Sommernacht von QueenLuna ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Sommernacht Wenn der Schlaf einem fernbleibt oder wie man zu einer passenden Erfrischung kommt. Müde nehme ich meine Brille ab und lasse den Kopf auf die Tischplatte vor mir sinken, um für einen Moment die Augen zu schließen. Es ist so heiß. Kaum auszuhalten. Mein Shirt klebt unangenehm auf der Haut und ich habe das Gefühl, dass meine kurze Hose definitiv ein schmatzendes Geräusch von sich gäbe, würde ich mich jetzt aus dem Schneidersitz erheben. Doch ich habe nicht vor mich zu bewegen. Es reicht so schon, dass meine Beine förmlich mit der Tatamimatte unter mir verschmolzen zu sein scheinen. Irgendwie klebt gerade einfach alles. Frustriert drehe ich meinen Kopf zur Seite und werfe einen wehleidigen Blick auf den kleinen Ventilator, der nur eine Armeslänge von mir entfernt auf dem Tisch steht und eifrig seiner Arbeit nachgeht. Nur leider sorgt der warme Luftstrom, den er fröhlich im Raum verteilt, nicht wirklich für die nötige Abkühlung, egal wie sehr er sich darum bemüht. Träge taste ich nach meinem Handy, das irgendwo neben mir auf dem Boden ruht. Ich bin gerade einfach zu faul, um meinen Körper auch nur ansatzweise aufzurichten und die Suche vielleicht zusätzlich auf visuelle Weise zu unterstützen. Nein, es muss auch mal so gehen. Nach einer Weile spüre ich die glatte Oberfläche meines ständigen Begleiters unter den Fingerspitzen, hebe ihn langsam vor mein Gesicht und entsperre den Bildschirm. Keine Nachrichten. Wie sollte es auch anders sein? Es ist nicht so, dass ich enttäuscht bin, denn an sich habe ich auch keine erwartet. Wobei, eigentlich habe ich schon ein ganz kleines bisschen auf ein Lebenszeichen meiner Kollegen gehofft. Unabhängig davon, ob es nun Shinya wäre, der sich nach meinem Wohlbefinden erkundigt oder Kyo, der irgendein Bild mit Essen schickt, um mich an seinem Alltag teilhaben zu lassen. Aber nein, nichts dergleichen ist bisher passiert. Selbst eine Nachricht von Kaoru, der schon wieder mit Zeitplänen um sich wirft, hätte ich begrüßt. Ich seufze leise in mich hinein. Dieses Jahr scheinen sich wirklich alle daranzuhalten, freie Tage wirklich freie Tage sein zu lassen und deshalb soziale Kontakte in diesem Zusammenhang auf ein Minimum zu reduzieren. Schön und gut und prinzipiell auch eine tolle Sache, mal einfach nichts zu tun, aber keine Nachrichten heißt auch Langeweile und keine Möglichkeit der Zerstreuung für mich. Wobei ich ja finde, dass man sich nach fünf Tagen Funkstille doch mal melden könnte – waren schließlich genug Tage zum Ausspannen. Aber gut, wenn auf digitaler Ebene gerade Ödnis vorherrscht, könnte ich ja selbst ein wenig Leben in meine virtuelle Welt bringen. Irgendetwas sollte mir schon einfallen. Mein Daumen schwebt einen Moment zögernd über dem Kamerasymbol. Soll ich oder soll ich nicht? Ach, warum eigentlich nicht... Nach einem kurzen Blick zu meinem Freund und Helfer, dem Tischventilator, öffne ich die App und visiere das surrende Gerät über mein Display an. Wer verhindert, dass ich in diesem beinahe Sauna ähnlichen Raum nicht völlig zerfließe, hat es verdient, von mir verewigt und mit der Öffentlichkeit geteilt zu werden. So! Wenige Augenblicke später ziert das Abbild des Ventilators die Uploadzeile meines Twitteraccounts und ich versuche mein Hirn dazu zu bekommen, sich einen weltbewegenden Satz auszudenken, um der Welt meine momentane Situation noch etwas besser vor Augen führen zu können. Ja, ich neige mal wieder etwas zur Theatralik, aber was muss, das muss. Langsam wandert mein Finger über das Display und ich besehe mir das Ergebnis, bevor ich es mit meinen Followern teilen werde: „Back to the routes. Wenn die Klimaanlage mal wieder streikt.“ Ungewollt runzle ich die Stirn, während meine Augen erneut über das Geschriebene wandern. Irgendwas stimmt doch da nicht, aber hieß es nicht ‚Back to the routes‘? Um einer eventuellen Blamage wegen kaum vorhandener Englischkenntnisse zu entgehen, öffne ich schnell das Übersetzungsprogramm auf meinem Handy und siehe da, es heißt ‚roots‘ nicht ‚routes‘. Mich gedanklich selbst dazu beglückwünschend den Fehler gerade noch rechtzeitig entdeckt zu haben, lade ich schließlich die korrigierte Version hoch und lasse das Handy nach getaner Arbeit wieder sinken. Das war jetzt ganz schön viel Interaktion, dafür dass ich mich eigentlich gar nicht hatte bewegen wollen. Einen Augenblick lang bleibe ich mit dem Kopf auf dem Tisch liegen und beobachte wie hypnotisiert den Ventilator bei seinem Tun. Doch mittlerweile macht sich mein Rücken bemerkbar, der nicht besonders glücklich über meine momentan recht ungesunde Sitzposition ist, weshalb ich mich langsam nach hinten auf den Boden sinken lasse, alle Gliedmaßen von mir gestreckt. Ich fühle mich gerade echt zerschlagen. Meine Augen wandern zu der geöffneten Schiebetür, die zu dem kleinen Garten führt, der zum Haus gehört. Vereinzelte Tropfen, die auf die schmale Veranda treffen, unterbrechen immer wieder leise das gleichmäßige Rauschen des Regens. Diese sanfte Geräuschkulisse hat schon beinahe etwas Einschläferndes und Angenehmes, brächte der Regen nicht gleichzeitig diese unerträgliche Schwüle mit sich, die jeden Winkel des alten Hauses auszufüllen scheint. Seufzend schließe ich die Augen und lausche einen Moment lang dem Regen, der von dem monotonen Surren des Ventilators begleitet wird. So sehr mich diese Geräusche auch beruhigen mögen, das Surren einer funktionierenden Klimaanlage wäre mir gerade eindeutig lieber. Es ist ja nicht so, dass die Klimaanlage wirklich streikt, wie ich in meinem Tweet behauptet habe - nein, es gibt schlicht und einfach keine. Wer konnte auch ahnen, dass wir wohl das einzige Haus der Gegend gemietet haben, welches an seinen alten Traditionen festhält und keine Klimaanlage besitzt? Okay, vielleicht hätte es mir bei der Buchung vor einer Woche auffallen können, wenn ich mir die Beschreibung des Objekts näher durchgelesen hätte. Zu dem Zeitpunkt hatte es aber recht schnell gehen müssen und die Fotos inklusive der beschriebenen Meeresnähe hatten mich einfach sofort überzeugt, weshalb ich die restlichen Details außer Acht gelassen hatte. Was soll's? Wenigstens ist das Haus hübsch und liegt abgelegen genug, um Ruhe und Erholung finden zu können. Ruhe und Erholung waren auch genau das, was wir nach dem Beenden unserer letzten Tour gebraucht hatten. Wobei Die eindeutig mehr als ich. Als er vor etwas mehr als einer Woche überraschend vor meiner Tür gestanden hatte und mir halb in die Arme gefallen war, hatten bei mir sämtliche Alarmglocken angefangen zu schrillen. Der eigentliche Plan hatte ursprünglich vorgesehen, einige Tage getrennt voneinander zu verbringen, um nicht dem After-Tour-Koller (kurz: ATK) zu erliegen oder uns vielmehr durch das ständige Zusammensein der vorangegangenen Monate gegenseitig auf die Nerven zu gehen, doch irgendwie war dieser Plan nicht aufgegangen. Aber wie hätte ich meinen Freund auch wegschicken sollen, wenn er schon nach zwei Tagen Trennung wieder meine Nähe suchte? Das wäre nicht gegangen und hätte mir womöglich das Herz gebrochen, wenn es nicht ohnehin schon bei Dies völlig fertigem Anblick geschmerzt hätte. Dass Die das Ende einer Tour nie sonderlich gut wegsteckte, wusste ich, beziehungsweise wussten wir als Band, seit Jahren. Er hatte danach schon immer seine Down-Phasen gehabt, aber diese inzwischen anders als in unserer Anfangszeit nicht mehr mit Alkohol und Partys kompensiert, sondern meist mit sich alleine ausgehandelt. Doch seit wir beide vor fast einem Jahr zusammengekommen waren, hatte nicht nur die körperliche, sondern auch die seelische Nähe deutlich zugenommen und ich war mehr als froh darüber, dass er aktiv meine Nähe suchte, wenn es ihm schlecht ging und er nicht versuchte, den Starken zu mimen. Nur dieses Mal war nicht nur die normale After-Tour-Downphase an seinem Zustand schuld. Vielmehr hatte er den Fehler gemacht, sich wieder einmal im Internet verschiedenste Kommentare zu uns als Band und speziell zur Tour durchzulesen. Wir alle hatten ihm schon mehrfach davon abgeraten, da diese leider durchaus auch mit negativen Äußerungen durchzogen waren, die man an sich nicht ernst zu nehmen brauchte. Aber Die konnte es nicht lassen und nun hatten wir den Salat: einen mit sich und der Welt völlig fertigen Die. Er nimmt sich solche Sachen einfach viel zu sehr zu Herzen. Obwohl in solchen Hasskommentaren kaum ein Fünkchen Wahrheit steckt, und Die das eigentlich auch weiß, ist es trotzdem sehr schwierig, ihn wieder aus seinem Loch herauszuholen, wenn er erst einmal drinsitzt. Somit hatte ich schließlich spontan beschlossen, dass wir beide gemeinsam ganz dringend Urlaub nötig hätten - und das nicht zu Hause in den eigenen vier Wänden – sondern dass ein Tapetenwechsel das Beste wäre, um auf andere Gedanken zu kommen. Und das ist nun das Endergebnis davon. Ich liege hier in diesem alten, traditionellen – ich würde fast sagen – Landhaus auf dem Boden und lausche dem Regen, während mein Liebster irgendwo ist, nur nicht hier. Ich will mich nicht darüber beklagen, dass er mit Abwesenheit glänzt – denn dauerhaftes Aufeinanderhocken auf engstem Raum hat auch nicht unbedingt etwas mit Erholung zu tun – aber als er heute Morgen meinte, er würde ein paar Kleinigkeiten einkaufen wollen, hatte ich noch nicht damit gerechnet, dass er gleich mal mehr als vier Stunden verschwunden wäre und ich nun in dieser Schwüle alleine vor mich hin leiden müsste. Eigentlich hat das kleine Dorf, an dessen Rand sich unsere Behausung befindet, sowieso nicht viele Einkaufsmöglichkeiten zu bieten und für einen Wocheneinkauf würde der winzige Supermarkt des Ortes vermutlich nicht reichen, aber um Kleinigkeiten zu kaufen schon. Und an etwas anderes hatte ich im Vorfeld auch nicht gedacht. Aber Dies Vorstellung von sogenannten Kleinigkeiten unterscheidet sich manchmal dezent von denen anderer Leute, wie ich in der Vergangenheit schon ab und zu feststellen durfte. Als hätte er meine Gedanken erahnt, vibriert in diesem Moment meine Verbindung zur Außenwelt, welche ich immer noch in meiner Hand halte und Dies Name leuchtet auf dem Display auf. Ein ungewollt freudiges Kribbeln breitet sich in meinem Körper aus, als seine leicht raue Stimme wenige Sekunden später an mein Ohr dringt. „Toshiya? Hab ich dich geweckt?“ Ich muss schmunzeln. Wie kommt er denn darauf, dass ich bei diesen Temperaturen seelenruhig schlafen könnte? „Nein, alles gut.“ Einen Moment lang herrscht Ruhe am Telefon, nur unsere gleichmäßigen Atemzüge sind zu hören, ehe ein Seufzen seinerseits diese Stille durchbricht. „Entschuldige, dass ich so lange brauche. Ich wollte dir nur Bescheid sagen, dass ich jetzt zurückfahre und vermutlich in etwa einer Stunde wieder da bin.“ Zurückfahren? War Die nicht eigentlich zu Fuß aufgebrochen? Und wieso eine Stunde? Verwundert runzle ich die Stirn und fahre mir durch die kurzen Haare. „Wo bist du denn?“ Ein leises, etwas verschämtes Lachen erklingt und jagt mir einen angenehmen Schauer über den Rücken. Er lacht. Wenigstens etwas, nachdem er in den vergangenen Tagen zeitweise etwas teilnahmslos hier herumgesessen hatte. Wenn ein ausgedehnter Einkaufsbummel Dies Laune wenigstens ein bisschen heben konnte, will ich mich nicht beschweren, dann sollte er meinetwegen gerne öfter mal länger unterwegs sein. „Ich bin nochmal in die Nachbarstadt gefahren. Ich erkläre es dir später. Oh, der Bus kommt gerade! Ich muss Schluss machen!“ „Geht klar, Die. Bis nachher“, schaffe ich es gerade noch zu sagen, ehe das Gespräch beendet ist. Ein Lächeln stiehlt sich auf meine Lippen, als ich langsam das Handy sinken lasse. Da klang ja jemand ganz schön gehetzt. Ich schnaube amüsiert bei der Vorstellung eines mit Einkaufstaschen vollbeladenen Dies, der dem Bus hinterherrennt. Ja, das wäre typisch Die. Mühsam rappel ich mich auf und erhebe mich vom Boden. Wenn ich jetzt wirklich noch eine Stunde für mich hätte, wäre der Versuch ein wenig zu dösen, doch recht verlockend. Besonders nachdem die letzten Nächte nicht sonderlich viel Schlaf mit sich gebracht hatten. Ich strecke mich kurz, lasse meinen Nacken knacken, ehe ich mir mehrere Kissen vom Boden schnappe und mich damit nach draußen auf die überdachte Veranda begebe. Hier ist das Prasseln des Regens eindeutig lauter, aber nicht störend. Neugierig strecke ich den Arm aus und lasse meine Hand von oben berieseln. Die Tropfen fühlen sich erfrischend, fast schon kühl auf meiner Hand an. Auch wenn sich kaum ein Windhauch regt, habe ich die Hoffnung hier im Freien etwas der stickigen Luft von drinnen zu entkommen und mich ein paar Minuten ausruhen zu können. Ich werfe die Kissen auf den Boden und gehe noch einmal zurück zum Tisch, um den Ventilator so zu positionieren, dass er in Richtung der geöffneten Schiebetüren zeigt und somit zu mir. So könnte mir bei meinem Schlafversuch wenigstens ein leichtes Lüftchen um die Nase wehen. Kurze Zeit später liege ich seitlich auf den Kissen ausgestreckt, mein Kopf ruht auf einem Arm, während mein Blick über das satte Grün des Gartens vor mir wandert. Begleitet von dem Rauschen des Regens macht sich ein angenehm ruhiges Gefühl in mir breit. Ohne großes Zutun fallen mir langsam die Augen zu. ~*~ Das leise Geräusch vereinzelter Tropfen, die auf das Dach treffen, wird lauter und holt mich allmählich aus meinem Dämmerzustand. Ich atme tief durch die Nase ein, um den weichen Geruch des Regens, der mein Bewusstsein bisher nur wenig berührt hat, in mich aufzunehmen. Mein müder Geist wird nach und nach wacher und so registriere ich nun mit leichter Verspätung die Hand, die sanft über meinen Rücken streicht. Verwirrt blinzelnd öffne ich die Augen einen Spalt breit, versuche mich an die Helligkeit zu gewöhnen. Das Bild vor mir ist unverändert, der Garten erscheint immer noch genauso frisch und grün, wie vor meinem Schläfchen, der Regen plätschert munter vor sich hin. Nur die Berührung in meinem Rücken ist neu. „Die?“ „Mh?“ Das sanfte Streicheln in meinem Rücken stockt für einen winzigen Moment, ehe es unbeirrt fortgesetzt wird. Ich seufze zufrieden auf. Wusste ich doch, dass er es ist… Wer auch sonst? Meine Lider senken sich erneut und ich entspanne mich. Wie ich es mag, wenn Die mir wieder einmal seine ganze Aufmerksamkeit schenkt, wenn auch diesmal nur in Form dieser kleinen, zarten Streicheleinheit. Wäre es nicht so eklig schwül, hätte mein Körper Dies Zuwendung sicher mit einer Gänsehaut belohnt, aber so bin ich zu nichts anderem im Stande, als hin und wieder genießerisch ein- und auszuatmen, den Gedanken dabei zur Seite schiebend, ob mein Shirt am Rücken ebenso feucht ist, wie sich mein restlicher Körper anfühlt. Aber ich will nicht weiter darüber nachdenken oder es nicht gar nachprüfen, viel lieber gebe ich mich diesem angenehmen Augenblick hin, alles andere um mich herum ignorierend. Nach einer Weile lässt sich der Gedanke allerdings nicht mehr verdrängen, so drehe ich mich langsam auf den Rücken zurück, Dies Hand verschwindet von mir. Vielleicht gibt es ja Menschen, denen es nichts ausmacht, wenn scheinbar alles an einem nass und klebrig ist, aber ich gehöre definitiv nicht dazu. Mir ist allein die Vorstellung, dass mich jemand im verschwitzten Zustand anfassen müsste, irgendwie zuwider. Weniger wegen mir selbst, sondern viel mehr, weil ich mir einfach nicht vorstellen kann, dass das für den anderen ein tolles Gefühl sein könnte. Okay, das Thema Sex sei hierbei mal ausgeklammert, das ist diesbezüglich was völlig anderes. Doch scheinbar stört Die mein verschwitzter Zustand herzlich wenig, wie mir ein prüfender Seitenblick zu ihm bestätigt. Da liegt mein Gitarrist einfach neben mir, den Kopf auf einem Arm abgestützt, während er mich leicht lächelnd betrachtet. Seine andere Hand zeichnet weiterhin kleine Muster, nur diesmal auf den Holzfußboden. Dieser Anblick lässt mich lächeln, denn auch das ist irgendwie so typisch Die. Er kann einfach nie richtig stillhalten, besonders seine Hände nicht. Und doch wirkt er nach langer Zeit mal wieder entspannt, so wie er den harten Boden neben mir schmückt und leicht auf seiner Unterlippe herumkaut, während er versucht den Blickkontakt mit mir aufrechtzuerhalten. Für einen Moment würde ich einiges dafür geben, zu erfahren, was gerade in seinem Kopf vor sich geht, während er mich derart intensiv anschaut. Aber meist erfahre ich es in irgendeiner Art und Weise früher oder später sowieso. Nach einer kleinen Weile wird mir unser Anstarrspiel zu bunt, weshalb ich einfach nach Dies Oberteil greife und ihn in einer schnellen Bewegung zu mir ziehe, so dass er halb auf mir landet. Seinen überraschten Ausruf übergehe ich einfach, als ich ihm einen Kuss auf den Mund drücke und ihn gleich darauf wieder loslasse. Seine großen Augen, die mich mit einer Mischung aus Überraschung und einer Spur enttäuschter Ungeduld anschauen, bringen mich zum Grinsen. Ja, ich liebe schnelle Übergriffe. Obwohl Die meine Art mittlerweile zur Genüge kennen sollte, scheint er jedes Mal aufs Neue aus dem Gleichgewicht zu geraten, so wie jetzt. Und genau das mag ich an ihm. Ich strecke mich noch einmal ein Stück nach oben und hauche einen weiteren Kuss auf seine Lippen, ehe ich ihn mit leichtem Nachdruck etwas von mir schiebe und mich gleichzeitig ihm folgend auf die Seite drehe. So liegen wir da, auf dem hölzernen Boden der schmalen Veranda, umgeben von einem Vorhang aus Regen und hängen unseren Gedanken nach, während jeder das Gesicht des anderen bis ins kleinste Detail zu erforschen scheint. Für Außenstehende geben wir momentan sicher ein recht amüsantes Bild ab, aber faules Rumliegen ist gerade einfach nur das, was ich will und wenn mein Liebster mir dabei Gesellschaft leistet, umso besser. „Wie lang bist du eigentlich schon wieder zurück?“, frage ich schließlich leise in unsere persönlich auferlegte Stille. Dass meine Frage etwas plötzlich kam, scheint auch Die so zu empfinden, denn er blinzelt kurz. Na, da war wohl jemand sehr tief in seinen Gedanken gefangen. Sein verwirrter Gesichtsausdruck sieht schon ziemlich niedlich aus – so niedlich wie ein erwachsener Mann eben sein kann. Ich kann ein Zucken meiner Mundwinkel kaum verhindern. „Schon eine Weile. Aber ich wollte dich nicht wecken.“ Ohne groß darüber nachzudenken, strecke ich eine Hand aus und fahre Die damit sanft über die Wange. „Das ist lieb von dir. So wie du gerade aussiehst, hättest du übrigens auch mal wieder etwas Schlaf nötig.“ Um meine Worte zu untermalen, streiche ich vorsichtig mit dem Daumen unter Dies Auge entlang, wo sich nun schon seit einer geraumen Weile dunkle Schatten abzeichnen. Er sieht wirklich müde aus. Während meine Finger weiterhin hauchzart die Gesichtskonturen meines Freundes erkunden, hat dieser die Augen geschlossen und scheint sich beinahe ein wenig meinen Berührungen entgegen zu lehnen. Jetzt kann ich mein Lächeln wirklich nicht mehr unterdrücken. Ich bleibe dabei: Die kann echt niedlich sein, besonders wenn bei ihm wie jetzt eine gewisse Ähnlichkeit zu einer verschmusten Katze durchkommt. „Mh ja, ich versuche es heute Nacht nochmal mit zeitigem Schlafengehen. Also wenn du mich lässt…“, kommt es leise von ihm, doch der neckende Unterton ist trotzdem deutlich herauszuhören. Als würde das noch nicht reichen, um mir die Botschaft hinter seinen Worten mitzuteilen, verziehen sich seine Lippen zu einem schelmischen Grinsen, während seine halb geöffneten Augen meine Reaktion ganz genau zu beobachten scheinen. Und meine Reaktion in Form eines dezent beleidigten Gesichtsausdrucks inklusive theatralischer Schnute kann ich ihm ja schlecht verwehren, wenn er es schon darauf anlegt. „Ey! Das war nur zweimal… okay dreimal, ich geb‘s zu. Aber tu nicht so, als hätte es dir gestern nicht gefallen, denn ich hab da ein paar ganz bestimmte Erinnerungen dran.“ Dies amüsiertes Auflachen lässt mich beinahe zusammenzucken, so unerwartet ist dieser Klang nach den letzten Tagen. Mein Herz macht einen kleinen Hüpfer, während ich gespielt mürrisch meinem Liebsten in die Rippen pikse, was diesen nur noch mehr kichern lässt, während er gleichzeitig versucht, meinen Finger aufzuhalten. Diese lockere Stimmung habe ich schon eine ganze Weile vermisst. Nicht, dass die letzten Tage angespannt gewesen wären, aber es war irgendwie anders. Ich könnte es nicht mal genau beschreiben, aber Dies Verfassung hat mir einfach auf dem Gemüt gelegen, unabhängig davon wie der gesamte Tag generell verlaufen war. Inzwischen freue ich mich einfach über jeden fröhlichen Moment, den wir beide gemeinsam teilen, denn diese nehmen mir immer wieder etwas von dem schweren Stein in meinem Inneren, der mich niederzudrücken scheint, ohne dass ich es verhindern kann. So lasse ich mich in diesem Augenblick auch liebend gerne von Die zu sich heranziehen. Unsere Lippen treffen sich zu einem liebevollen Kuss, was meinen Magen zum Flattern bringt, besonders weil ich mich darüber freue, dass diesmal die Initiative von ihm ausgeht. Nach einer Weile lösen wir uns voneinander, doch er denkt nicht daran, mich wieder auf Abstand gehen zu lassen, sondern zieht mich in eine lockere Umarmung, so dass mein Kopf auf seiner Brust zum Liegen kommt. Und obwohl mir weiterhin verdammt heiß ist – vielleicht jetzt sogar noch mehr als vorhin – und ich das Gefühl habe, wir kleben demnächst unlösbar zusammen, genieße ich diesen Augenblick doch sehr. Dies Herzschlag an meinem Ohr ist gleichmäßig und kräftig, wenn auch womöglich etwas schnell, und dennoch besänftigt er mich. Ich spüre, wie seine Hand sich zu meinem Rücken stiehlt und hauchzart darüber streichelt. Bevor ich komplett auf Die zerfließe – ob nun der Streicheleinheit oder eben der Temperatur geschuldet, sei mal dahingestellt – hebe ich leicht den Kopf und stütze mich mit dem Kinn auf Dies Brustkorb ab, während ich zu ihm linse. Eine Frage brennt mir schließlich seit unserem Telefonat unter den Nägeln. „Wo warst du eigentlich, dass du so lange weg warst? Ich dachte, du wolltest nur ein paar Kleinigkeiten kaufen.“ Das Wort ‚Kleinigkeiten‘ betone ich dabei besonders, um ihn damit an seine Aussage von heute Morgen zu erinnern. Einen Moment lang schaut Die reichlich zerknirscht drein, ehe sein Gesichtsausdruck sogar etwas unsicher zu werden scheint, was mich ein wenig irritiert. Wieso ist er denn wegen solch einer Frage unsicher? „Lässt du mich kurz aufstehen? Ich hab dir was mitgebracht.“ Etwas verdattert lasse ich es zu, dass er mich mit einer behutsamen Bewegung von sich runterschiebt und aufsteht. Okay, das war jetzt nicht unbedingt eine Antwort auf meine Frage. Die geht ins Innere des Hauses und ich sehe nur, wie er in Richtung Küche verschwindet. Kurz darauf vernehme ich das leise Klacken der Kühlschranktür und Die kommt zurück in mein Blickfeld. Ich rapple mich auf, als er sich vor mir hinkniet und mir eine Tüte entgegenstreckt, deren Inhalt ich nicht erkennen kann. Verwundert nehme ich das Mitbringsel an und erschaudere. Es ist eiskalt. Kein Wunder, wie mir ein Blick in die Tüte verrät. Es ist eine große Packung Eis. Leicht gesalzenes Erdnusseis, um genau zu sein. Meine Lieblingssorte in dieser Saison, seit ich sie durch Zufall vor ein paar Monaten in einem kleinen Supermarkt entdeckt hatte, und die leider nur schwer aufzutreiben ist. Mit großen Augen blicke ich von meinem kostbaren Geschenk – anders kann ich es gerade nicht betiteln – zu meinem Liebsten auf, der mit leicht verschämtem Gesichtsausdruck vor mir sitzt und sich etwas unsicher durch die langen Haare fährt. Er war doch nicht wirklich - ? „Ich wollte dir etwas mitbringen, aber irgendwie hatten sie hier nichts Passendes und deshalb -“ „ - und deshalb bist du mit dem Bus in die nächste Stadt gefahren?“, unterbreche ich ihn. „Nur um mir Eis zu kaufen?!“ Eine gewisse Fassungslosigkeit macht sich in mir breit. Dieser … dieser Depp! Fährt der extra bei dem Wetter durch die Gegend, nur um mir was Besonderes mitzubringen. Ungläubig schüttle ich den Kopf. Oh Mann, womit hab ich das eigentlich verdient? Einer plötzlichen Eingebung folgend lege ich eine Hand in seinen Nacken und ziehe ihn für einen Kuss zu mir heran, die Tüte mit der Eispackung immer noch in der anderen Hand. Die plötzliche Kälte, die daher gleich darauf unsere Oberkörper berührt, lässt uns fast zeitgleich zusammenzucken und auseinanderfahren. Einen kurzen Moment lang blicken wir uns etwas ratlos in die Augen, ehe wir anfangen zu lachen. Ich stelle das Eis neben mir auf dem Boden ab und überbrücke erneut den Abstand zwischen uns, ehe ich mich zurück auf meine Fersen hocke. „Oh Die, du bist echt unmöglich. Du musst doch für so was keine halbe Weltreise auf dich nehmen“, schüttle ich immer noch dezent fassungslos den Kopf. „Na ja, ich hab ja nicht nur das gekauft…“, verteidigt sich mein Freund, während ich ihm schmunzelnd eine Strähne hinters Ohr streiche und ihm anschließend einen Kuss auf die Wange hauche. „Hab noch ein bisschen was besorgt, damit wir genügend Essen für die restlichen Tage haben“, höre ich ihn kleinlaut vor sich hin nuscheln. Na, wenn ich das mal glauben soll. Aber egal, was Die wirklich zu seiner Busrundfahrt bewogen hat, ob nun die Suche nach meinem Eis oder eben der Wocheneinkauf, ich freue mich einfach über diese liebe Geste, was ich ihm mit einem ins Ohr geraunten „Danke schön. Ich freue mich sehr darüber.“ wissen lasse. Huch? Ich würde fast meinen, dass sich ein leichter Rotschimmer auf die Wangen meines Liebsten legt, während sich ein Grinsen auf seine Lippen schleicht. Ja, so gefällt mir mein Die gleich viel besser. Ich rutsche ein wenig weg von ihm, setze mich an den Rand der Veranda und lasse die Beine in den Garten baumeln. Vereinzelte Regentropfen treffen meine Haut, doch sie stören nicht, sind sogar herrlich erfrischend. Über die Schulter hinweg blicke ich zu Die, der immer noch lächelnd eine Armeslänge von mir entfernt hockt, und klopfe mit der Hand auffordernd auf den freien Platz neben mir. „Kommst du? Wenn du dir schon so eine Mühe mit dem Eis machst, dann lass es uns wenigstens gemeinsam genießen.“ ~*~ Schlussendlich durfte ich das Eis doch gänzlich allein essen – da Die dieser Eissorte leider nicht so viel abgewinnen konnte – und er saß auch nicht neben, sondern vielmehr hinter mir. Während ich es mir leicht an ihn gelehnt bequem gemacht hatte und mir immer wieder mit einem der zur Eispackung gehörenden Plastiklöffel einen kleinen Berg von der Köstlichkeit genehmigte, waren seine Hände irgendwann auf Wanderschaft über meinen Oberkörper gegangen. Es störte mich nicht, viel mehr fühlte ich mich rundum zufrieden. So ließ es sich doch ganz gut leben. Nach einer Weile waren meine Gelüste nach Eis gestillt gewesen und so hatte ich es mir schlussendlich mit dem Kopf auf Dies Schoß bequem gemacht. So liege ich nun hier und döse vor mich hin, während die Finger meines Freundes inzwischen eine neue Beschäftigung gefunden zu haben scheinen. Das leichte Zupfen auf meinem Kopf, ab und zu begleitet von einem sanften Streichen durch meine Haare, hat etwas herrlich Einlullendes an sich, weshalb ich meine Augen mittlerweile gar nicht mehr öffnen mag. Ich liebe es, wenn wir einfach nur wie jetzt zusammen sein können und unsere Zweisamkeit ohne Bedenken, was andere davon halten würden, genießen. Genau solche Augenblicke scheinen mir einfach viel zu selten vorzukommen, besonders in den letzten Wochen, denn auf Tour gab es kaum Möglichkeiten dazu. Nicht, dass wir unsere Beziehung vor den anderen geheim halten würden oder dass unsere Freunde und Kollegen überhaupt etwas dagegen hätten – das sicher nicht. Aber generell war unser Terminkalender während dieser Zeit zu vollgestopft, um mal einen ausreichenden Moment der Ruhe zu finden. Und dazu kamen außerdem die vielen Außenstehenden, die uns immer begleiteten. Nicht, dass ich diesen misstraue, aber irgendwie hätte ich keine Sekunde unseres Zusammenseins richtig genießen können. So waren intensive Momente zwischen Die und mir in den letzten Monaten doch ziemlich Mangelware und durchaus an einer Hand abzählbar gewesen. Also hat unser Urlaub noch einen weiteren positiven Grund, nicht nur um Dies Gemütszustands willen. Auch wenn mir mitunter des Öfteren nachgesagt wird, manchmal unüberlegt oder sogar sehr ich-bezogen zu handeln – wenn es um meine liebsten Menschen, insbesondere um Die geht, neige ich mittlerweile mehr denn je zur Überbesorgnis. Vielleicht nicht immer für andere von außen erkennbar, dennoch weichen mein Blick und meine Gedanken in solchen Zeiten kaum von demjenigen, dem gerade meine ganze Aufmerksamkeit gilt, ab. Ich kann es eben einfach nicht auf sich beruhen lassen, wenn es meinen Liebsten schlecht geht. Wie ich mit den Jahren selbst bemerkt habe, scheinen dann fast alle meine Handlungen unbewusst darauf ausgerichtet zu sein, Ablenkung, Freude und vielleicht sogar ein kleines Lächeln zu erzeugen. Deshalb, im Sinne der Ablenkung, hatte ich auch gleich am zweiten Tag unseres hiesigen Urlaubs auf einen Ausflug bestanden. Wenige Kilometer entfernt gab es ähnlich, wie in Kyoto, ein kleines Waldgebiet, in welchem sich Affen frei bewegen konnten und sogar von Touristen unter Aufsicht gefüttert werden durften. Hätte ich diese Ausflugsempfehlung nicht schon vorher im Internet entdeckt, unser Vermieter hätte es uns so oder so an unserem Ankunftstag als Highlight der Gegend angepriesen. Mehr Empfehlungen brauchte es nun wirklich nicht mehr und was gab es amüsanteres, als kleine Äffchen zu beobachten, die von Zeit zu Zeit überraschend menschlich wirkten und mich dabei verdächtig an einige entfernte Bekannte erinnerten? Richtig, nichts – jedenfalls nicht in dieser verschlafenen Region. Denn der Affenberg war hier wirklich das einzige Highlight. Also waren wir fast den gesamten Tag damit beschäftigt gewesen, die Gegend in einer wortwörtlichen Affenhitze zu durchwandern und schließlich im Wald gemeinsam mit den Tieren und anderen Besuchern etwas Abkühlung zu suchen und die Seele baumeln zu lassen. Und irgendwie war mein Plan wenigstens zum Teil aufgegangen, denn Die hatte seit diesem Tag wieder mehr gelächelt und insgesamt entspannter gewirkt. Wenigstens etwas. Auch wenn es vermutlich nicht nur an den tierischen Begleitern lag, denn ich hatte eher das Gefühl, dass Dies Interesse eindeutig mehr mir galt als den Affen. Ich konnte halt nur schwer meine zwischenzeitliche Begeisterung für die Tiere verbergen, was für den ein oder anderen Lacher gesorgt hatte. Nicht, dass es mich gestört hätte, solange es ihm nach und nach besser ging. Kleine Schritte führen zum Erfolg und so weiter. Er war zwar noch nicht völlig wiederhergestellt, doch eine Besserung war definitiv zu erkennen. Eben ganz nach der Devise: Tapetenwechsel und Ablenkung. Und scheinbar hat meine bisherige Vorgehensweise Die wirklich geholfen und ihn zum Teil zur alten Form zurückgebracht, wie mir ein Blick zu ihm nun verrät. Obwohl seine Augen und wohl auch seine Gedanken in der Ferne zu verweilen scheinen, so abwesend wie er gerade wirkt, umspielt ein leichtes Lächeln seine Lippen. Er sieht zufrieden aus, wie er einfach nur vor sich hinträumt. Ich kann nicht anders, als meine Hand nach oben zu strecken und ihm sanft mit dem Daumen über die Unterlippe zu fahren. Ich mag sein Lächeln halt einfach und es wird mir mit jedem Mal, wenn ich es sehe, ein bisschen leichter ums Herz. Ein verwunderter Blick trifft mich. „Du bist wach?“ „Ja, ich konnte nicht schlafen.“ Als Dies Gesichtsausdruck sich ein wenig ins Zerknirschte wandelt, setze ich schnell hinzu: „Nein, nein, es lag nicht an dir. Diese Schwüle macht mich einfach fertig.“ Sofort entspannt sich seine Mimik und seine Hand fährt fort, mir durchs Haar zu streichen. „Ist dir das nicht unangenehm?“ Seine Hand stockt erneut, als Die leicht irritiert auf mich hinabblickt. „Was meinst du?“ „Na, ich bin doch ganz verschwitzt. Hab gerade das Gefühl, dass ich gar nicht mehr aufstehen könnte, so wie ich hier festklebe.“ Einen kurzen Augenblick schaut er mich aufgrund meiner Überlegungen sprachlos an, ehe er auflacht. „Ach Toshiya, warum sollte mir ausgerechnet das unangenehm sein? Nach all den – mmh, ich würde sagen – verschwitzten Nächten des letzten Jahres sollte dich das doch nicht stören, oder?“ Ich kann nicht anders, als Dies breites Grinsen zu erwidern, während, von mir unbeabsichtigt, einige Bilder besagter Nächte vor meinem geistigen Auge vorbeiziehen. Na, wo er recht hat, hat er recht. Als Dies Lippen meine in einem leidenschaftlichen Kuss einfangen, ist sowieso keine Kapazität mehr zum Grübeln in meinem Kopf übrig. ~*~ Was mich geweckt hat, kann ich gar nicht genau sagen. Doch nun sitze ich hier im Wohnzimmer und blinzle etwas irritiert. Das flackernde Licht des Fernsehers erhellt den Raum, während mir die Lautstärke momentan ohrenbetäubend erscheint. Noch etwas verschlafen taste ich nach der Fernbedienung, die neben mir auf dem niedrigen Tisch liegt, und stelle das Gerät auf stumm. Ha, schon viel angenehmer! Nur noch das gleichmäßige Surren des Ventilators ist zu hören, während das Flackern des Fernsehbildschirms das Zimmer weiterhin in unruhige Helligkeit taucht. Ansonsten wirkt alles verdächtig still. Ein prüfender Blick auf die Uhr an der Wand verrät mir, dass es mittlerweile schon fast 21 Uhr ist. Was auch die allgemeine Dunkelheit erklärt, die den Raum erfüllt, mal abgesehen von der Beleuchtung durch die kleine Bildröhre. Hab ich doch fast vier Stunden geschlafen, das hätte ich gar nicht erwartet. Aber damit erklären sich auch die Schmerzen in meinem Rücken, der nicht ganz so begeistert vom wenig gepolsterten Untergrund zu sein scheint. Etwas ungelenk erhebe ich mich und strecke mich erst einmal ausgiebig. Aber wenigstens fühle ich mich jetzt nicht mehr ganz so zerschlagen, wie noch am Nachmittag. Für einen Moment bleibt mein Blick am Fernseher hängen und ich folge gedankenverloren der Game Show, allerdings ohne überhaupt im Entferntesten zu registrieren, um was es dabei geht. Wenige Augenblicke später reiße ich mich davon los und schüttle leicht den Kopf, um meine Gedanken wieder etwas zu ordnen. Es ist ziemlich ruhig im Haus, nicht mal das kleinste Knarren der alten Holzbalken ist zu vernehmen. Suchend schaue ich mich um. Wo ist Die abgeblieben? Als wir uns vor einigen Stunden ins Innere zurückgezogen hatten, hatte er neben mir gelegen, auch als mir irgendwann langsam die Augen zugefallen waren. Und nun? Kein Die weit und breit. Selbst mein prüfender Blick in die benachbarten Räume bringt meinen Freund nicht wieder zu Tage. Ebenso ungenutzt sieht das Bad aus, das ich als letztes aufsuche. Verwirrt runzle ich die Stirn, als ich wenig später wieder im Wohnzimmer stehe und versuche den restlichen Nachmittag Revue passieren zu lassen. Wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, hatte Die nicht erwähnt, dass er nochmal irgendwohin wollte. Eigentlich hatten wir die meiste Zeit sowieso nicht geredet, nachdem wir unsere ‚Kuscheleinheit‘ von der Veranda ins Wohnzimmer verlagert hatten. Danach hatten wir nur noch faul nebeneinander gelegen, während die stetige Hintergrundbeschallung durch den Fernseher mich mit der Zeit ins Traumland geführt hatte. Ich seufze auf und fahre mir im gleichen Zug mit der Hand durch die Haare. Na, wenn der Herr nicht im Haus ist, muss ich wohl oder übel draußen weitersuchen. Ich hoffe bloß, dass es nicht immer noch Bindfäden regnet, denn das würde meine Suche durchaus noch unangenehmer gestalten. Umsichtig öffne ich die Schiebetür zum Garten und versuche in der Dunkelheit etwas zu entdecken. Soweit ich ohne Brille erkennen kann, ist niemand hier. Kein Die. Aber wenigstens wurde einer meiner Wünsche erhört, denn der Regen hat mittlerweile wirklich aufgehört. Nur noch das vereinzelte, helle Geräusch vom Dach herabfallender Tropfen zeugt von der dauerhaften Nässe, die den ganzen Tag über ihren Weg vom Himmel nach unten gesucht hatte. Und der Regen hat sogar einen Teil dieser unerträglichen Schwüle mit sich genommen, denn das Atmen fällt mir mit einem Mal leichter. Es ist noch nicht ideal, dafür müsste ich wohl noch einige Wochen warten, aber durchaus erträglicher als die letzten Tage. Selbst die Wolkendecke wirkt nun aufgelockert, ist an einigen Stellen sogar aufgerissen und gibt so den sanften Umriss des Mondes frei. Das Bild vor mir wirkt schon sehr idyllisch. Doch diese Idylle und die damit einhergehende Ruhe hält nicht lange, denn eine plötzliche Berührung an meinem Knöchel lässt mich zusammenzucken und laut aufschreien. Verdammt, ich hoffe, das hat keiner gehört! Ist ja peinlich, besonders weil der Grund meines Erschreckens nur die Katze vom Nachbarhaus ist, die schmeichelnd um meine Beine streicht. Die letzten Tage hatte sie uns einige Besuche abgestattet, allerdings vermutlich nicht aus Höflichkeit, sondern um das ein oder andere Häppchen abzustauben. Ein paar Sekunden lang versuche ich meinen hämmernden Herzschlag zu beruhigen, ehe ich mich in die Hocke sinken und meine Hand durch das weiche Fell des kleinen, gestreiften Stubentigers gleiten lasse. „Hallo Du, bist du auch einsam?“ Ein zufriedenes Schnurren ist die Antwort auf meine Frage und wenn irgendwie möglich schmiegt sich das Fellknäuel noch näher an mich heran. Und wer bin ich denn, dass ich ihr die eingeforderten Streicheleinheiten verwehren könnte? So kraule ich sie eine Weile lang weiter und kann mir auch ein Lächeln aufgrund des obsessiven Schnurrens nicht verkneifen. Als der Stubentiger allerdings Anstalten macht, sich wie die letzten Male ins Haus stehlen zu wollen, schiebe ich sie sanft aber bestimmt zurück. „Nein, rein darfst du nicht. Jetzt schau nicht so beleidigt. Zum einen hab ich gerade nichts für dich da und ja, ich weiß, es ist warm, aber drinnen ist es auch nicht besser, das kannst du mir glauben.“ Toll, jetzt führe ich schon tiefgründige Gespräche mit einer Katze. „Schön draußen bleiben, ja?“ Vorsichtig schließe ich die Schiebetüren hinter mir, während ich vollends auf die Veranda hinaustrete, die großen, beinahe vorwurfsvollen Katzenaugen ignorierend. So leid es mir tut, aber ich habe gerade nicht die Muße dazu, mich später noch mit einer herumstreunenden Mieze im Haus auseinander zu setzen, während mein Freund weiterhin verschwunden zu sein scheint. Dass er nicht hier im Haus oder im Garten ist, ist mir mittlerweile klar. Einer leisen Ahnung folgend verlasse ich das Grundstück durch den Seiteneingang. Ein schmaler Weg führt von hier den kleinen Hügel, auf dem das Haus steht, hinunter. Je weiter ich mich vom Haus entferne, desto lauter wird das sanfte Rauschen der Wellen. Der Wind frischt etwas auf, fühlt sich dabei herrlich kühlend auf meiner Haut an. Kurz darauf liegt schon die beinahe schwarze Oberfläche des Meeres vor mir, die immer wieder an einigen Stellen vom Mondlicht erhellt wird. Ein faszinierendes Schauspiel. Ich nehme einen tiefen Atemzug und habe augenblicklich den leichten Salzgeschmack, den die Meeresluft immer mit sich bringt, auf den Lippen. Hach, genauso fühlt es sich fast richtig an. Aber eben nur fast, denn etwas beziehungsweise ein ganz bestimmter Jemand fehlt mir gerade an meiner Seite, um diesen Augenblick und dieses Bild vor mir wirklich genießen zu können. Ich gehe noch einige Schritte weiter, bis ich den kompletten, verwaist wirkenden Strand überblicken kann. Der Strand, oder vielmehr die kleine Bucht, ist nicht allzu groß und recht gut überschaubar. Und obwohl dieses Fleckchen Erde besonders tagsüber sehr schön anzusehen ist, erscheint es nahezu völlig unberührt. An sich waren Die und ich die Einzigen, die in den vergangenen Tagen den ein oder anderen Spaziergang hier unternommen haben, denn auf andere Leute sind wir dabei irgendwie nie getroffen. Nun gut, die Gegend ist ja sowieso nicht sonderlich gut besucht. Somit hat man eben mal wirklich Ruhe und genug Zeit für sich. Diese Ruhe strahlt auch die Gestalt aus, deren dunklen Umriss ich wenige Meter entfernt entdecke. Obwohl ich nur Schemen erkennen kann – das lange, helle Haar, das leicht im Wind weht, ist unverkennbar. Erleichtert stoße ich die Luft aus, ein Lächeln stiehlt sich auf meine Lippen, als ich mich ihm langsam nähere. Er bemerkt mich nicht, sondern sitzt einfach nur bewegungslos im Sand und scheint seinen Gedanken nachzuhängen. Vorsichtig, um ihn nicht allzu sehr zu erschrecken, lasse ich mich hinter ihm nieder und lege behutsam meine Hand auf seinen Rücken, um ihn auf mich aufmerksam zu machen. Er zuckt dennoch ein wenig zusammen, doch ein schneller, prüfender Blick über die Schulter lässt ihn sich schnell wieder fangen. Ich meine sogar ein leichtes Lächeln in seinem Mundwinkel auszumachen, aber ganz sicher bin ich mir wegen der Dunkelheit nicht. Wenige Sekunden später bemerke ich, wie Die sich nach hinten an mich lehnt. Ich kann nicht anders, als ihm seine Haare zur Seite und über die Schulter nach vorne zu streichen, ehe ich meine Arme um ihn schlinge und ihn an mich heranziehe. Meinen Kopf bette ich auf seiner Schulter, meine Wange liegt an seiner. Diese vertraute Nähe lässt mich zufrieden seufzen und auch Die atmet tief ein und aus, ehe sich seine Lider langsam senken. Es wirkt alles so friedlich. Ich hebe meinen Kopf ein wenig an und lege meine Lippen sanft auf seine Wange. Die hauchfeinen Bartstoppeln kratzen etwas, als ich behutsam über seine Haut wandere und schließlich an der Stelle unter seinem Ohr innehalte. Eine zarte Gänsehaut folgt meinem Tun, was mich schmunzeln lässt. Ich setze noch einen Kuss auf seinen Hals, ehe ich mich wieder an ihn schmiege und nun selbst die Augen schließe. „Ich hab dich beim Aufwachen vermisst.“ Ich spüre das leichte Heben und Senken seines Brustkorbs an meinem Körper. Es hat einfach etwas unheimlich Beruhigendes, Die so nah bei mir zu wissen, ihn zu halten und seine Wärme zu fühlen. Ich kann nicht verhindern, dass mein Herzschlag sich ein wenig beschleunigt. „Tut mir leid, ich musste einfach raus, sonst wäre mir die Decke auf den Kopf gefallen“, vernehme ich die leisen Worte. „Hab vergessen, einen Zettel hinzulegen.“ Ohne mich aus der Umarmung zu lösen, hebe ich eine Hand und streiche mit ihr sachte über seinen Oberkörper, einfach als Zeichen, dass ich nicht sauer bin. „Alles gut. Hab dich ja gefunden.“ Eine Weile sitzen wir einfach nur da, lauschen den Wellen und unseren eigenen Gedanken. Ich würde zu gern wissen, was meinem Gitarristen momentan auf der Seele liegt, doch aus inzwischen reichlich gesammelter Erfahrung weiß ich, dass fragen nicht viel nützt und er sich mir irgendwann sowieso öffnet. Meist eher früher als später. Und solche Momente machen mich sehr glücklich, da sie mir immer wieder zeigen, wie viel Vertrauen Die mir entgegenbringt, auch wenn ich manchmal etwas länger warten muss. Schließlich dringt seine Stimme zögerlich an mein Ohr. „Als ich dir vorhin beim Schlafen zugesehen habe, bekam ich auf einmal nur noch schwer Luft…“ „Warum?“ Er atmet tief ein, als ob er sich sammeln müsste. Behutsam greife ich nach seiner Hand und verschränke unsere Finger miteinander. „Ich hatte plötzlich Angst.“ Er zögert einen Moment. „Angst, dich zu verlieren.“ Verwirrt runzle ich die Stirn und hebe den Kopf ein Stück, um Die von der Seite ansehen zu können. Seine Augenbrauen sind ebenfalls zusammengezogen, die Lider geschlossen. Generell wirkt sein ganzer Körper mit einem Mal angespannt, als würde er die Angst noch einmal durchleben. „Warum solltest du mich denn verlieren? Ich bin doch hier.“ Ich bemerke, wie Dies Mundwinkel leicht zuckt, auch wenn sich an seiner Anspannung nichts ändert. „Ich… Ich frage mich einfach immer wieder, wie lange wir noch zusammenbleiben werden… also wir beide und wir als Band sowieso. Ich habe Angst, dass es plötzlich vorbei sein könnte und das könnte ich einfach nicht ertragen. Besonders nicht ohne dich zu sein.“ Mein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen, während ich seinen Worten lausche. Diese Gedanken sind mir nicht neu und seine Angst auch nicht aus der Luft gegriffen. Ich würde lügen, wenn ich behauptete, nie darüber nachgedacht zu haben. Vor einigen Jahren war ein Auseinanderbrechen der Band ziemlich greifbar gewesen, auch wenn ich an diese Phase am liebsten nie wieder erinnert werden möchte. Es war eine sehr schwierige Zeit gewesen und definitiv alles andere als schön. Ich drücke Die, wenn möglich noch etwas fester an mich und hauche einen sanften Kuss auf seine Wange. Ich weiß, dass ich ihm seine Ängste nie völlig nehmen werden kann, denn sie entstammen realistischen Gründen. So bleibt mir nur, sie ein wenig abzumildern, denn sich den Kopf unnötig darüber zu zerbrechen, macht das Leben auch nicht einfacher. „Weißt du, Die, ich glaube, Dir en grey wird solange weiter existieren, wie wir einfach Bock drauf haben und uns gegenseitig nicht zu sehr auf die Nerven gehen… oder uns als alte Greise eben irgendwann nicht mehr auf den Beinen halten können. Und ich finde, bisher halten wir uns dafür in jeglicher Hinsicht ziemlich gut.“ Ein amüsiertes Lachen kommt über meine Lippen, als ungewollt das Bild von uns fünf als Rocker-Opas vor meinem geistigen Auge auftaucht. Ja, ein Kaoru im Schaukelstuhl oder Kyo mit Rollator - das hat schon was. „Und ich kann dir versichern, mein Geduldsfaden - beziehungsweise unser aller - ist mittlerweile recht reißfest geworden. Also gehe ich davon aus, dass wir auch noch die nächsten Jahrzehnte Spaß zusammen haben werden und uns von den Fans anschreien lassen dürfen.“ Jetzt muss auch Die leise lachen und mein Lächeln wird breiter. „Wobei sie ja nach dir immer am lautesten schreien, Toshiya, hab ich jedenfalls das Gefühl.“ Er dreht den Kopf zu mir und wirft mir einen langen Blick zu, während ein verschmitztes Grinsen sein Gesicht gleich viel weicher wirken lässt. „Huh? Bist du etwa eifersüchtig?“ Ich drücke ihm einen Kuss auf die Lippen, ehe ich mit der Zunge frech darüberfahre, Dies Protest übergehend. Einen Moment halte ich inne, als mir etwas in den Sinn kommt, was mich grinsen lässt. Noch einmal verschließe ich seine Lippen, dann ziehe ich mich ein winziges Stückchen zurück und raune in einem dezent anzüglichen Tonfall gegen sie. „Du musst nicht eifersüchtig sein, denn keiner schreit meinen Namen so schön leidenschaftlich wie du und das reicht mir.“ Ich kann mich noch schnell genug aus unserer Umarmung lösen und ducken, sonst hätte mein Hinterkopf wohl definitiv Bekanntschaft mit Dies Hand gemacht. Kichernd springe ich auf und bringe ein paar Schritte Sicherheitsabstand zwischen uns. „Aber im Ernst, Die, wenn du den Jubel und die Schreie vermisst… du weißt doch, ich kenne da einige Möglichkeiten, dir diesbezüglich auszuhelfen.“ Ehe mein Süßer seiner halb gespielten Empörung Ausdruck verleihen kann, beuge ich mich zu ihm und stehle mir einen weiteren Kuss von ihm. „So und nun keine trüben Gedanken mehr!“ Ich wende mich einen Moment lang ab und werfe einen nachdenklichen Blick auf das Meer vor uns. Soll ich -? Es sieht schon sehr verlockend aus, also warum eigentlich nicht? „Ich glaub, ich brauche jetzt eine Abkühlung“, lasse ich Die an meiner fixen Idee teilhaben und zerre mir gleichzeitig das Shirt über den Kopf. Ein verwundertes Augenpaar trifft mich, als ich mich schließlich auch noch von den Shorts befreie und kurz darauf splitterfasernackt vor meinem Liebsten stehe und ihn schelmisch angrinse. Ich sehe seinen Adamsapfel hüpfen, als er versucht seine Augen auf meinem Gesicht zu belassen. Ach, lass es doch einfach, Die! Ich weiß sowieso, was gerade in dir vorgeht. „Na, Lust auf eine Erfrischung?“ Mit diesen Worten drehe ich mich um und renne Richtung Wasser, ohne Zögern ins kühle Nass hinein. Über die Schulter rufe ich Die, der immer noch wie angewurzelt im Sand verharrt, zu: „Und wenn du mitkommst, schreie ich sehr gern nur für dich.“ Mit diesen Worten tauche ich unter und die Wasseroberfläche schließt sich über mir. Ich fühle, wie das Meer mich völlig umhüllt. Wie ein Kokon. Jedes Geräusch scheint augenblicklich verschluckt zu werden, es ist angenehm ruhig und kühl zugleich, einfach herrlich. Als würde alle Schwere von mir gespült werden. Irgendwann wird aber dann doch die Luft knapp und ich lasse mich wieder an die Oberfläche treiben. Nach Atem schnappend tauche ich schließlich auf, meine Füße finden Halt im sandigen Untergrund. Nur gut, dass das Meer in dieser Bucht nicht allzu tief ist. Während ich mir über die Augen reibe und die Haare aus der Stirn wische, werfe ich einen Blick zurück zum Strand. Wirklich weit bin ich mit meinem Tauchgang nicht gekommen, doch umso besser kann ich jetzt dafür meinen Liebsten beobachten, wie er langsam ins Wasser watet. Das sanfte Licht des Mondes, das ab und zu von den Wolken freigegeben wird, reicht aus, um genug Details zu erkennen und zaubert mir deshalb sogleich ein breites Lächeln aufs Gesicht. Wer behauptet, dass Die nicht begehrenswert und schön anzusehen wäre, hat ihn nie so gesehen, wie ich in diesem Augenblick. Gut, aktuell ist das Recht darauf glücklicherweise sowieso nur mir vorbehalten und das teile ich definitiv nicht. Mein Herzschlag nimmt an Tempo zu, je mehr er sich nähert. Er wirkt beinahe wie eine Raubkatze, so wie er mich gerade anvisiert. Ein freudiges Prickeln breitet sich in meinem Körper aus, während ich mich kein Stück bewege, darauf wartend, dass er mich endlich erreicht, endlich bei mir ist. Wenige Augenblicke später finde ich mich in einer engen Umarmung wieder. Die drückt mich fest an sich und macht dabei den Eindruck, mich nie wieder loslassen zu wollen. Als wäre ich sein Rettungsanker. Ich spüre, wie er sein Gesicht in meiner Halsbeuge vergräbt, seine Arme halten mich umschlungen. Mich überkommt eine Gänsehaut, als sein Atem meine Haut trifft, gleichzeitig macht mein Magen einen kleinen Salto, so schön ist das Gefühl Dies warme Haut auf meiner zu spüren. Mein Herz schlägt schnell, tut es Dies gleich. So stehen wir einfach nur da, mitten im Meer, in einer verlassenen Bucht, ab und zu berührt vom Mondlicht, und genießen die Nähe zueinander, unsere Körper eng aneinander geschmiegt. Die ist schließlich der Erste, der unsere Umklammerung etwas löst, aber nur um seine Stirn gegen meine zu lehnen. Seine Hände gehen unterdessen an meinen Seiten entlang auf Wanderschaft. „Mein verrückter Toshiya“, kommt es leise von ihm, während seine Lippen ein liebevolles Lächeln ziert. Ich kann ein Grinsen nicht verbergen, als ich mit unschuldigem Tonfall entgegne: „Nicht verrückt. Ich war doch nur auf der Suche nach einer Erfrischung.“ Ich weiß, dass Die mir meinen nicht ganz ernst gemeinten Kommentar keineswegs abkauft - so gut kennt er mich inzwischen - was sich auch sofort mit einem amüsierten Schnauben seinerseits bestätigt. „Na, wenn du das sagst…“ Ehe ich etwas erwidern kann, werden meine Lippen so fest versiegelt, dass ich keinerlei Chance habe, mir überhaupt irgendwelche Worte zurechtzulegen. Für einen kurzen Moment ist mein Kopf wie leer gefegt. Egal, wie oft wir uns bisher derart intensiv geküsst haben, jedes Mal fühlt es sich auf eine aufregende Weise anders an. Das Kribbeln, das meinen Körper augenblicklich für sich vereinnahmt, zeugt wieder einmal davon, wie sehr ich Dies Küsse liebe und einfach nicht ohne sie kann. Als sich unsere Zungen treffen, einander leidenschaftlich umspielen, bin ich froh, dass wir nach wie vor so eng aneinander gepresst da stehen, denn meine Knie werden weich. Und ich glaube, Die geht es ähnlich, jedenfalls wenn ich mir sein hämmerndes Herz nicht nur einbilde und seine Finger, die sich schon beinahe schmerzhaft in meinen Rücken krallen, richtig deute. Meine Hände gleiten unterdessen von den Schultern meines Liebsten unter seinen Haaren hindurch zu seinem Nacken, kraulen dort mal sanft, mal stärker über die weiche Haut. Die seufzt leise in unseren Kuss hinein, während seine immer tiefer wandernden Hände ein elektrisierendes Ziehen in meine Lenden schicken. Nach einer Weile müssen wir uns schließlich voneinander lösen. Schwer atmend halten wir uns im Arm, meine Lippen prickeln, ein zufriedenes Lächeln liegt auf ihnen. Meinetwegen könnten wir unsere Nächte des Öfteren so verbringen, was ich Die genauso zuflüstere. Seine Antwort besteht nur aus einem unterdrückten Lachen, während ein Kuss auf meiner Schulter landet, ehe weitere in meinen Nacken folgen. Das angenehm kühle Wasser umspielt uns, doch nicht das ist der Grund für die Gänsehaut und mein leichtes Erbeben, sondern natürlich Die, dessen Lippen und Hände wenig später scheinbar jede Stelle meines Körpers über und unter Wasser neu erkunden. Ich schließe die Augen, lege den Kopf in den Nacken und folge bereitwillig dem aufregenden Strudel an Empfindungen, die nur dieser Mann in mir auszulösen weiß. ~*~ Der Sand kratzt ein wenig auf meiner immer noch leicht feuchten Haut, aber es stört mich nicht. Unsere Kleidung, die unter mir liegt, hält die meisten der kleinen Körnchen ab. Später werde ich sicher vor mich hin fluchen, wenn aus jeder Faser ein Andenken an den Strand herausrieselt und selbst das weiteste Shirt daher Juckreiz mit sich bringt, aber momentan ist mir das herzlichst egal. Vielmehr genieße ich die von Die ausgehende, angenehme Wärme, während er halb auf mir liegt, seinen Kopf in meine Halsbeuge gebettet. Seine langen Haare kitzeln etwas auf meiner Brust, weshalb ich sie in einer behutsamen Bewegung von mir und hinter sein Ohr streiche. Einen Moment lang verweilen meine Finger träumerisch in seinem Nacken, ehe sie über seinen warmen Rücken nach unten tänzeln und mein Blick zum Himmel über uns wandert. Wolkenfetzen jagen einander, dazwischen geben vermehrt größere Lücken die Sicht auf den Mond und vereinzelte Sterne frei. Dieses Bild lässt mich unwillkürlich schmunzeln. Es fühlt sich gerade alles so unbeschwert und leicht an. Das regelmäßige Rauschen der Wellen im Hintergrund hüllt mich allmählich ein und macht mich etwas schläfrig. Doch eigentlich will ich gerade alles andere als schlafen. Ich will diesen Moment der Ruhe einfach nur genießen und in meinen Erinnerungen verwahren. Wie oft hat man schon die Chance auf diese Art und Weise die Nacht am Meer zu verbringen? Schließlich ist es Die, der mich aus meinen Gedanken holt. Ich spüre seinen warmen Atem auf meiner Haut und gleich darauf seine Lippen, die hauchzart über meinen Hals fahren. Seine Position auf mir ist unverändert, nur seine linke Hand hat sich selbstständig gemacht und streichelt nun teilweise kaum spürbar, manchmal neckend über meinen Oberkörper, dabei einigen Stellen besondere Aufmerksamkeit schenkend. Ein erregendes Kribbeln folgt seinen Fingern und ich seufze genießerisch auf. Die sanfte Brise, die uns in diesem Moment streift, verstärkt meine Gänsehaut noch weiter und während Die seine Erkundungstour auf mir ausdehnt, kann auch ich meine Hände nicht stillhalten. Ich spüre, wie seine Rückenmuskulatur unter meinen Fingern arbeitet und kann nicht anders, als mit den Nägeln ein wenig darüber zu kratzen. Meins. Ein gewisser Besitzerstolz durchflutet mein Innerstes. Ja, diesen Mann gebe ich nicht her. Egal, wie oft wir uns vielleicht anzicken – wobei ich ihn wohl vielmehr ärgere als er mich – er hält es mit mir aus und gibt mir immer das Gefühl, irgendwie sein persönlicher Mittelpunkt zu sein. Was könnte ich da noch mehr verlangen? Und wie um mir mein Glück noch einmal zu bestätigen, machen mein Herz ebenso wie mein Magen einen freudigen Sprung, als ich daran denke. Warme Lippen streichen über meinen Mund und holen mich damit zurück ins Hier und Jetzt. Zart erwidere ich diesen träge anmutenden Kuss, ehe Die sich löst und zu meiner anderen Halsseite weiterwandert. Seine Hände stellen dabei was auch immer mit mir an, jedenfalls fühlt es sich unglaublich gut an und das Kribbeln in meinem Körper nimmt noch mehr zu. Doch so einfach still diesen Moment genießen, kann ich nicht. Der Drang meinen Freund ein kleines bisschen zu necken, ist irgendwie stets in mir. Und wie geht das besser, als seine Hingabe offensichtlich nicht genug zu würdigen? Genau deshalb kann ich meine eigentlich wenig sensationelle Entdeckung von vorhin jetzt unmöglich für mich behalten. Anscheinend zusammenhanglos flüsterte ich in die Nacht: „Die, da oben kommen die Sterne raus.“ Das Schnauben, was verdächtig nach einer Mischung aus genervt und belustigt sein klingt, verursacht bei mir ein Schaudern, als es auf mein Schlüsselbein trifft. Gleich darauf liegen warme Lippen auf eben jener Stelle und wandern von dort langsam weiter nach unten. Diesmal lässt sich mein Liebster wohl nicht so schnell von mir aus dem Konzept bringen. Dies gehauchte Worte wären mir fast entgangen, zu sehr verfolge ich mit meinen verbliebenen Sinnen, was er gerade mit seinem Mund auf meinem Oberkörper anstellt. „Du immer mit deinen Sternen…“ Da war sie, meine erwartete Antwort. Doch ich kann diese Reaktion für mich selbst momentan nicht richtig würdigen. Denn nun ist Die es, der mich aus meinem Konzept bringt. Ich keuche auf, als seine Zunge eine meiner Brustwarzen für sich entdeckt, während seine Finger sich, bisher von mir irgendwie unbemerkt, meiner Körpermitte überraschend deutlich genähert haben. Aber ich bin nicht bereit, einfach so aufzugeben. Einfach um Die noch ein wenig zu ärgern – er soll ja nicht glauben, mich schon wieder sofort rumbekommen zu haben, auch wenn mein Körper in diesem Fall gerade offensichtlich gegen mich arbeitet – raune ich: „Sie faszinieren mich eben. Was gibt es Schöneres und Interessanteres, als hier am Strand den Nachthimmel zu bewundern?“ Augenblicklich stoppen die Berührungen und ich beobachte unter meinen halb geschlossenen Augenlidern hindurch, wie mein Liebster sich ein Stück weit aufrichtet und mit hochgezogener Augenbraue auf mich hinabblickt. Ich beiße mir auf die Unterlippe, um ein Grinsen zu unterdrücken, was natürlich mehr schlecht als recht gelingt. „Aha, du meinst wirklich, dass es hier gerade nichts Interessanteres gibt, Toshiya?“ Der Druck um meine Mitte wird stärker. Ich schließe kurz die Augen, grabe die Zähne in meine Unterlippe, um ein Aufkeuchen zu unterdrücken. Ich kann es eben einfach nicht lassen, Die zu necken, besonders wenn er dann auf diese Weise reagiert. Als ich wieder aufschaue, ruht sein Blick nach wie vor auf mir und beschert mir damit eine Gänsehaut. Dieses Feuer in den dunklen Augen meines Liebsten nimmt mich auch nach einem Jahr immer noch genauso gefangen, wie am Anfang unserer Beziehung. Ich spüre mein Herz schneller schlagen und wie die Erregung ein intensives Ziehen in meinem Unterleib auslöst. Ich liebe es, wenn er mich so anschaut. Meine Hände umschließen fast ohne mein bewusstes Zutun Dies Gesicht. Dieser Mann versetzt meinen Körper schlicht in Aufruhr und so ziehe ich ihn zu mir nach unten und wispere gegen seine Lippen: „Überzeuge mich vom Gegenteil, Die. Lass mich noch mehr Sterne sehen.“ – ENDE – PS: Ja, Sex am Strand ist fast überall verboten und ja, der Fernseher läuft noch, aber auf stumm. ^^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)