Ein Jahr für Fünf von Augurey (Kalender 2020) ================================================================================ Kapitel 5: 5. Kalenderwoche --------------------------- Bewunderung, Weasleys Zauberhafte Zauberscherze, Spiel  ~*~   Albus lächelte als er sich mit einem Anflug kindlichen Vergnügens, das er sich bis ins hohe Alter bewahrt hatte, über den Glaskasten beugte, um das Modell einer Zirkuslandschaft darunter zu bewundern. Es waren doch wahrlich die kleinen Dinge, die einem das Dasein versüßten und selbst in Zeiten größter Finsternis Momente des Lichts bescherten. Darin bestand die wahre Kunst des Lebens: Die unscheinbaren Freuden nicht zu vergessen. Dem neu eröffneten Scherzartikelladen in der Winkelgasse einen Besuch abzustatten, war natürlich eine Ehrenpflicht gewesen. Noch allzu gut erinnerte sich Albus an die Scherze und Streiche der beiden Lausbuben, die er stets mit einem lachendem und einem weinenden Auge, mit dem mahnend erhobenen Zeigefinger des Schulleiters und dem spitzbübischen Zwinkern des Schelms verfolgt hatte wie einst auch bei Sirius Black und James Potter. Wenn er sich nun im Geschäft umsah, musste er zugeben, dass Mollys Zwillinge sich wirklich gemacht hatten, so wie sich jugendlicher Übermut in späteren Jahren oftmals zu Gewitztheit und Gewandtheit wandelte. Mit Weasleys Zauberhafte Zauberscherze hatten die beiden jedenfalls Geschäftssinn bewiesen und das Zirkusspiel war wirklich eine Augenweide. Ganz gebannt betrachtete Albus die kleine Manege, auf der Clowns und Seiltänzer, Feuerspucker und Dompteure auf die Anweisungen wechselnder Spielkarten hin ihre Kunststücke vollführten und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Gegen die feingeschnitzten Glieder dieser Tiere und Figuren und ihrer fließenden Bewegungen waren alle Zauberschachfiguren, die er in seinem langen Leben schon gesehen hatte, grobschlächtige Holzklötze. Im Geiste zog Albus seinen Spitzhut vor den Ladenbetreibern. Die Jungen verstanden ihr Handwerk. Ein solcher Zauber war nicht leicht. Er bedurfte einiges an Raffinesse und die ausgefeilten Details der Spielfiguren bewiesen eine Leidenschaft fürs Handwerk. Wenn er nur wüsste, woran das Zirkusspiel ihn erinnerte! Denn irgendetwas daran kam Albus bekannt vor, vage und dunkel. Ins Grübeln versunken sah er dabei zu, wie die nächste Spielkarte sich vom Stapel hob und ein hölzerner Messerwerfer seine Klingen wetzte. Erinnerungsfetzen zogen an seinem geistigen Auge vorüber. Bilder, die nicht zusammenpassten, als gehörten sie zu zwei Puzzles, die zufällig vermischt worden waren. Da bemerkte er auf der anderen Seite des Glaskastens plötzlich ein Paar Augen, die das Zirkusspiel ebenso verträumt betrachteten wie er. Braune Augen, die Albus durchaus nicht fremd waren. Sofort riss er seine Aufmerksamkeit vom Glaskasten los und nahm wieder Haltung an.   „Hallo, Remus. Welch ein Zufall, dir hier zu begegnen“, begrüßte er den Zirkuszuschauer freundlich, der daraufhin sofort aufsah.   „Oh, guten Tag, Dumbledore. Ich habe Sie gar nicht bemerkt“, erwiderte Remus.   „Ein herrliches Spiel, nicht wahr?“, rief Albus seinem Gegenüber fröhlich zu.   „Ja…“   Remus lächelte. Doch dann plötzlich verfinsterten sich seine Züge und auf seiner Stirn zeigten sich Runzeln. Albus sah ihn alarmiert an. Stimmte etwas nicht? Er war schon gewillt, vorsichtig nachzuhaken als Remus wieder das Wort ergriff.   „Als kleiner Junge war ich ganz versessen auf Modelle“, erzählte er, der Blick nachdenklich und leer als sähe er in die Ferne der Vergangenheit, „Mein Vater schenkte mir zu jedem Feiertag ein neues. Sie waren mein Tor zur Welt. Ich… ich durfte ja nicht mit anderen Kindern spielen.“   Albus lauschte gebannt und spürte die Gänsehaut im Nacken.  Auf einmal wusste er wieder, woran ihn das Zirkusmodell erinnerte. Es waren die Gesichter der Figuren. Es war… Ariana! Ariana hatte einst einige Miniaturen von Geschäften der Winkelgasse besessen. Wenn sie damit spielte, war sie nicht mehr ansprechbar und man mochte nur erahnen, was sie hinter ihrer blassen Stirn und den stillen Augen alles erlebte, während die Welt um sie einsam und trist war. Dann fiel es Albus wie Schuppen von den Augen als eine weitere Erinnerung Gestalt annahm: Ein kleiner Junge, der mit einem Modell von Beauxbaton spielte, während ein Vater ihm, Albus, zuraunte: „Die Vollmondnächte sind eine Tortur“.   „Ich denke, ich werde mich mal nach dem Preis erkundigen“, verabschiedete sich Remus mit einem Räuspern. Albus nickte und sah ihm gedankenvoll nach. War das der Moment gewesen, in dem er beschlossen hatte, diesen Jungen nach Hogwarts zu holen, allen Gefahren zum Trotz – die Erinnerung an seine Schwester? Nachdenklich senkte Albus den Blick, betrachtete die kleine Manege, die Artisten, die Zirkustiere. Vielleicht lag der Zauber des Modells gar nicht in der Ausgestaltung der Figuren, sondern viel tiefer. Für die weggeschlossenen Kinder war die kleine Welt der Schlüssel zur großen!   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)