The Monster inside my Veins von ginakai ================================================================================ Kapitel 3: Kleines Mädchen -------------------------- Ziellos ging Rye durch die Straßen Tokios. Er verfluchte sich für seine Entscheidung in dieser Bar, weshalb er beschlossen hatte, einfach nicht wiederzukommen und stattdessen das Weite zu suchen. Die blonde Frau hatte immerhin jetzt seine Handynummer, falls sie noch etwas von ihm wollte, sollte sie sich eben melden. „Und das wird spätestens morgen sein...“, vermutete der Schwarzhaarige. Er fing an sich zu fragen, wie die Zusammenarbeit mit diesem Gin zukünftig laufen würde. Leider hatte er bei ihm einen ziemlich schlechten ersten Eindruck hinterlassen. Zudem konnte er dieses berauschende Gefühl einfach nicht vertreiben, welches er verspürte, sobald er ihn gesehen hatte. So etwas hatte er noch nie zuvor erlebt. Dass er jemanden auf den ersten Blick um jeden Preis wollte. „Ob er noch lange in der Bar geblieben ist? In welchem Bezirk wohnt er wohl? Das lässt sich bestimmt leicht herausfinden...“ Ein hinterhältiges Grinsen zierte sein Gesicht, welches bewirkte, dass jeder, der ihm noch über den Weg lief, einen weiten Bogen um ihn machte. Da schüttelte Rye plötzlich den Kopf. „Genug jetzt.“, wies er sich gedanklich zurecht. „Es ist viel wichtiger, dass ich mich um etwas Vernünftiges zum Essen kümmere...“ Denn würde er das nicht tun, so wären die Folgen fatal. Er hatte lange versucht gegen seinen Blutdurst anzukämpfen. Versucht, sich gegen diesen Fluch zu wehren. Doch immer, wenn er das tat, war es, als würde sich sein ganzer Körper gegen seinen Verstand richten und versuchen ihn zu zerstören. Seine Gliedmaßen gehorchten ihm dann nicht mehr und er tat unkontrolliert alles, um seinen Hunger befriedigen zu können. Sogar sein Aussehen veränderte sich dann auffällig. Angefangen bei der rötlichen Verfärbung seiner Augen, bis hin zur Vertiefung seiner Stimme und anderen Details, auf die er nicht eingehen wollte. Sein Rekord lag bei einer Woche. Länger hatte er es bisher nie ausgehalten, egal, wie sehr er sich auch zusammengerissen hatte. Er war sich sicher, dass er zum Teufel persönlich werden könnte, wenn er auf Dauer kein Blut zu sich nahm. Als Rye um die nächste Ecke bog, geriet auf einmal ein kleines Mädchen in sein Blickfeld, welches ein paar Meter vor ihm lief. Sie schien allein zu sein und schaute sich unsicher um. Die Augen des Schwarzhaarigen wurden groß. Dieses Mädchen war als Beute perfekt geeignet und er würde zudem leichtes Spiel haben. Kinder waren meistens naiv und glaubten ohne zu hinterfragen die süßen Lügen, die man ihnen zuflüsterte. Also erhöhte er sein Schrittempo, um sie einholen zu können… doch da blieb sie plötzlich von selbst stehen. Im nächsten Moment begann sie, bitterlich zu weinen. Rye zögerte und blieb einen Meter hinter ihr stehen. Noch hatte sie ihn nicht bemerkt. „Mama...“, schluchzte sie zwischenzeitlich. Man verstand es kaum. Er konnte nicht anders, als sie anzusprechen. „Hey… was hast du?“, fragte er vorsichtig und fasste dem Mädchen an die Schulter. Diese drehte sich mit schreckgeweiteten, tränenden Augen um. Rye erstarrte. Als er ihr in die Augen sah, wollte er ihr mit einem Schlag nichts mehr tun. Kurz tauchte ein Bild von einem fremden Mädchen in seinem Kopf auf, welches fröhlich strahlte und auf ihn zulief. Doch ehe er versuchen konnte ihr Gesicht zu erkennen, verschwand das Bild wieder in den verschwommenen, für ihn nicht greifbaren Erinnerungen seiner Vergangenheit. „Du brauchst keine Angst haben...“, sprach er mit leiser Stimme und hockte sich vor dem Mädchen hin, um mit ihr auf Augenhöhe zu sein. Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. „Magst du mir erzählen, was los ist?“, versuchte er es erneut, sie zum Reden zu bringen. Jetzt schien sie nicht mehr so ängstlich zu sein. „Ich… Ich kann meine Mama nicht mehr finden, v-vorhin war sie noch da… Ich hab sie einfach aus den Augen verloren!“, erklärte sie zitternd und bei dem letzten Satz brach sie wieder in Tränen aus. Rye strich ihr daraufhin die Tränen von der Wange, woraufhin das Mädchen leicht erschrak. „Sie haben ja ganz kalte Hände!“, meinte sie noch immer schluchzend. Der Schwarzhaarige lächelte. „Ja, das ist wahr.“, erwiderte er und schlug dann vor: „Wie wäre es, wenn ich dir bei der Suche helfe? Bestimmt finden wir sie gemeinsam schneller.“ Das Mädchen nickte. „Gut, dann wäre es am besten, wir suchen den Weg, den du gekommen bist, nochmal gründlich ab. Sie kann ja nicht weit sein.“, sagte er in einer beruhigenden Tonlage und richtete sich wieder auf. Das Mädchen krallte sich mit einer Hand in den Stoff seines Mantels und wies mit der anderen in die Richtung, aus welcher sie gekommen war. „Von dort!“, kommentierte sie, während sie sich schon in Bewegung setzte und Rye ihr folgte. „Und wie lange ist deine Mutter schon weg?“, wollte er wissen. Damit könnte man das Suchfeld eingrenzen. „Seit ungefähr zehn Minuten.“, antwortete das Mädchen und senkte traurig den Blick. „Keine Sorge, alles wird gut.“, versuchte der Schwarzhaarige sie weiter zu beruhigen, auch wenn das wenig half. Er verstand nicht mal, warum er ihr gerade helfen wollte. Warum er ihr nicht mehr weh tun wollte und an wen sie ihn erinnerte. Während die beiden weitergingen, beschrieb das Mädchen das Aussehen ihrer Mutter und verriet die Farbe ihrer Kleidung, die sie heute trug. Sich nach dieser Beschreibung orientierend, sah sich Rye prüfend um und musterte die Personen, die an ihnen vorbeiliefen. Jedoch ohne Erfolg. Irgendwann blieb das Mädchen einfach stur auf der Stelle stehen und ballte ihre kleinen Hände zu Fäusten. Rye sah verwundert auf sie herab. „Das bringt doch nichts! Wir werden meine Mama nie finden, das ist alles meine-“ „Würde sie wollen, dass du so schnell aufgibst?“, unterbrach der Schwarzhaarige ihr Gejammer, welches ohnehin nur aus sinnlosen Selbstvorwürfen bestand. Sie schaute bedrückt zu Boden. „Nein...“, gab sie schließlich mit leiser Stimme zu. „Na siehst du. Also müssen wir-“ Ein lauter Schrei durchschnitt plötzlich die Luft. Die Stimme stammte eindeutig von einer weiblichen Person und kam von der Einmündung auf der anderen Straßenseite. „Mama!“, rief das Mädchen panisch und wollte auf der Stelle losrennen, doch Rye hielt sie an der Schulter fest. „Lass mich los!“, beschwerte sie sich kurz darauf und versuchte sich loszureißen. Vergeblich. Der Griff des Mannes war zu stark. „Du wartest gefälligst hier, das könnte viel zu gefährlich werden. Ich sehe allein nach.“, stellte Rye mit strenger Tonlage klar und sah dem Mädchen dabei fest in die Augen. Erst als er sich sicher war, dass sie sich nicht mehr von der Stelle rühren würde, ließ er sie los und begab sich auf die andere Straßenseite. Verkehr gab es in dieser Gegend der Stadt so spät keinen mehr, weshalb er einfach herüber rennen konnte, ohne einen Autofahrer zu behindern. Drüben angekommen ertönte ein weiterer Hilfeschrei, der jedoch in der Mitte abbrach. Er musste sich beeilen. Also folgte er der Richtung des Hilferufs, welcher ihn letztlich in eine abgelegene Gasse, hinter einen verlassenen Wohnblock führte. Dort erblickte er vier Gestalten im Schatten. „Halt endlich deinen hübschen Mund, es wird dich sowieso niemand mehr hören.“, kam es von einem bärtigen Mann, der einer jungen Frau seine Hand auf den Mund presste. Ein anderer sagte: „Selbst Schuld, wenn du um diese Uhrzeit allein durch die Straßen irrst.“ Er zog ein Cuttermesser aus seiner Jeansjacke. Die Frau versuchte vergeblich sich zu befreien und den Mann von sich wegzustoßen, welcher gerade dabei war, ihren Mantel von den Schultern zu ziehen und ihre Bluse aufzuknöpfen. Die beiden hinteren Männer traten ebenso mit einem fetten Grinsen im Gesicht an die Frau heran. Dieses widerliche Gesindel betrachtete sie wie ein gefundenes Fressen. Rye hatte genug gesehen. „Aber, aber meine Herren. Das ist doch nicht wirklich die feine Art, wie man mit einer Dame umzugehen hat.“, machte der Schwarzhaarige sich mit einer unschuldigen Tonlage bemerkbar und näherte sich dem Geschehen. „Du hast ja Nerven dich einzumischen! Was willst du?“, blaffte der bärtige Typ ihn sofort an und stieß die Frau beiseite, welche dann von den anderen Beiden festgehalten wurde. „Nun ich habe auf Grund einer Bitte nach dieser jungen Frau gesucht. Ein Glück, dass ich sie jetzt gefunden habe. Ihr könnt also getrost wieder verschwinden.“, erwiderte Rye gelassenen und stellte sich dem bärtigen Mann direkt gegenüber, welcher mindestens einen Kopf größer war als er und zudem kräftig gebaut. Dem Kerl entwich nur ein Lachen. „Du solltest besser verschwinden und so tun als hättest du nichts gesehen.“, riet er ihm und fügte übel gesinnt hinzu: „Sonst könntest du in Schwierigkeiten geraten.“ Rye ließ sich aber von dieser Drohung nicht beeindrucken. Jeder, der ihm drohte, würde in der Hölle schmoren. „Das war keine Bitte.“, sprach er tonlos, bevor er das Handgelenk des Mannes ergriff und dessen Arm mit Leichtigkeit verdrehte, bis das gewohnte Knacken der Knochen seine Ohren erreichte. Den schmerzerfüllten Schrei, der danach folgte, ignorierte er und stieß den Kerl achtlos zu Boden. Dessen beiden Komplizen starrten ihn nun mit großen Augen an. Eine der Mienen verfinsterte sich jedoch und der Mann mit dem Cuttermesser ging direkt auf ihn los. Für Rye war es ein Kinderspiel ihm dieses aus der Hand zu schlagen. Die Klinge hinterließ nicht mal einen dünnen Schnitt auf seiner Haut. „Dein Spielzeug wird dir jetzt auch nichts mehr nützen.“, meinte er, während das Messer klirrend auf dem kalten Gestein des Bodens landete. Mit offenem Mund starrte der Mann auf seine leere Hand, auf das Messer am Boden und dann in die rubinroten Augen vor ihm, welche ihn böse anfunkelten. Als er sich mit einer schnellen Bewegung umdrehte, um zu fliehen, krallte sich jedoch eine Hand in seine Jeansjacke und riss ihn zu Boden. Der Schwarzhaarige stellte seinen Fuß auf die Brust des liegenden Mannes und verlagerte darauf so viel Gewicht, bis die Rippen brachen. Auch diesen qualvollen Schrei ignorierte er. Der dritte Mann hingegen war gerade dabei, das Weite zu suchen. Die Frau hatte er davor achtlos weggeschupst. „Du entkommst mir nicht.“, sprach Rye hämisch und nach nicht mal einer Sekunde gelang es ihm mit übernatürlich schnellen Schritten den Kerl einzuholen und ihn gegen die Wand zu werfen, wodurch dieser das Bewusstsein verlor. Dann richtete Rye seinen Blick auf die am Boden kauernde Frau, welche ihn angsterfüllt anstarrte. „Laufen Sie weg. Ihre Tochter wartet vorn an der Kreuzung auf der anderen Straßenseite auf Sie.“, riet der Schwarzhaarige ihr. Sie nickte hastig, erhob sich vom Boden und lief davon. Rye sah ihr nicht hinterher, sondern konzentrierte sich stattdessen wieder auf den bärtigen Mann, der wohl noch in der Lage war aufzustehen. „Ich kann mich nicht erinnern, dir erlaubt zu haben, abzuhauen.“, meinte Rye und versperrte dem Mann den Weg, bevor er ihn mit einem Schulterwurf zu Fall brachte. Die Kraft, die er für diesen Vorgang verwendete, war so groß, dass beim Aufprall des Körpers das Gestein Risse bekam. Rye betrachtete zufrieden, wie sein Opfer am Boden keuchend Blut spuckte. Er hockte sich zu dem Mann herunter und krallte seine Hand in dessen Haare, um den Kopf daran gewaltsam hochzuziehen. „W-Was zur Hölle bist du?!“, schrie der Mann voller Panik. Ein breites Lächeln zierte Ryes Gesicht. Er legte den Zeigefinger seiner freien Hand auf seine Lippen und sprach daraufhin: „Geheimnis. Aber ich kann dir verraten was du und deine Freunde sind.“ Es herrschte einen Moment Stille, in welcher der Mann ihn verwirrt anschaute und sich nicht traute, etwas darauf zu erwidern. Aber das musste er auch nicht, denn Rye beantwortete seine Frage von selbst: „Meine Mahlzeit.“ Und mit diesen Worten schlug er den Kopf in seiner Hand auf das harte Gestein, auf welchem sich daraufhin eine große Blutlache bildete. Der Schwarzhaarige leckte sich über die Lippen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)