The Monster inside my Veins von ginakai ================================================================================ Kapitel 27: Enttäuschte Gelüste ------------------------------- „Wie konnte ich mich bloß dazu überreden lassen…“ Gin ließ seinen Blick unauffällig zu Rye schweifen, welcher einen Arm um ihn gelegt hatte und ihn gerade ausnahmsweise mal nicht ansah. Doch die Freude war noch immer nicht aus seinem blassen, makellosen Gesicht verschwunden. Er schien von innen heraus überglücklich zu sein. Und so glücklich hatte Gin den Schwarzhaarigen tatsächlich noch nie gesehen. Je länger er ihn musterte, desto mehr fiel ihm auf, wie sehr ihn dieser Anblick beruhigte und auch irgendwie selbst zufrieden stellte. „Und das etwa nur, weil wir jetzt…“ Gin konnte es nicht mal in Gedanken aussprechen, weil es für ihn so unfassbar schwer zu glauben war. Das alles konnte unmöglich real gewesen sein. ‚Ich liebe dich‘ hatte Rye gesagt. Drei Mal sogar. Gin hatte diese Worte – und alles andere, was Rye auf dem Tower zu ihm gesagt hatte – noch immer nicht richtig verarbeitet. Dennoch fiel es ihm auf einmal viel leichter Ryes bisheriges Verhalten zu verstehen und seine Handlungsweisen nachzuvollziehen. Wenn Liebe der einzige Beweggrund für seine Taten gewesen war, ergab alles irgendwie einen Sinn. Liebe auf den ersten Blick. Nie hätte Gin daran gedacht, als sich ihre Blicke zum ersten Mal begegnet waren. Nie hätte er es auch nur ansatzweise in Betracht gezogen, als Rye Tag für Tag versucht hatte sich ihm zu nähern. Nicht einmal dann, als dieser ihm mehrere Male das Leben gerettet hatte. Doch nicht nur er war blind gewesen. Auch Rye hatte es selbst nie gemerkt. Und jetzt, wo er es endlich wusste, wirkte er, als sei alles so, wie es schon immer hätte sein sollen. Gin hingegen wusste noch nicht, wie er damit umgehen sollte. Denn Liebe war definitiv ein Gebiet, auf dem er sich überhaupt nicht auskannte. Zwar schien das bei Rye auch der Fall zu sein, doch er ging offensichtlich deutlich entschlossener und selbstbewusster an die Sache heran. Ein Teil von Gin beneidete ihn dafür und wünschte sich Rye ebenso bedingungslos lieben zu können. Doch ein anderer Teil war einfach nicht fähig dazu ‚Ich dich auch‘ auf die Worte ‚Ich liebe dich‘ zu antworten und zweifelte daran, dass es die richtige Entscheidung gewesen war, das Geständnis anzunehmen und sich sofort auf eine Beziehung einzulassen. Denn niemand auf der Welt wusste, was das für ein Ende nehmen würde. Zudem blieb eine entscheidende Frage für Gin offen: Warum? Warum sollte er liebenswert, geschweige denn begehrenswert für Rye sein? Dafür fand Gin keine Erklärung und er traute sich auch nicht wirklich, nach einer zu suchen. Zumal ihn in diesem Moment etwas ganz anderes beschäftigte, während Rye in seiner Jackentasche nach seinem Wohnungsschlüssel kramte. „Wieso hat er unbedingt drauf bestanden, dass ich die Nacht bei ihm verbringe…?“ Nachdem es unerwartet angefangen hatte zu regnen, hatte Rye mit allen Mitteln versucht ihn dazu zu überreden. Egal wie oft Gin versucht hatte abzulehnen – es war ihm nie gelungen gegen Ryes Hartnäckigkeit zu gewinnen. „Meine Wohnung liegt viel näher ran und ich will nicht, dass du nass wirst und dich erkältest.“, hatte der Schwarzhaarige unter anderem als Grund angegeben. „Wer‘s glaubt…“, dachte Gin und rätselte weiterhin, welches Motiv sein Partner in Wirklichkeit verfolgen könnte. Vollkommen durchnässt waren sie nun trotzdem. Einige Wasserperlen tropften noch immer von Gins Haarsträhnen auf den rauen Teppichboden, wo anschließend dunkle, feuchte Flecken entstanden. Erst jetzt bemerkte Gin, wie langsam er eigentlich ging und dass sich Rye überraschenderweise seinem Schritttempo anpasste. „Ist dir noch schwindelig?“, wollte dieser nun plötzlich wissen und sah besorgt aus dem Augenwinkel zu ihm herüber. Gin schüttelte wortlos den Kopf. Zum Glück hatte Rye sie viel sanfter wieder nach unten befördert, als er zu Anfang befürchtet hatte. Zwar war ihm die Art und Weise, wie Rye ihn getragen hatte, mehr als peinlich gewesen, doch ihm war durch diese erträglichere Variante nicht mal übel geworden. „Wehe, du machst so was nochmal.“, drohte Gin tonlos, woraufhin Rye leise lachte. „Keine Sorge, werde ich nicht.“, meinte er dann. Selbst seine Stimme klang anders als sonst. So viel weicher und unbeschwerter. Einfach wunderschön. Gin schluckte. Es kam ihm vor, als sei die Tür zu Ryes Wohnung mitten aus dem Nichts aufgetaucht. Als er das Rasseln des Schlüsselbunds hörte, mit welchem Rye gerade die Tür aufschloss, hielt er den Atem an. „Warum so nervös?“, fragte Rye währenddessen beiläufig. Gin senkte ertappt den Blick. Nervös. War er wirklich nervös? Gab es denn einen Grund dazu? „Wie kommst du darauf?“, erwiderte er verwirrt. Kurz darauf öffnete sich die Tür und Gin trat mit langsamen, zögerlichen Schritten nach Rye in die Wohnung. „Der Rhythmus deiner Herzschläge sagt oft mehr als tausend Worte.“, verriet Rye mit einem Schmunzeln auf den Lippen. „Ach so…“, antwortete Gin leise. Innerlich verfluchte er sein Herz, welches ihn immer wieder verriet. Auf diese Weise konnte Rye wohl Gedanken lesen. Dieser drehte sich plötzlich zu ihm herum, nachdem er ein paar Schritte in den Flur gegangen war und fragte verwundert: „Willst du den ganzen Abend da stehen bleiben?“ Da realisierte Gin, dass er immer noch an der Tür lehnte. Er fühlte sich wie versteinert. Rye schien recht zu haben. Irgendetwas machte ihn nervös. Doch er kam nicht drauf, was genau das sein könnte. Er versuchte das seltsame Gefühl abzuschütteln und brachte seine Beine dazu, sich wieder vom Fleck zu bewegen. „Du solltest die nassen Klamotten lieber ausziehen.“, riet Rye ihm. Sofort verharrte Gin erneut, während ihm bei diesen Worten ein Schauer den Rücken herunterlief. Seine Hände wollten sich nicht bewegen, um seinen klatschnassen Mantel aufzuknöpfen. Doch nach wenigen Sekunden erblickte er auf einmal zwei bleiche Hände, die diese Aufgabe stattdessen übernahmen. Erschrocken verfolgte Gin mit geweiteten Augen, wie sich Rye mit schnellen, geschickten Bewegungen an den Knöpfen seines Mantels zu schaffen machte. „Sicher, dass dir nicht mehr schwindelig ist? Du wirkst so abwesend…“, wollte er sich nebenher versichern. Seine Stimme klang wieder besorgt. Doch Gin ignorierte die Frage und fing stattdessen Ryes kalte Hände ein, welche noch leicht feucht vom Regen waren. Der Schwarzhaarige schaute ihn überrascht an. Allmählich nahm das vermeintliche Motiv, das Rye mit der Einladung in seine Wohnung verfolgen könnte, in Gins Kopf Gestalt an. Wieso war er da nicht gleich drauf gekommen? Er war von nun an Ryes Geliebter. Rye begehrte ihn. Das hatte er nicht nur gesagt, sondern Gin auch in ihren Küssen spüren lassen. Von daher konnte es nur einen logischen Grund geben, weshalb Rye wollte, dass er die Nacht bei ihm verbrachte. „Er will…“ Geschockt über seine eigene Schlussfolgerung spürte Gin, wie urplötzlich Hitze durch seine Adern strömte. Seine Gedanken fingen an wild umher zu kreisen. „Ist es dafür nicht noch zu früh? Vielleicht irre ich mich auch… aber wenn man bedenkt, wie lange er mich bereits liebt… vielleicht ist er das Warten leid und will es deshalb jetzt schon tun…“ Mit jeder verstreichenden Sekunde wurde ihm noch heißer. Noch hatte er keinen blassen Schimmer, ob seine Vermutung stimmte und ließ sich daher von Ryes smaragdgrünen Augen in einen Bann ziehen, als würde er darin die wahren Absichten seines Partners erkennen können. „Gin?“ Ryes besorgte Stimme holte Gin wieder zurück in die Realität. Sofort schoss sein Blick zu dessen Lippen, bevor er beschämt schnell woanders hinsah. „Ich kann das auch allein.“, erklärte er und ließ Ryes Hände wieder los, um sich den Mantel selbst auszuziehen. Dabei wandte er Rye bewusst den Rücken zu. „Das sah mir eben nicht so aus.“, erwiderte der Schwarzhaarige neckend, doch als sich Gin wieder leicht zu ihm umdrehte, war er nicht mehr da. Dafür war eine Tür im Flur nun weit geöffnet, hinter welcher er offensichtlich verschwunden war. Gin konnte sich noch daran erinnern, dass sich dort das Badezimmer befand. Nur das Badezimmer. Nicht etwa das Schlafzimmer, welches womöglich geeigneter wäre. Gin schüttelte den Kopf, um das Gefühl zu vertreiben, welches er sich weigerte zu benennen und hängte seinen Mantel an den Kleiderhaken. Jedoch wurde er nach kurzer Zeit erneut von Befürchtungen geplagt. „Ich weiß nicht mal, ob ich das könnte… Trotz der Tatsache, dass er ein Vampir ist, ist er immer noch ein Mann. Und ich hatte noch nie Sex mit einem Mann!“ Zugegebenermaßen hatte Gin es schon öfters in Betracht gezogen, jedoch nie eine männliche Person getroffen, die sein Interesse geweckt hatte. Er fragte sich, inwiefern es ein Problem werden könnte, dass Rye kein Mensch war – sondern eine Kreatur, die zu dem einzigen Zweck geschaffen wurde Menschen zu töten und sich von ihrem Blut zu ernähren. Allein ein Kuss schien Rye an die Grenzen seiner Kontrolle zu bringen, wie sollten sie dann noch intimere Dinge miteinander tun? Und vor allem: Wer würde die Führung übernehmen? Obwohl Gin keine Antwort auf diese Fragen fand, stellte er sich dennoch unbeabsichtigt vor, wie es wäre, solche Dinge mit Rye zu tun. Er dachte dabei zudem an Ryes eleganten, muskulösen Körper, welchen er gestern hatte bewundern können, während der Schwarzhaarige bewusstlos gewesen war. Gin wurde augenblicklich von einer erneuten Hitzewelle übermannt. Allerdings zuckte er im nächsten Moment vor Schreck zusammen, als er plötzlich Ryes Stimme hinter sich hörte. „Ich hab die Wassertemperatur etwas angepasst, damit du dich duschen kannst, wenn du das möchtest. Fühl dich ruhig wie zu Hause.“ Mit einem Lächeln auf den Lippen hielt er Gin ein Handtuch für seine feuchten Haare hin. „Danke.“, erwiderte dieser, dann nahm er das Handtuch und legte es sich um die Schultern. „Und was ist mit dir?“, fragte er, als ihm wieder auffiel, dass Rye ebenso noch ganz nass war. „Ich geh sowieso gleich nochmal raus.“, meinte dieser schlicht, was Gin vollkommen verwirrte. Also waren seine Befürchtungen doch umsonst gewesen? „Wieso? Wohin?“, wollte er wissen. „Durst.“, erklärte Rye knapp mit leiser Stimme, um möglichst auf keine weiteren Details eingehen zu müssen. „Ich hab mich vorhin wohl etwas übernommen.“ „Ach so, verstehe.“ Gin erschauderte innerlich vor der unüberhörbaren Enttäuschung in seiner Tonlage. Jetzt wurde ihm erst richtig bewusst, dass ein Teil von ihm gewollt hatte, dass seine Vermutungen sich bestätigten. Umso besser, dass Rye womöglich nicht mehr zu Sex in der Lage war und zuvor seinen Blutdurst stillen musste. „Aber mach es nicht zu auffällig. Du weißt, dass du dich mehr zurückhalten musst.“, erinnerte Gin ihn warnend, woraufhin Rye ein abfälliges Schnauben entwich. „Ja, hab‘s kapiert. Keine neuen Leichen für die Polizei mehr.“, entgegnete er, als wüsste er bereits, was ihm sonst blühte. Er schien irgendwie ein Problem damit zu haben, obwohl es auf diese Weise am sichersten war. Eclipse durfte nicht auf die Mordserie in Tokio aufmerksam werden. Und auch wenn sie das vielleicht schon geworden waren, sollte sich das hoffentlich in spätestens zwei Tagen erledigt haben. Ab da durften Rye keinerlei Fehler mehr unterlaufen. Allerdings war sich Gin sehr sicher, dass es nie Ryes Absicht gewesen war, mit den Mordfällen Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Schließlich brachte ihm das nichts außer unzählige Nachteile. „Halt dich bitte auch dran. Der Boss wird nicht nochmal ein Auge zudrücken.“, bat Gin. Etwas Sorgen machte er sich schon, was auch Rye zu bemerken schien, welcher ihn nun verständnisvoll anlächelte. „Ich weiß. Mach dir keine Gedanken.“, sagte er beschwichtigend, während er Gin zu sich heranzog, um ihm einen Kuss auf die Wange zu geben. Der Silberhaarige wäre beinahe zurückgewichen, wenn er sich nicht noch rechtzeitig daran erinnert hätte, dass sie nun Geliebte waren und solche Dinge nun mal dazu gehörten. Er hoffte, dass er sich möglichst bald daran gewöhnen würde. „Es wird wahrscheinlich etwas länger dauern. Du kannst dich also einfach schon schlafen legen, wenn du müde bist.“, gab Rye Bescheid, als er sich wieder von Gin gelöst hatte. Zurück blieb ein Prickeln an der Stelle, wo Ryes kalte Lippen seine Wange berührt hatten. „Und wo soll ich schlafen?“, fragte er vorsichtshalber nochmal nach, auch wenn er es schon ahnen konnte. „In meinem Bett natürlich.“ Rye sprach so, als wäre das selbstverständlich. Ob er die ganze Nacht wegbleiben würde und es deshalb keine Rolle spielte? Oder würde er sich zu Gin gesellen, sobald er zurück war? Der Silberhaarige konnte Rye diese Fragen nicht mehr stellen, da dieser bereits wie eine heftige Brise an ihm vorbeisauste und die Wohnung verließ. Letztlich war es so, als hätte der Wind die Tür hinter sich zugeschlagen. „Bis später.“, murmelte Gin augenrollend zu sich selbst. Ein Wunder, dass Rye nicht aus dem Fenster gesprungen war, um nach Draußen zu gelangen. Er überlegte kurz, ob er lieber gleich ins Bett oder vorher nochmal duschen gehen sollte. Entschied sich aber für letzteres, bevor er zielgerichtet das Badezimmer betrat.   Unter der Dusche vergaß er die Zeit beinahe völlig. Das heiße Wasser brannte auf seiner Haut und der entstehende Wasserdampf benebelte leicht seine Sinne. Ohne sich seiner Handlungen vollständig bewusst zu sein, griff er nach dem Shampoo und wusch sich die Haare. Dann starrte er eine Weile durch die vom Dampf beschlagene Glasscheibe in den fremden Raum dahinter. Ryes Bad war moderner und luxuriöser als sein eigenes. Vor allem wirkte es mindestens doppelt so groß. Neben der Dusche gab es noch eine Badewanne und zwei Waschbecken. Als er aus der Dusche trat, bemerkte er zudem, dass die schwarzen Marmorfließen warm waren. Es gab also eine Bodenheizung. Direkt in Reichweite hingen mehrere Handtücher griffbereit an einer Stange. Eines davon schnappte er sich und wickelte es sich um die Hüfte, damit er seine Haare föhnen konnte. Dabei fiel sein Blick auf eine neue Zahnbürste, sowie eine Tube Zahnpasta. „Hat Rye die für mich besorgt?“ Gin griff danach, sobald seine Haare trocken waren und starrte sie ein paar Sekunden an, bevor er erkannte, dass es sich um die gleiche handelte, die er auch benutzte. Mit gerunzelter Stirn stelle er sie zurück und suchte in den Schränken erst mal nach einer Haarbürste, um sich die Haare zu kämmen. Er genoss die Leere, die sich in seinem Kopf ausgebreitet hatte. Im Gegensatz zu den letzten Wochen dachte er gerade an nichts anderes als seine nächste Handlung. Sobald der Silberhaarige die Bürste jedoch zurücklegte und nach Zahnbürste und Zahnpasta griff, konnte er nicht umhin, als sich zu fragen, ob das nur ein Zufall war. Kurz entschlossen drehte er sich nach dem Zähneputzen um und nahm das Shampoo in der Dusche genauer in Augenschein. Es handelte sich tatsächlich um die Marke, die er selbst benutzte. „Der hat also wirklich... Andererseits sollte es mich echt nicht mehr wundern.“ Gin seufzte. Kaum kamen seine Gedanken wieder in Gang, drehten sie sich schon wieder nur noch um Rye. Wann hatte er aufgehört, ihn aus seinen Gedanken verdrängen zu wollen? Wann war alles, das nichts mit ihm zu tun hatte, so belanglos geworden? Gin fuhr sich mit einer Hand durch die Haare und sah sich im Raum um. Vielleicht fand er irgendwann die Antwort auf diese Fragen, vielleicht auch nicht. Aber eins nach dem anderen. Jetzt musste er sich erst mal anziehen. Sein Blick fiel auf seine Kleidung, die er vor dem Duschen einfach über einen Wäschekorb gehangen hatte. Er konnte die jetzt wieder anziehen, doch darin zu schlafen wäre alles andere als bequem. Nackt oder in einem Handtuch kam aber auf keinen Fall in Frage. Also blieb ihm wohl nichts anderes übrig. Widerstrebend ging Gin zu seiner Kleidung, doch auf dem Weg hielt er inne, da etwas anderes seine Aufmerksamkeit erregte. Hinter den Handtüchern hing ein Bademantel, den er bis eben noch nicht bemerkt hatte. „Soll ich wirklich...?“ Erneut sah er zu seinen Sachen, dann verzog er das Gesicht. „Den hat er vermutlich sowieso noch nie benutzt und besser als die Alternativen ist es jedenfalls.“ Nach dieser Überlegung fiel es dem Silberhaarigen deutlich leichter das Handtuch wieder aufzuhängen und sich den Bademantel überzuwerfen, welcher ihm bis zu den Knien ging. Das weiche Material fühlte sich angenehm an und bevor er das Bad verließ, überprüfte er ein letztes Mal, dass er auch wirklich gut saß und nicht versehentlich so verrutschen konnte, dass Rye mehr von ihm zu sehen bekommen könnte, als er wollte. „Ob er schon zurück ist?“ Um dieser Frage nachzugehen, beschloss Gin zuerst einen Blick in das Wohnzimmer zu werfen. Nichts außer abgeschwächte Dunkelheit und Konturen von Möbeln, die von einem rötlichen Licht beleuchtet wurden, welches von dem in der Wand eingebauten Kamin kam. Bis auf das leise Knistern der Flammen, die wild hin und her tanzten, war nichts weiter zu hören. Hier war Rye schon mal nicht. Seufzend schloss Gin die Tür hinter sich und tappte zurück in den Flur. Irgendwie wäre es ihm unangenehm den Rest der Wohnung auch noch zu überprüfen. Die Wahrscheinlichkeit war ohnehin sehr gering, dass sich Rye in der Küche befand, und das Bad kam auch nicht in Frage. Also ging Gin auf direktem Wege ins Schlafzimmer und schaltete dort das Licht ein. Abgesehen davon, dass Rye auch hier nicht zu sein schien und somit wohl tatsächlich noch nicht zurück war, stach Gin sofort das frisch bezogene, gigantische Bett ins Auge. Gestern war es definitiv noch nicht bezogen gewesen, denn Rye schlief normalerweise auch nicht dort drin. Demzufolge ergab die neue Bettwäsche keinen Sinn. Außer… „Also hat er das etwa wirklich gestern schon geplant, dass ich heute hier schlafe und es deshalb extra für mich bezogen? So ein verschlagender Schuft…“ Auch wenn die Geste scheinbar nett gemeint war, ärgerte es Gin ein wenig, dass Ryes Pläne erfolgreich aufgegangen waren. Jedoch ließ es sich nicht mehr ändern und die zunehmende Müdigkeit hinderte Gin daran, sich noch weiter darüber aufzuregen. Letztlich sah das Bett nun viel gemütlicher aus und es war schon vom gewissem Reiz, den ganzen Platz für sich allein zu haben. Zumindest so lange, bis Rye wieder zurück war. Da senkte Gin beschämt den Blick, als sich der Gedanke in seinen Kopf schlich, wie er zusammen mit dem Schwarzhaarigen in dem großen Bett schlief. Vielleicht würde sich Rye heimlich mitten in der Nacht in dieses schleichen, wenn Gin bereits schlief. Das hatte er immerhin schon mehrere Male getan und Gin bezweifelte, dass es heute anders sein würde. Eigentlich sollte ihn das abschrecken und vor allem davon abhalten in dieses Bett zu steigen und darin einzuschlafen. Aber diesmal empfand Gin nichts dergleichen. Vielmehr spürte er, wie sich ein Kribbeln in seinem Bauch ausbreitete, welches unmittelbar darauf in seinen Unterleib wanderte und dort eine Erregung hervorrief. Gin zog scharf die Luft ein und krallte seine Finger in den Stoff des Bademantels. „Genug jetzt… Ich sollte einfach schlafen gehen...“, beschloss er gedanklich und versuchte das unangenehme Problem bestmöglich zu ignorieren. Darum kümmern konnte er sich sowieso nicht, da Rye jeden Moment zurückkommen könnte. Er wollte auf keinen Fall von diesem dabei erwischt werden. Ohne noch länger zu zögern, schaltete Gin das Licht aus und stieg in das Bett. Dort warf er sich die dicke Decke über den Körper, bevor er sich in das Kissen fallen ließ. Decke und Kissen schienen beide mit Daunen gefüllt zu sein. Zudem kam Gin die Matratze noch weicher als beim letzten Mal vor. Der glatte Stoff der Seiden-Bettwäsche war vorerst etwas kühl an seiner Haut. Doch es dauerte nicht lange, bis der Stoff seine Körpertemperatur annahm und sich daraufhin kuschelig warm anfühlte. Umhüllt von dieser angenehmen, weichen Wärme war es beinahe unmöglich nicht sofort einzuschlafen. Es vergingen nur wenige Minuten, in denen Gin seinen Kopf von sämtlichen Gedanken und wirren Fantasien befreite, bevor er sich endgültig von der Müdigkeit einholen ließ.   Als Gin die Augen aufschlug, sah er zuerst nur verschwommen. Er blinzelte ein paar mal benommen, doch das Bild vor ihm klärte sich kaum. Nichts entsprach mehr dem wohligen Gefühl, welches er vor dem Einschlafen verspürt hatte. Die Wärme war verschwunden und stattdessen kroch eine eisige Kälte an den Stellen seiner Haut entlang, die nicht von Ryes Bademantel verdeckt wurden. Überhaupt lag er nicht mehr in einem gemütlichen Bett, sondern auf etwas kaltem, so hart wie Gestein. Aus der Kälte seines Körpers schloss er, dass er bereits eine Weile hier lag. Wo auch immer das war. Erneut versuchte er einen klareren Blick auf seine Umgebung zu werfen, doch es war genauso erfolglos wie zuvor. Ein Zittern ließ seinen Körper erschaudern und löste stechende Schmerzen im Rücken aus. Diese steife Liegeposition war alles andere als bequem. Doch er konnte nichts daran ändern. Seine Muskeln waren taub. Egal, wie oft er versuchte, sich zu bewegen – sein Körper blieb schlaff und gehorchte ihm nicht. War ihm ein Betäubungsmittel verabreicht worden? Erst nach mehreren Versuchen gelang es ihm, den Kopf etwas zu drehen. Dadurch kamen auch endlich deutlichere Umrisse in sein Blickfeld, anhand derer er versuchen konnte, sich etwas zu orientieren. „Wo bin ich?“ Die Worte waren kaum mehr als ein Flüstern seiner trockenen Lippen. Eine Antwort bekam er nicht. Außer ihm schien sich auch niemand in diesem Raum zu befinden. „Nein, das ist kein Raum. Es ist etwas viel Größeres. Ein Saal…“ Die gewölbte Decke befand sich mehrere dutzend Meter über ihm und wurde von Säulen gestützt. Als er den Kopf weiter drehte, konnte er sie zählen. Zehn Stück insgesamt. Fünf auf jeder Seite. In den Wänden zwischen den Säulen befanden sich bunte Mosaikfenster, welche Gin verdächtig bekannt vorkamen. „Ist das… ein Traum…?“ Ein weiteres fast tonloses Flüstern, doch es ging ihm leichter von den Lippen. Die Betäubung ließ langsam etwas nach. Aber leider noch nicht genug, dass er wieder einen klaren Gedanken fassen konnte. Er hoffte wirklich, dass es sich um einen Traum handelte. Alles andere würde keinen Sinn ergeben. Wie sonst wäre er hierhergekommen? Wo genau befand er sich überhaupt? Was war das für ein Ort? War er wirklich allein? Gin blinzelte erneut und drehte nebenher seinen Kopf in alle möglichen Richtungen. Doch er konnte so nichts Neues mehr erkennen. Mit viel Mühe gelang es ihm, seinen Kopf leicht anzuheben. Jetzt erblickte er die Farbe Lila. Bei genauerer Betrachtung stellte sich heraus, dass es die Farbe eines sehr langen Teppichs war. Daneben befanden sich mehrere Reihen von Holzbänken. Das Ende des Saals bildete eine Doppeltür. „Mit Sicherheit verschlossen.“ Je klarer Gins Blick wurde, umso mehr Details erkannte er. Überall gab es goldene Verzierungen, deren Form Gin nicht zuordnen konnte. Außerdem waren die Wände und Säulen mit Mustern und Malereien verziert. Er drehte den Kopf in die andere Richtung und erblickte ein riesiges Kreuz, das von der Decke herab zu hängen schien. Jetzt bestand kein Zweifel mehr. Gin kannte diesen Ort. Er wusste, wo er war. Seiner zentralen Position nach zu urteilen lag er auf einem Altar. Ein Altar in einer Kirche. Es war genau die gleiche Kirche aus einem seiner sich wiederholenden Träume. Oder besser gesagt: aus einem seiner Alpträume. War dies auch ein Alptraum? Oder doch die Realität? War er entführt worden? Was würde als Nächstes passieren? Ergeben ließ Gin den Kopf zurücksinken. In seinem momentanen Zustand konnte er sowieso nichts ausrichten. Er schloss die Augen und tat das Einzige, was er jetzt machen konnte: Warten. Entweder darauf, dass sein Körper das Betäubungsmittel abbaute und er sich wieder bewegen konnte, oder darauf, dass dieser Alptraum sich veränderte und sein wahres Gesicht offenbarte. „Wenigstens ist das Mittelschiff diesmal nicht von Leichen überflutet. Ich habe auch nirgends Blut gesehen.“ Das könnte sich mit jeder verstreichenden Sekunde natürlich ändern. Egal ob Realität oder Alptraum. Sobald sich seine Gedanken geordnet hatten, begann Gin die Ruhe vor dem Sturm bestmöglich zu nutzen. Wenn es sich tatsächlich um einen Traum handelte, musste er einen Sinn haben. Doch welchen? „Verdammt nochmal! Diese Liegeposition ist mehr als nur unerträglich und lenkt mich ab!“ Die Rückenschmerzen wurden stärker und Gin merkte, wie sein Körper erneut begann zu zittern. „Bilde ich mir das nur ein, oder nimmt die Kälte immer mehr zu?“ Er öffnete wieder die Augen und startete einen weiteren verzweifelten Versuch, sich zu bewegen. Doch es war zwecklos. Die Betäubung hatte seinen Körper noch voll im Griff. Seine Kehle fühlte sich so trocken an. Wie lange sollte er noch hier liegen? Warum geschah nichts? Warum kam niemand, um ihn von seinem Leid zu erlösen, oder um das zu beginnen, was auch immer sie mit ihm vorhatten? Gins Atem stockte, als er plötzlich eine eisige Berührung an seinem Oberschenkel spürte. Finger, die sanft seine Haut entlang strichen. Er hob den Kopf, um sich zu vergewissern, wem diese Finger gehörten. Aber er konnte keine Person erkennen. „Wer…“, brachte er laut hervor, bevor seine Stimme erstarb. Das Sprechen tat weh. Bestimmt hatte er sich die Berührung nur eingebildet. Auch wenn sie sich viel kälter als die Luft angefühlt hatte. Schwer atmend versuchte Gin seine aufsteigende Angst zu unterdrücken. Doch es gelang ihm nicht. Wessen Berührung war schon kälter als Stein? „Schhht.“, vernahm er unerwartet eine Stimme. Kaum merklich, wie ein leises Pfeifen des Windes. Die Hand der Person glitt durch seine silbernen Strähnen und verdeckte anschließend seine Augen. Weich und sanft, wie eine dünne Schneeschicht, die sich über seine Augen legte. „Alles wird gut.“, erklang es erneut beschwichtigend, wobei Gin ein Schauer durchlief. Nicht etwa, weil er den Worten nicht glaubte, sondern weil diese Stimme ihm mehr als nur vertraut war. Diese unverwechselbare, sanfte Stimme, die nahezu einem Violinspiel glich, hatte sich zu sehr in ihn eingebrannt und er würde sie ihrem Besitzer immer zuordnen können. „Rye…“, brachte Gin mühevoll über die Lippen. Mit kurzem Erschrecken stellte er fest, dass durch die Kombination seiner trockenen Kehle und den vielen, unbeschreiblichen Gefühlen, die der Vampir in ihm auslöste, dieses eine Wort wie eine gestöhnte Verführung klang. Doch als er wahrnahm, wie sich eine zweite Hand neben ihm abstützte, war es ihm bereits wieder egal. Vereinzelte Haarsträhnen glitten über seine nur stellenweise entblößte Haut und verrieten ihm, dass sich jemand über ihn beugte. Diese kaum bemerkbaren Berührungen kitzelten ihn und erschufen zeitgleich kribbelnde und brennende Pfade auf seinem erstarrten Körper. „Gin.“ Ryes Stimme war jetzt näher als vorher und urplötzlich verschwand die Schneeschicht von Gins Augen. Sofort wurde Gins Blick von zwei vor Begierde glitzernden Smaragden gefangen genommen, die fest auf ihn gerichtet waren. Noch ehe seine Augen mehr von Ryes faszinierend schönem Antlitz aufnehmen konnten, spürte er, wie sein Kinn umfasst wurde und ein Daumen liebkosend über seine Lippen strich. Unbewusst hielt Gin den Atem an, bis Rye den Finger durch seine Lippen ersetze. Begierig öffnete sich Gin ihm und gestatte dem daraus entstehenden Verlangen, ihn zu überwältigen. Nach und nach übernahm es die Kontrolle über jedes seiner Sinne und vernebelte seinen Verstand. Rye hielt sich genauso wenig zurück wie Gin. Wozu auch? Es war immerhin ein Traum. Irgendwo in seinem Hinterkopf überlegte Gin, wie viel Mühe und Selbstbeherrschung ein solcher Kuss dem echten Rye wohl abverlangen würde. Doch auch dieser Gedanke war jetzt nicht wichtig. Denn dieser Rye, der hier in seinem Traum war, würde tun was er wollte. Ein kurzer Gedanke und Ryes Zunge eroberte Gins Mundhöhle gleichermaßen fordernd, beherrschend und doch sanft und brachte ihn zum Stöhnen. Erstaunt registrierte Gin, wie wohl er sich dabei fühlte, sich einfach mitreißen zu lassen und die Kontrolle so komplett abzugeben. Anfänglich versuchte er noch Ryes feucht-kalte Zunge mit seiner eigenen zu umschmeicheln, doch dieser war einfach viel stärker. Als sich Gin der immer mehr fordernden Zunge endlich komplett ergab, zog sich diese jedoch aus seiner Mundhöhle zurück. Enttäuscht sah der Silberhaarige seinen Partner an, welcher ihn seinerseits mit einem hungrigen Blick musterte. Das Verlangen den Schwarzhaarigen mit seinen Armen zu umschlingen und wieder zu sich zu ziehen, war überwältigend, doch seine kribbelnden und pochenden Gliedmaßen gehorchten ihm für eine solche Aktion noch nicht genug. Also versuchte er schwer atmend mit seinen Augen sein Begehren auszudrücken. „Bleib hier! Hör nicht auf! Mach weiter!“, schrie sein ganzer Körper dem Vampir entgegen, obwohl Gin es nicht wagte, diese Worte auszusprechen. Da lächelte der Schwarzhaarige breit, als würde er diese Gedanken verstehen. Er stieg zu Gin auf den Altar und beugte sich wieder zu ihm herunter, um diesmal über seine Halsbeuge zu lecken. Gleichzeitig verschwand eine kalte Hand unter dem Bademantel und fuhr fast schon provozierend langsam über Gins Brust. Der dadurch wie zufällig zur Seite geschobene Stoff ermöglichte es dem erobernden Mund mit der begierigen Zunge einen ungestörten Weg von Gins Halsbeuge zu einem steif hervorstehenden Nippel zu finden. Dort angekommen zögerte Rye nicht, die verlockende Perle mit seiner Zunge zu umschmeicheln und ausreichend zu bewundern. Gins verlangendes Stöhnen belohnte er, indem er mit seinen Händen unter dessen Schultern fuhr und dem noch schwachen Körper half, sich ihm weiter entgegenzustrecken. Während der Schwarzhaarige begann, kraftvoll und fast schon schmerzhaft an seinem Nippel zu saugen, spürte Gin, dass die Kraft langsam wieder in seine Arme zurückzukehren schien. Obwohl es ihm nicht gelang, seine Arme direkt zu heben, brachte er genug Kraft auf, um seine Hände über Ryes Arme hinaufgleiten zu lassen. Sobald er die schwarzen Strähnen seines Partners in der Nähe des Kopfes mit zitternden Fingern ergreifen konnte, krallte er sich mit aller Kraft in sie und drückte Rye noch stärker gegen sich. Diese Art der Kontrollübernahme ließ sich Rye aber nicht lange gefallen. Er ließ von Gin ab und hob den Kopf, wodurch dessen Hände ihren Halt in den Haaren verloren und kraftlos auf dem Gestein landeten. Mit wachsender Anspannung beobachtete der Silberhaarige, wie Rye immer weiter nach hinten wich und sich zwischen seine Beine kniete. Eines davon hob er an, um elektrisierende Küsse an der empfindlichen Haut seines inneren Oberschenkels zu verteilen. Ein Schauer nach dem anderen durchbebte Gin und er wusste schon gar nicht mehr, wie ihm geschah. Er drückte seinen Kopf stärker gegen das Gestein unter sich, sodass es beinahe schmerzhaft war, doch sein Verlangen nach Rye überlagerte alle anderen Empfindungen. Ihm war nie bewusst gewesen, dass er Rye in Wirklichkeit so sehr wollte. Seine Augen schlossen sich halb, sein erhitzter Körper drängte gegen seinen Partner und seine Hände versuchten erfolglos sich in den steinernen Untergrund zu graben. Doch gerade als Gin dabei war sich in diesen Empfindungen zu verlieren, spürte er einen stechenden Schmerz. Mit weit aufgerissenen Augen und wild pochenden Herz starrte er nach unten zu Rye und auf die mehr als deutliche Bisswunde an der Innenseite seines Oberschenkels. Reflexartig spannte sich sein Körper an, um ihm zur Flucht zu verhelfen und er versuchte sein Bein mit einem erschrockenen „Nein!“ aus dem Griff des Vampirs zu ziehen. Doch Rye nutzte diese Bewegung nur zu seinem eigenen Vorteil. Im nächsten Moment befanden sich die eiskalten Hände in Gins Kniekehlen und drückten seine Beine nach vorn. Durch die neue Position wurde Gin direkt vor Augen geführt, was Ryes Berührungen in ihm ausgelöst hatten. Selbst der Biss hatte sein Verlangen weniger gemindert, als vielmehr noch weiter gesteigert. Pulsierend reckte sich seine Erregung dem Vampir entgegen und verlangte nach Aufmerksamkeit. „Warum?“ Während Rye die Beine des Silberhaarigen noch etwas weiter auseinander schob und sich erneut zu ihm herunterbeugte, um einen Kuss zu beginnen, drehten sich Gins Gedanken nur um diese eine Frage: „Warum macht er nicht weiter? Ich will mehr! Mehr als nur Küsse und…“ Der Geschmack seines eigenes Blutes übertrug sich von Ryes Mund in seinen, doch das riss ihn keinesfalls aus dem Dunst seiner Leidenschaft. Er wollte noch mehr von Rye schmecken. Noch mehr von ihm spüren. Er zog Rye am Kragen seines Hemdes fester an sich, um den Kuss zu intensivieren und rieb gleichzeitig seine Erektion gegen den rauen Stoff von Ryes Hose. Er wollte ihn mit jeder Faser seines Körpers spüren. Nichts anderes war mehr von Bedeutung. Irgendwo in seinem Hinterkopf wusste Gin noch, dass dies ein Traum war. Eine perfekte Illusion. Und, dass dadurch etwas fehlte. Doch darüber wollte er jetzt nicht nachdenken. Sich in dem Traum zu verlieren war trotz allem besser als alle Alternativen. Keuchend schnappte er nach Luft, als Rye seine Lippen wieder von ihm löste. Tränen liefen Gin über das Gesicht, doch er war sich ihrer nicht bewusst. Mittlerweile war so viel Energie in seinen Unterleib gewandert, dass er es kaum noch aushielt. Mit verschwommenem Blick sah Gin zu dem Schwarzhaarigen hoch und wartete. „Worauf?“ Langsam beruhigte sich seine Atmung wieder, doch irgendwie wollte er das nicht… Instinktiv presste er seine Erektion stärker gegen Ryes Bein. Nach mehrmaligem Blinzeln konnte er dann auch endlich wieder ein klares Bild erkennen, wodurch er das amüsierte Lächeln auf den Lippen seines Partners sah. Es kam Gin vor, als würde Rye nur noch stumm mit dem Ausdruck seiner Miene kommunizieren. Und an dieser konnte er ablesen, dass der Schwarzhaarige ihn bewusst noch nicht erlösen wollte. Nachdem Rye sein Bein beabsichtigt weggezogen hatte, fing er an, Knopf und Reißverschluss seiner Hose zu öffnen. Mit besorgtem Blick verfolgte Gin die betont langsamen Bewegungen und konnte nicht verhindern, dass sich ein Hauch von Angst in ihm ausbreitete. Als er jedoch sah, wie sich Ryes Männlichkeit in voller Länger aufrichtete, wurde diese Angst von Bewunderung verdrängt. Gin biss die Zähne zusammen und versuchte sich innerlich auf das Bevorstehende vorzubereiten. Er atmete tief durch, während er Rye ununterbrochen in die Augen sah, deren weicher Ausdruck ihn auf eine seltsame Weise beruhigten. Als würden sie ihm wortlos mitteilen, dass es keinen Grund zur Sorge gäbe. Mit tiefen Atemzügen zwang Gin seinen angespannten Körper dazu, sich zu entspannen und sich dem Kommenden zu ergeben. Jedoch drang Rye entgegen Gins Erwartungen nicht sofort in ihn ein, sondern strich sanft seine Oberschenkel entlang, bevor er vorsichtig seinen Hintern massierte. So konnte sich der Silberhaarige an die lebendige Kälte dieser Finger gewöhnen, bis schließlich zwei kalte Finger ihren Weg zwischen seine Pobacken fanden. Spielerisch leicht wanderten die Finger von da aus weiter über seine Hoden bis zu seinem erregten Glied, welches durch die kühle Berührung zuckte. Gin atmete laut aus und schloss die Augen. Jeglicher Versuch sich den Berührungen entgegenzustrecken wurde erfolgreich unterbunden und allmählich fing er an zu glauben, dass Rye die Absicht verfolgte ihn zu foltern. Dieser umfasste auf einmal seine Hüften, um ihn zu sich heranzuziehen. Kaum einen Augenblick später riss Gin erschrocken die Augen weit auf und schnappte nach Luft, als sich Ryes harte Länge mit einem Stoß in sein enges, heißes Loch versenkte. Der Temperaturunterschied ihrer Körper sorgte dafür, dass sich alles von ihm automatisch verkrampfte und somit den Schmerz, der bis in sein tiefstes Inneres ging, noch verstärkte. Rye ließ sich dadurch aber nicht von seinem Vorhaben abbringen und schneller als der Silberhaarige für möglich hielt, drangen die Stöße immer tiefer in ihn. Tränen traten ihm in die Augen und rollten ungehindert über seine Wangen, doch der Schmerz war schnell vergessen. Immer schneller stieß der Schwarzhaarige in ihn, traf dabei wieder und wieder zielgerichtet seinen empfindlichsten Punkt und ließ ihn nichts weiter mehr als pure Lust spüren. Gins schwerer Atem wurde schneller und entwickelte sich schon bald zu einem leisen, aber wohligem Stöhnen. Plötzlich hörte Rye auf und ließ Gins Hüfte los. Entsetzt versuchte Gin in dem Gesicht seines Partners zu erkennen, warum er ihn weiterhin hinhielt. Sein verschleierter Blick erlaubte ihm jedoch keine klare Sicht. Erst als lange, schwarze Strähnen über seinen Körper strichen, erkannte Gin, dass sich Rye erneut über ihn beugte. Blinzelnd versuchte Gin sich jedes Detail von dem verschwommenen, bildschönen Gesicht über sich einzuprägen. Ryes smaragdgrüne Augen glühten förmlich vor Verlangen. Gin konnte sich selbst in ihnen sehen. Zu gern hätte er seine Hand gehoben, um Ryes Gesicht zu berühren. Doch er konnte nicht. Alle Kraft, die ihm Ryes Berührungen zunächst gegeben hatten, wurden durch dieselben wieder geraubt. Langsam begann Rye wieder in ihn zu stoßen. In einem sanften, zarten Rhythmus, der nichts von dem vorherigen, gewaltsamen Eindringen erahnen ließ. Er stützte seine Unterarme neben Gins Kopf ab und beugte sich so weit zu ihm herunter, dass ihre Wangen einander streiften. Schwärze nahm Gins gesamtes Blickfeld ein, als Ryes Haare über sein Gesicht fielen. „Ich liebe dich.“, hauchte Rye ihm lustvoll ins Ohr, leckte über die Ohrmuschel und biss anschließend leicht in diese hinein. Gin merkte es kaum. Sein Verstand hatte nach diesen drei gehauchten Worten komplett ausgesetzt. Er wollte antworten, brachte aber kein einziges Wort über seine trockenen Lippen. Er drehte seinen Kopf, um doch noch eine Antwort in Ryes Ohr flüstern zu können, als Rye ohne Vorwarnung das Tempo seiner Stöße erhöhte. Mit einem leisen Aufschrei drückte Gin seinen Kopf wieder gegen die steinerne Unterlage, die wärmer als Ryes untoter Körper wirkte. Unbewusst bot er ihm dadurch seinen Hals dar. Die Konsequenz dessen erkannte er erst, als Rye das Gesicht in seine Halsbeuge schmiegte und tief einatmete. Die Lippen, welche langsam Gins Haut erforschten, erinnerten ihn zunächst nur an die vorherigen Küsse, doch sobald er sich entspannte, bohrten sich messerscharfe, spitze Zähne tief in sein zartes Fleisch. Ein schmerzerfüllter Schrei entwich ihm und sein Körper verkrampfte sich, doch Rye blieb davon unbeeindruckt. Statt von ihm abzulassen oder die Stöße zu verringern oder zu beenden, trank er genüsslich von Gins Blut. Anfangs versuchte sich der Silberhaarige zu wehren und Rye von sich wegzudrücken. Der Schmerz hatte kurzzeitig für einen ausreichenden Adrenalinschub gesorgt. Doch diese Versuche ließen schnell nach. Nicht etwa weil er aufgab, oder die Kraft verlor. Sondern weil er sich an das Gefühl an seinem Hals gewöhnte und sein Körper die Energie an anderen Stellen besser verwenden konnte. Er hatte zwar nicht bemerkt, wie sich Rye kurzzeitig aus ihm zurückgezogen hatte, bekam es dafür aber jetzt deutlich zu spüren, als ihn ein neuer, kräftiger Stoß aus einer anderen Richtung, in neue Höhen hob. Für einen kleinen Moment verschwamm seine Sicht und er glaubte Sterne zu sehen. Er biss sich auf die Zunge, um die Welle der Lust, die ihn überrollte, nicht laut herauszuschreien. Schweiß bildete sich auf seiner Haut. Und weder die Kälte seiner Unterlage, noch die des Körpers über und in ihm, konnten die Hitze seines Körpers ausgleichen. Es war kaum zu glauben, dass er vorhin noch gefroren hatte. „Rye…“, seufzte er und krallte sich in dessen Schulterblätter. Instinktiv versuchte er sich den Stößen etwas entgegenzubewegen und seinen Hintern höher zu heben, sodass Rye noch tiefer in ihn eindringen konnte. Eine Hand rutschte bei dem Versuch sich an dem Schwarzhaarigen festzuhalten ab und drückte dessen Kopf stärker gegen seine Halsbeuge. Doch die unabsichtliche Ermutigung, weiter von ihm zu trinken, war dem Silberhaarigen egal. Nur am Rande bekam er mit, dass Ryes Schluckgeräusche zeitlich mit den Stößen synchronisiert waren. Alles, was Rye tat, schien von gieriger Hast angetrieben zu werden, während Gin durch die genau auf seine Prostata gezielten Bewegungen förmlich dahinschmolz. Die ganze Zeit über hatte Gin seine Gefühle für Rye unterdrückt. Hatte es nicht wahrhaben wollen, was Ryes Nähe in ihm auslöste und was er für ihn empfand. Doch damit war nun endgültig Schluss. Er wollte Rye alles von sich geben. Alles, was dieser von ihm begehrte. Egal ob es sein Körper, sein Blut oder seine Seele war. Er wollte sich ihm vollständig hingeben. Nur ihm gehören und nur von ihm besessen werden. Rye war der Einzige, der ihn erobert hatte. Gin spürte, wie sich seine innersten Muskeln erwartungsvoll zusammenzogen. Wie sich Ryes Zähne zusammen mit seinem Glied in ungeahnte Tiefen seines Körpers gruben. Wie sein Innerstes von Ryes Samen erfüllt wurde und sich seine eigenen Hoden zusammenzogen, um…   …   Gin spannte seine Hüfte an und drehte sich von der einen Seite zur anderen. Halb verschlafen drang ein Stöhnen über seine Lippen, ehe der Traum letzten Endes verschwamm und er in die Wirklichkeit zurückkehrte. Nur widerwillig öffnete er die Augen. Ihm war warm. Unerträglich warm. Schwer atmend fuhr er sich mit der Hand über seine schweißnasse Stirn und setzte sich langsam auf. Dabei bemerkte er jedoch mit peinlichem Entsetzen den heißen Knoten in seinem Unterleib. Er war noch immer erregt. Sogar noch mehr als vor dem Schlafengehen. Das konnte unmöglich sein. „Scheiße…“, fluchte er gedanklich und zog die Beine an seinen Oberkörper. Allerdings wurde seine Erektion dadurch nur schmerzhaft eingeklemmt, weshalb er sich schnell auf die Bettkante setzte. Da fiel ihm auch auf, dass er noch immer allein im Bett war. „Ist er etwa noch nicht zurück…?“ Gin warf einen Blick auf die Uhr, deren leuchtende Ziffern ihm 3:06 Uhr anzeigten. Mitten in der Nacht. Zwar hatte Rye gesagt, dass es etwas länger dauern würde, doch so lange? „Wenn er wirklich noch nicht da ist, könnte ich vielleicht…“ Sein Blick wanderte beschämt zu seiner Erregung, die glücklicherweise von dem Stoff des Bademantels verdeckt wurde. Dieser verdammte Traum hatte alles nur noch schlimmer gemacht. Und das bestimmt wegen diesem Bett – Ryes Bett. Oder vor allem wegen diesem Bademantel – Ryes Bademantel. Den hätte er niemals anziehen dürfen. Doch trotz der offensichtlichen Ursachen des Problems verspürte er zu seiner Verwunderung kein Gefühl von Reue. Sogar eher bittere Enttäuschung, dass es nur ein Traum gewesen war. Irgendwie fühlte er sich glücklich und befriedigt. Aber nicht vollends befriedigt. Allein der Gedanke, dass aus diesem Traum vielleicht einmal Realität werden könnte… Er spürte, wie ihm das Herz bis in die Fingerspitzen schlug und seine Erregung stärker pulsierte. „Ich will es… wirklich mit ihm tun.“, wurde ihm klar und obwohl er sich für diesen Entschluss verfluchen sollte, bewies ihm die darauffolgende Reaktion seines Körpers, dass es früher oder später so weit kommen würde. Er wollte Rye. Und Rye wollte ihn. Sie waren Geliebte. Also warum versuchen, sich noch länger etwas vorzumachen? Es hatte keinen Sinn mehr dagegen anzukämpfen. Besonders jetzt nicht, wo sein Körper nahezu nach Erlösung lechzte. Er musste sich darum kümmern. Sofort. Bevor er noch den Verstand verlieren würde. Gin erhob sich vom Bett und verließ das Schlafzimmer. Auf dem Weg zum Badezimmer verharrte er jedoch mitten im Flur, als er plötzlich das Licht im Wohnzimmer bemerkte. Die Tür zu diesem war nur angelehnt, obwohl sich Gin sicher war, sie vorhin geschlossen zu haben. Dann war Rye also doch schon längst zurück. Gin spürte, wie sein Herz einen Satz machte und ihm augenblicklich das Blut bis in die Ohren schoss. Unsicher huschte sein Blick zwischen Bade- und Wohnzimmer hin und her. Beide Optionen waren mit einem Risiko verbunden. Welches allerdings höher war, konnte Gin nicht einschätzen. „Er hat doch bestimmt sowieso schon mitbekommen, dass ich wach bin…“ Von daher könnte er auch gleich zu ihm gehen. Aber in diesem Zustand… Gin schüttelte den Kopf. Keine gute Idee. Er kehrte dem Wohnzimmer den Rücken zu und bewegte sich fest entschlossen auf das Bad zu. Doch kaum hatte er die Türklinke umfasst, hielt er erneut inne. Sein innerstes Verlangen Rye zu sehen wurde immer dringlicher. Er hielt es nicht mehr aus. Es war, als wäre er an unsichtbaren Fäden befestigt, die einzig und allein von Rye ausgingen und ihn unwiderruflich zu ihm zogen. Wie von selbst trugen seine Beine ihn letztlich doch zum Wohnzimmer. Ohne zu zögern, schob er die Tür beiseite und betrat den ungewöhnlich warmen, fast stickigen Raum. Der Kamin schien immer noch zu brennen, welcher aber nicht mal ein Viertel von Gins Aufmerksamkeit erregte. Alles, was seine Augen fixierten, war Rye, welcher es sich auf dem Sofa bequem gemacht hatte und ein Buch in den Händen hielt. Er ließ seinen Blick erstaunt über Gin gleiten, bevor seine smaragdgrünen Augen zu glänzen begannen. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. Gin schluckte. Warum fühlte er sich umgehend von Ryes Erscheinung überwältigt? Dabei war die Situation doch vollkommen gewöhnlich. Abgesehen davon, dass die Uhrzeit nicht dazu passte. „Warum ist er nicht…“ Gin unterbrach seinen Gedankengang, als Rye das Buch beiseite legte und ihn ansprach. „Mein Bademantel?“, fragte er in einer amüsierten, aber auch etwas stolzen Tonlage. Gin spürte Verlegenheit in sich aufkommen, doch er versuchte diese zu ignorieren und trat stattdessen näher an das Sofa, um Rye besser sehen zu können. Drei Knöpfe seines dunkelblauen Hemdes waren geöffnet und es hing ihm halb aus der Hose. Die Beine hatte er überschlagen und seine langen Haare waren etwas zerzaust, aber zumindest trocken. „Du hast gesagt, ich soll mich wie zu Hause fühlen.“, meinte Gin schulterzuckend. Ryes Lächeln wurde breiter. „Natürlich. Ich hab auch nichts dagegen. Ich finde, dass er dir sehr gut steht.“ Während er das sagte, sah Gin wie Erregung in seinen Augen aufblitzte, die er jedoch versuchte streng unter Kontrolle zu halten. „Konntest du nicht schlafen?“ Es war deshalb nicht verwunderlich, dass er schnell das Thema wechselte. „Nein, es war etwas zu warm.“, gestand Gin, auch wenn es nicht die ganze Wahrheit war. Den Rest sollte Rye lieber nicht erfahren. Jedoch war die Chance hoch, dass er es jeden Moment bemerken würde. Man konnte nicht lange etwas vor ihm verbergen. „Ach so, verstehe.“, erwiderte Rye leicht belustigt, woran Gin erkannte, dass er es ihm nicht ganz abkaufte. „Und ich dachte, es läge daran, dass du schlecht geträumt hast.“ Ein Schauer überkam Gin. Er fühlte sich durchschaut. Doch wie konnte Rye das wissen? Gedanken lesen konnte er wohl hoffentlich nicht auch noch. „Warum sollte ich schlecht geträumt haben?“ „Du hast ziemlich unruhig geschlafen. Und gesprochen hast du auch.“, erklärte Rye schlicht. Gin spürte, wie er augenblicklich rot anlief. Im Schlaf gesprochen. Niemals. Seit wann tat er so etwas? Und warum ausgerechnet bei diesem Traum? „Ich hab dich nicht beobachtet, falls du das denkst. Aber wie du weißt, kann ich außergewöhnlich gut hören.“, fügte Rye hinzu, da ihn Gins entsetzter Gesichtsausdruck anscheinend Sorgen bereitete. Doch das beruhigte den Silberhaarigen kein bisschen. Rye hatte es gehört. Aus welcher Entfernung spielte keine Rolle. „Was hab ich denn gesagt?“ Eigentlich wollte Gin es gar nicht wissen. Aber lieber so, als sich umsonst für Dinge zu schämen, die er vielleicht doch nicht ausgesprochen hatte. Er versuchte sich den Traum zurück ins Gedächtnis zu rufen und überprüfte, wie viel er gesagt hatte. Da gab es zum Glück nicht sonderlich viel. Allerdings hatte er dafür mehr gedacht. Und Gedanken ließen sich auch schnell mal unbewusst laut aussprechen. „Meinen Namen.“ Rye betrachtete ihn mit einer zwiegespaltenen Miene. Als wäre er darüber sowohl ein bisschen erfreut, als auch bekümmert. Gin atmete innerlich erleichtert auf. Zwar war es trotzdem noch peinlich, aber im Vergleich zu seinen Befürchtungen harmlos. „Mehr nicht?“, hakte er vorsichtshalber nochmal nach, woraufhin Rye den Kopf schüttelte. „Nein, aber dafür mehrmals… und nicht nur heute. Du hast das schon öfters getan.“ Gin ließ den Kopf hängen. Schlimm genug, dass Rye ihn immer beim Schlafen beobachtet hatte. Doch dass ihm währenddessen scheinbar hin und wieder der Namen des Schwarzhaarigen über die Lippen gerutscht war, brachte das Ganze auf die Spitze. „Dir muss das nicht peinlich sein.“, hörte er Rye sagen. Gin schnaubte spöttisch. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich früher auch oft im Schlaf geredet hab. Das ist völlig normal.“, versuchte Rye ihn weiter zu beruhigen. Gin hob den Kopf wieder, erblickte jedoch dann Ryes veränderte, melancholische Miene. Das hatte er jetzt nicht damit erreichen wollen. Er biss sich auf die Unterlippe, bevor er sagte: „Ist jetzt auch egal… es lässt sich sowieso nicht mehr ändern.“ Glücklicherweise setzte Rye wieder ein Lächeln auf. Und dieses würde hoffentlich eine Weile bleiben. Gin wollte nicht, dass das, was er gerade empfand, durch niedergeschlagene Stimmung wieder vertrieben wurde. Das unangenehme Schamgefühl mal außen vor gelassen. Er versuchte es irgendwie auszublenden und ließ eine Hälfte des Bademantels etwas zur Seite rutschen, während er sich die Haare hinter die Schulter strich. So, dass es möglichst beiläufig wirkte. Dann fragte er: „Warum bist du eigentlich hier?“ Innerlich triumphierend sah er, wie Rye die beiläufige Bewegung genauestens mit den Augen verfolgte, bevor er verwundert eine Braue nach oben zog. „Wie meinst du das?“ „Naja… ich dachte nur, du würdest…“ Gin verstummte. Dieses nervige Schamgefühl schob sich schon wieder in den Vordergrund. Die Röte in seinem Gesicht würde wohl niemals abklingen. „…zu dir ins Bett kommen?“, vervollständigte Rye seinen Satz zum Glück. Allerdings in einer unsicheren Tonlage, die Gin gar nicht gefiel. Er konnte nur nicken. „Sonst stört dich das doch immer.“, meinte Rye mit Skepsis in der Stimme. So ein rücksichtsvolles, vorsichtiges Verhalten war Gin von ihm in solchen Momenten überhaupt nicht gewohnt. Er runzelte die Stirn und fragte: „Warum nimmst du darauf jetzt auf einmal Rücksicht?“ „Ich wollte dich eben nicht gleich wieder verärgern… und es damit vielleicht kaputt machen.“, murmelte Rye und versuchte Gins Blick auszuweichen. „Was kaputt machen?“, wollte der Silberhaarige wissen. „Unsere Beziehung…“ Gin fing langsam an zu verstehen. Auch wenn sich das für jemanden wie ihn, der noch nie eine Beziehung geführt hatte, etwas komisch anhörte. Wahrscheinlich würde er noch eine Weile brauchen, bis er darauf so viel wert legen konnte wie Rye. „Du machst nichts kaputt.“, versicherte er ihm, woraufhin Rye ihm wieder direkt in die Augen sah. In seinem Blick lag nun weit weniger von seiner zuvor empfundenen Unsicherheit. „Wirklich?“ „Ja.“ „Und worauf wolltest du jetzt hinaus?“, fragte Rye verwirrt. „Das macht er doch mit Absicht…“ Gin schwieg und warf seinem Partner einen resignierten Blick zu. Sonst erkannte dieser doch auch immer sofort alles. Warum jetzt nicht? Dabei sollte es doch mehr als offensichtlich sein. Geräuschlos tauchte Rye vor Gin auf, welcher erschrocken einen Schritt zurücktrat, bevor der Schwarzhaarige seine Hände nahm. „Gin. Du kannst ruhig aussprechen, was du von mir willst. Wir sind jetzt schließlich zusammen, da brauchst du dich nicht mehr zu zieren. Ich werde immer versuchen, dir jeden deiner Wünsche zu erfüllen. Insofern es möglich ist.“ Rye versuchte vergebens Blickkontakt zu Gin herzustellen, welcher stets beschämt zu Boden starrte. Jedoch dachte er nebenher über Ryes Aussage nach, die zugegebenermaßen ziemlich verlockend geklungen hatte. Er müsste sich nur kurz einen Ruck geben… „Jeden meiner Wünsche?“ Sein Blick wanderte unauffällig zu Ryes Hemdausschnitt, wo die Knöpfe einen Teil seiner Brust freigelegt hatten. Doch leider noch nicht genug. „Ja. Also, was möchtest du von mir?“, fragte Rye mit fordernder, aber weicher Stimme. Gin formulierte die Worte gedanklich schnell um, die ihm auf der Zunge lagen, um seinen eigentlichen Wunsch nicht direkt zu äußern. Denn irgendwie hatte er das Gefühl, dass der Wunsch zu den unmöglichen Dingen gehörte, die Rye ihm nicht erfüllen konnte. Weil er nicht genügend Selbstkontrolle besaß. „Dass du ins Bett kommst…“, sagte Gin leise. Es machte ihn nervös, dass Rye nicht sofort eine Antwort gab. Er schien zu überlegen, während er ausdruckslos auf ihre ineinander geschlossenen Hände starrte. „In Ordnung.“, willigte er schließlich ein, was in Gin Zufriedenheit und vor allem Erleichterung auslöste. Er erwiderte Ryes mildes Lächeln, bevor er ihm zum Schlafzimmer folgte. Dort angekommen hatte der Schwarzhaarige es sich längst im Bett bequem gemacht und die Augen geschlossen, während Gin gerade erst den Raum betrat. Er blieb im Türrahmen stehen und betrachtete Rye, welcher die Beine überschlagen und die Hände hinter dem Kopf verschränkt hatte. Seine Haare lagen breitgefächert um ihn herum und hingen teilweise vom Bett herab. Dieser reizvolle Anblick jagte Gin einen heißen Schauer über den Rücken. Nur ganz leise hörte er die Warnsignale in seinem Kopf, sein Vorhaben nicht in die Tat umzusetzen. So unwiderstehlich Rye auch aussah, hieß das nicht, dass keine Gefahr von ihm ausging. Ihn zu verführen wäre nicht nur ausgesprochen dumm, sondern auch lebensmüde. „Kommst du?“ Ryes fragende Stimme ließen die Warnsignale letztlich komplett verstummen. Sie glich nahezu einen Lockruf. Gin nickte und ging zögernd zum Bett. Er kam sich echt komisch vor. Normalerweise fiel es ihm nie schwer mit jemandem zu schlafen. In manchen Fällen ließ es ihn sogar völlig kalt. Doch jetzt konnte er vor Nervosität kaum gleichmäßig atmen geschweige denn sich konzentrieren. Er stieg vorsichtig auf allen Vieren ins Bett, während er wie gebannt auf Rye starrte. Warum er den Atem anhielt und versuchte, so leise wie möglich zu sein, wusste er nicht, da Rye ihn ohnehin klar und deutlich hören müsste. Dennoch öffnete dieser erst überrascht die Augen, als Gin die Hände auf seine Schultern legte und sich über ihn kniete. Die Fragen, die Rye daraufhin ins Gesicht geschrieben standen, beantwortete Gin, indem er seine Lippen auf die des Schwarzhaarigen presste. Sofort spürte er, wie der Körper unter ihm erbebte und sich anschließend anspannte. Jedoch machte Rye keine Anstalten Gin von sich wegzustoßen, sondern schien den Moment auskosten zu wollen, da es sich schließlich um den ersten Kuss handelte, den Gin von selbst begonnen hatte. Er schob seine Zunge in die feucht-kalte Mundhöhle, woraufhin Rye seine Taille umfasste und ihn enger an sich zog. Jedoch verkrampften sich seine Hände im Stoff des Bademantels, als ihre Zungen aufeinandertrafen und einander umschmeichelten. Gin vergrub eine Hand in Ryes Nacken, während die andere in den Hemdausschnitt wanderte und über Ryes harte, muskulöse Brust strich. Alles von Rye fühlte sich noch so viel mehr vollkommener an als in seinem Traum. Er wollte den Körper dieses wunderbaren Mannes am liebsten bis ins letzte Detail erkunden, weshalb er seine Hand tiefer wandern ließ, um weitere Knöpfe dieses lästigen Hemdes zu öffnen. Doch da wurde sein Handgelenk abrupt eingefangen. Keine Sekunde später erfolgte ein Druck an seiner Brust, der ihn kraftvoll zurückschob, sodass er auf Ryes Schoß landete. Ehe sich Gin versah, war der Kuss beendet und Rye setzte sich auf. Er wirkte erschöpft, doch in seinen Augen glaubte der Silberhaarige so etwas wie Empörung zu erkennen. Ein leichter rosa Hauch schlich sich auf seine Wangen, als ihm klar wurde, was für einen idiotischen Fehler er begangen hatte. Ohne dabei Rücksicht auf Rye zu nehmen. „Hast du den Verstand verloren?“, fragte dieser hastig mit leiser Stimme, während er sich an den Hals fasste, als würde er sich erwürgen wollen. Gin hätte beinahe genickt. Er hatte sich so sehr auf sein Verlangen fixiert, dass er seinen Verstand völlig verdrängt hatte. Er senkte beschämt den Blick, um nicht länger sehen zu müssen, wie sich Rye seinetwegen quälte. Weil er so selbstsüchtig gewesen war. „Tut mir leid…“, murmelte er. Von Rye erfolgte keine Reaktion. „Und gerade eben hat er sich noch Sorgen gemacht, dass er die Beziehung kaputt machen könnte…“ Ein Schuldgefühl breitete sich in ihm aus, gemischt mit der Angst Rye verärgert zu haben. Diesem entwich nun ein Seufzen. „Schwer zu glauben, wenn du immer noch erregt bist.“ Zum Glück klang es mehr belustigt als verärgert. Rye winkelte sein Knie kurz an, um zu verdeutlichen, was er meinte. Gin zog scharf die Luft ein und presste automatisch die Beine zusammen. „Du hast nicht schlecht von mir geträumt, oder?“ „Nein…“ „Das beruhigt mich.“, gab Rye lächelnd zu. „Aber wir sollten es nicht überstürzen.“ Eigentlich hatte er recht. Nur war es für Gin schwer, dies so hinzunehmen. Er wollte Rye nicht noch mehr überanstrengen, weshalb er vorsichtig von ihm runterstieg und sich an den äußersten Bettrand setzte. Auch wenn das wahrscheinlich nichts nützte und es sinnvoller wäre die Wohnung zu verlassen. Diese Übernachtung war wirklich eine miese Idee gewesen. „Warum wolltest du dann überhaupt, dass ich hier übernachte?“ Wenn Sex nicht Ryes Motiv gewesen war, fiel Gin nichts anderes mehr ein. „Warte, du dachtest, ich hab dich nur eingeladen, um mit dir zu schlafen?“, fragte Rye entsetzt. Gin zuckte mit den Schultern und erwiderte kühl: „Ist doch einleuchtend.“ „Ja, vielleicht schon, aber…“ Ryes Augenbrauen schoben sich nachdenklich zusammen. „Das wäre doch noch etwas früh… ich habe dir erst vor ein paar Stunden gestanden, dass ich dich liebe.“ „Was mich zu der Frage zurückführt, die ich dir gerade gestellt habe.“, meinte Gin schnippisch. Dass es dafür noch zu früh war, wusste er selbst. Aber er kannte es nun mal nicht anders und meistens spielte der Zeitpunkt ohnehin keine Rolle. Nicht einmal Liebe musste für einfachen Sex von Bedeutung sein. Selbstverständlich dachte Rye bestimmt anders darüber. „Das mag jetzt vielleicht bescheuert klingen aber… ich wollte irgendwie nicht, dass dieser Tag endet… und du einfach nach Hause gehst. Ich hatte Angst, du könntest es dir anders überlegen.“, gestand er und senkte den Kopf. „Warum sollte ich es mir anders überlegen?“ Zwar hatte Gin am Anfang des Abends anders darüber gedacht, doch nun wollte er zugegebenermaßen ebenso wenig, dass dieser Tag zu Ende ging. Ihm fiel kein Grund ein, warum er jetzt noch einen Rückzieher machen sollte. „Du warst so unentschlossen und ich war mir nicht sicher, ob du diese Beziehung wirklich willst. Wobei… deine Aktion gerade eben war wohl eindeutig genug.“ Bei dem letzten Satz musste Rye schmunzeln, während Gin hingegen beschämt nach unten schaute. „Es ist schon okay, ich bin glücklich. Sehr sogar. Aber ich will es erst mal langsam angehen. Das verstehst du doch bestimmt, oder?“, fragte Rye in lieblicher Tonlage. Irgendwie erleichterte es Gin, dass er ihn wirklich nicht verärgert hatte. In Zukunft wollte er ein solch selbstsüchtiges Verhalten wie eben bestmöglich vermeiden. „Ja…“ Nach kurzer Stille bemerkte Gin, wie die Matratze neben ihm einsank und ihm ein paar Haarsträhnen hinters Ohr geklemmt wurden. Es überraschte ihn, dass Rye von selbst wieder näher gekommen war. „Bis dahin solltest du so etwas lieber unterlassen… Vergiss nie, dass du gleichzeitig auch mit deinem Leben spielst. Das ist schon für einige vor dir tödlich geendet. Nur mit dem Unterschied, dass ich es mir bei dir niemals verzeihen könnte.“, warnte Rye, wobei sich ein scharfer Unterton in seine Stimme mischte. Jedoch erschauderte Gin eher von den Worten. „Also hast du es schon mit mehreren getan.“ „Schon, jedenfalls hab ich es versucht.“, verbesserte Rye ihn. Er klang nicht so, als waren die Versuche von Erfolg gekrönt gewesen. „Mit Männern auch?“, bohrte Gin. Warum ihn das interessierte, wusste er selbst nicht genau. Doch Ryes Antwort verblüffte ihn auf unerklärliche Weise. „Überwiegend.“ Als Gin schwieg und ihn lediglich fragend anschaute, fuhr er fort: „Es ist nicht so, dass ich kein Interesse an Frauen hätte… Aber ich habe irgendwann angefangen zu glauben, dass Männer vielleicht etwas… robuster für mich wären. Das hat sich natürlich als falsch erwiesen.“ An dem verlegenen Blick des Schwarzhaarigen erkannte Gin, dass er diese Idee inzwischen selbst töricht zu finden schien. „Oh…“ Mehr fiel Gin nicht ein, was er dazu sagen könnte. „Und was ist mit dir?“, wollte Rye plötzlich wissen. Gins Augen wurden groß. „Was ist mit mir?“ „Fühlst du dich eher zu Männern oder Frauen hingezogen?“, verdeutlichte Rye seine Frage. Es schien ihn wirklich zu interessieren. Aber beantworten wollte Gin es trotzdem nicht. „Das geht dich nichts an“, lag ihm auf der Zunge, doch er ließ es unausgesprochen. „Ich weiß es nicht genau.“, versuchte er stattdessen auszuweichen und fügte scherzhaft hinzu: „Schätze, ich fühl mich am meisten zu Vampiren hingezogen.“ „Dann bin ich ja ein wahrer Glückspilz, dass ich einen so masochistisch veranlagten, festen Freund für meine erste Liebe gefunden habe.“, erwiderte Rye ironisch, woraufhin Gin ihn böse anfunkelte. „Und wenn du das bleiben willst, hältst du besser die Klappe.“, meinte er bissig. Er ließ sich zurück ins Kissen fallen und drehte sich von Rye weg. „Was hat das mit Masochismus zu tun? Zumal er derjenige war, der es mit einer Beziehung probieren wollte.“ „Soll ich gehen?“, fragte Rye vorsichtig, als bereute er, was er zuvor gesagt hatte. Gin verzog gereizt das Gesicht und schloss die Augen. Eigentlich wollte er es nicht. Aber zugeben konnte er das jetzt nicht mehr. „Mach doch, was du willst.“ „Okay.“ Gin lauschte angespannt. Es blieb still. War Rye längst geräuschlos aus dem Zimmer verschwunden oder hatte er sich noch nicht vom Fleck gerührt? Da vernahm Gin doch eine Regung hinter sich. Plötzlich schlangen sich zwei Arme um seine Brust, die ihn dicht an einen harten, kalten Körper heranzogen. Ihm stockte kurz der Atem. „Wenn dir kalt ist, sag Bescheid.“, murmelte Rye an seinem Nacken, während er sich stärker an ihn schmiegte und eine seiner Hände umschloss. Gin versuchte ruhig zu atmen und sich zu entspannen, was ihm nach nur wenigen Minuten gelang, da sich die Kälte von Ryes Körper sehr angenehm anfühlte. Andersrum schien Rye höchstwahrscheinlich die Hitze zu genießen, die von Gin ausging. Der Silberhaarige war froh, dass er Rye wenigstens das geben konnte und dass dieser zudem dazu neigte, Worte meistens zu seinem Vorteil zu deuten. So war er zum Glück nicht gegangen. Lächelnd beschloss Gin, sich in einen ruhigen, angenehmen Schlaf fallen zu lassen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)