Ein Jahr für Fünf von Augurey (Kalender 2020) ================================================================================ Kapitel 14: 14. Kalenderwoche -----------------------------   Scham, Hogwarts Express, Nadel ~*~   Dichter, grauer Rauch stieg aus dem eisernen Schornstein empor. Schrill schallte verheißungsvolles Pfeifen über den Bahnsteig, da setzten sich mit einem Schnauben der roten Dampflock als sei sie ein wildes Ross auch schon die großen, schweren Räder in Bewegung. Minerva lächelte während sie einen letzten Blick aus dem Fenster auf den Bahnhof warf und der Qualm ihr ins Gesicht wehte. Fast fühlte sich wieder wie ein junges Mädchen und die Aufregung ihrer ersten Zugfahrt ins Ungewisse kehrte für einen Augenblick in die Gegenwart zurück. Doch als sie das Fenster schloss, besann sie sich wieder ihres Alters und damit ihrer Pflichten. Seitdem Voldemort zurückgekehrt war, hatte Albus wie schon einmal beschlossen, dass ein Lehrer und im besten Falle noch ein Mitglied des Phönixordens den Hogwarts Express begleiten sollte, um die Sicherheit der Schüler und insbesondere Harrys sicherzustellen. Dieses Jahr war die Wahl auf sie gefallen. Jede volle Stunde ein Rundgang und um 11:15 die Leitung eines Sondertreffens der Vertrauensschüler. Minerva warf einen kritischen Blick auf ihre Uhr, dann beschloss sie loszugehen. Sie war stets lieber ein wenig zu früh vor Ort als zu spät. Während sie sich ihren Weg durch die schmalen Gänge bahnte, ließ sie die Ferien Revue passieren. Schade, dass sie von nun an wieder weniger Zeit für ihre Handarbeiten haben würde. Sie hatte erst am Wochenende eine neue Quiltdecke begonnen. So zog sie gedankenverloren von Abteil zu Abteil bis sie ihr Ziel erreichte – und feststellen musste, dass jemand noch pünktlicher gewesen war als sie. Hinter den Glastüren saß mit einem blitzenden Abzeichen an ihrem Umhang die Vertrauensschülerin ihres Hauses, ganz versunken in eine Strickarbeit auf ihrem Schoß. Einen Augenblick lang musste Minerva lächeln. Offenbar war sie nicht die Einzige, die in den großen Ferien trotz der Hitze gerne mal zu Nadeln und Garn griff. Dann aber stutze sie. Das Mädchen mühte sich sichtlich ab, ließ Maschen fallen und strickte versehentlich Umschläge ein. Als Lehrerin erkannte Minerva, wenn sie eine Anfängerin vor sich hatte. Stirnrunzelnd zog sie die Abteiltür auf.   „Guten Tag, Miss Granger, sind Sie die Erste?“   Das Mädchen blickte auf und ließ ihr Strickzeug sinken.   „Oh, Professor McGonagall! Nein, Ron ist auch schon da. Aber er ist gerade auf Toilette.“   Minerva nickte und belegte den Platz gegenüber ihrer Schülerin am Fenster.    „Ich habe Sie gerade ein wenig beobachtet. Woran stricken Sie denn da?“, fragte sich noch im Hinsetzen.   „Ach, das… das sind nur Haus…ähm Handstulpen. Weil ich im Winter immer so friere“, entgegnete Miss Granger ein wenig zu hastig und legte das Strickzeug schnell beiseite. Minerva musterte ihre Schülerin eindringlich. War das etwa Scham? Zwei rosa Flecken erschienen auf den Mädchenwangen.   „Und es gelingt Ihnen nicht so, wie sie wollen?“, stellte sie mehr fest als sie fragte.   „Doch, schon“, protestierte das Mädchen und gab dann eine Sekunde später mit einem Seufzen kleinhaut zu: „Nein“. Minerva nickte verständnisvoll.   „Lassen Sie mich mal sehen wie sie stricken, Miss Granger“, erwiderte sie ruhig. Das Mädchen starrte sie verdutzt an. „Vielleicht kann ich Ihnen noch etwas Anderes beibringen als Verwandlungszauber“, erklärte Minerva. Eine Weile beobachtete sie die Strickversuche ihrer Schülerin genau. Dann unterbrach sie die junge Miss Granger.   „Sie müssen die Nadeln anders halten, dann geht es einfacher“, erklärte sie und trat neben die Fünftklässlerin und deren Strickarbeit um es ihr zu zeigen, „Ja, so ist es richtig. Achten Sie darauf, dass sich kein Faden um die Nadel legt, sonst haben sie nachher Löcher in ihrer Arbeit. Und stecken Sie Perlen auf die Nadelenden, dann rutschen ihnen keine Maschen ab. Sie sollten außerdem eine Maschenprobe machen. Ich fürchte, für Handstulpen haben Sie hier zu viele Maschen angeschlagen, der Durchmesser ist zu groß.“   Das Mädchen strickte einige Maschen, die ihr schon viel flinker von der Hand gingen. Dann sah sie wieder auf. Erstaunen lag in ihrem Blick.    „Ich wusste gar nicht, dass Sie stricken, Professor McGonagall“, bemerkte die Schülerin.   Minerva lächelte leise.   „Nun, auch Lehrer haben ihre Geheimnisse, Miss Granger“, erwiderte sie amüsiert und musste an Albus denken, der Strickmusterbücher sammelte und Rubeus, der nicht einen gekauften Pullover besaß. Da ging plötzlich die Türe auf. Ron Weasley trat ein und starrte sie und Hermine Granger an als wäre er mitten in eine Verschwörung geraten. Und vielleicht… vielleicht war er das ja auch. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)