The Monster inside my Veins von ginakai ================================================================================ Kapitel 8: Was ist Eifersucht? ------------------------------ 3 Tage später in der Scarlet Lounge „Ich bin überrascht, dass du aufgetaucht bist. Wo hast du dich denn die letzten drei Tage rumgetrieben? Du hast nicht mal auf meine SMS geantwortet.“, wollte Vermouth leicht beleidigt von Rye wissen, welcher sich gerade zu ihr gesellte. Er wirkte irgendwie mitgenommen, müde, oder als würde ihn etwas quälen. „Tut mir leid.“, meinte Rye vorerst, da er sich über Vermouths Laune im Klaren war. Doch eine ehrliche Antwort auf ihre Frage fiel ihm nicht ein, weshalb er ausweichend erklärte: „Ich musste mich ein wenig ausruhen... schließlich wäre ich Samstag Abend fast gestorben. Mein Handy war die Zeit über ausgeschaltet.“ Er hoffte, dass die Frau ihm diese Lüge glauben würde. Zwar stimmte das mit dem Ausruhen, aber ganz bestimmt nicht weil er fast gestorben wäre. Eher hatte er versucht mit der Tatsache umzugehen, dass er wieder Mal die Kontrolle verloren und zwei Menschen getötet hatte. Noch dazu Mitglieder der Organisation. Davon durfte niemand erfahren. Jedoch machte ihn das Kichern von Vermouth im nächsten Moment stutzig. Hatte sie ihn etwa durchschaut? War die Ausrede zu einfach gewesen? Hätte er einen anderen Grund vorbringen sollen? Doch Rye musste feststellen, dass seine Befürchtungen umsonst waren. „Also für jemanden, der beinahe gestorben wäre, bist du noch gut unterwegs. Wobei du die letzten Tage zu wenig geschlafen hast?“, erwiderte Vermouth unbekümmert. Bei der Frage schlich sich ein Hauch Besorgnis in ihre Stimme. „Ja, richtig… das hab ich wirklich nicht. Ist aber nicht so schlimm.“, erwiderte Rye mit einem unschuldigen Lächeln, bevor er schnell vom Thema ablenkte: „Wie geht‘s dir denn eigentlich?“ Die Antwort interessierte ihn überhaupt nicht, aber etwas Besseres fiel ihm gerade nicht ein. Und die meisten Frauen neigten dazu, besonders viel zu erzählen, wenn es um ihr eigenes Befinden ging. „Bestens. Da fällt mir ein, ich muss mich ja noch bei dir bedanken. Immerhin hast du mir an dem Abend das Leben gerettet. Der Messerwurf kam ziemlich unerwartet.“ Rye erinnerte sich an die Sache mit dem Messer, oder anders gesagt den Auslöser für das ganze Desaster. „Nicht doch. Meinetwegen ist irgendwie alles schiefgegangen. Ich hab den Kerl zu sehr provoziert und war-“ „Du warst einfach wunderbar!“, unterbrach die Blonde ihn jedoch begeistert, woraufhin seine Augen vor Verwirrung groß wurden. Seiner Meinung nach war er alles mögliche, aber sicher nicht wunderbar gewesen. „Du hast eine außergewöhnlich schnelle Reaktionsfähigkeit, bist sehr gut im Nahkampf und obendrein hast du Gin beschützt. Ohne dich wäre er vermutlich über die Klinge gesprungen.“, lobte Vermouth den Schwarzhaarigen aus dessen Sicht zu Unrecht. „Falsch.“, betonte er deshalb und erklärte dann der Wirklichkeit entsprechend: „Ich war zu vorschnell und Gin ist mir gefolgt. Mit anderen Worten, ohne mich wäre er erst gar nicht in diese Lage geraten.“ „Das konntest du doch aber nicht wissen. Also hör schon auf, so schlecht von dir zu reden.“, während Vermouth das sagte, steckte sie sich eine Slim-Zigarette an und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. „Aber Gin-“ „Und um den brauchst du dir auch keine Sorgen zu machen. So schnell macht der schon nicht schlapp.“, unterbrach sie Rye erneut, welcher daraufhin nur schweigend den Kopf senkte. Nach einer Weile hakte die Frau neugierig nach: „Jetzt mal ehrlich, warum interessierst du dich so für ihn?“ Das war etwas, was sie sich einfach nicht erklären konnte. Die Antwort auf diese Frage wollte sie zu gern erfahren. Allerdings wurde sie nur emotionslos angesehen und es machte nicht den Anschein, dass Rye vorhatte ihr den Grund verraten. „Ich finde es nur schade um dich, weil dieses Interesse immer einseitig bleiben wird. Gin kann niemanden mögen, respektieren oder gar lieben. Wobei, aus Erfahrung kann ich dir sagen, dass er für One-Night-Stands noch zu haben ist.“, redete sie daher einfach weiter und musste bei ihrem letzten Satz schmunzeln. „Und warum wolltest du ihn dann als Partner für mich?“, wollte Rye nach dem ganzen Gerede wissen. Er musste sich beherrschen, dabei noch einigermaßen nett zu klingen. Denn Vermouths letzter Satz hatte etwas in ihn geweckt, worauf er lieber nicht genauer eingehen wollte. Allein die Vorstellung an das Gesagte machte ihn aus unerklärlichen Gründen wütend. „Du wolltest ihn als Partner.“, meinte Vermouth jedoch nur schulterzuckend. „Das hab ich nie gesagt.“ „Mit Worten vielleicht nicht.“ Danach herrschte Stille, in welcher die Frau Rye ein vielsagendes Lächeln zuwarf und er sich eingestehen musste, dass sie irgendwie recht hatte. Sein Verhalten hatte ihn damals verraten. „Siehst du, jetzt hast du ihn mit deinem Verhalten beschworen.“, sprach Vermouth plötzlich. Rye folgte ihrem Blick zum Eingang, wo Gin tatsächlich gerade die Bar betrat. Rye blieb ungläubig der Mund offen stehen. Nicht einmal die kleinen Schrammen im Gesicht des Silberhaarigen waren schon verheilt und am Rand des Rollkragen glaubte er einen Bluterguss hervorlugen zu sehen. „Das kann nicht wahr sein... als ob der schon wieder auf den Beinen ist!“, fluchte er gedanklich und hielt es für besser umgehend das Weite zu suchen. „Ich gehe dann mal...“, murmelte er und wollte sich von seinem Platz erheben, wurde dabei jedoch von Vermouth zurück auf den Stuhl gezogen. „Hiergeblieben.“, kam es schnippisch von ihr und keinen Moment später winkte sie Gin heran, welcher ganz offensichtlich ebenso wenig über die zufällige Begegnung erfreut war. „Geht es dir etwa schon besser oder hast du dich mal wieder selbst entlassen?“, begrüßte Vermouth den Silberhaarigen, während dieser sich auf den freien Stuhl neben Rye setzte. „Sicher doch. Du weißt, wie sehr ich die Krankenstation hasse.“, antwortete Gin mürrisch, worauf die Frau tadelnd erwiderte: „Selbst Schuld, dann pass‘ in Zukunft besser auf. Du kannst froh sein, dass Rye noch rechtzeitig gekommen ist. Sonst hätte es viel schlimmer für dich ausgehen können, Schätzchen.“ Daraufhin lief Rye ein unangenehmer Schauer über den Rücken und er drehte schnell den Kopf zur Seite, als sich Gins bohrender Blick auf ihn richtete. „Wenn du mich nur gerufen hast, um mir das auf die Nase zu binden, kann ich ja wieder gehen.“, kam es von dem Silberhaarigen gereizt. Als er jedoch aufstehen wollte, wurde auch er von Vermouth aufgehalten. „Nein, eigentlich wollte ich dich etwas fragen.“, meinte sie. „Und das wäre?“, entgegnete Gin, während er sich erneut setzte. Bei dieser ungleichmäßigen Bewegung fiel Rye auf, dass sein Partner anscheinend immer noch Schmerzen hatte und dessen Beine sein Körpergewicht wohl noch nicht tragen konnten. Schon zuvor war dem Schwarzhaarigen aufgefallen, dass Gin beim Laufen das rechte Bein etwas nachzog. Auch seine Arme zitterten ein wenig, als er sich jetzt eine Zigarette ansteckte. „Hab ich‘s mir doch gedacht… aber schon witzig, wie er versucht, die Schmerzen zu verbergen.“, dachte Rye amüsiert und stützte lächelnd den Kopf auf seiner Handfläche ab. Doch bei Vermouths nächster Frage verging ihm das Lächeln sofort wieder. „Gibt es Neuigkeiten bezüglich der verschwundenen Mitglieder? Hat man sie schon gefunden?“ Da entwich Gin ein Seufzen. Es war noch keine zwei Stunden her, dass ihn der Boss darüber informiert hatte. Und das war gewiss nichts Erfreuliches gewesen. „Hat man, sind aber bereits tot.“, verriet er trocken. Nach einem kräftigen Zug von seiner Zigarette fügte er hinzu: „Die lagen da unten mindestens drei Tage. Und dem Aussehen der Leichnamen nach zu urteilen, ist es keine normale Todesursache...“ Müde fuhr er sich mit der Hand über die Stirn. Es stand außer Frage, dass man die zwei Opfer zu dieser seltsamen Mordserie dazu zählen konnte. Nur dieses Mal war die Sache viel ernster, da es sich schließlich um Mitglieder der Organisation handelte und das direkt nach diesem katastrophalen Treffen. Deswegen war der Druck auf Gin gewachsen. Der Boss wollte, dass er diesen Irren schnellstmöglich fand und zu ihm brachte, damit er ihm selbst die Hölle heiß machen konnte. Nun hatte Gin Dank der Laune seines Vorgesetzten Kopfschmerzen. „Sag nicht, das hängt mit dieser Mordserie zusammen?“, fragte Vermouth und zog überrascht die Augenbrauen nach oben. Gin nickte nur und erwiderte: „Cognac und seine Leute konnten das ohne Zweifel bestätigen. Es ist dasselbe Muster wie bei den anderen Morden. Gerade versuchen sie die Identitäten der beiden Opfer zu ermitteln. Selbstverständlich wird davon nichts an die Öffentlichkeit gelangen.“ „Mordserie…?“ Rye verstand überhaupt nicht, wovon die Beiden da redeten und starrte sie abwechselnd mit großen Augen an. Zwar war es Pech, dass man die Leichen der Männer gefunden hatte, aber wieso gingen sie sofort von einer Mordserie aus? „Das ist wirklich beunruhigend… schon aus dem Grund, weil die Morde auf eine völlig unmenschliche Art begangen werden. Derjenige muss schlimmer als ein Psychopath sein.“, meinte Vermouth in angespannter Tonlage. „Cognac sagte, man könnte ein Tier nicht ausschließen. Aber das glaub ich nicht.“, spottete Gin daraufhin. „Psychopath…? Meinen die etwa… mich?“ Rye konnte es nicht ganz begreifen. Er wusste nicht, dass bereits Ermittlungen aufgenommen worden waren und man wohl schon dabei war, ein Täterprofil zu erstellen. Zudem besaß die Organisation anscheinend alle möglichen Informationen über die einzelnen Morde. Er verfolgte nicht mal die Medien, weshalb er auch sonst nirgends von einer Mordserie gehört oder gelesen hatte. Allmählich wurde er nervös, versuchte sich aber nichts anmerken zu lassen und lauschte weiter dem Gespräch. „Aber das kann doch auch sein. Vielleicht lebt dieses Etwas da unten in der Kanalisation und kommt nur bei Dunkelheit aus seinem Versteck heraus, weshalb man ihm tagsüber nicht begegnen kann.“, vermutete Vermouth, woraufhin Rye entgeistert die Stirn runzelte. „Als ob ich in der Kanalisation lebe...“, kommentierte er ihre These gedanklich. „Und? Sollen wir jetzt die Kanalisation nach dieser Gestalt oder was auch immer absuchen?“, gab Gin der Frau missbilligend zu verstehen, dass er das bestimmt nicht tun würde. „Na dann viel Spaß.“, dachte Rye scherzhaft, welcher sich mit Sicherheit nicht an der Suche beteiligen wollte. Schließlich konnte er schlecht nach sich selbst suchen. „Aber warum nicht? Ein Versuch wäre es doch wert, meinst du nicht auch, Rye?“, wandte sich Vermouth plötzlich an den Schwarzhaarigen, woraufhin sie von ihm aufgelöst angesehen wurde. „Da er die ganze Zeit schon so still ist, wird er wohl nichts beizutragen haben.“, antwortete Gin jedoch für ihn, womit er auch recht hatte. „Mich interessiert das doch gar nicht...“, bestätigte Rye deshalb die Aussage. Der Frau entwich ein Seufzen. Auch Gin stöhnte nach kurzer Stille genervt und warf einen Blick auf die Getränkekarte vor sich. Bisher hatte er immerhin noch nichts bestellt, anders als Vermouth, welche schon lange einen Cocktail vor sich stehen hatte. Dieser wurde aber auch noch nicht von ihr angerührt. „Soll ich dir einen Martini spendieren? Vielleicht bekommst du dann bessere Laune.“, bot sie an und zwinkerte Gin danach vielsagend zu. „Schließlich ist es schon eine Weile her, seit wir das letzte Mal einen gemixt haben.“ Rye verzog danach verwirrt das Gesicht. Diese in Rätsel gesprochenen Worte musste er sich dreimal durch den Kopf gehen lassen, ehe er die Bedeutung dahinter verstand. Von dieser war er dann jedoch überhaupt nicht begeistert. Bei einem Martini handelte es sich nämlich um ein Mischgetränk bestehend aus Vermouth und Gin. „Als ob ich das nochmal nötig hätte.“, lehnte Gin zu Ryes Erleichterung ab, doch einen Moment später stutzte der Schwarzhaarige: „Nochmal…?“ „Warum nicht?“, wollte die Frau daraufhin enttäuscht wissen. Gin antwortete ihr aber nicht direkt sondern meinte stattdessen scherzhaft: „Du hast doch ohnehin schon einen neuen Betthasen. Amüsier‘ dich doch lieber mit ihm.“ Er deutete mit einer abfälligen Geste auf Rye, welcher jedoch bei diesem Satz erstarrte, bevor er die Beiden komplett ausblendete und stattdessen in einer Gedankenspirale versank: „Was soll das? Neuer Betthase? Aber… Bedeutet das dann, dass er mal mit ihr im Bett war?“ Ein unangenehmer Schauer überlief ihn bei dieser Erkenntnis. Doch ein anderes, bekanntes Gefühl ergriff ebenso Besitz von ihm: Die Wut. Den Grund für diese Wut konnte er sich allerdings nicht erklären. Fühlte sich so Eifersucht an? War er überhaupt eifersüchtig? Wenn ja, warum? Dass er sich nicht mal selbst verstand, regte ihn nur zusätzlich auf. Während sich seine Hände auf seinen Oberschenkeln langsam zu Fäusten ballten, ließ er seinen Blick unauffällig zu Vermouth schweifen, welche sich gerade lachend die Hand vor dem Mund hielt. Rye verengte die Augen. „Ich will ihn, und wenn ich etwas will, lasse ich es mir nicht von dir nehmen.“, dachte er übel gesinnt und betrachtete die Frau dabei weiter, als wäre sie ein schädliches Insekt. Ob es seine eigenen Mordgelüste oder die des Monsters in seinem Inneren waren, konnte er nicht unterscheiden. Es interessierte ihn auch nicht mehr. Soeben hatte er einen Entschluss gefasst und er würde sich davon auf keinen Fall abhalten lassen. Von nichts und niemandem. Daraufhin erhob er sich ruckartig von seinem Stuhl und lenkte so die Aufmerksamkeit von Gin und Vermouth wieder auf sich, welche ihn überrascht anstarrten. „Es ist spät, daher verabschiede ich mich für heute.“, verkündete Rye tonlos und noch bevor die Blonde etwas erwidern konnte, bat er sie: „Begleite mich.“ Nun glaubte Rye in ihrem verwunderten Gesichtsausdruck auch Neugier erkennen zu können. „Warum?“, fragte sie, obwohl der Schwarzhaarige ihr ansehen konnte, dass sie sich bereits eine ganz bestimmte Antwort darauf erhoffte. Und diese Antwort sollte sie auch bekommen. „Ich will es so.“, begann Rye und sah Vermouth dabei tief in die Augen, bevor er verführerisch hinzufügte: „Außerdem… willst du dich nicht noch vergewissern?“ Da umspielte auch schon das erwartete Lächeln ihre Lippen. Jetzt hatte er sie. „Mit Vergnügen. Dann lass uns gehen.“, antwortete sie in der gleichen Tonlage und erhob sich ebenso von ihrem Platz. Gin hingegen ließ das Geschehen völlig unkommentiert, auch wenn er sich bestimmt seinen Teil dazu dachte. Und das sollte er ruhig. „Denk, was du willst. Aber du wirst nie erraten, was ich eigentlich vorhabe und dass du der Grund für meinen Entschluss bist.“, sprach Rye gedanklich zu dem Silberhaarigen und konnte es nicht lassen, diesem dabei ein hämisches Lächeln zuzuwerfen, als er nebenbei seinen Arm um Vermouths Hüfte legte. Gin beobachtete schweigend, wie Rye und Vermouth gemeinsam die Bar verließen. Er war ein wenig froh über die einkehrende Ruhe, die er jetzt dringend benötigte. „Soll er doch machen, er wird schon sehen, was er davon hat.“, dachte er spottend und wusste, dass Rye nur ein weiterer Liebhaber von Vermouths langer Liste sein würde. Für sie waren Männer ohnehin nichts weiter als Spielfiguren und wenn sie jemanden nicht mehr brauchte, ließ sie denjenigen wie üblich einfach links liegen. Und niemand außer ihm hatte es je gewagt vorher eine Abfuhr zu erteilen. „Aber schon seltsam… wieso war Rye nicht auf der Krankenstation? Generell scheint er topfit zu sein… und das obwohl er genauso weit von der Explosion entfernt gewesen war wie ich. Er hat nicht mal einen Kratzer!“ Das war Gin sofort aufgefallen, als er Rye erblickt hatte. Jedoch wollte er ihn nicht darauf ansprechen. „Am dem Abend hatte er sogar noch genug Kraft gehabt, die ganzen Kerle problemlos auszuschalten.“, fiel ihm zudem wieder ein. Eine Tatsache, die ihn die letzten drei Tage beschäftigt hatte. „Er hat dafür nicht mal eine Waffe verwendet.“ Auch wenn Gin zu jenem Zeitpunkt nicht vollständig bei Besinnung war, so hatte er versucht, sich jede von Ryes Bewegungen einzuprägen. Aus dem Grund, weil er seinen eigenen Augen nicht trauen wollte. Das ganze Szenario war einfach zu verrückt gewesen, als dass es hätte wahr sein können. Ein normaler Mensch hätte das niemals fertig gebracht. Oder doch? Wer wusste schon, was Rye vor seinem Gedächtnisverlust für ein Mensch gewesen war und was er für diese eigenartige Organisation namens Eclipse alles getan hat oder tun musste. „Ob das mit seinem seltsamen Tattoo am Hals zusammenhängt?“, überlegte der Silberhaarige und erinnerte sich daran, wie er Vermouth letztens kurz darauf angesprochen hatte. Dennoch hatte er keine zufriedenstellende Antwort bekommen, sondern nur den Namen von Ryes früherer Organisation erhalten, von welcher er aber noch nie zuvor etwas gehört hatte. Ein Seufzen entwich ihm. Diese ganzen Fragen in seinem Kopf. Und ein Großteil drehte sich nur um ein und dieselbe Person: Rye. Wütend ballte er seine Hand auf dem Tisch zur Fast und zwang sich dazu wieder über die Mordserie nachzudenken. 20 Minuten später „Und, bist du jetzt zufrieden?“, fragte Vermouth belustigt, als sie mit Rye zusammen dessen Wohnung betrat und er hinter ihr leise die Tür schloss. „Was genau meinst du?“, hakte der Schwarzhaarige nach, nahm dabei seine Strickmütze ab und hing seinen Trenchcoat-Mantel an den Kleiderhaken. „Nun tu doch nicht so.“, meinte die Frau daraufhin, zog ebenso ihren Mantel aus und fügte neckend hinzu: „Das eben in der Bar hast du doch nur abgezogen, um zu sehen wie Gin darauf reagiert.“ Rye musste schmunzeln. In der Tat hatte ihn das wirklich ein wenig interessiert. Doch er kannte Gin inzwischen gut genug und wusste schon vorher, dass es diesen kaltlassen würde. „Du glaubst also, ich wollte ihn eifersüchtig machen? Und das, obwohl ich ihm egal bin? Wie albern.“, verleugnete er diese hintergründige Motivation, um sein eigentliches Vorhaben in die Tat umsetzen zu können. „Also stimmt das nicht? Und da dachte ich, ich tu dir den Gefallen und spiel‘ mit.“, offenbarte die Frau amüsiert und betrat währenddessen das Wohnzimmer. Rye folgte ihr und entgegnete: „Jetzt enttäuschst du mich aber.“ Als sich Vermouth nach diesen Worten verwundert umdrehte, erklärte er mit leicht frustrierter Stimme: „Ich dachte, du interessierst dich wirklich für mich und hast deshalb mein Angebot angenommen.“ Betont geknickt ging er an ihr vorbei und machte es sich auf der Couch bequem. „Vielleicht tu ich das ja auch.“, tat sie geheimnisvoll, bevor sie sich zu dem Schwarzhaarigen gesellte, welcher sie nun erstaunt ansah. „Vielleicht?“, wiederholte er mit einem Hauch von Hoffnung in der Stimme. Vermouth nahm sich eine Rose aus der Vase, welche sich auf dem Tisch vor ihnen befand und rieb ein paar der glatten Blütenblätter zwischen ihren Fingern. „Gut aussehend bist du ja. Davon abgesehen weiß ich nicht viel über dich, aber gerade das macht dich meiner Meinung nach interessant. Man neigt dazu, mehr über dich herausfinden zu wollen.“, erklärte sie, ohne Rye dabei direkt anzusehen. „Ich glaube, du weißt nicht mehr über mich, als ich über mich selbst weiß.“, sprach dieser die eigentlich traurige Wahrheit laut aus. Aber es machte ihm nichts aus, denn irgendwie fürchtete er sich vor seiner Vergangenheit, welche bestimmt aus vielen Gründen schmerzhaft sein würde. Selbst wenn sein früheres Leben schön gewesen war, so war diese schöne Zeit nun erloschen und unerreichbar. Der Mann, der er vielleicht mal gewesen war, war ohnehin bereits am Tag seiner Verwandlung gestorben. Das, was er jetzt war, verabscheute er. Und Dinge, die er verabscheute, waren ihm egal. „Keine Sorge, dissoziative Amnesie muss nicht für immer anhalten. Eines Tages wirst du-“ Vermouth brach den Satz ab, als plötzlich ein kalter Finger ihre Lippen berührte und Rye ihren Kopf zu sich drehte, wodurch sich ihre Blicke trafen. Sie begann automatisch das Gesicht ihres Gegenübers zu analysieren oder besser gesagt: Es zu bewundern. Ryes smaragdgrüne Augen schienen förmlich zu glitzern. Seine Haut war bleich, aber makellos und stand im Kontrast zu den schwarzen, langen Haaren, welche sein schönes Antlitz noch stärker zur Geltung brachten. Da bildete sich ein Lächeln auf Ryes Lippen und er flüsterte ihr sanft ins Ohr: „Solche Gespräche langweilen mich.“ Seine Stimme ließ sie für einen Moment erschaudern, nur um ihr Herz kurz darauf viel schneller schlagen zu lassen. „Du brauchst nicht nervös zu sein.“, meinte Rye verführerisch. Er platzierte einen federleichten Kuss auf ihren Hals und begann langsam den Reißverschluss ihres Rockes zu öffnen. Vermouth wollte etwas sagen, doch es war, als würde ihr ein dicker Kloß im Hals jegliche Worte verwehren. Ihr fielen auch keine Worte mehr ein. Oder waren keine mehr vonnöten? Sollte sie sich dem Kommenden einfach hingeben? Gerade jetzt wirkte Rye plötzlich so anziehend auf sie und der Grund dafür war ihr völlig fremd. Sie merkte kaum, wie sie von ihm vorsichtig mit dem Rücken auf das Sofa gedrückt wurde und er sich über sie beugte. Danach knöpfte er ihre Bluse auf, woraufhin kalte Hände ein Kribbeln an ihrer Haut erzeugten. Entspannt schloss die Blonde ihre Augen. Bereit, sich weiter von diesem wunderbaren Mann verführen zu lassen, ließ sie ihre Hände zu Ryes Hemd wandern, um dieses ebenso aufzuknöpfen. Als sie jedoch über die Brust darunter fuhr, stutzte sie. Es war vielleicht nicht ungewöhnlich, dass einige Menschen kalte Hände besaßen, aber die Haut unter ihren Fingern war noch viel kälter. Noch dazu fühlte sie sich hart an. Wie ein Stein. Als würde sie eine Leiche berühren. Auch glaubte sie, nicht mal einen Herzschlag ertasten zu können. Da sprach auf einmal eine düstere Stimme: „Weißt du, ich bin dir wirklich dankbar für das, was du alles für mich getan hast...“ Vermouth öffnete ihre Augen, doch bei dem Anblick, der sich ihr bot, erstarrte sie vor Schreck. Blutrote Augen schienen sie mit einem bösartigen Blick förmlich zu durchbohren. Ein breites Grinsen zierte Ryes Gesicht und offenbarte zugleich messerscharfe, spitze Reißzähne. Rye beobachtete amüsiert, wie die Blonde sich panisch unter ihm wand und es letztlich doch nicht schaffte, sich von den festen Griffen um ihre Handgelenke zu befreien. „Aber ich hasse Frauen wie dich.“, beendete er seinen Satz und schlug keine Sekunde später seine Zähne in ihren Hals. Das letzte was er von ihr hörte, war ein markerschütterndes, angsterfülltes Schreien. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)