Feuerglut im Nordwind von abgemeldet (Wichtelgeschichte für OddRoad) ================================================================================ Kapitel 1: Mit edlen Herzen --------------------------- Der Phönixschweif zog sich, einer blutroten Wunde gleich, durch den gold- und rosafarbenen Morgenhimmel, welcher sich über das weitläufige Bergtal von Edelhall spannte. Ein lautes Kreischen durchbrach die Morgenstille, als der Phönix den Kopf hob und die Flügel wie zwei wallende Flammen aufschlug. Aus den Federn entsprangen glühende Funken, heiße Luft strömte um das Federkleid und die Hitze aus lodernder Magie verschmolz mit den Wolken am Himmel. Nordris Sturmral erstarrte zu Eis, als seine braunen Augen das Wesen aus lebendigem Feuer erblickten und das Herz in seiner Brust beinahe stillstand. Dickes, hellbraunes Haar wuchs auf seinem Kopf und am Kinn, was er von seinem Vater Ostwell Sturmral, der Edelmutige geerbt hatte. An seinem Körper trug er ein feines, geschmeidiges Hemd, darüber einen Mantel aus schwarzer Wolle mit einem dicken, zotteligen Umhang und vom Fuß bis zur Hüfte hartes, dunkles Leder. Der Zwerg schnaufte und weiße Wölkchen nahmen ihm kurzzeitig die Sicht. »Das ist atemberaubend schön«, rühmte er das Wunder. Im Schatten des Phönix schien er zu schrumpfen, da die Spannweite der Flügel geschätzt mehr als hundert Meter betrug. »Die Macht des Feuers ist gewaltiger als der Wind vom Nordberg.« Hinter ihm knirschte der Schnee, als die Stiefel seines Freundes Eldram Granz auf ihn zuschritten. Angefertigt aus Kiefernadeln und Hirschleder mit Harzkleber, hielten die Stiefel die Füße warm und bequem. »In Edels Name, das ist wahrhaftig ein Wunder. Ein Phönix über Edelhall«, bewunderte er. »Das ist ein edles Omen, Nordris.« »Edel, der erste Zweig segnet den heutigen Tag. Also dürfen wir nicht das Ziel verfehlen.« Die Stimme von Nordris klang eisern. Bevor er den Blick vom Himmel löste, streckte er die offene Hand nach dem Phönix aus, spürte die von Wind getragene Hitze an den Fingerspitzen und das Herz pochte schneller als Hammerschläge. »Lasst uns anfangen, meine edlen Brüder und Schwestern. Uns erwartet das Fest des Edlen Winters!« befahl er, drehte sich um und sah in die Gesichter der Dorfbewohner von Edelbrunn. Frohsinn und Heiterkeit strahlten ihm entgegen. Zwerge aus ganz Edelbrunn wurzelten auf dem Marktplatz. In der Mitte stand ein Brunnen aus roten Ziegeln, darüber bäumte sich eine Pferdstatue mit bronzener und kupferroter Schicht in drei Meter Höhe auf. Der Ort war rund und mit weißen und grauen Steinen gepflastert. Ringsherum standen die Häuser - dafür verwendeten die Zwerge hartes, festes Edelbuchholz - und verfügten über kleine Balkone. Nordris hielt sich auf dem Rand des Brunnens auf. »Das halbe Dorf ist an der Arbeit, die Schmiede wird geheizt, die Bäckerei duftet herrlich, die Eisgärten werden schon geerntet und die Handwerker stellen Stühle und Tische auf«, berichtete Eldram. Über sein blatternarbiges Gesicht huschte ein Lächeln, schief und gütig, unter der dicken Knollnase und den kastanienbraunen Augen. Er hatte lockiges Haar, das wie flüssige Bronze auf seine Schultern hinabfloss, genau wie der Bart am Kinn. »Bald blüht das Fest auf.« Unter den Zwergen brach munterer Beifall aus. »Wie edel von dem Phönix, unser Fest zu segnen«, sagte die Zwergin Orena Grässer. Ihre Augen schimmerten honiggelb und konnten die Wärme am Himmel durch den weißen Wollmantel fühlen. Andere Zwerge stimmten ihr zur. Für einen Moment vergaßen sie die Härte des Winters. »Das heißt, heute schmeckt der Wein besonders edel und das Feuer tanzt bei unserem Gelächter«, frohlockte ein Zwerg namens Urdis Blausegen. Er hatte strohblondes Haar und eine goldene Kette mit Saphiren um den Hals. Fäuste und leere Weinbecher ragten in die Höhe, als die Zwerge jubelnd die Arme hochstreckten. »Wer wohl den meisten Wein verkostet?«, rief ein Zwerg mit ergrauten Haaren und Krähenfüßen an den grauen Augen. Da lachten die Zwerge, die Sehnsucht nach dem süßen Topfen schmeckten sie im Mund. Unterdessen schmunzelte Nordris, verstand die Freude auf das Fest des Edlen Winters, aber die Arbeit rief und die Vorbereitungen liefen erst seit Sonnenaufgang warm. Er klatschte in die Hände und erhielt die Aufmerksamkeit der Volksversammlung. »In einem halben Tag beginnt das Fest zu Ehren des Winters«, schallten seine Worte über den Platz. »Lasst Blut und Schweiß fließen.« Keine knochenharte Arbeit wurde gescheut, keine schwere Last abgelehnt. Das Volk der Edelsteine genoss den Ruf, hart und schwer wie Stein, aber auch beschwingt und feiernd zu leben. Jeder Zwerg kehrte zu seiner Aufgabe zurück. Die Handwerker fertigten Gebilde aus Holz und Eisen an, die Bäcker formten Teig zu Köstlichkeiten, die Gärtner schmückten das Dorf mit Winterblüten, die Schmiede heizte die Öfen für die Kampfspiele ein, die Stallmeister versorgten die Tiere, die Minenarbeiter sammelten Edelsteine sowie Gold und die Weinwächter behielten von Anfang bis zum Ende das Genussmittel des Festes im Auge. Nordris richtete den Blick zum Horizont. Helles Licht blendete ihm entgegen. Er kniff die Augen zusammen. Hinter den Bergspitzen und über den Nebelschwaden ragte der größte Gipfel heraus, der Nordberg. Aus der Ferne glitzerten Eis und Schnee, glichen der Oberfläche eines weißen Diamanten. Zum Abschied kreischte der Phönix ein letztes Mal, bevor er im Boden des Sonnenaufgangs verschwand, mit ihm die Wärme der Feuersglut. »Wohin seine Reise wohl führt?« Nordris atmete die Kaltluft ein und aus. Eines Tages begänne seine Reise dort, wo er zuallererst den Phönix kommen und gehen gesehen hatte. Hinter dem Nordberg war eine Reise ins Ungewisse. Mittlerweile sanken die Temperaturen, durch Edelbrunn heulte der Nordwind und beschlug die Fenster mit Frost. »Zuerst zum Schmied, Nordris?«, fragte Eldram, der im Schnee stampfte, damit er die Beine warmhalten konnte. Von unten schlich sich die Kälte zum Kopf hoch und kroch in schutzlose Stellen. »Deine Augen leuchten heller als die Sonne und deine Stimme ist süßer als Honig«, bemerkte Nordris und schaute zu seinem engen Freund. »Es geht wahrlich um Hildegard?« Er wusste, dass er direkt ins Schwarze traf. Mit seinen vielen Jahren auf dem Buckel räusperte sich Eldram rau und seine Wangen erhitzten sich. »Ihr Wohl liegt mir sehr am Herzen. Klingen müssen geschärft werden, Hildegard braucht die entsprechende Pflege.« Seit dem letzten Abend wurde sie nicht versorgt. Sein Hang, seiner Liebe zu ihrem Ausdruck zu verleihen, brannte auf seiner Seele. Andauernd zupfte und rupfte er an seinem Bart. »Du verstehst meine Gefühle ihr gegenüber.« Das Flüstern trug der Wind mit sich. »Der Schmiedemeister Thron erwartet unsere Anwesenheit, ob früh am Morgen oder wenn die Sonne am Höchsten steht.« Mit einem Nicken stimmte er zu, zunächst bei dem Schmied einzutreffen. Außerdem handelte es sich bei Thron um den besten Freund seines Vaters. Er betrachtete ihn als Onkel, Ratgeber und Vertrauten. Auf Anhieb summte Eldram Lieder des Krieges, die er seit seinem 15. Lebensjahr bestritten und überlebt hatte. Gemeinsam mit Hildegard kämpfte er gegen Riesen und Ungeheuer. Zum Dank zollte der Krieger ihm seinen Respekt, indem er das Kniee beugte. »Mein Dank und Vertrauen gehört Euch, Nordris.« »Seid kein Narr, Eldram,« meinte Arcon Walde, der Besitzer des Schildes aus Onyx und des Schwertes aus Schwarzeisen mit einem Griff aus Rubinen. Wie aus dem Nichts stand er unweit von ihnen entfernt. Von Geburt an hatte er schwarzes Haar, färbte es seit kurzem dunkelblau und band es nach hinten zu einem Knoten zusammen. Anmutig ging er auf Nordris und Eldram zu. Sein Körper war dünner als der der anderen Zwerge. Er war ein geschickter Kämpfer mit leisen Füßen und flinken Gang. »Ich glaube, mich trifft gleich ein Blitz, Arcon!«, brauste Eldram auf. Forsch betrachtete er den Jüngling und in seine Ohren drang die Stimme Arcons wie flüsterndes Gift ein. Dann brummte Arcon und rollte mit den blauen Augen. »Steht auf oder diese steinalten Knochen brechen wie junge Zweige.« Kein Funken Respekt kam aus dem Mund, eher ein wehendes Klagen. »Deine Zunge spuckt gefährliches Feuer«, zischte Eldram und er erhob sich. »Freche Burschen wie du verbrennen sich schneller, als sie ein Becher Wein trinken können.« »Ich flehe dich an, alter Krieger. Erspare mir deine langweiligen Geschichten und erschlage mich gleich.« Daraufhin grinste Arcon, spielte eine dramatische Szene, indem er auf Knien um sein Leben bettelte. Das Grinsen war scharf wie ein Messer und die Schauspielkunst weniger wert als ein Stein. Der Krieger schnaubte und die Narben auf seinem Gesicht glühten vor Zorn. »Hüte deine Zunge, Bursche.« In seinen Jahren erlebte Eldram mehr als einen Kampf, hunderte Schlachten und wie frisches Blut aus seinen Wunden rann, bis es trocknete und fast schwarz verkrustete. Eldram hatte junge, hochmütige Zwerge schon kommen, kämpfen und gehen sehen, nicht selten zum letzten Mal unter einem Grabstein und an seiner Seite im höllischen Krieg. »Warum? Damit du Platz und Zeit hast, uns mit deiner Lebensgeschichte zu langweilen? Ich lehne ab«, scherzte er. Nach seiner Meinung wuchs er zu einem wahren Kämpfer nicht durch Geschichten, vielmehr aus Kämpfen und Taten heran. Endlich bekam er seine Chance beim Fest des Edlen Winters, wenngleich im Schlepptau des Geschichtenerzählers. »Ich langweile dich? Stopfe dir Schnee in die Ohren und trällere Lieder«, erwiderte Eldram gereizt. Zweimal kam ihm der Gedanke, dass er Arcon die Axt in den Schädel rammen könnte, aber er schluckte den Blutrausch hinunter und griff nicht nach der Waffe auf seinem Rücken. »Dafür beschmutze ich nicht meine geliebte Hildegard.« Ein amüsanter Laut entkam Arcons Kehle und er schob eine Augenbraue in die Höhe. »Dein einziges Weib im Leben und du bestrafst sie mit dem Namen Hildegard? Wie erbärmlich«, lachte er trocken und zeigte keine Spur von Demut. »Du wagst, Hildegard…«, begann Eldram. Seine Hand näherte sich dem Kieferstiel, doch ein Räuspern unterbrach den Streit. Der Krieger stockte. Diesmal ging er beinah zu weit. Zähne knirschten in seinem Mund, die Kiefer pressten sich aufeinander. Erneut brachte der Bursche ihn zur Weißglut und Nordris bemerkte das Verhalten. »Schon gut. Ich werde ihm nicht jetzt und heute die Knochen zermalmen.« »Wie gnädig von dir.« Zum trügerischen Dank verbeugte sich Arcon und verkniff sich sein dreckiges Grinsen nicht. Er war ein selbstbewusster, tollkühner Krieger von Schwerttanz bis zum Schutzschild, aber durch seine Adern rauschte der Wein des Hohns. Als er aufrecht stand, warf Eldram ihm einen zornigen Blick zu, worauf er mit Schulterzucken konterte. Nordris seufzte, bedauerte die Schwierigkeiten, die dies für das Fest bedeuten würden, falls die Streithähne ihren Groll nicht ablegten. »Denkt an den Edelstein der Großzügigkeit«, lehrte der Zwerg sie den dritten Kodex von Edelhall. »Ein Edelstein ist wertvoll. Ein Edelstein für einen Freund ist wertvoller.« Ernst sah er seine Begleiter an, duldete keine Widerrede, dafür hatten sie keine Zeit, bis der Erfolg ihre Reise mit Ruhm und Ehre krönte. Ihm war das Fest sehr wichtig. Arcons Kopf bewegte sich zu einem Nicken und sein Blick wanderte empor zum Nordgipfel. Die Augen verengte er, die Ferne nach oben war durch einen nebeligen Schleier verschwommen. Dort erwartete jeden Zwerg ein langer Weg aus Eis und Schnee, bis die Kälte ihre Haut aufriss und durch das Fleisch zu den Knochen gelangte. »Für mich ein Katzensprung. Mein Körper und Geist sind weder rostig wie altes Metall, noch zerbrechlich wie Kugeln aus Glas.« Ohne ein weiteres Wort setzte er sich in Bewegung, seine Beine trugen ihn vorwärts, das selbe tat sein Mundwinkel. Eldram holte tief Luft, sammelte die Wut im Brustkorb und schnaubte den Frust heraus. Brust und Bauch, breit wie ein Weinfass, wölbten sich nach dem Atemzug auf und ab. »Der Bursche kann was erleben, wenn wir fertig sind«, bekräftigte der alte Krieger sein Vorhaben. Kein Zwerg konnte vor seiner Strafe entkommen, meist handelte es sich um Arbeiten wie Stalldienst oder die Waffen bis auf den letzten Fleck gründlich säubern, schärfen und polieren. Er schaute seelenfroh zu Nordris. »Als Oberer Zwerg für die Pferdezucht und Kampfausbildung steht mir vieles offen.« »Das heißt, ein Edelstein und Rotwein für dich und für Arcon einen Kieselstein und einen Stinkekäse.« Eldrams Freude erwiderte er halbherzig, vielmehr dachte Nordris an seine Jugendzeit. Selbst er wurde von seinem treuen Freund und Kampfausbilder aufgrund seiner jungen Naivität mit Dreckschaufeln bestraft. Tagelang hatte er nach Scheiße gerochen. »Wer weiß, wer weiß«, schwankte seine Stimme zwischen Zank und Ruhe. »Wir können aufbrechen oder der Bursche nervt uns weiter.« Mehrmals rieb er sich die Hände, damit er etwas Wärme erzeugte. Für die Reise wählte der Zwerg seine betagte Kampfausrüstung, bestehend einem silbernen Kettenhemd, einem Gewand aus Stahl und Wolle und einer fadenscheinigen Lederhose. Damit erduldete er den Winter. »Die Hitze der Schmiede ist nicht weit.« Mittlerweile wurde es auf dem Marktplatz ruhiger. Bänke und Tische wurden von den Handwerkern auf Händen und Rücken herangetragen. Auf den Holzplatten platzierten die Zwergendamen bunte Vasen mit verschiedenen Eisblumen. Winterlilien hatten eisblaue Blüten und dornige Stiele. Die weißen Köpfe der Frostkrokusse hingen wie Glocken nach unten und dufteten nach mildem Winter. Später kamen die Speisen und Getränke dazu. Vorschläge und Lob tauschten die Zwerge untereinander aus, ihre Konzentration und Freude war hoch genug, dass die Vorbereitungen glatt verliefen. Zufrieden betrachtete Nordris die Arbeit der Dorfgemeinschaft. »Kein Funke entflog dem großen Feuer«, sagte er. Sein Gesicht erhellte sich, ein Lächeln spross hervor. Für eine Weile konnte er sich entspannen, da die Vorarbeiten keinen strengen Mund und wachsame Augen brauchten. »Thron hasst das Warten. Gehen wir, mein Freund.« In zügigen Schritten verließ er den Marktplatz und bog an einem Baum ab. »Wenn er nicht als Oberhaupt von Edelbrunn gebraucht wird, zögert er nicht lange und sucht sich prompt eine neue Herausforderung«, seufzte der alte Krieger und eilte Nordris hinterher. »Derselbe Dickschädel wie sein Vater.« Im nahen Umfeld donnerten Hammerschläge auf heißes Metall und der Geruch von Heizkohlen breitete sich auf dem eisernen Grundstück des Schmieds Thron Glanzschild aus. Das Haus stand abseits des Vorhofes, dunkles Holz trug das Dach aus grauoliven Ziegeln und umschloss die eckigen Fenster aus schwarzem Ebenholz. Auf der anderen Seite blühte der Kleingarten mit Winterlilien und Eisgewächsen. Die Schmiede war offen für Kundschaft und Lieferung. Zwischen dem Schmiedeofen und der Schleifmaschine bearbeitete Thron ein Eisenstück auf dem Amboss, eine Unterlage aus gehärtetem Stahl zum umformenden Bearbeiten von Eisenmetallen. Es stand auf einem dicken Holzblock, was der Dämpfung diente und die optimale Arbeitshöhe ergab. Schweißperlen kullerten über die breite Stirn und er hatte scharfe Gesichtszüge, die zerklüftet wie eine Bergklippe waren. Die Augen glühten wie braune Feuergruben und die durchgeschwitzten, rotbraunen Haare klebte auf seinem Kopf. »Seine Leidenschaft wird nie erlöschen«, stellte Nordris fest und musterte die Schmiede sorgfälig. Hochpoliertes Metall, entstaubtes Holz und nach der Reihe geordneten Materialen fielen ihm zu Genüge auf. Tagein tagaus besuchte Eldram die Schmiede, forderte eine handwerklich gute Behandlung und Beratung seiner Hildegart und kam trotzdem nicht aus dem Staunen heraus, wie sauber der Arbeitsplatz des Feuers und Eisens war. »Nichtmal eine Spinnwebe baumelt in der Ecke herum«, brummte er. »Möge Edel, der erste Zwerg, dich segnen«, begrüßte Nordris den Schmied. Augenblicklich hörte das Hämmern auf, keine Hitzefunken tanzten auf dem Amboss, dann blickte der über achtzig Jahre alte Zwerg Nordris keuchend an. Flüchtig erhaschte das Oberhaupt einen überraschten Laut des Schmiedes, bis die Männer die Arme ausstreckten und in eine Umarmung fielen. »Wo versteckt sich die kleine Urna?« Von dem Freund der Familie Sturmral kam ein tiefes Glucksen. »Ich wünsche dir das Gleiche, Kleiner«, sagte Thron und löste die vertraute Geste auf. Er war größer als Nordris. »Meine Tochter geht den Gärtnern zur Hand. Blumen sind ihre neue Leidenschaft.« Mit der Hand fuhr er sich durch das feuchte Haar, spürte die Hitze auf der Haut. »Ah! Blumen gibt deine Zunge kund.« Die Finger wirbeln um seine Bartspitze, nachdem Eldram mit einem Kopfnicken auf die Schmiedeschürze wies. Wortgetreu hieß das Motto der Familie Glanzschild: Feuer und Eisen aus heißer Leidenschaft. Daran zweifelte der Krieger keine Sekunde. »Meine Ohren, Nase und Augen sind…entzückt.« Somit klopfte er sich auf die Brust. Er verstand Thron, für das Glück der Liebe über Schatten zu springen. »Das aufgeweckte Gemüt hat sie von der Mutter und die Leidenschaft von dir«, äußerte sich Nordris über die neue Lieblingsbeschäftigung und das Meisterwerk von Urna. Falls er eines Tages Kinder zeugte und Erben für Edelbrunn großzog, blühte ihm wahrscheinlich dasselbe Schicksal. Töchter mochten größtenteils eine eigensinnige Art haben. Thron senkte den Blick. Er trug eine Seidenschürze, dunkel wie Sommerwein mit gelben, purpur- und silberfarbenen Blüten. »Drei Monde dauerte ihre Leidenschaft an, um mir eine Freude zu machen. Ich trage es jeden Tag mit Stolz und es bringt mir Wohlsein.« Behutsam hob er den Blumenkopf einer Goldblüte. Sie duftete nach süßem Glück. Ihm entfuhr ein Seufzen. Auf ihn wartete viel Arbeit und so warf er auf ein besonderes Stück einen scharfen Blick. Eldram strich über seinen Bart. Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Eine Tochter, so sanft und pfiffig wie ein Rotkelchen, zu haben, könnte eine Abwechslung im Leben bedeuten. »Vater und Schmied zugleich ist keine Arbeit für glanzlose Edelsteine«, sagte er und nickte sanft. »Geduld, Härte und Geschick sind von Nöten.« Letztlich schuldete er es den Zeiten des Krieges, dass keine Ehegattin und Nachwuchs daheim auf ihn warteten und stumme Tränen für seine sichere Rückkehr vergossen. Hastig schüttelte er den Kopf. Durch seinen Körper floss Kämpferblut. Ohne Gnade spaltete er die Schädel aller Feinde mit Hildegard und eine Trophäe hing sogar in Form eines Riesenkopfes über seinem Kamin. »Deine Abwesenheit betrübt mich, Eldram«, riss Nordris ihn aus den Gedanken. Konfus fuhr Eldram auf und blinzelte, da die einschärfende Stimme seines Freundes in seinem Kopf widerhallte. »Im Schutz der Edlen Jungfrau…ist ein Unglück geschehen?«, fragte er laut und sah sich um. Keine Gefahr drohte in Sichtweite. »Nein.« Nordris runzelte die Stirn. Es war keine abfällige Randbemerkung, der Sinn dahinter beruhte eher auf seinen Beobachtungen. Gedankenlosigkeit und Tiefsinn hatten bei ihm keinen festen Platz, er ertrug in seinem Dorf keineswegs leichtsinnige Fehler, nachdem er seinen Vater vor fünf Winter verloren hatte. Unwillkürlich lief ein kalter Schauer über sein Rücken. Einen Moment lang verlor er sich selbst in Erinnerungen, deswegen schloss er sein Herz ein. Starrheit zeichnete sich in den braunen Augen ab. »Auf der Schlacht wie ein Luchs. Daheim in der Morgenstille wie ein unachtsames Rehkitz.« Es fiel Eldram schwer, Tadel von einem Mann anzunehmen, bei dem man vorsichtig sein musste, wenn man mal zu tief ins Glas geschaut hatte und die eigene Sicherheit für wenige Minuten außer Acht ließ. Dennoch schmerzte seine Brust, als Nordris steif wurde. »Du dachtest an ihn, oder?« Milde erkannte man in seiner Frage. Der Zwerg wandte sich wortlos ab. Nach seiner Meinung hatte es keinen Sinn zu streiten. Ein eisiger Wind rauschte um seine Ohren. »Jetzt nicht mehr.« Im Inneren betete er für seine Ruhe, nicht dafür, dass Eldram ihm Trost spendete. »Hier stimmt etwas nicht«, warf der Krieger ein. Aus heiterem Himmel fiel ihm ein Gewicht von den Schultern, das nicht länger gegen seinen Rücken drückte. Aufgebracht tastete er mit der Hand seinen Rücken ab. »Wer wagtes, meine Axt Hildegard zu nehmen - ohne meine Zustimmung?« Wut staute sich in ihm auf und er drehte sich um. Davon bekam Nordris Wind. »Das ist meine Sorge. Leichtsinn ist der Name des Todes«, murmelte das Oberhaupt kaum hörbar und machte zu dem Krieger und Schmied kehrt. »Ich wagte es«, sagte Thron nachdenklich, als er die Axt betrachtete. »Zügle dein Feuer. Ich arbeite gerade.« Widerstrebend fügte sich Eldram und blickte den Dorfschmied grantig an. »Du kennst im Grunde meine Gefühle für Hildegard. Insofern unterlass deine Angewohnheiten bei mir und sag Bescheid, wenn du deiner Arbeit nachgehst.« Erst jetzt entspannte er seine Muskeln, indem er die Schulter mit Kreisbewegungen lockerte und den Knoten in der Brust löste. »Immer das Gleiche mit dir.« Der Schmied schenkte ihm keine Beachtung mehr. Leicht wie eine Feder fuhr Thron mit der Hand über das Holz. Es splitterte nicht, fühlte sich glatt unter der Haut an. Täglich putzte er den Kieferstiel mit Sandschleifpapier, verfeinerte die Ränder und Ecken. »Du schmierst das Holz mit Baumharz?« In seiner Hand glänzte das Holz im Lichteinfall. »Für meine Hildegard nur das Feinste von Feinsten«, bejahte Eldram und schwor in Edels Namen, er sah in Throns Augen ein erregtes Aufblitzen, heller als Gold. Nichts Erstaunliches bei ihm, zumal die Waffen, die er herstellte, stets mit Sorgsamkeit und Pflege behandelt wurden. Eventuell war das der Grund, weshalb er Throns Lieblingskunde war. Buschig und gekräuselt ruhten die Augenbrauen auf Nordris Mine, bis er sie zusammenzog. Schon lange bewachte er das Verhältnis zwischen Eldram und Thron. Unterschiedlich wie Edelglanz und Edelmatt kritisierten und lobten sie sich gegenseitig. An manchen Tagen zankten sie sich wie ein altes Ehepaar oder überschütteten den anderen mit Lob. Eldram schwang seine Axt ohne Furcht in den Gliedern, kämpfte unerbittlich in Kriegen, ob es einzelne oder mehrere Feinde waren. Wahrlich repräsentierte seine Tollkühnheit die Rüstung eines Kämpfers, aber im Kreis der Freunde schlug darunter das weiche Herz eines edlen Großvaters. Gelegentlich brodelte in Eldram ein Feuersturm ob seines hitzigen Temperaments. Auf der anderen Seite sammelte Thron keine Erfahrungen als Krieger, sondern übte sich am einwandfreien Schlag seines Hammers, wenn Schweiß und Leidenschaft flossen. Nüchtern und gezielt erschuf er Waffen, Werkzeuge und Waren allein durch Ausdauer und Kraft. Er hämmerte und formte bis er am Ende zufrieden war, vorher gab er nicht auf. Seinen wachen Augen entgingen keinen Makel, weder winzige Kratzspuren noch leichte Dellen. »An Schärfe und Gewicht mangelt es nicht. Das Holz ist im guten Zustand, die Rundung am Griff samtig wie ein geschliffener Diamant und auf dem Metall haftet kein Rost. Hildegard ist im besten Zustand«, schloss er seine Prüfung ab und reichte die Axt ihrem Besitzer zurück. »Habt weiter ein geschätztes Auge auf die Waffe.« »Mit dem größten Vergnügen.« Fest hielt er die Axt in den Händen. Freudiges Summen ertönte aus seiner Kehle und er grinste breit. »Du trägst einen Teil zu ihrer Schönheit bei, auch wenn du nur deine Arbeit tust.« Auf dem Rücken legte er Hildegard in den Tragschnüren ab, wo er sie sicher aufbewahrte. Mit Rücken an Rücken und Kieferstiel an Hand überwand das ungleiche Paar sämtliche Hindernisse, aßen am Feuer Fleisch und Brot und teilten das Bett in der Nacht. Im Hintergrund knisterten und atmeten die Flammen im Schmiedeofen. Als Schmied empfand er für seine Arbeit einen gewissen Grad an Stolz und überprüfte ebenfalls, wie die Kunden mit dem Gut aus Metall umgingen. Denn auch bei ihm gab es eine Grenze. Das Bild von Eldram mit Hildegard an der Seite jedoch übertraf selbst den Nordberg. Er schüttelte den Kopf. »Der Kunde ist König«, zuckte Thron mit den Schultern. »Und Hildegard meine Königin«, sagte Eldram. Nordris und Thron tauschten amüsierte Blicke aus. Ein Tag ohne Eldram mit seiner geliebten Axt Hildegard fehlte der Edelglanz in Edelbrunn. In dem Moment zuckten die Nasen der Zwerge, als ein lieblicher Duft die Schmiede erfüllte. Stille und Neugier keimte in den Mägen der Männer auf. Es lag der reizende Geruch von Zitronenkuchen, Honigbällen, Zimtsteinen und süßsaurem Wein in der Luft. »Deine Frau Lydia steht in der Küche?« Erstaunt schaute Nordris zum Fenster des Wohnhaues und fand die Fensterläden weit geöffnet. Frost hing an dem Glas, hauchte Kristalle und weiße Wirbel daran. Ebenso überrascht hob Thron die Augenbrauen und kreuzte die Arme vor der Brust. Frühstück war erst zwei Stunden her, nachdem die Sonne weit über die Berge gestrahlt hatte. »Sie backt und kocht meist dann, wenn die Zeit reif dafür ist oder wir Besuch erwarten.« Den Kopf neigte er zu Nordris und Eldram. »Seid ihr zufällig der Besuch?« »Nein. Ich habe keine Kenntnis darüber«, versicherte das Oberhaupt. Folglich nickte Eldram und streckte die Nase nach vorne. »Mag sein, dass wir nicht erwartet werden, aber finde es sehr unhöflich, die Köchin nicht zu begrüßen.« In der Nähe der Küche knurrte sein Magen. Kurz überlegte Nordris. Jung und frisch war der Tag. Der Himmel färbte sich hellblau und die Wolken schwebten wie Traumfetzen über Edelhall. Soweit er wusste, liefen die Vorbereitungen einwandfrei. Im Haus der Familie Glanzschild ein Frühstück zu verspeisen, war schon verlockend. Lydia und Urna hatte er in den vergangenen Monden kaum gesehen und heute könnte er sich einen Besuch gönnen. »Gewiss. Wir brauchen nur eine Einladung des Hausherrn.« »Auf mich wartet viel Arbeit. Der Hammer braucht eine Hand zum Schlagen und der Schmiedeofen den Geist des Schmieds. Feuer kann unberechenbar sein«, erklärte Thron und erhob kurzerhand die Stimme. »Die Schmiede und der Vorhof sind mein Besitz. Der Garten und die Küche gehören meiner Frau.« Zum Abschied klopfte er auf die Schultern der Zwerge, dann schob er das Metall zum Erhitzen in den Schmiedeofen und legte es zum Bearbeiten hin. Er schnappte nach dem Hammer, stellte sich vor den Amboss, straffte die Schultern und schlug auf das Eisenteil ein. Funken sprangen, Schweiß bildete sich. Freudestrahlend rieb sich Eldram den Bauch. Ihm lief das Wasser im Mund zusammen. Der Krieger nahm diese Worte als Einwilligung. »Schlag bloß keine Wurzeln, Nordris. Unser Besuch wird erwartet«, forderte Eldram keine Widerrede. Anders als zu seufzen, konnte Nordris nicht. Er hatte nicht vor, die Gastfreundschaft der kleinen Familie abzuschlagen und Eldram die Gelegenheit auf ein herrliches Frühstück zu verwehren. Er zog den herben Mund zu einem schmalen Strich, dabei ließ er die Bürde los, die schwer auf seinen Schultern ruhte und ihn manchmal zu erdrücken schien. Seine Lungen füllten sich mit kalter Luft, dann strömte dieser wieder raus. »Minuten sind keine Stunden. Lass uns edle Männer sein und die Frauen begrüßen«, gab er endgültig nach. »Und ich dachte schon, ich muss dich mit Hildegard ins Land der Träume schicken und in das Haus schleifen.« Lachen dröhnte aus Eldrams Kehle, dann schritt dieser voran. Das Sonnenlicht lief am schimmernden Metall der Axt hinab, sodass es kurz in den Augen Nordris' blendete. Einzelnes Blinzeln folgten ohne das Wissen des Kriegers. Dicht in Hörweite ergriff eine Stimme das Wort. »Verhängnisvoller wäre, ihn als blinden Zwerg zurückzulassen.« Die Winterkälte fuhr in die Glieder der Zwerge. Starr wie Eis stockten ihre Bewegungen und ein Fluchen entwich Eldram. »Nein, das kann nicht sein«, murrte der Krieger und fand Arcon hinter dem Küchentresen, der über das ganze Gesicht grinste. Grimmig verzog er das Gesicht, rümpfte die Nase und zeigte deutlich, dass er über die Anwesenheit des jungen Zwerges nicht erfreut war. »Welcher unverschämte Geist jagte dich hierher? Edel war es bestimmt nicht.« »Gestern lud mich Frau Glanzschild ein, zusammen mit euch heute am Frühstückstisch zu sitzen«, antwortet Arcon. Am Fenster lehnte er sich an und biss in ein Honigbällchen. Für ihn bedeutete die entrüstete Reaktion Eldrams mehr als die Schätze der ganzen Welt. Im Mund genoss er nicht nur die Honigsüße, doch auch die Rache schmeckte süß. Aus diesem Grunde spannte Eldram die Kiefer an. »Warum hast du geschwiegen?« Vor kurzem erklomm die Sonne den Nordberg und erwachte über den Bergtal, als die Zwerge von Arcon erwischt wurden und mit ihnen sprach. »Ich hörte, ich lauschte, wie ihr vorhattet, selbst zum Schmied zu gehen. So sparte ich Zeit und Kraft«, zwinkerte er. »Das Grinsen wird dir noch vergehen. Mal gucken, wie voll deine Mund wird, wenn ich dir Honigbällchen in den Mund stopfe«, donnerte Eldram und marschierte geradewegs in das Haus hinein. Soeben bereute und bedauerte Nordris zutiefst, dass er die Erholung, der Einladung und der Einnahme eines so kurzweiligen Frühstücks zugestimmt hatte. Ein Dorf anzuführen war einfacher, als den Streit zwischen den Sturköpfen ständig anzuhören, mitzuerleben und zu schlichten. Es entfachte regelrecht ein Wortgefecht unter den ungleichen Zwergen, scheuchte die Vögel im Garten weg, übertrumpfte das Heulen des Windes über den Dächern und trommelte Nordris in den Ohren. »Minuten, keine Stunden und Tage. Wir bleiben nur ein paar Minuten«, munkelte Nordris.   Einen halben Tag später Flammen in riesiger Gestalt loderten gespenstisch auf dem Marktplatz und das Knistern reiste wie ein Flüstern mit unheilvollen Beschwörungen durch die Nacht. Schwerter und Schilde schillerten im gelblichen Schein, als die Zwerge die Waffen schwangen und dicht am Körper hielten. Der Zweikampf dauerte schon seit einer halben Stunde. Keiner der Kämpfer gab nach und sie keuchten hörbar. Um den Kampfkreis flogen die Fackeln von Hand zu Hand, im Schlag der Trommeln und zum Trillern einer Flöte. Das Fest gewann mehr und mehr an Tempo. Am Tisch saß Nordris, kaute im Mund ein Brot mit cremiger Butter und dickem Schinken. Lautes Gelächter und Schreie drangen an sein Ohr, bis er sich an der Lautstärke gewöhnte. »Die Feierlichkeit erreicht dem Anschein nach den Nordberg«, vermutete er und biss erneut von dem belegten Brot ab. In seinen Augen leuchtete das Feuer hell und warm. Wann immer zwei Fackeln in der Luft den Weg kreuzten, sprang ein Mädchen in purpur-farbenem Gewand zwischen ihnen hindurch und wirbelte im Kreis. Der Fackelschein spiegelte sich auf den Flächen der Waffen und in den Gesichtern der Zwerge. Nordris setzte sich auf der Holzbank zurecht, dabei trank er einen Becher Wein aus. »Hört, hört. Die Flammen kichern und amüsieren sich«, lallte Eldram mit roten Wangen. »Amüsierst du dich, mein gütiger Freund?« Nach links neigte er den Kopf, bekam einen Schluckauf, der in der Brust halbwegs schmerzte. Das Feuerlicht ließ seine Zähne Weiß und Gold schimmern, wann immer er schief lächelte. In seiner rechten Hand hielt er den Wein. Zögernd brummte sein Sitznachbar, pendelte den Kopf ob des Einflusses des Weinrausches hin und her. »Hm.« Als er aufhörte, darüber nachzudenken, stieß er ein Lachen aus. »Ich amüsiere mich köstlich«, betonte Arcon das letzte Wort. Er öffnete den Mund und probierte den Edelwein. »Oh ja! Einfach köstlich.« Anerkennend polterte Eldram mit der Faust auf dem Tisch. Von Arcon bekam er ein hastiges Klopfen auf die Schulter und den Krieger störte das nicht. »Du bist ein wahrer Weingenosse. Ich liebe dich, Bruder«, hickste er mehrmals. Arcon legte den Arm um Eldrams Hals. Im Takt der Musik bewegten sich die Männer, ohne dass ein Schwindelgefühl sie hemmte. »Ich verspreche dir in Edels Namen, mein erstklassiger Freund und Bruder, ich werde dich und die zauberhafte Hildegard niemals wieder beleidigen.« Ehrenvoll drückte er die Hand auf das Herz und hob den Weinbecher hoch. Dann bemerkte der Zwerg, wie Eldram reagierte. »Genau, befreie deine Gefühle, du alter Liebhaber einer Axt.« Tränen glänzten in Eldrams Augen, ein Schniefen löste sich aus der Nase und der Rotz tropfte auf die Tischkante. »Heute, morgen und für immer bleiben wir Brüder…Weinbrüder…Waffenbrüder…Blutsbrüder«, versprach er und die Weinbecker klirrten beim Anstoß auf ihre betrunkene Freundschaft. »Als Beginn unserer Freundschaft werde ich das Blau in deinem abscheulichen Haar Rosa färben. Ich denke, ich glaube, das steht dir besser, du freche Glitzerfee.« Mit einem Grinsen nickte Arcon, einmal, zweimal, dreimal hintereinander. Lichtpunkte und Schattentänze verwirrten ihn, als Sterne am Rande seiner Sicht auftauchten und funkelten. »Du bist edelsüß. Leider erlaube ich es dir nicht, du rotziger Witzbold«, sagte er mit Pausen dazwischen. »Witzig, witzig.« Lachend trank er den letzte Tropfen Wein aus. Sein Gesicht war heiß, doch die frostklare Winterluft kühlte bei jedem Atemzug die Hitze in seinem Kopf. Er schaute Arcon an. »Was sonst? Beglitterst du mich?« Der Jäger und der Krieger wechselten stumme Blicke und brachen in schallendes Gelächtern aus. Fassungslos starrte Nordris seine Freunde an. Wein rann aus dem offenen Mundwickel und er verschluckte sich fast an einem Tropfen im Hals. Irgendein mächtiger Zauber vermischte sich mit dem Wein, dass die Zwerge durchdrehten. Skeptisch roch er am Wein und sah sein schwammiges Spiegelbild. »Das war genug Wein für heute.« Den Becher schob er weg. Tonlos stützte er den Ellenbogen auf dem Tisch und das Kinn auf der Handfläche ab. »Warum ziehst du so ein langes Gesicht?« Beim Klang der vertrauten Stimme setzte sich Nordris aufrecht und erkannte Throns Frau. Lydia schaute Nordris aus grünen Augen an. Ihr Gesicht war dick und weich, der Hals stämmig und rosa, der Körper breit und mit einem braunen Schürzenkleid bedeckt. Sie schmunzelte liebreizend. Das Haar glänzte im Fackellicht wie Kupfer, weiße Perlen schmückten den geflochtenen Zopf und ähnelten Sternen. Die leere Sitzfläche ihm gegenüber beanspruchte sie für sich. »Du bist nicht in Feierstimmung, oder?« »Ein Phönix am Himmelzelt könnte es ändern«, meinte er und riskierte kurz einen Blick zu seinen Freunden. »Dafür trinken und lachen die anderen und feiern, tanzen und kämpfen in Edels Namen bis zum Morgengrauen.« Skeptisch folgte sie seinem Blick, riss die Augen weit auf und traute dem Anblick nicht, wie Eldram und Arcon die Becher auf dem Kopf des jeweils anderen platzierten und versuchten, den sicheren Halt zu bewahren. »So vertraut und hohl? Erinnert mich an Zwillingsnüsse, die in einem Weinfass schwimmen.« Dann schnalzte sie mit der Zunge. Flüchtig zuckte Nordris mit den Mundwickel, beinahe hatte er gelächelt. Der Tag verlief nicht nach seinen Vorstellungen. Unter seiner Aufsicht sollte das Fest starten, wachsen und gedeihen. Allerdings plante jemand oder etwas, ob das Schicksal oder Edel, einen anderen Weg, den er gehen musste. So verbrachte er die Hälfte des Tages im Haus Glanzschild. Nachdem Lydia die hitzige Auseinandersetzung zwischen Arcon und Eldram bemerkt hatte, versäumte sie keinen Wimperschlag und verpasste beiden mit dem Kochlöffel einen Hieb auf ihre Köpfe. Darauf zog sie an ihren Ohren und zerrte die Männer in die Küche. Nordris seufzte. »Wo sind Thron und Urna?« »Auf der anderen Seite des Marktes und werfen sich Schneebälle in die Gesichter«, erklärte sie und schluckte den Wein genüsslich hinunter. Der Sonnenwein schmeckte süß und stark und duftete nach den Gewürzen des Ostens. Demnach war er viel besser als die dünnen Weine aus milden Früchten. »Schnee ist kalt und nass. Für Kinder ein wahrer Traum zum Spielen«, deutete das Oberhaupt auf die Bilder aus Kindheitstagen. Vom Nordberg her zog ein Windhauch über das Tal und aus dem Kieferwald wirbelte heulender Wind den Schnee auf. Er blickte zu Lydia, als sie seinen Becher kostete, dann die Lippen vorschob und diese zu einem stillen »Sauer!« formte. Diesmal lächelte er. »Wünscht die Dame etwas Süßes?« Anerkennend lehnte sie mit Höflichkeit ab. »Süßes klebt und befleckt die Kleidung. Saure Früchte und saure Gefühle geben dem Leben seine Würze.« Durchaus konnte sie mit dem Handrücken die Weintropfen rasch von den Lippen wischen, aber sie nutzte das gestrickte Tuch ihrer Tochter. »Starker Wein haut eine Frau wie mich nicht um.« Während die Trommeln dem Höhepunkt zustrebten, sprangen mutige und junge Zwerge über die Flammen und die Feuertänzer drehten ihre Fackeln schneller und höher durch die Luft. Die Flöten erklangen im Takt der Tänze und der Zweikampf endete unentschieden. Rauch hing in der Finsternis. Feuer und Flammen zuckten, tanzten und flüsterten bei dem letzten Trommelschlag und Flötenklang. Ein tobender Applaus bahnte sich durch das Dorf. Schrille, klare und raue Stimmen erhoben sich wie Funken und wirbelten in den endlosen Nachthimmel. Durch den Wolkenhang schien der Mond silbern und geheimnisvoll zugleich. Das aufregende Musik- und Tanzspiel des Phönix war zu Ende. Langsam begannen die Trommler zu schlagen. Die Flöten begleitete nach dem zehnten Paukenschlag die Trommeln und ihre empfindsame Melodie floss wie Meeresrauschen. In fließenden und beschaulichen Bewegungen harmonierten die Tänzer mit der Musik. »Der Wasserdrache«, kam es Nordris in den Sinn. »Dann lass uns anstoßen.« Lydia hielt ihm ein Becher entgegen und duldete kein Nein. »Herzhaft wie süßer Wein«, sagte er und die Becher prallten in im selben Augenblick zusammen, als die Trommeln kraftvoller und die Flöten flinker wurden. »Sauer und stark wie ein Wein voller Edelsteine«, konterte sie und beide tranken den flüssigen Inhalt aus. Das Fest des Edlen Winters erfüllte weiterhin die Herzen der Zwerge mit Freude. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)