei das Ende des Verbandes mit einem Pflaster zu fixieren, verdrehte gespielt genervt die Augen. „Touché. Trotzdem, in einem Horrorfilm wärst du wahrscheinlich draufgegangen! …so, fertig.“ Eddie sah auf, betrachtete den Verband an seinem Arm, und kurz überkam ihn ein Gefühl des Unbehagens. „Besten Dank, aber…hättest du nicht einfach ein Pflaster nehmen können? Ich hab keine Ahnung, wie ich das Mom erklären soll…“ „Nein, Pflaster hätte nicht gereicht“, gab Victor zurück, während er die Tüte und die Cremetube wieder in der Tasche verstaute. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit dem Büchlein zu. „Also zeig her, was ist so faszinierend daran?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)