Wenn die Chemie stimmt von Atina ================================================================================ Kapitel 2: ----------- Freitag, 05. April „Ohhhh….“, mit einem Stöhnen wachte Leonora am Morgen auf. Ihr Kopf dröhnte und ihr war übel. Warum ist mir nur so schlecht? Ich habe doch gar nicht so viel getrunken. Oder? Sie richtete sich langsam auf, stand auf und trottete ins Badezimmer. Als erstes nahm sie eine Kopfschmerztablette aus dem Spiegelschrank, die sie einnahm, bevor sie sich frisch machte und die Zähne putzte. Wie bin ich eigentlich nach Hause gekommen? Ich kann mich nicht mehr erinnern. Das Letzte, das ich weiß, ist, dass Irina mit Jörg und Max die Tanzfläche gestürmt hat. Nachdem sie angezogen war, ging sie in die Küche, um sich etwas zu trinken zu holen. Auf dem Küchentisch lag ein Zettel.     Falls du mit Kopfschmerzen bzw. Erinnerungslücken aufwachst, dann wird das an den Drogen liegen, die dir jemand in den Drink geschüttet hat. Ich habe dich nach Hause gebracht - BEVOR dir jemand etwas tun konnte. Trink viel Wasser, dann werden die Schmerzen vergehen.   Aber in Zukunft solltest du vielleicht besser auf deine Drinks aufpassen, ich kann schließlich nicht jedes Mal vor Ort sein...     Leonora drehte den Zettel herum, um zu sehen, ob auf der Rückseite noch etwas stand, doch sie war leer. Kein Name? Kann das stimmen? Hat mir wirklich jemand Drogen gegeben? Ihre Hand griff an die Stirn, als sie versuchte die letzte halbe Stunde vor ihrem Blackout zu rekonstruieren. Möglich ist es wohl. Ich hatte unsere Gläser nicht die ganze Zeit im Blick, weil ich die Drei beim Tanzen beobachtet habe. Scheiße… Leonora klappte ihren Laptop auf und fuhr ihn hoch. Sofort öffnete sie das Chatprogramm und schrieb Irina.   Leo:    Hallo IriGirl: Hey…. Na, schon wieder fit? Du warst gestern plötzlich weg. Leo:    frag lieber nicht, ich habe einen totalen Filmriss und mir ist immer noch übel IriGirl: Was hast du denn noch getrunken? Leo:    Nichts. Das ist es ja. IriGirl: Was ist dann passiert? Leo:    Ich glaube, mir hat jemand k.o-Tropfen in meinen Cocktail geschüttet. Zumindest sagt das der Zettel, den ich auf dem Küchentisch gefunden habe IriGirl: Zettel? Leo:    In der Küche war ein Zettel, auf dem stand, ich solle das nächste Mal auf meinen Drink aufpassen und dass der Schreiber mir geholfen hat, bevor etwas passieren konnte IriGirl: Wow Leo:    Das kannst du laut sagen IriGirl: Und stand auch der Name deines Helden drauf? Leo:    Leider nicht …. Ich hoffe nur, dass es auch wirklich stimmt IriGirl: Na, hast du denn irgendwie Schmerzen oder blaue Flecken oder so, die drauf hindeuten könnten, dass dir was angetan wurde? Leo:    nein IriGirl: Dann ist ja schon mal gut Leo:    Wie konnte mir das nur passieren? IriGirl: Zur falschen Zeit am falschen Ort Leo:    Hmmmm             Hast du eine Idee, wie ich ihn finden kann, um mich zu bedanken? IriGirl: Puh             Wie wäre es mit der caz? Leo:    Einfach eine Anzeige? IriGirl: Schaden kann es bestimmt nicht Leo:    Okay IriGirl: Sehen wir uns gleich beim Balfanz? Leo:    Eigentlich sagt mein Kopf nein, besonders zu allgemeiner Didaktik, aber ja IriGirl: Alles klar, dann bis gleich Leo:    Bis gleich   ***   „Mensch Leo, wo warst du denn gestern auf einmal?“ Max, der sich durch die Reihen des Hörsaals zu ihr, Irina und Jörg durchgekämpft hatte, ließ sich auf den Sitz fallen. „Frag lieber nicht.“ „Warum? Was ist denn passiert?“, hakte Max nach. „Wenn ich das nur wüsste. Mir muss jemand k.o.-Tropfen gegeben haben, ich kann mich an nichts erinnern. Ihr seid auf die Tanzfläche und ich habe euch zugesehen, ab da verschwimmt alles.“ „Ach du Schande. Geht es dir wieder gut? Hast du irgendwelche Verletzungen?“, sofort wurde seine Stimme besorgt. „Nein. Ich habe nur noch Kopfschmerzen. Mir hat jemand geholfen, sagt der Zettel in meiner Küche.“ „Wie jetzt? Zettel?“, fragte Jörg, der ebenfalls zugehört hatte, und Leonie berichtete vom Zettel des unbekannten Helfers. „Der war in deiner Wohnung?! Aber vergewaltigt wurdest du nicht, oder?“ „Ich war komplett angezogen, also eher nicht. Oh man, wenn du das aussprichst, dann schüttelt es mich gleich nochmal. Was alles hätte passieren können!“ Tränen stiegen ihr in die Augen und Irina nahm sie tröstend in den Arm. „Bei unserer nächsten Party wird das Glas nicht mehr aus der Hand gegeben und wir haben immer ein Auge aufeinander!“     Dienstag, 09. April Die Cafeteria Zebradiele, die zur Alten Mensa gehörte, war zu dieser frühen Uhrzeit wenig besucht, trotzdem erfüllte ein Gemurmel den Raum. Einige Tische waren von einzelnen Personen besetzt, die einen Kaffee tranken oder etwas frühstückten und dabei ihre Mitschriften lasen oder Hausaufgaben machten, an anderen saßen zwei oder mehrere Studenten, die sich unterhielten, lachten oder gemeinsam an Aufgaben arbeiteten. Am Fenstertisch saß ein junger Mann, der an seinem Laptop schrieb. Manchmal kamen einige Studenten hinein, holten sich ein belegtes Brötchen oder einen Salat und verließen die Cafeteria wieder. Auch Leonora saß mit Irina in der Cafeteria und besprach mit ihr das nächste Chemiepraktikum. Es ging um einen Anionennachweis aus einer unbekannten Substanz. „An sich müssen wir für die Carbonat-Ionen doch nur eine Säure zugeben. Kohlenstoffdioxid steigt auf und das leiten wir in Kalkwasser ein. Ist es wirklich Kohlenstoffdioxid aus den Carbonat-Ionen, dann fällt ein weißer Niederschlag aus“, meinte Leonora. „Schon. Aber ich habe etwas davon gelesen, dass es auch Störungen durch die anderen möglichen Ionen geben kann. Ich glaube durch Thiosulfat- und Sulfit-Ionen“, erwiderte Irina. „Wo hatte ich das nur her?“ „Ja, aber wenn das stört, was machen wir dann?“ „Ich weiß es nicht mehr.“ „Mädels, tut mir leid, dass ich mich einmische, aber ihr müsst vorher einige Tropfen Wasserstoffperoxid zufügen. Damit umgeht ihr die Störung und Kohlenstoffdioxid kann ausgetrieben werden.“ Der junge Mann mit dem Laptop, der am Nebentisch gesessen hatte, hatte sich zu ihnen herübergebeugt. Leonora und Irina sahen ihn mit großen Augen an. „Wenn wirklich Carbonat-Ionen enthalten sind, dann müsst ihr vor den weiteren Versuchen Essigsäure zugeben, um das Carbonat auszulöschen.“ „Das ist total logisch. Vielen lieben Dank!“ „Ich helfe gern, wenn ich kann. Das ist wirklich kein Ding“, antwortete der junge Mann. „Wie heißt du eigentlich? Wir haben uns noch gar nicht vorgestellt. Ich bin Leonora und das ist meine Freundin Irina.“ „Ich bin Felix. Schön, euch kennen zu lernen.“ Ein Lächeln umspielte seinen Mund. „Bist du Chemiker oder Chemieingenieur oder Lebensmittelchemiker?“, wollte Irina wissen. „Chemiker, 4. Semester. Ich saß im letzten Jahr genauso hier wie ihr zwei und habe weder ein noch aus gewusst für das Anorganik-Praktikum. Der Jander-Blasius weiß viel, aber manchmal versteht man es doch nicht ganz.“ „Das ist wohl wahr.“ Im Gespräch wurde es um sie herum immer lauter. Mehr und mehr Besucher kamen in die Cafeteria, um sich etwas zum Frühstück zu holen. Irina blickte auf die Uhr. „Verdammt, der zweite Block fängt gleich an. Wir müssen los.“ Beide Frauen fingen an, ihre Sachen zusammen zu klauben und im Rucksack zu verstauen. „Entschuldige, dass wir so abrupt losmüssen, aber die Vorlesung beim Gloe sollte man besser nicht verpassen. Man sieht sich sicher mal wieder.“ „Man sieht sich immer zwei Mal im Leben“, antwortete Felix mit einem Augenzwinkern. „Danke nochmal für deine Hilfe!“ Damit waren sie auch schon aus der Cafeteria. Felix sah ihnen mit einem Lächeln im Gesicht nach und widmete sich dann wieder seiner Ausarbeitung.   ***   Die Vorlesung zu den Nebengruppenelementen bei Professor Gloe verging, ebenso das Seminar Schule als Institution aus der Fakultät Erziehungswissenschaften. Zur Mittagszeit startete das Physikpraktikum, das jedoch weniger schwere Versuche bereithielt im Vergleich zur Anorganik. Am späten Nachmittag trennten sich Irinas und Leonoras Wege. „Wo musst du jetzt hin?“ „Ins Hörsaalzentrum zu Sherlock Holmes and Literary Theory“, antwortete Leonora. „Ach ja, das coole Seminar. Ich habe nur Angewandte Linguistik.“ Irina verzog das Gesicht bei dem Gedanken an die kommende Doppelstunde. „Das schaffst du schon noch. Und Jörg steht dir sicher auch zur Seite, um dich nebenbei etwas zu unterhalten.“ „Ja, schon. Wenn nicht noch das fertig machen des AC-Protokolls für Donnerstag anstehen würde.“ „Daran lass uns noch nicht denken“, meinte Leonora, verzog aber auch das Gesicht beim Gedanken daran.   ***   Ein starker Arm, der sie festhielt. Ein frischer Duft, der an die salzige Meeresluft erinnert. Leonora lag mit geschlossenen Augen im Bett und versuchte nach dem langen Tag einzuschlafen, doch die Erinnerungsbruchstücke vor ihrem inneren Auge hielten sie wach. Wer ist der Mann nur gewesen? Ich würde ihn so gern kennenlernen. Ihm danken und ihn fragen, warum er mir geholfen hat. Woher er überhaupt wusste, dass ich Hilfe brauche. Oder war er es doch selbst, der mir die Tropfen verabreicht hat? Sie drehte sich von der linken auf die rechte Seite, knüllte das Kissen noch etwas zusammen unter ihrem Kopf, doch der ersehnte Schlaf ließ auf sich warten.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)