Unheilige Nacht von Platypusaurus (SPN Adventskalender auf fanfiktion.de: Tür 6) ================================================================================ Nicht heute ----------- Sie reden nicht viel, aber sie trinken. Es bleibt nicht nur bei der Flasche Craig, die bald geleert ist, und mit einem Mal scheint Crowley nichts mehr an an dem ‚Klischee-Schotten‘ oder dem ‚Amerikaner für die schnelle Wirkung‘ auszusetzen zu haben, denn er lässt sich bereitwillig von Bobby einschenken, nippt wider Erwarten ohne den Hauch der affektierten Kennermiene am Whiskey, so als wisse er den Alkohol genug zu schätzen, als sich abfällig darüber zu äußern. Es dauert nicht lange, bis sich bei Bobby doch noch die ersten Anzeichen des Rausches einstellen. Seine Sicht wird an den Rändern etwas unscharf und er spürt das vertraute, wohlige Flattern in seinem Inneren, das ihm verspricht, dass die Realität für den Augenblick keine Rolle spielt. Aber sein Kopf bleibt klar, zumindest klar genug, um Crowley schließlich zu fragen: „Verrätst du noch, was du hier treibst oder bist du nur mal vorbeigekommen, um meinen persönlichen Vorrat zu plündern?“ Er kann selbst hören, dass er ein bisschen lallt, aber er sieht nicht ein, deshalb befangen zu werden. Nach allem, was er über Crowley weiß, war der zu Lebzeiten selbst ein regelrechter Trunkenbold, was sich im Tode nicht unbedingt geändert zu haben scheint. Und seine Laster – egal, ob im Leben oder darüber hinaus – lassen ihn, Bobby, daneben wie den reinsten Chorknaben aussehen. Der Dämon leert sein Glas plötzlich mit dem Schwung eines einzigen Zuges. Vermutlich ist es nur Einbildung, aber es erscheint Bobby durch den Alkohol hindurch nur wie ein weiteres Zeichen des Unbehagens. Doch um auf der Hut zu sein, ist es lange zu spät. Mit einem tiefen Schluck aus seinem Glas verabschiedet sich Bobby von diesem Gedanken und heißt seinen Leichtsinn willkommen. Er hat sie vermisst, diese Wirkung des Alkohols. Seit einigen, langen Jahren sorgt der nur noch dafür, dass er funktioniert, verschlimmert an schlechten Tagen sogar vielmehr die Dunkelheit, die Bobby auch im Hochsommer in sich selbst herumträgt. Für ein derartiges Stimmungshoch hat der Rausch schon nicht mehr gesorgt, seit er ein junger Erwachsener gewesen ist. Und das ist schon … etliche Jahre her. „Dein Reaper hat mich angeklingelt“, antwortet Crowley in gewohnt trockener Manier, aber mit gewisser Bedachtsamkeit, die Bobby selbst in seinem jetzigen Zustand nicht entgehen will. Ein freudloses Lachen entweicht ihm über den Rand seines Glases hinweg. Crowley lacht nicht. Stattdessen sieht er sich von seinem Platz auf dem schäbigen Sofa aus im Raum um, so als habe er das heute noch nicht oft genug getan. Sein Blick schweift über die stattliche Sammlung leerer und halbleerer Flaschen auf dem Tisch und bleibt, was ganz sicher eine trunkene Einbildung sein muss, schließlich am Schreibtisch hängen. „Und, was hat er dir erzählt?“, fragt Bobby kühl. „Warte, war ich etwa ein böser Junge?“ Crowleys Brauen sind schon wieder so weit seine hohe Stirn hinauf gewandert, dass sie fast seinen fliehenden Haaransatz erreicht haben. Der Gesichtsausdruck, der unter Garantie ernst wirken soll, ist urkomisch und Bobby lacht erneut vor sich hin, diesmal wirklich, ein echtes Lachen – er lacht Crowley aus. Bobby muss wirklich des Lebens müde geworden sein. „Dein Sensenmann, Robert, nicht der Weihnachtsmann“, sagt Crowley ungerührt und angelt ungefragt nach der Whiskeyflasche, die sie vorhin erst gemeinsam geöffnet haben. „Warum sollte der dich … anklingeln? Was heißt das überhaupt bei einem Reaper?“, fragt Bobby achtlos, reißt Crowley die Flasche aus der Hand (was dieser überraschenderweise widerstandslos geschehen lässt), um ihnen beiden nachzuschenken. Ja, er ist betrunken, hat sich in Gesellschaft Crowleys einen zu viel hinter die Binde gekippt, und gerade eben erfahren, dass sein stummes Flehen offenbar Gehör gefunden hat. Sein Ende scheint unmittelbar bevorzustehen, wenn Sensenmänner ihm schon einen Dämon bis nach Hause schicken. Das bedeutet auch, dass Bobby für das Danach wohl ganz offensichtlich einen Platz in der Hölle reserviert hat. Er hätte bloß nicht damit gerechnet, so wichtig zu sein, dass der derzeitige Höllenregent seinen Sensenmann vertritt, sogar persönlich bei ihm vorbeischaut, um ihn abzuholen. Wenn er ehrlich sein soll, hat er erwartet, nein, gehofft, dass sein Reaper vielleicht etwas mehr Ähnlichkeit mit Tori Spelling hat. Weniger mit Crowley. Nun gut, wenn er eines im Leben gemeistert hat, dann wohl, sich auf unvorhergesehene Ereignisse einzustellen. Damit wird er beim Übergang in den Tod ganz gewiss nicht aufhören! Es ist ihm zwar nicht gelungen, dem Alkoholismus zu entkommen, hat in dieser Hinsicht ganz den Weg seines Vaters eingeschlagen. Aber wenigstens kann er von sich behaupten, bis zum Ende liebend gewesen zu sein, seinen Jungs nicht wissentlich Schaden zugefügt zu haben. Ihre Sicherheit und ihr Wohlergehen standen für ihn immer über allem anderen. „Nur schade, dass ich die Jungs vorher nicht noch mal gesehen hab“, denkt Bobby laut, was ihm erst klar wird, als die Worte undeutlich seinen Mund verlassen haben, der sich allmählich taub anzufühlen beginnt. „Idiot! Was redest du da?“, fährt Crowley ihn so scharf von der Seite an, dass es Bobby unsanft aus seinen Gedanken reißt. Er fängt sich jedoch schnell wieder. „Ich komm also in die Hölle. Na und“, lallt er rau und leert achtlos sein Glas. „So lange du keinen Vertrag mit mir eingegangen bist, habe ich keinerlei Anspruch auf deine Seele, Singer“, sagt Crowley schließlich mit der gleichgültigen Geschäftigkeit, die Bobby schon von ihm kennt – und verabscheut. Dazu schenkt der Dämon ihm einen abschätzigen Blick, der ihm alles andere als gefällt. Er geht eine Spur zu tief, scheint Haut und Knochen zu überwinden und bis in sein Innerstes zu dringen. „Ich habe keinen Einfluss darauf, wo du am Ende des Tunnels landest. In mein Reich bringen dich allein deine Handlungen, wie du sehr wohl weißt, und wenn dich die Gegenseite haben will, gibt es nichts, was ich dagegen tun könnte.“ „Ha!“, entfährt es Bobby. Etwas in seinem Geist ringt darum, sich diese Information zu merken. Es kann nicht schaden, dem König der Hölle in Zukunft eine Schwäche mehr unter die Nase reiben zu können, ganz gleich, ob er jetzt stirbt oder nicht. Der Tod ist nur aus Perspektive der Lebenden etwas Endgültiges, und er kann nicht wissen, ober er darüber hinaus nicht doch noch eine Rolle zu spielen hat. Vielleicht für Sam und Dean. Hoffentlich ist er noch nicht zu betrunken, um die Details ihres Gesprächs zu behalten. Crowleys Gesicht nimmt über seinen begeisterten Ausruf eine gewisse tadelnde Note an. „Es interessiert mich natürlich schon, was mit dir nach deinem Ableben passiert. Eine Seele ist eine Seele und es wäre eine Schande, sie am Ende an Familie Feathers zu verlieren. Wann auch immer dein Ende da kommen will. Jedenfalls nicht heute.“ „Hmm“, brummt Bobby, nicht sicher, was er mit all dem anfangen soll. Er hat es also immer noch nicht geschafft, hat das Ende seines jämmerlichen Lebens immer noch nicht erreicht – zumindest laut Crowley. Was weiß der schon! Vielleicht könnte Bobby nachhelfen, die Sache beschleunigen … Zur Not wartet da immer noch der Revolver im Schreibtisch. Aber etwas sagt ihm, dass ihn das Gespräch aufhorchen lassen sollte, und dass er am Leben bleiben muss, um aus all diesen Informationen einen größeren Nutzen zu ziehen.  Crowley hat keinen Einfluss darauf, wenn eine Seele für den Himmel bestimmt ist und es interessiert Crowley, was mit seiner Seele passiert. Und seit wann geht Crowley eigentlich mit Details hausieren, ohne dass für ihn dabei etwas herausspringt? Interessant. „Nicht, dass du denkst, ich hätte in der Hölle viel Zeit für dich. Oder überhaupt Zeit für dich, wenn du dir das Licht ausknipst, nein, vermutlich würden wir uns überhaupt nie sehen. Im Himmel natürlich schon gar nicht. Kein Zutritt für mich da oben.“ „Hmm“, macht Bobby erneut und greift fahrig nach der Flasche, um sein Glas ein weiteres Mal zu füllen. Crowleys Blick liegt schwer auf ihm, aber es fällt nun leicht, das auszublenden. Soll er doch schauen, soll er doch bis auf den Grund seiner erbärmlichen Seele glotzen. Es kümmert Bobby nicht. Genauso gut kann er es hier und jetzt auch beenden. Der Revolver ist dafür gar nicht mehr unbedingt nötig. Genug Alkohol steht dafür vielleicht nicht mehr auf dem Tisch – ein unsterblicher, dämonischer Säufer tut seinem Spirituosen-Vorrat wirklich nicht gut – aber in der Küche – „Hör mir zu, Singer“, sagt Crowley plötzlich scharf und das auszublenden, ist unmöglich, denn wie um seine Worte zu untermauern, hat Crowley ihm die Hand auf den Arm gelegt, den er gerade nach der Whiskeyflasche ausstreckt. Schwer und unnachgiebig – ein anderes bleiernes Gewicht als sein Revolver, eindrücklich, wenn auch längst nicht so belastend. Komisch. „Hör. Mir. Zu.“ Bobby hat das Gefühl, dass sich der Nebel in seinem Kopf mit der Berührung etwas legt – nicht genug, um ihn wieder nüchtern werden zu lassen, aber dennoch ausreichend, um Crowley klarer zu verstehen. „Dein Leben ist einsam und bemitleidenswert, und zwar aus dem einzigen Grund, weil du es dazu machst! Du bist nicht allein und im Tod wird es dir nie besser gehen als jetzt. Also reiß dich gefälligst zusammen und tu was mit dieser verdammten Chance, die ich dir, warum auch immer, gebe!“ Crowleys Stimme ist ein wütendes Zischen viel zu nah an seinem Ohr, das ihm einen Schauer über den Rücken jagt, nicht zuletzt, weil ihn der König der Hölle plötzlich am Schlafittchen gepackt hält. „Hast du mich verstanden?“, faucht Crowley und schüttelt ihn, so dass ihm die Zähne klappern. „Du bist nicht allein!“ Bobby kann nicht anders, als Crowley über die kurze Distanz hinweg anzustarren. Der König der Hölle hält ihn auf Armeslänge von sich und seine Augen glühen im unheilvollen Rot der Höllenfeuer. Bobby hält den Atem an. Er ist immer noch zu betrunken, um wirklich ernsthaft Angst zu haben, aber er sieht ein, dass ihm keine andere Wahl bleibt, als ergeben zu nicken. Was er tut. Mit einem weiteren Zischen, das ihn klingen lässt, wie einen kleinen wütenden Teekessel, lässt Crowley ihn los und Bobby sackt neben ihm auf dem Sofa zusammen. „Gut. Ich habe da noch eine Flasche Craig. Interesse?“ Bobby nickt erneut, nichts ganz sicher, was Crowley eigentlich von ihm will. „Du willst nicht, dass ich … es beende“, schlussfolgert er schließlich benommen und sieht dabei zu, wie Crowley mit den Fingern schnippt, woraufhin eine weitere Flasche seines liebsten Scotchs mit leisem Klirren zwischen den anderen auf dem Tisch erscheint. „Gut erkannt“, brummt Crowley und schenkt ihnen beiden nach. „Und trotzdem füllst du mich ab, obwohl du genau weißt, dass ich trinke.“ Crowley zuckt die Achseln und drückt ihm sein bis über die Hälfte gefülltes Glas in die Hand. „Der Weg zur Hölle – du kennst das doch“, sagt er nur und grinst nun ein bisschen. „Und, weiß die Hölle, dass du einen Deal mit meinem Reaper hast, damit er dir Bescheid gibt, wenn ich gedenke, selbstbestimmt den Löffel abzugeben?“ In diesem Moment setzt Crowley sein Glas an die Lippen und spült seine unverständliche Antwort mit einem Schluck bernsteinfarbener Flüssigkeit hinunter. „Idjit.“ Keine Antwort. Vielleicht ist das auch besser so, denkt Bobby durch seinen Nebel hindurch, der immer dichter wird, je mehr Zeit verstreicht, seit Crowley ihn aus dem Schwitzkasten entlassen hat. Er beschließt, sich für heute Abend dem Rausch vollends hinzugeben, und obwohl Crowley seine Gesundheit nicht im Geringsten zu bekümmern scheint, hat er dennoch das Gefühl, dass dieser Dämon, der vielleicht merkwürdigste Vertreter seiner Art, auf seine eigene, ganz verquere Weise über ihn wacht. Und in dieser einen Hinsicht hat er vielleicht recht gehabt, selbst wenn es nur für den heutigen Abend gelten sollte: Bobby ist nicht allein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)