Blue Wolve von RaoulVegas ================================================================================ Life and dead ------------- 1 Nach diesem doch verhältnismäßig schönen Abenteuer – bei dem Kurt sogar seinen ersten, menschlichen Freund gefunden hat –, erwartet die X-Men nun etwas, das nicht nur Nightcrawler tief im Herzen an allem Göttlichen zweifeln und seinen Glauben auf eine harte Probe stellen wird. Nein, es wird selbst Logan in einer Form herausfordern, die er bis dahin so noch nicht gekannt hat – und das will bei dem hart gesottenen Kanadier nur wirklich etwas heißen. Doch bevor es soweit ist, steht die gesamte Mannschaft nun erst einmal im Büro des Professors und hört sich an, was ihnen für eine Aufgabe bevorsteht. „...und die Polizei hat bereits die gesamte Innenstadt abgeriegelt und den Großteil der Leute in Sicherheit gebracht. Doch sie werden der Lage einfach nicht Herr. Zudem scheinen immer mehr von diesen Wesen aufzutauchen und keiner weiß, woher sie genau kommen. Die Armee ist bereits auf dem Weg, doch das Verteidigungsministerium hat mich gebeten, euch zu schicken, um die Lage bis dahin unter Kontrolle zu bringen, ehe noch mehr Zivilisten verletzt und Polizisten getötet werden.“, berichtet Charles mit überaus ernster Miene. Wolverine schnaubt nur mit vor der Brust verschränkten Armen. „Ist ja mal wieder typisch! Wenn’s den Leuten an den Kragen geht, sind wir gut genug, um unseren Arsch für sie hinzuhalten. Aber jeden anderen Tag bespucken sie uns. Und wir müssen brav das Maul halten, wenn sie einen von uns wie einen räudigen Köter auf offener Straße abknallen!“, knurrt er verstimmt. Nicht alle teilen seine Meinung, doch sie alle wissen nur zu gut, dass der Jäger durchaus recht hat, und so liegt ein ähnlicher Ausdruck auf ihren Gesichtern: eine Art traurig-verstimmte und leicht angesäuerte Resignation. Xavier kann das ebenfalls verstehen, dennoch weiß er, dass seine X-Men diese Aufgabe sehr ernstnehmen und ihr Bestes zum Schutz der Bevölkerung tun werden – selbst der so launische Wolverine. „Sieh es doch mal so, Logan, wenn du nicht wie ein Wilder ein unnötiges Blutbad anrichtest, haben die Leute vielleicht irgendwann einmal einen Grund, dich nicht wie einen räudigen Hund erschießen zu wollen.“, meint Jean leicht lächelnd und legt ihm beschwichtigend eine Hand auf die breite Schulter. Der Schwarzhaarige erwidert ihr Lächeln, doch bei ihm hat es eher etwas Verärgertes an sich. „Die Leute werden immer einen Grund haben, mich abknallen zu wollen, erst recht, weil sie wissen, dass es nicht funktionieren wird, wenn sie merken, wer da vor ihnen steht. Somit ist es völlig egal, was ich mache und was nicht. Zudem hört sich der ganze Mist für mich so an, als wenn ein Blutbad diesmal in jedem Fall angemessen ist, um den Scheiß hinter sich zu bringen. Außerdem schert es mich nicht, was die Leute von mir denken oder mit mir machen. Ich sorge mich da einzig und allein um euch, die man sehr wohl wie räudige Köter in der nächsten Gosse abknallen kann, Schätzchen.“, erwidert er ihr sachlich. „Letztendlich ist es aber allein dein schlechtes Benehmen, das auf uns alle zurückfällt und uns somit in unnötige Gefahr bringt!“, hält Scott entschieden dagegen. Der Angesprochene knurrt tief in der Kehle. „Halts Maul, Slim! Geht dich gar nichts an, was ich mache!“, schnauzt der Kanadier zurück. „Und ob mich das etwas angeht! Ich bin schließlich der Anführer und für eure Taten verantwortlich!“ Zornig funkeln sich die beiden an. „Ach ja? Da pfeif ich...“ „Schluss jetzt, und zwar alle!“, unterbricht Charles das Ganze entschieden. Einen Moment mustern sich die zwei noch warnend, dann wenden sie gleichzeitig den Blick ab. „Ich erwarte von euch, dass ihr das hier ernstnehmt und euer Bestes gebt, um die Menschen zu beschützen! Es ist egal, was sie von euch denken mögen, doch wir müssen ihnen nicht immer wieder einen neuen Grund für Hass und Hetze geben! Also reißt euch zusammen, damit Menschen und Mutanten eines Tages friedlich zusammenleben können! Und das gilt nicht nur für dich, Logan!“, er macht eine kurze Pause, um den Faden wiederzufinden und sich selbst auch etwas zu beruhigen. Manchmal ist es wirklich nicht einfach mit ihnen allen, sind sie doch so grundverschieden mit ihren Erfahrungen und Ansichten. Doch es ist und bleibt ihre einzige Change auf Frieden, und das begreift sogar Wolverine, auch wenn er sich nach außen hin gern anders gibt. Gleichzeitig kann er die Ansichten des Kanadiers aber nur zu gut nachvollziehen. Zu oft mussten sie schon miterleben, wie Mutanten tatsächlich ohne ersichtlichen Grund oder Anlass auf offener Straße erschossen, misshandelt, festgenommen oder sogar hinterrücks ermordet wurden, nur eben, weil sie Mutanten sind und den Leuten damit ein schlechtes Gefühl geben. Zum Glück traf es bisher keinen der X-Men, doch es wäre bei weitem übertrieben, zu behaupten, dass es bisher niemand versucht hätte. Xavier selbst hat mittlerweile aufgehört zu zählen, wie oft er schon in den Lauf einer Waffe blicken, sich beleidigen oder anderweitig angreifen lassen musste, obwohl er nur helfen wollte. Doch sein Traum – dass Menschen und Mutanten eines Tages friedlich und gleichberechtigt Seite an Seite leben können, Familien gründen und sich nicht mehr gegenseitig vor einander fürchten und verstecken müssen – wird deswegen noch lange nicht zu Grunde gehen! Es zeigt ihm nur, dass sie sich noch viel mehr bemühen müssen, die Welt davon zu überzeugen, dass nicht alle Mutanten von Grund auf böse sind und nur Schlechtes im Sinn haben. Dass ihr mögliches Fehlverhalten oftmals erst nur durch den Hass und die Ablehnung der Leute entstanden ist. Doch das ist ein sehr langer und steiniger Weg... „So, ich denke, die Aufgabe ist klar, also werden Scott, Kurt und Logan sich den Süden der Innenstadt vornehmen.“ Nicht sonderlich angetan davon mustern sich Cyclops und Wolverine wie trotzige Kinder. Das entgeht dem Professor selbstverständlich nicht. „Und ich will kein Gemecker mehr hören! Ich packe euch nicht zusammen, um euch zu bestrafen, sondern damit ihr lernt, als Team zusammen zu arbeiten. Zudem ergänzen sich eure Kampfstile hervorragend. Und außerdem sollt ihr beide ein Vorbild für Kurt sein, also reißt euch am Riemen!“, mahnt er sie streng, woraufhin die zwei Sturköpfe abermals den Blick von einander abwenden. „Ororo, Bobby und Sean, ihr nehmt den Norden. Jean, Piotr und Shiro, ihr geht nach Westen. Kitty, Hank und John gehen nach Osten. Alles klar soweit?“, geduldig mustert er sein Team. Nacheinander sehen sie sich alle an und sammeln sich dann in den Dreiergruppen, die Charles gerade festgelegt hat. „Sehr gut! Ich werde euch im Ernstfall mit Cerebro unterstützen und euch die ganze Zeit im Augen behalten. Wenn es sonst keine Fragen gibt, dann wünsche ich euch viel Erfolg.“, beendet der Mann im Rollstuhl seine Ansprache, und die X-Men verlassen kurz darauf das Büro, um sich der Welt dort draußen zu stellen... 2 Nicht lange später hält Scotts Jeep an der nördlichen Seite der Straßensperre, die die Polizei um die gesamte Innenstadt errichtet hat. Schwer bewaffnete Trooper stehen in voller Montur vor der Absperrung und mustern sie überaus streng. Einer von ihnen nähert sich schließlich mit hallenden Schritten seiner schweren Stiefel dem Wagen und blickt durch das Fenster hinein, das Cyclops geöffnet hat. „Zieht Leine, Jungs, hier gib’s nichts zu sehen!“, brummt er verstimmt und hebt mahnend sein Maschinengewehr hoch, damit sie es sehen können und verstehen, dass er nicht zu Scherzen aufgelegt ist. „Ich glaube schon, dass wir hier was zu suchen haben.“, grinst Logan keck vom Beifahrersitz hinüber und fährt die Krallen aus. Überrascht zuckt der Trooper zurück. „Scheiße...“, entkommt es ihm stockend. Scott schiebt Wolverines Hand nachdrücklich wieder weg und wendet sich dann selbst dem Polizisten zu. „Professor X schickt uns, um hier etwas aufzuräumen, bis die Armee da ist. Sie wissen doch sicher davon, oder Officer?“ Etwas zweifelnd wendet sich der Trooper zu seinen Kollegen um und sieht sie fragend an. Ein weiterer Mann kommt von ihnen herüber, blickt in den Wagen und nickt dann stumm, ehe er sich wieder entfernt und zusammen mit den anderen ein Stück der Sperre öffnet, sodass die drei gerade so durchlaufen können. „Verdammtes Mutantenpack...“, knurrt der erste Polizist in sich hinein und deutet ihnen dann an, sich schleunigst hindurch zu bewegen. „Wie war das gerade, Freundchen?“, fragt Logan mahnend und lässt erneut die Krallen ausfahren. Doch der Trooper dreht sich nicht noch einmal um, sondern bezieht wieder Position neben der Absperrung. „Lass es einfach!“, brummt Cyclops und steigt aus dem Jeep. Verstimmt rümpft der Kanadier die Nase und steigt ebenfalls aus, dicht gefolgt von Nightcrawler. Als die drei durch die Sperre treten, werden sie noch viel genauer von den bewaffneten Männern gemustert. Ihnen ist deutlich anzusehen, dass sie die Mutanten am liebsten sofort abknallen wollen würden – wann hat man das Packzeug schon mal so direkt vor der Flinte? Stattdessen müssen sie aber darauf hoffen, dass die X-Men ihnen den Hintern retten. Welch eine Schande für dieses stolze Land... Unbehaglich drückt sich Kurt gegen Logan. Die Blicke der Trooper erinnern ihn so sehr an seine Zeit im Zirkus, dass er kaum einen Schritt vor den anderen bekommt, und er somit noch besser verstehen kann, was Wolverine vorhin gemeint hatte. „Ganz ruhig, Elf, ich pass schon auf dich auf.“, haucht ihm der Ältere entgegen und umfasst überraschend sanft sein Handgelenk, um ihm etwas Führung und Sicherheit zu vermitteln. Mit der anderen Hand schiebt er sich keck eine Zigarre zwischen die Lippen und steckt sie an. Dankbar sieht Kurt ihn an, doch das Unbehagen bleibt noch einen Moment in seinen leeren Augen. Hinter ihnen rücken die Männer die schwere Barrikade wieder zurecht und schließen die drei Mutanten damit in dem Sperrkreis ein – mit was auch immer sich hier rumtreiben mag... 3 Langsam laufen die drei die Hauptstraße entlang, ohne jedoch etwas Ungewöhnliches zu sehen. Alles wirkt friedlich und normal, mal davon abgesehen, dass keine Menschenseele auf der sonst sehr belebten Straße unterwegs und alle Geschäfte regelrecht verbarrikadiert sind. Leicht verwundert bleiben die Mutanten schließlich stehen und blicken sich um. „Seht ihr irgendetwas?“, fragt Scott nach einer Weile unschlüssig. Nightcrawler schüttelt nur den Kopf und wirkt ratlos. „Was ist mit dir, L...“, setzt der Leader an, wird aber sogleich harsch von dem Angesprochenen unterbrochen. „Klappe! Ich höre da was.“ „Und was?“, fragen die beiden Jüngeren fast im Chor. Wolverine spitzt noch einmal die hochsensiblen Ohren und konzentriert sich. Dann nimmt er die Zigarre aus dem Mund, hebt die Nase in die Luft und schnüffelt geräuschvoll. „Klingt wie ein Schmatzen – und ich rieche Blut. Eine ganze Menge sogar! Und etwas Verwestes...“, berichtet er. In seinem Blick liegt eine seltsame Mischung aus Erkenntnis und Unverständnis, was seine beiden Partner in beunruhigte Alarmbereitschaft versetzt. Auf was werden sie hier stoßen? Scott kommt sich plötzlich wie in einer Art Horrorfilm vor. Seine Gedanken rasen, um Logans Worte in etwas Logisches zu verwandeln und nicht immer wieder zu der Absurdität zurückzukehren, die sein Verstand ihm aufzuzwingen versucht. Das kann einfach nicht sein. So etwas gibt es in Wirklichkeit nicht! Vehement schüttelt er leicht den Kopf. „Wo?“, fragt er den Älteren dann. Dieser klemmt sich seinen Glimmstängel wieder zwischen die Zähne und deutet zwei Blocks weiter nach rechts, wo sich nach Cyclops‘ Meinung eine Sackgasse befinden müsste, die den Geschäften auf beiden Seiten unter anderem zur Anlieferung dient. „Gut, dann sehen wir uns das mal an.“, legt der Leader leicht nervös fest und setzt sich in Bewegung. Kurt und Logan folgen ihm schweigend. 4 An der Gasse angekommen drückt sich Cyclops gegen die rechte Wand, Nightcrawler und Wolverine gegen die linke. Vorsichtig blickt der Leader um die Ecke. Nun sind die merkwürdigen Laute, die Logan als Schmatzen bezeichnet hat, deutlich zu hören und sie drehen Scott schon jetzt den Magen um, ohne dass er etwas gesehen hat. Diese allumfassende Übelkeit erreicht ihren Höhepunkt, als er nun erkennen kann, was diese widerlichen Geräusche von sich gibt. Abermals hat er das Gefühl in einem schlechten Horrorfilm gelandet zu sein, denn was er dort sieht, erscheint ihm mehr als nur unwirklich... Etwa in der Mitte der schmalen Gasse sitzt ein Polizist blutüberströmt auf dem Boden gegen die kalte Backsteinwand gelehnt. Die Pistole hat er noch in der erschlafften Hand, doch sie hat ihm wohl nie etwas genutzt. Seine glasigen Augen blicken zum Himmel empor, als hätte er im Angesicht des Todes versucht ein letztes Stoßgebet an den Allmächtigen zu schicken. Der ungläubige Ausdruck in seinem Gesicht zeugt aber eher davon, dass er den Himmel fragen wollte, was, in aller Welt, hier nur passiert ist, womit er das verdient haben könnte. Doch das alles ist selbstredend nicht gerade ein schlimmer Anblick für den hartgesottenen Cyclops. Schlimm ist aber die Tatsache, dass der Trooper in literweise seines eigenen Blutes sitzt, das in der halben Gasse verteilt zu sein scheint und zu einem makabren Teppich zu trocknen beginnt. Noch schlimmer ist die Tatsache, dass sämtliche Eingeweide des bemitleidenswerten Mannes auf dem rissigen Beton der Gasse verteilt liegen, wie bei einer erschreckend lebensechten Halloweendeko. Aber auch das ist noch nicht der Gipfel des Ganzen. Dieser ist nämlich die Tatsache, dass ein halbes Dutzend Menschen um den toten Polizisten herumkauern, bis zu den Ellenbogen mit dessen Blut beschmiert in seinen Gedärmen herumwühlen und sie essen! „Heilige Scheiße...!“, gibt Scott atemlos von sich, doch es ist laut genug, dass die kannibalische Meute auf sie aufmerksam wird. Als sie den X-Man die blutverschmierten Gesichter zuwenden, wird dem Brünetten ein ums andere Mal bewusst, dass er hier wirklich in einem ganz schlechten Horrorfilm gelandet ist. Es sind nämlich keine Menschen mehr, die sich dort an dem verschiedenen Polizisten gütlich tun, sondern waschechte Zombies! Verweste, wiederauferstandene Leichen, die nur auf dieser Erde wandeln, um zu töten! Entsetzt tritt er ein paar Schritte rückwärts. „Das sind – das sind Zombies!“, entkommt es ihm schließlich in einer Mischung aus Unglauben und sichtbarer Panik. Mit erhobener Augenbraue blickt nun auch Logan in die Gasse hinein. Wolverine ist weder ein Feigling noch ein abergläubischer Bauer, der auf Krähen mit dem Zeichen gegen den bösen Blick reagiert oder seine schwangeren Weibsbilder von frischer Milch fernhält, damit sie nicht sauer wird. Er ist kein Dummkopf, ist immun gegen das Geschwätz gerissener Stadtleute, die berühmte Brücken billig verkaufen wollen, und er ist nicht von gestern. Er glaubt an Logik und vernünftige Erklärungen – trotz allem Unwirklichen, was er in seinem langen Leben schon zu Gesicht bekommen hat. Der Fairness halber muss man dazu aber sagen, dass er auch hin und wieder in besonders schweren Stunden an die Existenz von Gott und seinen Jüngern glauben möchte, und natürlich an Mutanten und deren übernatürliche Fähigkeiten, was sich aber von selbst versteht, schließlich ist er auch ein Mutant und lebt ausschließlich mit seinesgleichen auf einem Anwesen zusammen, das ihren Schutz vor der Ablehnung und Grausamkeit der Menschheit garantieren soll. Aber Zombies sind doch etwas sehr weit hergeholt, um in seinem althergebrachten Verstand Platz zu finden. Dennoch kann er nicht leugnen, dass das, was dort vor ihnen hockt, waschechte Zombies sind und Summers somit tatsächlich recht hat. Diese Tatsache wurmt den Kanadier zu tiefst. Mit Zombies kann er sich ja noch irgendwie anfreunden, wenn es denn wirklich sein muss, aber, dass sein verhasster Kollege mit den Laseraugen recht hat, ist einfach zu viel. „Ist doch nicht wahr...“, stöhnt der Kanadier fast schon genervt, wobei er fast seine Zigarre fallenlässt. Langsam schiebt sich Kurt an ihm vorbei, um auch einen Blick in die Gasse zu werfen, kann er doch mit dem Wort Zombies nicht wirklich etwas anfangen. Der Schwarzhaarige will ihn schon davon abhalten, aber was würde es letztendlich bringen? Der Elf wird die Biester so oder so sehen – gegen sie kämpfen müssen. Schlagartig weiten sich die leeren, gelben Augen des Blauhäutigen. Der Mund klappt ihm auf und sein Körper scheint jegliche Spannung zu verlieren, als würde er kurz davor stehen ohnmächtig zu werden. Nahezu hilflos greift er blind neben sich und Wolverine umklammert seine tastende Hand, um ihm Halt zu geben. „Viele, die – unter der Erde – schlafen liegen, werden – werden aufwachen, – die – die einen zum ewigen Leben, die anderen zu – zu ewiger Schmach und Schande...“, zitiert der Elf stockend, ehe er panisch das Gesicht zu seinem Partner wendet. „Das ist die Apokalypse!“, teilt er dem Kanadier erstickt mit. Dieser sieht ihn nur leicht kopfschüttelnd an und zieht ihn wieder auf die Seite, damit er erstmal wieder Luft holen kann. „Das ist es ganz sicher nicht! Beruhige dich. Dafür wird es sicher eine andere Erklärung als die göttlichen Strafen in deinem Kopf geben. Also konzentrier dich und denk an unser Training!“, mahnt ihn der Ältere. „Aber...“ „Äh, Leute...“, platzt Cyclops nun dazwischen und die beiden wenden erneut den Blick in die Gasse. „Scheiße...“, gibt Logan von sich. Inzwischen sind alle Zombies aufgestanden und haben das frische Fleisch entdeckt, das wie auf dem Präsentierteller vor der Gasse auf sie wartet. Geifernd und mit ausgestreckten, klaubenden Händen kommen die Untoten nun auf die X-Men zu. In diesem Moment stirbt in Scott allerdings auch der letzte Gedanke an einen Horrorfilm, denn diese Wesen haben nichts mit den schlurfenden Gestalten der B-Movies gemeinsam, die er sich gern mal nachts ansieht, wenn er nicht schlafen kann. Im Gegenteil, sie sind erschreckend schnell! Sie rennen zwar nicht, bewegen sich aber erstaunlich flink und fast schon koordiniert auf sie zu. Geordnet treten die drei den Rückzug auf die Hauptstraße zurück an, wobei ihnen die Zombies wie ausgehungerte Hunde folgen und unentwegt stöhnende Laute von sich geben. In der Ferne kann Wolverine leise weitere Geräusche wahrnehmen, die ihm sagen, dass auch der Rest der X-Men auf diese wandelnden Toten getroffen sein muss und nun zum Kampf übergeht. Und das scheint eine wirklich gute Idee zu sein. Kaum, dass sich die drei etwa in der Mitte der breiten Hauptstraße befinden, strömen aus sämtlichen Gassen und Nebenstraßen unzählige dieser verwesenden Leichen hervor. Es müssen hunderte sein, die nach ihrem heißen Fleisch lechzen, ihrem süßen Blut, ihrem köstlichen Gehirn und was nicht noch alles. Innerhalb von Sekunden sind die drei regelrecht von ihnen umzingelt! 5 Grabschend und sabbernd kommen die Zombies Schritt für Schritt näher. Ihre toten Augen fixieren die drei X-Men mit einer Endgültigkeit, die es auf Erden eigentlich nicht zu geben scheint. Unweigerlich erwacht dadurch das Tier in Logan. Doch nicht mit einem hilflosen Fluchtreflex, wie Kurt ihn gerade sichtlich zu unterdrücken versucht. Nein, nur mit blanker Kampfeslust. Knurrend fährt er seine Krallen aus und stürmt los, zerlegt einen von ihnen nach dem anderen. Doch die zerstückelten Leichen versuchen auch weiterhin ein Stück von ihm zu ergattern. „Nicht, Wolverine! Du musst ihr Gehirn zerstören, nur so können wir sie wirklich erledigen!“, ruft Cyclops ihm mürrisch zu und feuert einen roten Strahl aus seinem Visier auf einen der näherkommenden Zombies ab. Hofft dabei inständig, dass seine Vermutung richtig ist und sich wenigstens diese Horrorfilmlogik bewahrheitet. Dafür hat Logan nur ein herablassendes Schnauben übrig. Dennoch setzt er seinen nächsten Angriff so, dass er dem Zombie den Schädel spaltet und tatsächlich rührt sich dann nichts mehr. „Kann der Tag noch beschissener werden?“, fragt er sich selbst halblaut, als er Scotts selbstgefälliges Grinsen sieht. Ein Blick zu Nightcrawler sagt ihm, dass es durchaus geht. Der blaue Mutant hat ganz eindeutig ein Problem damit, die Zombies zu töten – obwohl sie theoretisch ja schon tot sind. Verständlich, unter anderen Umständen tötet keiner der X-Men absichtlich einen Gegner, wenn es sich nur irgendwie vermeiden lässt, schon gar keinen Menschen. Außer vielleicht Logan, wenn er die Beherrschung verliert und keiner da ist, der ihn daran hindern kann. Immerhin ist James Howlett ein blutrünstiger Wolf in Menschengestalt, den sowohl seine Veranlagung als auch sein soziales Umfeld zu zwei Dingen mehr als zu allem anderen befähigt haben: Zu töten und zu überleben. Doch Kurts Glaube an die unsterbliche Seele ist jetzt wirklich nicht angebracht. „Hey, Elf! Nun mach schon! Wenn sie dich beißen, ist es aus mit dir!“, ruft Logan ihm zu, ohne zu wissen, ob auch diese Filmlogik stimmt oder nicht. „Aber sie waren doch einmal unschuldige Menschen…“, kommt es so wehklagend als Antwort, als würde der Junge jeden Moment in Tränen ausbrechen. „Das siehst du richtig, sie WAREN Menschen, doch jetzt sind sie lebende Tote und haben nichts mehr mit ihnen gemeinsam. Wenn du also ihre Seelen retten willst, dann musst du sie erlösen und das geht nur, wenn du ihr Hirn auf dem Bürgersteig verteilst!“, erwidert der Ältere kalt. Verständnislos blickt Nightcrawler ihm in die dunklen Augen. Einen Moment später wird er von einer Gruppe Zombies brutal zu Boden gerissen. Die Kraft dieser Wesen ist richtiggehend erschreckend. Ihre klaffenden, zuschnappenden Münder versuchen ihn erbarmungslos zu erreichen, ihm das zarte, blaue Fleisch von den Knochen zu reißen. In seiner Panik vergisst der Fellträger sogar völlig, dass er sich einfach wegteleportieren könnte. Kurzentschlossen greift Logan ein und jagt den Biestern seine Adamantiumkrallen in die Schädel. Kaltes Blut regnet dabei auf den jungen Mutanten am Boden herab. Erstarrt und mit von Ekel verzerrtem Gesicht lässt sich der Elf anschließend von ihm aufhelfen. „Konzentrier dich, Junge!“, weist der Jäger ihn hart an. „Wolverine, hinter dir!“, kommt es plötzlich von Cyclops. Eine flammende Regung gleitet schlagartig über die pupillenlosen Augen des blauen Mutanten hinweg, als er feststellen muss, dass sein bester Freund und Liebhaber nicht mehr rechtzeitig reagieren kann. Festentschlossen und ohne Nachzudenken hebt er sein Schwert und stößt es dem Zombie tief in den Schädel. Als der tote Körper daraufhin schlaff zu Boden sinkt, legt Wolverine Kurt zuversichtlich eine Hand auf die Schulter. „Siehst du, es geht doch!“, kommentiert er grinsend und stürzt sich dann wieder ins Getümmel, ohne auf eine Antwort zu warten. Perplex sieht Kurt ihm hinterher. Der zu kurzgeratene Kanadier war sich der möglichen Gefahr die ganze Zeit über bewusst und wollte ihn damit nur aus der Reserve locken!? „Verdammt, Wolverine, das war ein widerlicher, gottloser Trick!“, brüllt Nightcrawler ihm entsetzt hinterher. „Sag ich ja, hat bestens funktioniert!“ Die Schadenfreude steht dem Älteren deutlich ins Gesicht geschrieben, auch wenn es ihm schon ein bisschen leidtut. Einen Moment steht der Blauhäutige noch etwas fassungslos da. Dann sinkt er kurzer Hand auf die Knie nieder. Zum Glück sind die sich immer noch vermehrenden Zombies gerade nicht auf ihn fixiert, sodass er sich diesen kurzen Augenblick durchaus leisten kann. Etwas angewidert legt er das mit stinkendem Blut verschmierte Schwert vor sich auf der Straße ab, wischt sich fahrig über das ebenfalls befleckte Antlitz und faltet dann die Hände vor seinem Gesicht. „Jesu, hilf siegen und lass mich nicht sinken; wenn sich die Kräfte der Lügen aufblähen und mit dem Scheine der Wahrheit schminken, lass doch viel heller dann deine Kraft sehen. Steh mir zur Rechten, oh König und Meister, lehre mich kämpfen und prüfen die Geister.“ Langsam öffnet er wieder die Augen, ergreift sein Schwert und erhebt sich. Sein Körper ist auf einmal von einer Art himmlischen Ruhe durchzogen und er fühlt sich dadurch viel besser, sicherer. Der Herr Gott wird nicht zulassen, dass er als Futter für die Verdammten herhalten muss, wenn es doch seine hoch heilige Aufgabe ist, sie zu erlösen und ihre Seelen in den Himmel aufsteigen zu lassen. Somit scheint Nightcrawler seine Bedenken abgelegt zu haben und kämpft nun bestärkt an der Seite des Kanadiers und seines Leaders gegen die Untoten, als hätte er nie etwas anderes getan. Wie in einem Blutrausch gefangen fängt der Junge sogar an zu lächeln und sich Späße mit den Zombies zu erlauben, um sie von der stetig größer werdenden Masse zu sondieren und sie dann säuberlich einen nach dem anderen zu erledigen. Logan kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. ‚So gefällt mir das!‘, geht es ihm durch den Kopf. Ja, wenn man den sonst so harmlosen und friedlichen Elf nur lange genug ärgert, oder er tatsächlich so etwas wie einen göttlichen Wink bekommt, dann wird er zu einer echten Kampfmaschine und entspricht damit ganz seinem schaurigen Äußeren. Es mag Kurt zwar ganz und gar nicht gefallen, aber es sichert ihm heute zumindest sein Überleben. 6 Doch all die gut gemeinten Worte scheinen nun sichtlich auf Gegenwehr zu stoßen, denn es werden einfach immer nur noch mehr Zombies. Sie überschwemmen die Straße regelrecht, torkeln trunken aus jeder Gasse, jedem unverschlossenen Gebäude, und es scheint einfach kein Ende nehmen zu wollen. Abermals sind die drei X-Men hoffnungslos umzingelt – jeder jedoch in einem anderen Abschnitt des Sperrkreises. Die wandelnden Toten haben es somit geschafft, sie auseinander zu bringen, und das ist gar nicht gut. Hilflos richtet Kurt sein Schwert auf eines der näherkommenden Wesen. Mit einem eleganten Hieb versenkt er die scharfe Klinge in dessen deformiertem Schädel. Als er sie zurückziehen und zu einem weiteren Angriff ansetzen will, verkeilt sich das Schwert jedoch irgendwie in dem erschlafften Leib und geht weder vor noch zurück. Ungläubig betrachtet Nightcrawler das Schlamassel und versucht es erneut. In diesem Moment wird er aber grob von hinten bei den Schultern gepackt und fast zu Boden gestoßen. Der Sturz wird nur dadurch verhindert, dass sich vor ihm eine ganze Horde Untoter wie aus dem Nichts versammelt hat und ihn praktisch auffängt. Panik überkommt den jungen Mutanten. Überdeutlich nimmt er den stinkenden Atem seiner Gegner wahr, wie dieser seine pelzige Wange streichelt. Ihm bliebt nur noch eine Möglichkeit. In letzter Sekunde verschwindet er in einer beißenden Schwefelwolke und lässt die Zombies mit überrascht-fragenden Mienen hinter sich. Eine Sekunde später taucht er auf der Spitze einer Laterne in der Nähe wieder auf. Dort hockt er nun auf der Glaskugel der Natriumdampflampe, gleich einer verängstigten Katze, die vor einem Hund auf einen Baum geflüchtet ist. Mit pochendem Herzen und hektischem Atem verweilt der Blauhäutige an seiner Position und versucht die Lage von hier oben zu überblicken. Die Horde, die ihn eben bedroht hat, hat zum Glück nicht mitbekommen, wo er hin ist. Doch das macht es nicht viel besser, da sie sich nun verständlicherweise seine beiden Kollegen vornimmt. An einer Seite der Straße zucken wild rote Laserstrahlen durch die Menge, ohne sie allerdings nennenswert auszudünnen. Auf der anderen Seite der Straße ertönt unablässig Wolverines verstimmtes Fauchen, während tote Körper nur so durch die Luft fliegen und in ihre Einzelteile zerfetzt werden. Aber auch der kampfwütige Kanadier scheint sich keinen Weg mehr herausarbeiten zu können. Das ist nicht gut, das ist ganz und gar nicht gut. Kurt muss ihnen irgendwie helfen, sie da rausholen, damit sie sich einen Plan überlegen können, der möglichst viele der Zombies gleichzeitig ins Messer laufen lässt. Nach einem weiteren Blick über den Schauplatz des Geschehens entscheidet sich Nightcrawler zuerst für Scott. Und das ist wohl die richtige Wahl. Ein glühender Strahl pflückt noch durch die Menge, dann wird Cyclops niedergerungen. Er ist noch gar nicht ganz auf dem blutgetränkten Asphalt zum Liegen gekommen, da bauen sich die grabschenden Untoten schon grunzend über ihm auf. „Nein...“, entkommt es ihm hilflos-erstickt, während er zu einem neuen Schuss ansetzt. Zum Glück reißt einer der Zombies seine Hand zurück, ehe er das Visier seiner Brille erreicht und feuern kann, denn sonst hätte er Nightcrawler getroffen, der in diesem Moment wie ein übergroßer Schoßhund direkt auf seinem Bauch auftaucht. „Uff...“, presst Scott überrascht hervor, als das Gewicht des Elfen so plötzlich auf ihm lastet. Für eine Sekunde scheinen die Zombies auch etwas verwirrt von der dichten Schwefelwolke und das gibt dem Teleporter genug Zeit mit seinem Anführer ungesehen zu verschwinden. Einen Wimpernschlag später erscheinen die beiden auf dem Dach eines Geschäfts in der Nähe und Cyclops findet endlich wieder genug Luft zum Atmen. „Oh, Mann. – Das war wirklich knapp...“, keucht er erschöpft, während er ausgestreckt auf dem Dach liegt. Kurt schenkt ihm jedoch keinerlei Aufmerksamkeit, sondern sieht über den Rand hinweg nach Logan. Diesem geht es nicht viel besser als Scott gerade. Allerdings versucht er sich vehement gegen seine Angreifer zu stemmen, um irgendwie freizukommen. Wie durch ein Wunder gelingt es ihm auch tatsächlich und er wendet sich behände herum, um seine Krallen sprechen zu lassen. Dazu kommt es aber nicht, da ihm einer der Zombies nun ziemlich kräftig die flache Hand mitten ins Gesicht klatscht. Der Schwarzhaarige gibt einen überraschten Laut von sich, taumelt leicht zurück und versucht sein Gegenüber abzuwehren. Dabei bleibt jedoch seine Zigarre zwischen den schleimigen Fingern des wandelnden Toten hängen. „Na warte, du Mistvieh! Gib die sofort wieder her!“, knurrt er zornig und versucht irrerweise seinen Glimmstängel wiederzubekommen. Dabei ignoriert er die mögliche Gefahr durch die anderen Angreifer um sich herum allerdings völlig. Das ist wie ein Stichwort für den Elfen. Geschwind teleportiert er sich zu seinem Freund hinab und landet direkt auf dessen Schultern, was Logan unweigerlich auf die Knie zwingt. „Sofort runter von mir, du elender Fellball!“, gebärt sich der Ältere wutschnaubend und versucht auch weiterhin an seine Zigarre zu gelangen. „Logan, lass den Unfug!“, wirft Kurt ein und erledigt einen der Zombies mit seinem Schwert. Stinkendes Blut verteilt sich auf der Straße und genau darin landet nun auch Wolverines heißgeliebter Glimmstängel! Dennoch streckt der Kanadier die Hand danach aus. Aber das kann Nightcrawler einfach nicht zulassen – Selbstheilung hin oder her. Somit teleportiert er sich zusammen mit dem tobenden X-Man auf das Dach zu Scott. Dort angekommen springt Wolverine auch schon wieder auf und blickt über den Rand des Daches hinweg. „Was sollte der Scheiß?“, wendet er sich dann knurrend an seinen jungen Liebhaber. „Ich wollte dir nur helfen...“ „Ich hatte alles unter Kontrolle, also schieb dir deine Hilfe das nächste Mal sonst wo hin!“ „Es sah ganz und gar nicht so aus, als hättest du alles unter Kontrolle! Diese Wesen hätten dich in Stück gerissen und das nur, weil du diese Gott verdammte Zigarre haben wolltest!“, entgegnet Kurt nun nicht minder wütend. „Das ist meine Sache, klar? Außerdem werde ich ganz sicher nicht draufgehen. Also heb dir deine beschissene Fürsorge für jemanden auf, der sie braucht!“ „Schön, wie du willst!“, meint Kurt nur und teleportiert sich dann davon. „Elender Elf...“, faucht Logan grimmig. „Er hat recht und das weißt du auch.“, mischt sich nun auch Scott ein. „Halt die Klappe!“, doch es hat schon etwas Resignierendes. „Weg von mir!“, ertönt es dann von der Straße. Alarmiert sehen die beiden nach unten. Dort erblicken sie Nightcrawler zwischen den Zombies. Sie haben ihn schon bis zur Atemlosigkeit bedrängt und dennoch drängelt er sich noch mehr zwischen sie, bis er hat, was er will. „Er ist völlig lebensmüde...“, kommt es fast schon belustigt von dem Schwarzhaarigen, wobei er insgeheim die ungeahnte Hartnäckigkeit seines Elfen bewundert. „Deinetwegen wird er noch draufgehen...“, kommentiert Cyclops das Ganze, woraufhin ihm der Kleinere einen überaus strengen Blick zu wirft. „Ich habe nicht gesagt, dass er da ohne uns wieder runtergehen soll.“ „Das nicht, aber er ist dennoch nur deinetwegen dort unten.“ Ehe der Vielfraß fragen kann, was das bedeuten soll, taucht der Elf schwer atmend wieder vor ihm auf. Sein sonst so zartes Gesicht ist eine zornige Maske, die so gar nicht zu ihm passen will. Seine leeren Augen allerdings glänzen verräterisch und auch seine Unterlippe zittert leicht. „Da hast du sie! Ich hoffe, du bist jetzt zufrieden!“, tönt der Jüngste mit nicht mehr ganz fester Stimme und drückt dem überraschten Kanadier grob die blutgetränkte Zigarre in die Hand. Er wendet sich ab, bevor die erste Träne seine Wange hinabrinnen kann. Fast schon verständnislos mustert Wolverine ihn und blickt dann zu Scott, als könnte dieser ihm erklären, was denn nun wieder in den Bengel gefahren ist. Dieser verschränkt aber nur mahnend die Arme vor der Brust und schweigt. Einen Moment betrachtet der Älteste die verschmutzte Zigarre, die sich bereits in der klebrigen Schmiere aufzulösen beginnt, leicht angewidert und wirft sie dann doch von sich. Es ist nicht zu übersehen, dass ihm das ziemlich schwerfällt, aber er begreift langsam, was Kurt Sorgen bereitet. Zwar ist es unwahrscheinlich, dass Logan von den Zombies getötet und dadurch selbst zu einem von ihnen wird, infizieren können sie ihn jedoch allemal trotzdem. Auch das würde er überstehen, es dauert aber einen Moment – vielleicht auch etwas länger, da ist er sich nicht so sicher; manchmal ist es komisch, wie das alles so funktioniert –, bis sein Selbstheilungsfaktor seinen Körper davon befreit hat, und bis dahin wäre er wohl gezwungenermaßen der ultimative Zombie, den einfach nichts töten kann... „Scheiße! – Hey, du Elf. Es – tut mir leid. – Du hast nichts falsch gemacht...“, kommt es dann ziemlich kleinlaut von dem sonst so temperamentvollen X-Man. Langsam dreht sich Kurt zu ihm herum und wischt sich vielsagend über die glänzenden Augen. Als er sieht, dass Logan die Zigarre weggeworfen hat, fällt ihm fast schon sichtbar ein Stein vom Herzen und er kann ihm gar nicht mehr böse sein. „Schon gut...“, meint er daher nur und dann umarmen sich die zwei etwas unbeholfen. „Bitte nimm dein Leben nicht für so selbstverständlich hin, nur weil du glaubst, nicht sterben zu können. – Das Leben kann ein genauso großer Schrecken wie der Tod sein.“ „Das brauchst du mir nun wirklich nicht zu sagen. Aber schon verstanden. Ich bin ab jetzt vorsichtiger, versprochen.“ „Schön, dass du doch noch zur Einsicht kommst. Aber können wir uns jetzt mal wieder auf unsere Aufgabe konzentrieren, ehe die ganze Stadt von diesen Biestern überrannt wird?“, unterbricht Scott sie nachdrücklich. Die beiden blicken ihn einen Moment lang an, als wüssten sie beim besten Willen nicht, was er damit meint, dann schlägt sich ein ähnlicher Gesichtsausdruck der erschrockenen Erkenntnis auf ihren Zügen nieder und sie finden wieder zum gegenwärtigen Geschehen zurück. 7 „Wir brauchen einen guten Plan, der möglichst viele von diesen Zombies in die Falle lockt, damit wir etwas Luft zum Atmen bekommen und sie nacheinander erledigen können.“, verdeutlicht Cyclops es noch einmal. „Wir müssen irgendwie ihre Richtung kontrollieren, damit sie nicht von allen Seiten kommen und uns noch einmal trennen können.“, entgegnet der Jäger sachlich. „Vielleicht so etwas wie eine Engstelle?“, fragt Kurt nachdenklich, während er den Blick nach unten auf die Straße richtet. „Das ist es!“, stößt sein Anführer zuversichtlich hervor. „Wir locken sie in die Sackgasse zwischen den Geschäften. Wenn wir uns an deren Ende postieren, stehen wir immer nur einer Hand voll direkt gegenüber, während die anderen nachrücken. So könnten wir das Ganze für eine Weile in den Griff bekommen.“, führt Scott aus. Wolverine gesellt sich zu seinem Elfen und blickt in die Gasse hinab, in der sie vor gefühlt ewigen Zeiten den toten Polizisten gefunden haben. Mit leichtem Grummeln tief in der Kehle scheint er nachzurechnen und die Situation abzuschätzen. Die Gasse ist etwa drei Meter breit und zwölf Meter lang. Auf beiden Seiten reihen sich im hinteren Drittel große Müllcontainer. Diese könnten sie im Ernstfall wie einen Schutzwall aufstellen, falls der Plan nach hinten losgehen sollte. Die vorderen zwei Drittel der schmalen Zufahrt sind hingegen frei – mal abgesehen von dem toten Polizisten. Sie dienen den Geschäften links und rechts als Lieferantenstelle. Große Rolltore kennzeichnen diese Punkte, doch sie sind verschlossen, wie es um diese Zeit üblich ist. Sie wirken jedoch stabil genug, um einiges auszuhalten, sodass sie dahingehend keine Probleme bekommen dürften. Cyclops gesellt sich zu seinen beiden Teamkollegen und blickt ebenfalls in die Gasse hinab. Auch ihm fallen zuerst die Müllcontainer auf, und das diese ihnen durchaus dienlich sein könnten. Prüfend betrachtet er erst Kurt, dann Logan. Keiner von ihnen hat noch etwas zu sagen, wie es scheint, auch wenn er dem Schwarzhaarigen ansehen kann, dass dieser seine Strategie schon fertig im Kopf hat. Nightcrawler wirkt zwar etwas nervös, kann er im Augenwinkel doch gut erkennen, dass sich immer mehr der Zombies dort unten versammeln. Langsam scheint diesen hirnlosen Wesen sogar aufzugehen, wo sich die drei Frischfleischhappen aufhalten, weshalb sie nun wenig erfolgreich an der Hauswand unter ihnen zu kratzen beginnen. „Okay. Wolverine, halt die Biester etwas in Schach, sollten sie auf uns aufmerksam werden. Nightcrawler, du hilfst mir die Müllcontainer zu verschieben, damit wir uns im Ernstfall dahinter sammeln können.“ Beide nicken verstehend und schon einen Moment später teleportiert sie der Blauhäutige nach unten in die Gasse. Das haben die Zombies noch nicht mitbekommen, weshalb sie weiterhin planlos die Hauswand bearbeiten, um irgendwie an ihr Festmahl zu gelangen, das sich offensichtlich auf dem Dach befindet. Mit ausgefahrenen Krallen postiert sich der zu kurzgeratene Kanadier so dicht wie möglich am Eingang der Gasse, ohne jedoch die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Scott und Kurt widmen sich derweilen den Containern. Diese sind allerdings weit schwerer, als die beiden gedacht haben, was aber für ihre Sicherheit nur von Vorteil sein kann, das Positionieren aber zu einer echten Schwerstarbeit macht. Die Container sind auch bis zum Brechen voll, da der Müll erst morgen abgeholt werden wird. So gelingt es den beiden X-Men nur gemeinsam einen Container nach dem anderen zu bewegen. Dadurch dauert das Ganze länger als gedacht und sonderlich leise geht es auch nicht von statten. Das lockt verständlicherweise die Zombies an. Die beiden Jüngeren haben gerade einmal einen der Container in Position gebracht, da vernehmen sie hinter sich schon das atemlose Keuchen der Untoten, gemischt mit dem wilden Gebaren des angreifenden Vielfraßes. Verstimmt wirft Scott einen Blick über die Schulter. Noch kann sich der Kanadier behaupten, doch das wird nicht mehr lange der Fall sein, sie drängen ihn jetzt schon in die Gasse hinein. Erschrocken blickt auch Nightcrawler zu seinem Freund hinüber und sieht sichtlich besorgt aus. „Logan...“, bringt er leise über die Lippen und scheint zu überlegen, ob er ihn holen soll oder nicht. „Konzentrier dich, Kurt! Er kommt schon klar.“, fährt Cyclops ihn leicht an. Die leeren Augen des Elfen mustern den Anführer ein paar Sekunden lang unschlüssig, fast schon trotzig, will doch die scheinbare Unsterblichkeit des Kanadiers einfach nicht in seinen Kopf hinein. Dann nickt er stumm und stemmt sich abermals gegen den schweren Container. „Scheiße...!“, keucht Logan kurt darauf giftig und setzt zum Rückzug an. „Macht hin, ihr zwei!“, knurrt er verstimmt und rammt sich dann mit voller Wucht gegen den letzten Müllcontainer. Der Behälter scheint sich daraufhin fast schon mühelos zu bewegen, wahrscheinlich kein Wunder, wo es doch kein Geheimnis ist, dass der Vielfraß weit stärker ist als jeder von ihnen. Dennoch staunen die beiden Jüngeren nicht schlecht darüber. Allerdings bleibt ihnen keine Zeit anerkennende Worte darüber zu verlieren, denn so unbeholfen wie die Zombies vielleicht wirken mögen, kommen sie beängstigend schnell näher. Behände klettert Cyclops auf einen der Container, damit er die Horde von etwas weiter oben besser ausdünnen kann, während Wolverine und Nightcrawler sich ihnen direkt stellen. Bewaffnet mit Krallen und Schwert wirken die zwei wie ein eingespieltes Team, was sie zweifellos auch sind. Ein Fünkchen Stolz keimt bei diesem Anblick in Scott auf, scheint Logan seine Aufgabe als Lehrer doch nicht völlig zu vermasseln, wie er ein ums andere Mal schon befürchtet hatte. So gleicht der Kampf der beiden Partner einem komplizieren und dennoch erstaunlich anmutigen Tanz, bei dem sie immer wieder geschickt die Plätze tauschen, Drehungen vollführen, sich auf und ab bewegen und sich dennoch niemals in die Quere zu kommen scheinen, immer genau wissen, wohin sich der andere bewegen wird. Unbemerkt haben die beiden dabei tatsächlich Spaß und sehen es wie eine Art Tanz, bei dem sie sich nicht selten tief in die Augen sehen, sich ab und an sogar bei den Händen halten oder Rücken an Rücken schmiegen. So kommen die drei ganz gut voran, während sich die Leichen der Zombies nach und nach in der Gasse aufstapeln. Dabei erschweren sie es aber den Nachrückenden nahe genug heranzukommen, sodass selbst Scott irgendwann nicht mehr viel ausrichten kann. Dennoch will die Horde einfach immer noch kein Ende nehmen. Somit müssen sie sich wohl abermals einen Überblick verschaffen und einen neuen Plan überlegen. Vom Dach aus besehen sie sich daher erneut die Lage. 8 Zu ihrem Erstaunen stellen die drei X-Men jedoch fest, dass es weit weniger Untote sind, die noch auftauchen, als sie befürchtet haben. Von daher ist kein neuer Plan von Nöten und sie stürzten sich ein weiteres Mal einfach so in den Kampf. In der Ferne kann Logan wieder das Vorankommen ihrer Teamkollegen in den anderen drei Himmelrichtungen der Innenstadt hören. Doch wie bei ihnen, klingt es auch dort schon viel ruhiger, und so hofft er, dass sie sich ebenfalls dem Ende nähern. Zudem vernimmt er jetzt auch ein anderes Geräusch, das er nur zu gut kennt: das Näherkommen von bewaffneten Soldaten und schweren Fahrzeugen! Die Armee ist also endlich in Sichtweite, und wie es scheint, keine Sekunde zu früh, um mal wieder hinter den X-Men aufzuräumen. 9 Gut zehn Minuten später versammeln sich die Soldaten dann an der Straßensperre und starren mit offenem Mund auf das Geschehen. Anscheinend hat ihnen keiner gesagt, dass sie es hier mit Zombies zu tun haben werden. Oder besser gesagt, sich um deren Entsorgung kümmern müssen. Vielleicht hat man ihnen nicht einmal gesagt, dass die X-Men überhaupt anwesend sind. Irgendwie amüsiert Wolverine dieser Gedanke. So wie die uniformierten Männer aussehen – von denen die meisten kaum der Pubertät entwachsen zu sein scheinen –, sind sie gerade in ihrem schlimmsten Albtraum gelandet, indem Mutanten gegen Zombies kämpfen. Eine bescheidenere Story hätten sich die Typen beim Pay-TV auch nicht ausdenken können. Aber so verlieren die Milchbubis wenigstens ihre Eierschalen hinter den Ohren und lernen, dass nicht alles immer nur eitel Sonnenschein ist, wie man es ihnen heutzutage zweifelsohne in der Ausbildung beibringt. Wenn Logan da an seine Zeit in etlichen Kriegen denkt, ist das hier echt ein Witz, und die Soldaten von Heute nichts mehr gewöhnt, was ihnen wirkliche Albträume bereiten könnte. Ein Untoter ist jetzt noch übrig, und wie aufs Stichwort kommt er direkt auf Wolverine zu gestolpert. Darauf hat der Kanadier irgendwie nur gewartet. Seine beiden Kollegen halten sich netterweise auch zurück und gönnen ihm diese letzte Freude. „Komm her, du hässliche Missgeburt!“, gibt der Schwarzhaarige in einer Mischung aus begeisterter Kampfeslust und dunklem Knurren von sich. Der Zombie antwortet ihm mit seinem unnachahmlichen Stöhnen und streckt grabschend die Hände nach ihm aus. Das Grinsen im Gesicht des Jägers ist unübersehbar. Dreist schielt er über die Schulter seines letzten Opfers hinweg und sieht die Soldaten direkt an. Oh ja, sie sollen es sehen und verstehen – mit Wolverine ist ganz eindeutig nicht zu spaßen! Fauchend reißt er den Mund auf, bleckt die scharfen Zähne und stürmt nach vorn. Seine blutverschmierten Krallen zischen nur so durch die Luft. Mit Wohlwollen betrachtet er die uniformierten Männer, die seinetwegen nun in aufgebrachtes Reden verfallen. Dann rammt er seine Klauen mit unübersehbarer Befriedigung in den Schädel des Zombies und reißt ihm diesen regelrecht von den verrotteten Schultern. Der kopflose Körper sackt schwankend zu Boden. Der aufgespießte Schädel klebt auch weiterhin auf den Krallen des Jägers, durchbohrt wie ein Stück Fleisch auf einen Grillspieß. Der durchdringende Geruch von Blut steigt Logan in die Nase und ihm wird plötzlich klar, dass er sich die ganze Zeit über nur zurückgehalten hat. Aber warum eigentlich? Die jungen Soldaten wirken verängstigt, zweifelsfrei seinetwegen, und das ist auch gut so. Sie dürfen noch viel mehr angst haben, wenn es nach ihm ginge. Langsam tritt er ein paar Schritte vor, fletscht die Zähne, während dunkles Knurren seinen Rachen verlässt. Der Schädel auf seinen Krallen wird schlagartig in seine Bestandteile zerlegt, als er die Arme auseinanderzerrt. In seinen Augen liegt ein Ausdruck, als wolle er sagen: Ja, seht genau hin, ihr Früchtchen. Dasselbe kann ich auch mit euren Köpfen machen, ohne mich anstrengen zu müssen. Und es wird so schnell gehen, dass ihr nicht mal Zeit habt euch in die Hosen zu machen! Die uniformierten Männer scheinen diesen stummen Wink zu verstehen, weichen sie doch augenblicklich mehrere Schritte zurück und ergreifen zitternd ihre Maschinengewehre. „Das – das ist Wolverine und er wird uns umbringen...!“, kommt es stammelnd von einem der Soldaten. Seine Kollegen scheinen der gleichen Ansicht zu sein und weichen noch weiter zurück. Doch Flucht ist immer eine ganz schlechte Idee, wenn man einem zornigen Tier gegenübersteht! „Und ob ich das werde!“, presst der Schwarzhaarige im Knurren erstickt hervor, sodass man seine Worte kaum verstehen kann. Sein animalisches Gesicht ist zur zornigen Fratze eines tollwütigen Wolfes verzerrt, und bei der nächsten Bewegung wird er unzweifelhaft alles angreifen, das sich ihm in den Weg stellt. Der Blutrausch übermannt ihn schlichtweg und er will ihm nur noch freien Lauf lassen! Das erkennt auch Scott sehr schnell. Ist immerhin nicht das erste Mal, dass Logan seine ohnehin kaum vorhandene Beherrschung bei einer Mission einbüßt und blindwütig ausrastet. Jetzt ist also Vorsicht geboten, und es muss schnell gehen, ehe jemand verletzt wird. Inzwischen ist der Kanadier schon fast an der Absperrung angekommen und die Soldaten sind nur noch einen Wimpernschlag davon entfernt auf ihn zu schießen, was den temperamentvollen Mutanten nur noch wütender machen wird. „Wolverine, bei Fuß!“, ruft Cyclops ihm zu, um ihn abzulenken und vielleicht sogar seinen Zorn auf sich zu lenken. Mit gefletschten Zähnen wendet der Angesprochene ihm das Gesicht zu. Das Knurren, das dabei seinen Mund verlässt, ist so tief und zornig, das es die Luft nahezu zum Vibrieren zu bringen scheint. Die Augen des Kanadiers wirken wie glänzender Teer in einem See aus Milch und scheinen doch glühende Funken zu sprühen. Langsam wendet er sich herum und fixiert Scott mit tödlicher Präzision. Eine Sekunde später rennt er auch schon los, um seine Krallen in seinem verhassten Anführer zu versenken. Seine Gedärme dampfend auf der Straße zu verteilen, wie er es sich sicher schon seit Ewigkeiten vorstellt, und was Cyclops durchaus ebenfalls klar ist. „Nightcrawler bringt ihn weg!“, setzt der Leader daher an und hofft, dass er den Elfen damit nicht ins Messer laufen lässt. Kurt braucht auch bloß zwei Schritte auf seinen Partner zu zutun, da prallt dieser auch schon mit ziemlicher Wucht gegen ihn. Ehe es den zierlichen Mutanten jedoch umwirft, verschwindet er mit dem tobenden Wolverine in einer Schwefelwolke. Abermals steht den Soldaten der Mund offen, wissen sie doch nicht, was da gerade passiert ist. Wo sind die beiden Mutanten hin? Planen sie womöglich einen fiesen Hinterhalt? Ehe sie sich diese Fragen beantworten können, nähert sich Cyclops ihnen. Erschrocken reißen sie erneut die Waffen hoch, doch Scott hebt beschwichtigend die Hände, folgt ihren Befehlen und versucht dann zu erklären, was eigentlich los ist. 10 Als sie wieder auftauchen wirft es Kurt schmerzhaft gegen den Schornstein auf dem Dach, das sie vorhin schon als Aussicht benutzt haben. Schmerzhaft schlägt sein Kopf gegen den Backstein und er sieht grelle Sterne aufblitzen. Dann allerdings streift ihn der heiße Atem seines Liebhabers am Hals, allerdings nicht so erregend, wie er es vor einer Weile in Leidenschaft erträgt getan hat. Sein Knurren liegt ihm in den Ohren und jagt ihm einen Schauer über den Rücken, der ebenfalls nichts Gutes verspricht. Er spürt ein halbherziges Rucken in den Armen des kleinen Mannes vor sich und begreift, dass sich dessen Krallen tief in den Schornstein gefressen haben, er Kurt aber nicht die Möglichkeit zur Flucht geben will, wenn er versucht sie jetzt zu befreien. Das sich der Elf einfach wegteleportieren könnte, scheint ihm dabei nicht aufzugehen, zu vernebelt sind seine Gedankengänge gerade. Stattdessen reißt er blindwütig den Mund auf und rammt dem Blauhäutigen die scharfen Zähne in den Hals. Hilflos zuckt der Jüngere zusammen und beginnt zu zittern. Dennoch denkt er gar nicht an Flucht. In seiner grenzenlosen Wut würde Logan dann nur erst recht einen Grund haben alles kaputt zu machen und noch mehr Leute zu verletzten. Daher unterwirft er sich dem Älteren und versucht ihn damit irgendwie milde zu stimmen. Leider will ihm nicht wirklich einfallen, wie er das am besten anstellen soll. Plötzlich kitzelt es allerdings in seinen Gedanken, als sich der Professor einmischt. „Kurt, halt durch! Ich werde ihn schlafen legen!“, erläutert der Mann im Rollstuhl, der sich fernab von hier befindet und sie die ganze Zeit über beobachtet hat. Für eine Sekunde kann der Elf einen Gedanken von Logan auffangen, als Charles in dessen Gehirn einzudringen versucht, ohne allerdings die Verbindung zu Nightcrawler zu trennen. In diesem einen Gedanken kann Kurt all die Verzweiflung eines in die Ecke getriebenen Tieres sehen, das aus blankem Überlebenswillen um sich beißt. Ihm wird klar, dass Logan ihn gar nicht absichtlich verletzen will, sondern sich nur gegen die Ablehnung der Soldaten zur Wehr setzt, die angelegt hatten, um ihn wie einen räudigen Hund zu erschießen. Sein scheinbarer Blutrausch ist längst verflogen und durch puren Selbsterhaltungstrieb ersetzt worden! Von daher wäre es mehr als unfair ihn mit einem brutalen Hirnschlag kurzzeitig auszuschalten, nur damit er sich wieder beruhigt. „Nein, Professor! Warte! Ich schaffe das allein!“, stößt Kurt richtiggehend verzweifelt hervor, während er sein eigenes Blut die Schulter hinabrinnen spüren kann, gepaart mit dem heißen Atem seines Freundes, dem Zucken seiner verletzten Muskeln um die Wunde herum und dem unablässigen Kitzeln in seinen Hirnwindungen. „Kurt, nicht! Das ist glatter Selbstmord!“, bringt Xavier vehement hervor. Trotz der sichtlichen Schmerzen bleibt Nightcrawler jedoch ruhig. „Der Herr ist mein Hirte. Und wenn Er der Meinung ist, mich in sein Himmelsreich holen zu wollen, dann werde ich gehen! Doch bis es soweit ist, werde ich Logan helfen! Kannst du denn nicht sehen, dass du ihm Unrecht tust?“, beharrt der Jüngere. „Kurt, ich kann verstehen, dass du Gefühle für Logan hast. Doch die bringen dich jetzt nicht weiter. In solchen Momenten ist er blind für einfach alles und jeden. Glaub mir, ich weiß es...“, setzt der Ältere noch einmal an. Aber der blaue Elf bleibt stur. „Wenn ich durch seine Hand den Tod finde, dann sei es so, doch ich lasse nicht zu, dass du ihm wehtust!“ Die tiefe Entschlossenheit des Teleporters erstaunt Charles sichtlich. Die Gefühle, die er für Wolverine hegt, müssen noch viel stärker sein, als Xavier es in seinen Gedanken deuten kann. Langes Diskutieren bringt sie hier aber nicht weiter, also lässt er Kurt seinen Willen, auch wenn es ihm furchtbar schwerfällt, will er den Jungen doch nicht verlieren – allein schon um Logans Willen nicht. Von daher zieht er sich etwas zurück und beobachtet nur wieder, bereit im schlimmsten Fall doch noch einzugreifen. Somit ist Nightcrawler wieder Herr über seine Gedanken. Allerdings gelingt es dem Kanadier in diesem Moment auch seine Krallen aus dem Schornstein zu befreien. Seine Zähne graben sich noch fester in das zarte, blaue Fleisch hinein, um ihn zu fixieren. Alle Muskeln in dem gedrungenen Körper spannen sich für den letzten Angriff an und dann... ...schließt Kurt ihn auf einmal fest in seine Arme. Damit entgeht er den tödlichen Klauen für einen Moment, auch wenn die scharfen Zähne ihn immer noch in ihrer Gewalt haben. „Bitte, Logan, hör auf. Ich liebe dich doch...“ Für einen Moment verstärkt sich der Biss des Vielfraßes sogar noch und seine Krallen suchen eine neue Position für ihren Vernichtungsschlag. Die Worte des Elfen dringen nicht zu Wolverine durch, dass kann Charles sehen. Doch die wohlgemeinte Nähe, die zarte Wärme des Jungen und seine erstaunliche Ruhe dringen sehr wohl zu ihm durch. Auf einmal gleitet ein Zittern am Körper des Kanadiers hinab. Nahezu kraftlos lässt er die Arme sinken. Ein letztes Knurren verlässt seine Kehle, doch es klingt eher resignierend. Dann lösen sich die spitzen Zähne ganz langsam vom Hals des Blauhäutigen und Kurt stößt seufzend den angehaltenen Atem aus, hält den anderen aber weiterhin fest in den Armen. „Logan...“ „Scheiße...“, kommt es leise von dem Angesprochenen. Kurz darauf spürt der Elf die heiße Zunge des anderen Mannes über die blutige Wunde an seinem Hals gleiten. Das ist seine Art der Entschuldigung und bedarf auch keiner Worte, die Wolverine im Moment eh nicht zustande bringen kann, zu entsetzt ist er noch über das, was er seinem geliebten Partner angetan hat. 11 „Alles klar hier oben?“, fragt Scott nach einer Weile vorsichtig, nachdem er die Feuerleiter hinaufgeklettert und die beiden gefunden hat. Sie sitzen gegen den Schornstein aus Backstein gelehnt da und scheinen zu verschnaufen. Deutlich kann Cyclops die Krallenspuren erkennen und kann sich vorstellen, wie heftig der Zusammenstoß gewesen sein muss. Sonst scheint aber nichts ramponiert worden zu sein, abgesehen von Kurt selbst. Das langsam trocknende Blut an seinem Hals und auf der Schulter stimmen den Leader nicht gerade froh, hatte er doch gehofft, dass es Nightcrawler gelingen würde mit heiler Haut davon zu kommen. Doch in Anbetracht des ziemlich geringen Schadens kann Scott eine gewisse Erleichterung nicht verbergen. Immerhin hätte der Teleporter ja auch tot hier oben liegen können. „Alles in Ordnung. Wie sieht es dort unten aus?“, fragt der Elf erschöpft. „Gut. Ich konnte die Soldaten beruhigen, sodass sie davon abgelassen haben, mich ebenfalls erschießen zu wollen. Die Zombies scheinen alle erledigt zu sein und die Jungs fangen gerade mit dem Aufräumen an. Soweit mir ihr Hauptmann mitgeteilt hat, werden sie die Leichen alle auf einen Haufen legen und auf der Straße verbrennen. Er meinte auch, wir sollen so lange noch in der Nähe bleiben, falls doch noch irgendwas auftaucht. Die anderen X-Men sind wohl auch soweit durch, haben ihnen ihre Kollegen gerade über Funk mitgeteilt, sodass auch da bald Feuer entfacht werden. Außerdem hat die Polizei wohl vor einer halben Stunde einen Typen festgenommen, der höchstwahrscheinlich dafür verantwortlich ist, dass diese Biester hier rumgerannt sind. Von daher denke ich, dass wir für heute durch sind.“, berichtet der Brünette abgespannt. Sichtlich vermeidet er den Blickkontakt zu Wolverine, um ihn nicht wieder aufzuregen, der Ältere macht hingegen auch keine Anstalten ihn ansehen zu wollen. 12 Eine Weile sitzen sie schweigend beisammen und lauschen den Geräuschen, die die Soldaten bei ihrer Arbeit machen. Irgendwann vernehmen sie dann das Knistern von Feuer und eine dicke, schwarze und überaus widerlich stinkende Rauchsäule schlängelt sich zu ihnen nach oben. Angewidert verzieht Wolverine das Gesicht. Kaum etwas riecht schlimmer als brennende Leichen. Diese Ansicht scheinen auch seine beiden Kollegen zu teilen. Dennoch erhebt sich Kurt nach einer Weile und blickt auf die Straße hinunter. In seinen leeren Augen spiegeln sich die Flammen wider und dennoch schwimmen sie in Tränen. Schwer legt sich eine Hand auf seine Schulter. Es ist Logan, der nun neben ihm steht und in Begriff ist sich eine neue Zigarre anzünden zu wollen. Nahezu entsetzt sieht der Elf ihn an, sodass Wolverine die Tabakrolle schnell wieder wegsteckt – wenn auch sichtlich unfreiwillig. Für heute kann er das Rauchen wohl erst mal vergessen, solange der Bengel in seiner Nähe ist... „Sieh dir das nicht an, Junge. Das ist nicht gut für dich.“, meint er dann nur verstimmt und vermeidet sogar selbst den Blick nach unten, was sonst gar nicht seiner Art entspricht. Kurt löst die Augen jedoch nicht von dem scheußlichen Scheiterhaufen auf der sonst so belebten Einkaufsstraße. „Wir sollten für sie beten.“, kommt es dann leise von ihm. „Warum?“, fragt Logan etwas gleichgültig, hatte er so was doch schon befürchtet. „Weil sie nichts für ihr Tun können. Sie wurden benutzt und das ist nicht rechtens. Sie verdienen es, die ewige Ruhe zu finden und Vergebung zu erlangen. Denkst du das nicht auch?“ Einen Moment scheint der zu kurzgeratene Kanadier tatsächlich darüber nachzudenken, dann seufzt er ergeben. „Na schön. Bringen wir es hinter uns, bevor mir von dem Gestank die Nase abfault...“ Kurt schenkt ihm ein kleines Lächeln und kniet sich dann von den Dachvorsprung. Mit einem weiteren Seufzen hockt sich Logan neben ihn. Nightcrawler wirft einen Blick über die Schulter zu Scott, der ihr kurzes Gespräch gehört hat. Der Anführer zuckt leicht mit den Schultern und gesellt sich dann wortlos zu den beiden. Gemeinsam falten sie die Hände vor dem Gesicht und schließen die Augen, als hätte sie das alles schon tausend Mal gemacht. Dem ist nicht so, dennoch weiß sowohl Scott als auch Logan, wie so etwas gemacht werden sollte, auch wenn sie nie dergleichen tun mussten oder den Glauben daran hegen. Ein paar Sekunden herrscht nahezu erdrückendes Schweigen, ehe Kurt die Stimme erhebt. Sehr sorgfältig spricht er das Sterbegebet in Englisch, damit eine jede der verlorenen Seelen dort unten ihn auch verstehen und ihren Weg zu Gott finden kann. „Herr, unser Gott. Wir schauen zurück auf eine schwere Zeit, auf Tage der Ungewissheit und der quälenden Fragen. Hoffen und Bangen lagen so dicht beieinander. Langsam lichtet sich der Tunnel. Wir schöpfen neuen Mut und denken an das Morgen. Wir danken Dir, dass Du uns getragen hast. Wir danken Dir für jedes Zeichen Deiner Nähe und für jede Hilfe, die wir gefunden haben. Bleibe immer bei uns und halte Deine Hand über uns. Amen.“ „Amen.“, erwidern seine beiden Kollegen im Chor, woraufhin noch einmal ein kurzes Schweigen eintritt. Als es endet, erheben sich die drei Mutanten, vermeiden diesmal alle den Blick nach unten und setzen sich wieder um den Schornstein herum. Mit geschlossenen Augen und jeder seinen eigenen Gedanken nachhängend, warten sie darauf, dass sie wieder in die Behaglichkeit ihres Zuhauses zurückkehren können und so schnell hoffentlich keine Leichen mehr zu Gesicht bekommen – besonders keine wandelnden... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)