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Unheilige Nacht

SPN Adventskalender auf fanfiktion.de: Tür 6
von

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Unheilige Nacht

Es ist immer noch dunkel. Oder schon wieder, als es laut klopft. Die zweite Flasche Bier noch ungeöffnet in der Hand, schlurft Bobby zur Haustür.
 

„Wer da?“, knurrt er miesepetrig durchs Holz und verflucht das hoffnungsvolle Stolpern darüber in seinem Puls, dass vielleicht doch seine beiden Jungs –
 

Nein, so nicht!  
 

Der eigenen Familie sollte es nicht gestattet sein, einem so oft das einfältige Herz zu brechen. Schon gar nicht an Heiligabend.

Er reißt die Tür auf, ohne ein Antwort abzuwarten und muss bei dem Anblick, der sich ihm auf der Schwelle bietet, kurz Luft holen, um sich zu sammeln.
 

„Crowley“, brummt er schließlich und runzelt die Stirn.  „Hat dich selbst die Hölle nicht länger ertragen oder was verschlägt dich hierher?“
 

Der König der Hölle sieht aus wie immer: Dunkler Anzug, schwarzes Hemd, rote Krawatte, pikiert-süffisantes Lächeln, das sich vielmehr in der beeindruckenden Beweglichkeit seiner Brauen als auf dem Rest seines Gesichts abspielt. Anstelle einer Begrüßung streicht er sich den Ärmel seines Jacketts glatt, so als sei er soeben mit etwas Unaussprechlichem in Berührung gekommen, das weit unter seiner Würde liegt. Nun, vielleicht hat sein Ärmel vorhin beim Klopfen die Haustür gestreift.
 

„Das Missfallen ist ganz meinerseits, Singer – also, lässt du mich rein?“, flötet Crowley ohne zu zögern. Er schielt dabei allerdings mit einem Ausdruck, der Bobby an unterdrücktes Unbehagen erinnert, über seine Schulter hinein ins Haus. Normalerweise verströmt der König der Hölle sein Ego und die zugehörige Selbstgefälligkeit so penetrant aus jeder Pore, dass sein kleinlautes Auftreten beinahe an ein Wunder grenzt.
 

- KEIN Weihnachtswunder!
 

Es gibt nicht viele Dinge, die es schaffen, dass Robert Singer sich geschlagen gibt. Ein vermeintlich friedlicher Besuch des Königs der Hölle an Heiligabend gehört vielleicht dazu und vielleicht ist es eben diese zweifelhafte Überraschung, die ihn dazu veranlasst, tatsächlich zur Seite zu treten und Crowley Einlass zu gewähren.

Als die Tür hinter ihnen ins Schloss fällt, die Dunkelheit aus- und das unbehagliche Schweigen mit ihnen einsperrt, bemerkt Bobby das herablassende Augenrollen, mit dem Crowley seine Einrichtung mustert, als habe er sie noch nie zuvor gesehen.
 

„Für den Fall, dass du mir noch einen Stuhl anbieten willst …!“
 

Er gestikuliert theatralisch in Richtung des abgenutzten Läufers zu seinen Füßen, unter dem die Teufelsfalle verborgen ist, die den Dämon im Eingangsbereich des Hauses festhält.

Bobby seufzt und setzt die ungeöffnete Bierflasche auf dem Tischchen neben seinem Lieblingssessel ab.
 

„Was willst du hier, Crowley?“, brummt er, geht zur Tür zurück und schiebt mit der Schuhspitze den abgenutzten Saum des Läufers beiseite, macht jedoch noch keine Anstalten, die Wirkung der Falle für seinen …  Gast aufzuheben.
 

Crowleys Blick und Tonfall sind gewohnt überheblich, obwohl er Bobbys Augen immer noch beharrlich ausweicht, als er ihm antwortet: „Geschäfte. Das Übliche. Dies und das und natürlich Seelen.“
 

Jetzt ist es an Bobby, die Augen zu verdrehen. „Klartext, Crowley, oder du verrottest hier bis Neujahr und ich verrate dir nicht, von welchem Jahr ich spreche!“
 

Ganz der Geschäftsmann, verschränkt Crowley nun die Arme hinter seinem Rücken und beginnt, im begrenzten Durchmesser der Falle auf und ab zu gehen. Das muss Bobby ihm lassen: An nonverbalen Floskeln und überkandidelter Schauspielerei mangelt es ihm auch in Anbetracht der ungewöhnlichen Situation nicht. Fragt sich nur, was für eine Strategie er damit verfolgt. Bobby traut ihm jedenfalls kein Stück über den Weg.
 

„Du machst mir Spaß, Singer“, sagt Crowley und klingt tatsächlich belustigt.

„Dämonen sagen niemals die Wahrheit, das sollte dir bekannt sein.“
 

„Es sei denn, sie können einen Nutzen daraus ziehen“, widerspricht Bobby unwirsch, verschränkt seinerseits die Arme, allerdings um einiges verbissener und nicht hinter dem Rücken, sondern  abwehrend vor der Brust. Na also! Es ist immer noch leicht, vor dem König der Hölle ganz in seiner Rolle als Griesgram aufzugehen.
 

Crowley unterbricht sein Stolzieren auf der Stelle und wirft Bobby einen forschen Blick zu, der erstmalig direkt auf seine Augen abzielt.
 

„Ist das ein Angebot, Robert, willst du einen Deal mit mir? Noch einen?“  

Er macht eine Kunstpause, wackelt vielsagend mit den Augenbrauen.

„Kannst wohl einfach nicht genug von mir bekommen.“
 

Ein überhebliches Grinsen folgt, das Bobby ihm am liebsten aus dem Gesicht gewischt hätte – wahlweise mit einer Schrotflinte oder einem Vorschlaghammer. Beides hätte natürlich wenig Wirkung; vielleicht der einzige Grund, warum er gar nicht erst versucht, sich auf diese Weise an Crowley abzureagieren.
 

„Kommt drauf an, was du zu bieten hast“, kontert Bobby scharf und bleibt direkt vor der äußeren Umrandung der Teufelsfalle stehen.

„Im Moment sehe ich dich nicht in der Position, irgendwelche Forderungen zu stellen. Du bist zu mir gekommen, Freundchen, und falls du in näherer Zukunft noch irgendwas vorhast, rate ich dir, mit der Sprache rauszurücken. Ich hab nämlich viel Zeit!“
 

Crowleys Gesichtsausdruck, der zu Beginn von Bobbys kleiner Rede nichts als genüsslichen Spott beinhaltet hat, verfinstert sich bei seinen letzten Worten überraschenderweise. Einen Moment lang sieht er beinahe aus, als wolle er Bobby widersprechen. Stattdessen sagt er jedoch: „Bist du dir sicher, dass du den Mund da nicht zu voll genommen hast?“
 

Er betont seine Worte derart aufreizend, dass es Bobby fast zur Weißglut treibt; in erster Linie, weil er sich ärgert, dass es ihn ärgert, und er kann spüren, wie an seiner Schläfe eine Ader zu pochen beginnt. Doch Crowley spricht schon weiter, so als würde er seine Gereiztheit nicht im Geringsten bemerken: „Du verlässt doch kaum das Haus, Singer, und ich kann mir nicht vorstellen, dass ich dein Mitbewohner erster Wahl wäre. Vierundzwanzig Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Oder warte – etwa doch? Dir ist bewusst, dass ich nicht schlafe? Ich habe viel Ausdauer, muss nicht Luftholen, ich kann endlos reden …“
 

Er gönnt sich ein belustigtes Zwinkern und Bobby spürt, wie sich die Hände unter seinen verschränkten Armen zu Fäusten ballen. Bevor er vor Crowley ganz und gar die Fassung verlieren oder der König der Hölle weiter sticheln kann, dreht er sich ruckartig um und geht zu seinem Sessel zurück. Einen Hauch zu schwerfällig, um mit seiner zur Schau gestellten Gleichgültigkeit bei Crowley Eindruck zu schinden, lässt er sich hineinfallen und greift nach der Flasche Bier, die nun schon so lange geduldig auf ihn gewartet hat. Eigentlich wäre es nun wirklich an der Zeit für etwas deutlich Stärkeres.
 

„Und ich hatte schon befürchtet, du wolltest das Bier mir anbieten!“, spottet Crowley aus seinem unsichtbaren Käfig heraus und mustert Bobby dabei so unverschämt, als sei eigentlich sein unfreiwilliger Gastgeber derjenige auf dem Präsentierteller.
 

„Idjit. Wir wissen beide, dass du nur Craig trinkst.“

Unverrichteter Dinge stellt Bobby die ungeöffnete Flasche zurück auf den Beistelltisch und seufzt. Er sieht es schon kommen und das zweite Bier bleibt ihm für heute wohl verwehrt.
 

„Mindestens dreißigjährigen!“, betont Crowley mit Nachdruck, nickt aber.

„Wie wahr. Auch, wenn er dafür gesorgt hat, dass deine Jungs meine sterblichen Überreste unverschämter Weise aus dem Grab gezerrt haben.“
 

Bobby blinzelt bei der Erwähnung ‚seiner Jungs‘ vielleicht einmal mehr, als er es sich vor jemandem wie Crowley erlauben dürfte, doch entweder ist der König der Hölle zu abgelenkt von der Erinnerung oder er spart sich den schmerzhaften Seitenhieb für eine Situation auf, in der er einen noch größeren Nutzen daraus ziehen kann, als Bobby bloß ein wenig aufzuziehen.
 

„Hast du welchen?“, fragt er stattdessen, und Bobby sieht auf. Einen Moment lang mustert er ratlos das arrogante Gesicht bei der Haustür, bis ihm plötzlich dämmert, was Crowley meint.
 

„Dreißigjährigen Craig?“

Bobby schüttelt den Kopf.

„Bushmills, Jameson und Glenfiddich“, zählt er auf und weiß nicht, wieso er Crowley auf einmal praktisch einen Drink anbietet.
 

„Jack Daniels, wenn es nur für die schnelle Wirkung ist.“
 

Crowley zieht missbilligend die Nase kraus.

„Zwei Standard-Iren und den Klischee-Schotten. Schäm dich, Singer. Die traurige amerikanische Entschuldigung für Whiskey ignoriere ich großzügigerweise einfach mal.“
 

„Dachte, den Klischee-Schotten spielst du für mich schon“, brummt Bobby, vielleicht nicht ganz so missgelaunt, wie er es im Anbetracht von Crowleys abfälliger Reaktion auf seine Auswahl vielleicht sein sollte.
 

Crowley sieht für den Bruchteil einer Sekunde so aus, als wollte er lachen, zieht stattdessen aber die Hände hinter dem Rücken hervor, in denen er plötzlich eine Flasche mit bernsteinfarbener Flüssigkeit und zwei dickwandige Gläser hält, die er einladend aneinander klirren lässt.
 

„Wie sieht‘s jetzt aus, Robert? Einen Tropfen gegen meine Freiheit? Du weißt, es ist ein guter.“
 

Bobby schnaubt, den hochmütigen Spott diesmal ganz auf seiner Seite der Teufelsfalle: „Erscheint mir kein fairer Deal. Mach die ganze Flasche draus, vielleicht lass ich dann noch mal mit mir reden!“
 

Er weiß selbst nicht, wieso er so leichtsinnig ist, sich auf ein schwachsinnigen Tausch einlässt, bei dem er sein Leben, schlimmstenfalls sogar seine Seele aufs Spiel setzt. Aber vielleicht ist heute der Tag gekommen, an dem einfach nichts mehr eine Rolle spielt. Es ist der 24. Dezember. Und was immer Crowley von ihm will, er lässt Bobby die erdrückende Einsamkeit für einen winzigen Moment beinahe vergessen.
 

Crowley grinst breit.

„Du hast das Kleingedruckte noch nicht gelesen. Aber Deal: Die Flasche gegen uneingeschränkte Bewegungsfreiheit!“



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