Zum Inhalt der Seite

Rabengesang

Adventskalender 2019, Türchen 19
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Rabengesang

Vorwort:

 Hinter dem Begriff Non-Massacre verbirgt sich die Alternative Timeline, in der das Uchiha-Massaker nicht stattgefunden hat und z.B. jemand wie ich eine Geschichte in dieser Timeline verfasst. Non Massacre hat zur Folge, dass der Uchiha-Clan normal in Konohagakure weiter existiert und Itachi und Sasuke als „gewöhnliche“ Geschwister aufwachsen.

Weihnachten wird in Japan natürlich ganz anders gefeiert als bei uns in Deutschland, allerdings hab ich mir die Freiheit genommen, „unser“ Weihnachten zu verwenden. Zum einen, weil Naruto ohnehin fiktiv ist und zum anderen, weil mein Ziel die Thematik der Freundschaft und Familie ist und nicht so sehr die historisch korrekte Bedeutung und Ausarbeitung Weihnachtens. Ich hoffe, Ihr als Leser seid mit dieser Entscheidung ebenso einverstanden :]

 
 

Rabengesang

 

Es war unheimlich still im Wald. Die Bäume bogen sich unter der Last des Schnees, ein Fuchs huschte lautlos durchs Dickicht. Er passierte eine Reihe Fußspuren, die zu einer kleinen Lichtung führten. Mit der schwarzen Schnauze am Boden folgte er der Spur. An der Lichtung angekommen, sah man einen ungefähr zwölfjährigen Jungen trainieren; sein Keuchen, das schwere Stapfen seiner Schritte im Schnee und das Sirren in der Luft, wenn er Kunai oder Shuriken warf, war das einzige, das im Wald zu hören war. Manchmal rutschte irgendwo Schnee von einem Ast und landete dumpf auf dem bitterkalten Boden.

Es würde bald Nacht werden, die Sonne ging bereits unter und färbte die weißen Baumkronen blutrot, aber der Junge trainierte weiter. Er hatte sich vorgenommen, in seinem Jahrgang der Beste zu werden und wenn er dafür die ganze Nacht durchtrainieren musste! Seine Muskeln brannten und jede Bewegung schickte Schmerzwellen durch seinen Körper, aber er musste weitermachen, er musste der Beste werden!

Der Fuchs spitzte die Ohren, ihm war so, als hätte er Etwas gehört ... Auf einem Baum saß eine Schar Raben, die den Jungen zu beobachten schien. Da waren Schritte und doch keine Schritte, da war jemand, ohne da zu sein ... Der Fuchs prüfte die Luft, er konnte nichts wittern. Dennoch tauchte neben ihm ein junger Mann auf, dessen lange schwarze Haare zu einem Zopf gebunden waren. Er war warm angezogen und sah besorgt zu dem Jungen, der noch immer verbissen trainierte. Der Schnee um den Jungen herum war schon fast vollständig geschmolzen, da er immer wieder ein Katon-Jutsu anwandte, das ihm nicht richtig gelingen wollte.

Der Fuchs sah den jungen Mann neben sich erschrocken an und floh ins Unterholz. Der Junge sammelte noch einmal sein gesamtes Chakra und …

„Sasuke, es ist genug.“

… verschluckte sich beim Luftholen. Er hustete heftig und klopfte sich mit der Faust feste gegen die Brust.

„Itachi! Ich trainiere! Was ist denn?!“, fauchte er wütend. Wie ärgerlich, er hatte seinen älteren Bruder wieder nicht gehört – wie machte der das nur?

Itachi kam langsam näher, der Schnee knirschte unter seinen Schuhen. „Genug für heute …“

Sasuke verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust. „Das kann ich selbst entscheiden!“ Ständig musste Itachi ihm hinterherschnüffeln und ihn beim Training beobachten, das nervte vielleicht! Sasuke kam prima zurecht, er brauchte keinen Aufpasser, der ihm ständig irgendwas einreden wollte.

Itachi stand nun vor seinem kleinen Bruder, der Wind frischte auf und zog fauchend durch den Wald, Schnee wurde um sie herum aufgewirbelt. Itachi legte seinen Arm um Sasukes Schultern und zog ihn mit sich.

„Komm, kleiner Bruder. Das Abendessen ist gleich fertig.“

„Ich brauche kein Abendessen!“ Sasuke sah hinüber zu den Raben, die in diesem Moment ihre nachtschwarzen Flügel ausbreiteten und sich in den eisigen Winterhimmel erhoben.

„Und hör auf, mir hinterher zu spionieren!“

Itachi blickte ebenfalls zu den Raben. „Ich weiß nicht, wovon du sprichst …“

„Tsk!“

 

Wäre es Sasuke erlaubt, hätte er sich das Abendessen so schnell er konnte in den Mund gestopft, um sich an seinen Schreibtisch setzen zu können, aber er konnte nicht. Bei den Uchihas wurde ordentlich gegessen und nicht wie ein Tier, wie sein Vater Fugaku zu sagen pflegte. Also saß Sasuke da wie unter Strom – sein Bruder lächelte ihn aufmunternd an.

„Itachi, du bist bald auf dieser wichtigen Mission, richtig?“, fragte Fugaku und schob sich einen Bissen in den Mund.

Sasuke verschluckte sich anschließend an seinem. „Was?!“

Itachi lächelte unbeirrt weiter. „Ja, Vater. Aber ich darf nicht darüber sprechen, es ist eine ANBU-Mission.“

Sasuke hustete heftig, heute schien der große Tag des Verschluckens zu sein.

„Sasuke! Benimm dich!“, herrschte Fugaku.

Aber das war Sasuke in diesem Moment gleich. Bald war Weihnachten, Sasuke freute sich seit Monaten darauf! Er hatte sich genau überlegt, wem er was schenken wollte und am meisten hatte er darüber nachgedacht, was er seinem großen Bruder schenken könnte.

Aber jetzt … schien Itachi gar nicht da zu sein, wenn es so weit war. Genau wie letztes Jahr! Wut und Enttäuschung wallten in Sasuke wie die wilde See; am liebsten würde er mit beiden Händen auf den Tisch schlagen und Nein! schreien. Stattdessen zitterten lediglich die Stäbchen in seiner Hand und er biss die Zähne zusammen.

Itachi hatte doch versprochen …  hatte versprochen ...

 

„Ich weiß, ich habe gesagt, dass ich dieses Weihnachten hier sein würde“, sagte Itachi leise, während sein kleiner Bruder am Schreibtisch saß und ihm den Rücken zugekehrt hatte.

„Ich kann diese Mission nicht ablehnen, Sasuke.“

„Ja, das sagst du doch immer!“, knurrte er zornig und las schon zum dritten Mal den Satz, der in seinem Lehrbuch stand. Sasuke konnte sich einfach nicht konzentrieren, seine Hände krallten sich in seinen Schoß. Der Wunsch, etwas zu zerschmeißen war immer noch riesengroß.

Er spürte, dass Itachi ihm eine Hand auf die Schulter legte, Sasuke musste sich beherrschen, damit er sie nicht wegschlug. Was wollte sein Bruder erreichen? Ihn beruhigen?! Dachte er etwa, ein paar Tätscheleien würden das hier aus der Welt schaffen?!

„Kleiner Bruder …“

„Nein!“, sagte Sasuke laut. „Nein! Du versprichst etwas und hältst dich nicht dran! Dauernd!“

Itachi seufzte tief und schloss die Augen. „Wenn du selbst erst einmal ein Ninja bist, dann …“

„Halte ich meine Versprechen!“, fiel Sasuke ihm laut ins Wort und schlug mit seiner flachen Hand mit Nachdruck auf den Tisch.

„Was ist denn da drinnen los?!“, rief ihr Vater Fugaku durch die Tür.

Itachi drehte seinen Kopf in die Richtung. „Nichts, Vater. Alles okay.“

Sie hörten unverständliches Gemurmel, dann entfernten sich Fugakus Schritte.

Sasuke schnaufte schwer, so wie immer, wenn er sich aufregte und vor Wut platzen wollte. Itachi blieb völlig ruhig, wie ein Fels in der Brandung stand er da, seine Hand noch immer auf Sasukes Schulter.

„Du hältst nie deine Versprechen!“, sagte Sasuke leiser. Er spürte, wie ihm heiße Tränen in die Augen stiegen, die er hastig wegblinzelte. Itachi sollte denken, dass er wütend war, nur wütend und nichts Anderes.

„Ich habe dir versprochen, immer auf dich aufzupassen. Du weißt, dass ich mich daran immer halten werde, kleiner Bruder“, antwortete Itachi einfühlsam. Ganz gleich wie sehr Sasuke sich bemüht seine Tränen zu verstecken, Itachi konnte sie sehen, und es machte ihn selbst sehr traurig, seinen Bruder enttäuschen zu müssen.

„Ich habe wirklich versucht, nicht Teil dieser Mission sein zu müssen, aber der Hokage hat das letzte Wort“, erklärte Itachi und seufzte noch einmal.

Sasuke antwortete nicht und sah stur zu Boden. Itachi zog seine Hand zurück. „Ich muss mich jetzt vorbereiten, kleiner Bruder.“

Sasuke antwortete nicht und er sah auch nicht auf, als Itachi schließlich den Raum verließ.

 

Es musste einer der kältesten Wintermorgen dieses Jahres sein, selbst der Schnee hatte eine dicke Frostschicht. Er sah wunderschön in der aufgehenden Sonne aus und wirkte wie Samt.

Wenigstens ist es windstill, dachte Sasuke bibbernd, dem die Winterlandschaft reichlich egal war.

Er saß auf einem Baum und mühte sich mit dem Tarnjutsu ab, das er seit einigen Monaten bereits für den Unterricht übte; keiner sollte ihn sehen, außerdem würde bald der Unterricht für ihn beginnen. Sasuke war noch nie zu spät zum Unterricht gekommen, immerhin wollte er der Beste der Besten werden. Nur heute, heute würde er eine Ausnahme machen, wenn er musste.

Sasukes Herz klopfte schneller, als er einige Shinobi mit Masken in der Ferne ausmachen konnte – sie waren auf dem Weg zum Tor, raus aus dem Dorf.

Einer von ihnen war Itachi.

Sasuke konnte nicht so genau sagen, warum er unbedingt dabei sein musste, wenn sein Bruder zu einer Mission aufbrach, das war ja schließlich nichts Ungewöhnliches für einen Shinobi, aber heute war das etwas anderes. Heute würde Sasuke Itachi das letzte Mal sehen, bevor Weihnachten käme – und Itachi würde nicht da sein. Wann immer Sasuke daran dachte, machte sich großer Schwermut in ihm breit und das Herz wurde ihm schwer. Er musste einfach daran denken, wie er abends mit seinen Eltern im Wohnzimmer saß, sich über Geschenke und anderes freuen sollte, aber im Grunde kein bisschen froh war.

Verärgert rieb Sasuke sich mit dem Handrücken über die Augen. Zum einen war es so kalt, dass er befürchten musste, dass seine Tränen ihm im Gesicht festfroren, zum anderen heulte ein Ninja nicht!

Die ANBU verließen nun das Dorf, Sasuke hatte keine Ahnung, wer von ihnen Itachi war. Schweigend gingen sie an Sasukes Baum vorbei, der Schnee knirschte laut unter ihren Füßen, Sasuke hielt den Atem an. Entweder sie sahen ihn tatsächlich nicht oder es war ihnen egal, dass ein Schüler mit Tarnjutsu im Geäst saß und ihnen bei der Abreise zusah. Aber Sasuke war sich sogar ganz sicher, dass zumindest einer von ihnen ihn bemerkt hatte, denn auf dem Baum gegenüber hatte sich ein Schwarm Raben niedergelassen und unzählige schwarze Knopfaugen waren auf ihn gerichtet. Sasuke lief ein Schauer über den Rücken.

Als er sich wieder nach den ANBU umsah, waren sie bereits verschwunden.

 

„Sasuke, ist etwas passiert?“, fragte Iruka direkt nach dem Guten Morgen, als Sasuke ins Klassenzimmer kam.

Sasuke schüttelte den Kopf und setzte sich missmutig an seinen Platz. Die anderen Schüler starrten ihn an, manche tuschelten leise. Er sah sich schnell im Zimmer um, es waren alle da – außer Naruto, aber der fehlte ja fast dauernd.

„Na schön, da du ja noch nie zu spät gekommen bist, lasse ich dich mit einer Verwarnung davonkommen, Sasuke“, sagte Iruka, noch immer sichtlich irritiert und begann mit dem Unterricht.

Sasuke stützte sein Kinn auf einer Hand ab und unterdrückte ein Gähnen. Diesen Lehrstoff hat er bereits durchgelesen, das war nicht sonderlich schwer zu versteh...

„Hiyaaaah!“

Die Klassenzimmertür wurde aufgerissen und Naruto Uzumaki kam hereingestürmt.

Iruka drehte sich um und war schlagartig wütend. „Naruto! Du bist schon wieder zu spät!“

„Iruka-sensei, Sie werden nie erraten, was mir heute Morgen passiert ist!“, krähte Naruto aufgekratzt, Sasuke seufzte genervt.

Ständig musste dieser wilde Blondschopf den gesamten Unterricht mit seinem Unsinn ausbremsen! Wer hatte eigentlich entschieden, dass Naruto Ninja werden könnte?! Derjenige musste an dem Tag entweder völlig übernächtigt gewesen sein oder alle anderen Optionen waren noch schrecklicher erschiene, dabei fand Sasuke, dass Naruto sich ganz toll als Müllmann machen würde.

„Ich will es gar nicht wissen! Setz dich hin, wir reden später darüber, welche Strafarbeit du heute fürs Zuspätkommen bekommst!“

„Aber Sensei! Wenn ich nur kurz …!“

Sasuke schaltete ab. Naruto würde noch eine Weile weiter nerven, Iruka irgendwann schreien und nach 15 Minuten gab es dann wieder Unterricht. Der eine oder andere Schüler freute sich immer über Narutos Unsinn, immerhin konnte dann kein Schulstoff durchgenommen werden, aber ambitionierte Ninja wie Sasuke waren schon völlig entervt, wenn sie nur an Naruto dachten. Hauptsache, er kam nicht mit diesem Chaoten in ein Team!

„Du warst heute auch zu spät?!“

Sasuke blinzelte verwirrt. Naruto hatte sich neben ihn gesetzt und sah Sasuke mit seinen meerblauen Augen ungläubig an.

Als Antwort knurrte Sasuke nur und funkelte Naruto finster an. Naruto blieb davon unbeeindruckt.

„Wow, Sasuke Uchiha, der größte Streber Konohas kommt zu spät zum Unterricht. Da muss ja was echt Schräges passiert sein, dass du …“

„Merkst du nicht, dass ich nicht mit dir reden will?!“, fauchte Sasuke leise und wünschte sich, kämpfe waren auch außerhalb vom Training erlaubt.

Naruto schaute beleidigt drein und sah dann nach vorne, um so zu tun, als würde er aufmerksam den Unterricht verfolgen.

 

Die Schule war bereits zu Ende, der Unterricht, abgesehen von Naruto, genauso ereignislos gewesen wie sonst auch. Schüler drängten sich in den Gängen und unterhielten sich aufgeregt. Natürlich, Weihnachten und die dazugehörigen Weihnachtsferien standen vor der Tür. Draußen fegte ein Schneesturm über Konoha hinweg, einer der kältesten und unangenehmsten seit langem.

„Ich kann mich nicht entscheiden, was ich mir wünschen soll, Shikamaru!“, sagte Choji zu seinem besten Freund, als Sasuke sich an den beiden vorbeidrängelte.

Ich wünschte, mein Bruder wäre da.

Der eisige Wind empfing Sasuke und hüllte ihn in eine eisige Umarmung. Er schlang fröstelnd seine Arme um sich und stapfte los; der Schnee lag schon sehr hoch und zu seinem zu Hause war es ein gutes Stück. Vor lauter Schnee konnte Sasuke nicht viel sehen, aber als er sich am Spielplatz vorbeikämpfte, bemerkte er einen Schatten auf einer Schaukel sitzen.

Wer zum Geier sitzt denn bei so einem Wetter draußen herum?! Sasuke blieb stehen und dachte nach, was ihm bei den derzeitigen Minustemperaturen nicht gerade leicht viel. Schließlich traf er eine Entscheidung.

„Hey, du …“, rief Sasuke laut, den Wind zu übertönen war nicht so einfach.

Der Schatten hob seinen Kopf und je näher Sasuke demjenigen kam, desto mehr konnte er erkennen. Die Haare waren fast weiß von dem vielen Schnee, aber das Blond spitzte unverkennbar hervor und zwei blaue Augen lugten durch das dichte Schneegestöber zu ihm hinüber.

Sasuke seufzte innerlich schwer und brummte: „Ach, du bist es nur!“

Naruto stand von der Schaukel auf und kam näher. „Was? Der Sturm ist verdammt laut, echt jetzt.“

„Nichts, vergiss es.“

Naruto sah ihn verdutzt an. Stumm standen die beiden sich eine Weile schweigend gegenüber, die Hände in den Taschen, fröstelnd und bibbernd.

Sasuke kam sich ziemlich blöd vor, er wusste auch nicht so recht, was er sich von dieser Aktion versprochen hatte. Vielleicht lag es an den Worten Itachis, der Sasuke oft mahnte, Rücksicht auf andere zu nehmen und sich um andere zu sorgen.

„Tja … Ich werd dann mal …“, begann Sasuke, deutete mit dem Daumen hinter sich und machte Anstalten zu gehen.

Naruto fiel ihm neugierig ins Wort: „Wieso bist du hergekommen?“

Sasuke sah verlegen zur Seite und zuckte unschlüssig mit den Schultern. „Weiß nicht. Ist schweinekalt, wollte nur wissen, welcher Blödmann sich bei so einem Wetter auf eine Schaukel setzt.“

Naruto kratzte sich verlegen am Hinterkopf, als er seine Hand wieder hervorzog, war sie voller Schnee. „Na ja, alle reden in der Schule nur noch von Weihnachten … Ich wette, du auch … Es geht mir ganz schön auf die Nerven und ich kann hier gut nachdenken …“

Sasuke zog eine Augenbraue hoch, ihm lag eine böse Bemerkung über Narutos Denkfähigkeit auf der Zunge, aber der Blondschopf wirkte ehrlich bedrückt – so verkniff Sasuke sich seine Worte.

Die Kälte zog Sasuke trotz dicker Winterkleidung schnell in die Knochen. Er klapperte mit den Zähnen und trat von einem Bein aufs andere, sein Klassenkamerad tat es ihm bald darauf gleich.

Dass Naruto ihn mit „den Anderen“ verglich, ärgerte Sasuke irgendwie … Er war nicht wie die anderen, er war ein Uchiha! Er hatte das Sharingan! (Zumindest hoffte Sasuke das).

„Weihnachten wird sowieso blöd, mein großer Bruder ist nicht da“, sagte er schließlich leise, Naruto kam näher, um sein Gegenüber besser hören zu können.

„Tja, mein Weihnachten … Vielleicht kann Iruka-sensei vorbeikommen“, dachte Naruto laut nach und sah mit gerunzelter Stirn zu Boden.

Sasuke blickte hastig weg; das hatte er ganz vergessen, Naruto war Vollwaise, er hatte an Weihnachten keine Angehörigen, mit denen er die Festtage verbringen konnte.

Naruto seufzte tief, der Wind fegte fauchend um die beiden herum, Sasuke zog seine Arme enger um sich und schob den Schal über sein Gesicht. Was sollte er denn dazu nur sagen?

„Klingt echt doof, aber ich mag Weihnachten nicht so besonders. Mich interessieren die Geschenke auch nicht, die ich vom Dorf bekomme, weil ich finde, dass es irgendwie nicht um die Geschenke geht …“ Naruto hielt inne, dann pustete er sich warme Luft auf die Hände. „Es geht darum, Zeit mit denen zu verbringen, die man gern hat, denke ich.“

Sasuke zögerte, antwortete aber schließlich: „Darum geht es ja auch … Mir geht es auch nicht um die Geschenke … Itachi kann nicht da sein, irgendeine wichtige Mission …“

Naruto schaute auf und sah Sasuke ins Gesicht. „Hm, schon blöd für dich, mein ich auch ehrlich. Aber so ist das dann als Ninja, oder?“

Wenn du selbst erst einmal ein Ninja bist, dann

Sasuke presste die Lippen fest aufeinander, als ihm Itachis Worte wieder in den Sinn kamen.

„Er konnte schon letztes Jahr nicht da sein. Ich meine, warum immer mein Bruder?“

Naruto zuckte die Schultern und grinste. „Weil er ziemlich gut ist, hätt' ich jetzt mal gesagt.“

Sasuke sah auf und zog ein finsteres Gesicht. Bevor er darauf antworten konnte, kam ihm, dass Naruto eigentlich recht hatte. Itachi war einer der Besten und bei schwierigen Missionen eines der Asse Konohas.

Es war trotzdem unfair, dass er an Weihnachten nicht bei seiner Familie sein konnte! Itachi hätte es doch dann erst recht verdient!

„Ist verdammt kalt, ich geh dann mal nach Hause …“, sagte Sasuke, winkte Naruto sachte zu und stapfte vornübergebeugt weiter.

„Klar, wir sehen uns nach den Ferien …“, hörte er Narutos Stimme ihm hinterrufen, bevor der Wind seine Worte davontrug.

 

Sasuke klopfte mit seinem Stift auf dem Buch herum. Er saß in seinem Zimmer und kümmerte sich um die Hausaufgaben, oder zumindest sah es so aus als würde er sich darum kümmern … In Gedanken war er bei Itachi, aber auch bei Naruto. Naruto hatte niemanden an Weihnachten und im Gegensatz zu Sasuke auch keinen, auf den er warten konnte. Und niemand wartete auf Naruto …

„Sasuke, mein Liebling. Du hast mir immer noch nicht verraten, was du dir für Weihnachten wünschst …“

Er sah auf. Seine Mutter stand in der Tür und blickte ihren Sohn mitfühlend an.

Sasuke legte den Stift auf die Seite und sank auf dem Tisch zusammen. „Weiß nicht …“, murmelte er niedergeschlagen. Sasuke hatte nur einen Wunsch – einen unerfüllbaren.

Mikoto kam ins Zimmer und schloss leise die Tür hinter sich. „Weißt du, ich wünsche mir auch, Itachi wäre an Heiligabend da.“ Sie kam zu ihm hinüber und legte ihre Hand auf seinen Rücken. „Aber so funktioniert das nunmal nicht.“

„Ich weiß …“

Eine Weile verfielen die beiden in einvernehmliches Schweigen, bis Sasuke einfiel, was er seine Mutter fragen wollte. Zögernd formulierte er seinen Satz: „Mama … Sind manche Leute ganz allein an Weihnachten?“

Mikoto sah ihn überrascht an. „Ja, das kommt vor, meistens ältere Menschen. Wie kommst du darauf?“

Nervös rutschte Sasuke auf seinem Stuhl herum. „Nur so …“

„Redest du vielleicht von Naruto Uzumaki?“

„Nein!“, sagte Sasuke sofort und schaute hastig aus dem Fenster.

„Naruto ist ein Waise, er hat leider keine Familie. Ich finde es schön, dass du dir Gedanken über ihn machst“, sagte Mikoto und strich über Sasukes Rücken.

Er stand verlegen von seinem Stuhl auf. „Ich hab nicht an ihn gedacht! Und ich muss jetzt trainieren!“

Mikoto verkniff sich ein Lächeln. „Ganz wie du meinst …“

 

 

Zwei Tage später

 

Sasuke schleuderte mit all seiner Kraft den Kunai von sich, knirschend trieb das Metall ins Holz, als es auf den Baumstamm traf. Schwer atmend begutachtete Sasuke das Ergebnis – genau ins Schwarze, diese Übung fiel ihm schon lange nicht mehr schwer. Er sollte lieber seine Katon-Jutsu trainieren.

Ein Schwarm Raben saß ein Stück entfernt auf einem Baum, sie starrten Sasuke leise krächzend an. Schweigend starrte er zurück und ballte seine Hände zu Fäuste.

Itachi

Heute war Heilig Abend.

„Gut getroffen.“

Sasuke wusste wer da sprach, er wusste auch, dass derjenige schon seit einer Weile um ihn herumschlich. Er packte einen weiteren Kunai, wirbelte herum und schleuderte ihn nach der Person.

Kreischend sprang Naruto auf die Seite. „Aaah! Bist du verrückt geworden?! Da will man nur mal eben Hallo sagen und du greifst einen gleich an!“

Sasuke schnalzte nur missbilligend mit der Zunge. „Du hängst hier schon seit zehn Minuten rum, nur ein Taubstummer hätte dich nicht bemerkt!“

Naruto trat etwas Schnee zur Seite und knurrte leise: „Ich war so leise wie ein Ninja …“

„Eher wie ein Wildschwein. Was willst du? Ich bin beschäftigt …“, sagte Sasuke betont genervt, ging zum Baum hinüber und mühte sich damit ab, den Kunai wieder aus dem Stamm zu ziehen.

Mann, das Mistding sitzt ganz schön fest

Naruto kicherte leise.

„Ha ha, sehr witzig! Dann versuch du es doch, wenn du es besser hinbekommst!“, fauchte Sasuke, trat zurück und deutete auf den Kunai.

Naruto streckte die Brust heraus, spuckte in die Hände (Sasuke schüttelte es innerlich) und griff nach der Waffe. Ächzend zerrte er mehrere Sekunden daran, aber vergebens. Jetzt war es an Sasuke leise zu kichern.

„Halt die Klappe!“, rief Naruto wütend, das Gesicht schon ganz rot vor Anstrengung. „Wieso treibst du das auch rein wie ein Schmied?!“ Er zerrte und zog, aber der Kunai rührte sich kein Stück.

„Tja, ich weiß ja nicht wie du trainierst, aber ich mach keine halben Sachen!“ Amüsiert verschränkte Sasuke die Arme vor seiner Brust, Naruto gab schließlich auf und lehnte sich an den gefrorenen Stamm.

Der Blondschopf sah seinen Klassenkameraden eine Weile an, als er schließlich sagte: „Heute ist Heiligabend. Ist dein Bruder schon zurück?“

Das belustigte Grinsen wich schlagartig aus Sasukes Gesicht. „Nein … Er kommt bestimmt erst übermorgen …“

Naruto nickte. „Verstehe, echt schade. Wie läuft Weihnachten bei dir eigentlich so ab?“

Sasuke runzelte die Stirn. „Darüber mussten wir doch schon in der Schule reden …“

Ein rosa Schimmer tauchte auf Narutos Wangen auf. „Ja, na ja … Da hab ich nicht zugehört …“

„Hab eh nicht besonders viel erzählt“, gestand Sasuke. Er mochte das Thema nicht, obwohl er zu dem Zeitpunkt noch nicht einmal gewusst hatte, dass Itachi nicht da sein würde, aber er wollte einfach den anderen nicht davon erzählen – das war für ihn Familiensache.

Naruto sah ihn allerdings immer noch erwartungsvoll mit seinen großen blauen Augen an.

Sasuke murmelte nur: „Ist das nicht frustrierend für dich zu hören, wie ich Weihnachten verbringe?“

„Vielleicht, aber es interessiert mich tatsächlich“, meinte Naruto gelassen.

Sasuke sah sich verlegen um, er wollte nicht darüber reden. Er ging nochmal zum Baum und zog halbherzig an dem Kunai. Die Raben krächzten in den Baumkronen und schlugen mit ihren Flügeln. „Es ist wirklich nichts Besonderes … Es gibt Essen, wir spielen Spiele, später geben wir uns unsere Geschenke und beschäftigen uns damit …“ Es war tatsächlich sehr schön, Heiligabend, wenn Sasuke so darüber nachdachte. Am meisten, wenn Itachi dabei war. Es waren diese drei Tage im Jahr wo es nicht um Schule, Training, Missionen und all so was ging, sondern nur um die Familie. Man erzählte sich lustige Anekdoten, einige davon schon sehr alt, andere erst kürzlich geschehen.

Itachi hatte diesen trockenen Humor, den Sasuke immer noch versuchte nachzuahmen, sein großer Bruder lockerte die Stimmung auf, war einfach gut drauf und wenn andere Verwandte auftauchten, die Sasuke langweilig fand, schlich Itachi sich mit ihm weg, um die neuen Geschenke auszuprobieren oder um draußen mit ihm zu spielen.

Itachi …

Letztes Weihnachten war nur halb so schön gewesen und dieses …

„Sasuke?“

Er schaute auf, seine Hand lag noch immer auf dem Kunai, es war eiskalt – Sasuke spürte seine Finger gar nicht mehr.

„Alles okay bei dir?“, fragte Naruto verwundert und legte verunsichert seine Hand in den Nacken.

Sasuke schüttelte leicht den Kopf, um die Gedanken loszuwerden, die sich seit Tagen so schlecht vertreiben lassen. „Alles okay. Wie ist dein Heiligabend heute?“

Naruto musterte Sasuke noch eine Weile misstrauisch, er glaubte seinem Kameraden nicht so ganz, dass alles in Ordnung war. „Tja, wie schon gesagt … Iruka-sensei kommt später vorbei, bestimmt gehen wir was essen. Der Hokage kommt, so wie jedes Jahr, bringt mir mit anderen Freiwilligen Geschenke, von den Dorfleuten … Dann bin ich allein.“

Naruto wusste wohl nicht weiter, zuckte mit den Schultern und verschränkte die Arme über dem Kopf. Er grinste breit, er grinste oft. Sasuke fand, dass man gut sah, wann es nicht echt war – so wie jetzt.

„Komm später vorbei“, sagte Sasuke plötzlich, er hatte eine Idee. Er wusste nicht warum, aber er fand sie gut. In gewisser Weise war Sasuke allein, aber Naruto auch und vielleicht waren sie zusammen weniger allein.

Naruto schaute ihn völlig verdattert an. „Wie, vorbeikommen …? Was meinst du damit, Sasuke?“

Sasuke musste sich zusammenreißen, um nicht die Augen zu verdrehen. „Wenn bei dir alles vorbei ist, komm bei mir zu Hause vorbei. Ist das echt so schwer zu verstehen?“

„Nein … Nicht wirklich … Okay, klar wieso nicht …“, stotterte Naruto verdutzt.

„Gut, dann sehen wir uns später!“ Mit einem beherzten Ruck zog Sasuke den Kunai aus dem Baum und lief zurück nach Hause. Vielleicht war Naruto nicht immer diese schwachsinnige Nervensäge, die er vorgab zu sein und vielleicht war er auch gar nicht so ein großer Versager. Wer weiß? Sasuke sah beim Laufen in den Himmel, die Raben zogen über ihn hinweg.

 

Mikoto stellte das Essen auf den Tisch und wuschelte Sasuke durch die Haare.

„Mutter!“, rief er empört und versuchte seine Frisur wieder zu begradigen.

Sie lächelte sanft und sagte: „Es freut mich, dass Naruto später zum Spielen vorbeikommen darf, dann fühlt er sich heute nicht so allein.“

„Wir spielen nicht! Wir trainieren!“, stellte Sasuke klar und wartete mit dem Essen, bis alle etwas auf dem Teller hatten.

Fugaku nickte nur, er war wie immer sehr still, aber Sasuke glaubte zu erkennen, dass es seinem Vater gefiel, dass sein Sohn lieber trainierte als herumalberte. Sasuke versuchte während dem Essen nicht an Itachi zu denken und sah möglichst wenig zu dessen leeren Platz. Ein wenig erzählte Sasuke von seinem Tag, den Fortschritten in der Schule und wie gut er schon mit seinem Katon-Jutsu vorankam. Dann war es schon Zeit, sich am Christbaum einzufinden.

Es klingelte an der Tür.

Sasuke lief los um aufzumachen, vielleicht war Itachi doch da, vielleicht hatte er es noch rechtzeitig geschafft. Eigentlich hatte er einen Schlüssel, aber vielleicht …

Vor der Tür standen Sasukes Großeltern, er gab sich Mühe, sich seine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Es wurde sich begrüßt und an den Tisch gesetzt – gelangweilt verkroch Sasuke sich auf die Couch.

„Wirklich schade, dass Itachi heute nicht hier sein kann.“

Sasuke sah träge auf, seine Großmutter Midori hatte sich neben ihn gesetzt und lächelte ihren Enkel aufmunternd an. Ihr Gesicht war voller Falten, welche, Sasukes Meinung nach, von einem glücklichen Leben zeugten, denn die meisten, fand er, sahen wie Lachfalten aus. Ihre grauen Haare hatte sie sich zu einem Dutt hochgebunden, gekleidet war sie in ihrem Festtagskimono aus rotem Stoff, bestickt mit vielen bunten blumen und Vögeln.

„Er ist so ein lieber Junge … Ich weiß genau, dass er sich jetzt mit dir davon gemacht hätte!“, fuhr sie fort und kicherte hinter vorgehaltener Hand.

Sasuke mochte seine Großmutter Midori sehr, sie verstand ihn einfach und sie hatte viel Verständnis für ihn. Es war zumindest ein kleiner Trost, dass sie jetzt da war und ihm schelmisch zuzwinkerte.

Sie beugte sich vor und flüsterte: „Deine andere Oma hat dir wieder nur Socken gemacht …“

Beinahe wäre ihm ein Stöhnen entkommen und er bemühte sich schnell um ein freudiges Gesicht.

Midori winkte ab. „Ich mag ihre Socken auch nicht, sie benutzt diese scheußliche Wolle … Das dauert bestimmt noch, bis es Geschenke gibt. Vielleicht möchtest du kurz nach draußen und mir etwas von zu Hause holen …“

„Okay … Und was?“ Sasuke runzelte nachdenklich die Stirn. Was meinte Oma Midori damit nur?

Sie verdrehte lächelnd die Augen. „Verschwinden schon nach draußen! Dir ist furchtbar langweilig und mir ist aufgefallen, dass vor unserem Haus dieser Uzumaki-Junge herumschleicht.“

„Oh“, sagte Sasuke nur. Nach einer kurzen Weile stand er auf, seine Oma erzählte Mikoto, dass ihr Sohn ihr nur schnell etwas holen würde, während Sasuke sich warm anzog, um nach draußen zu gehen.

Es wurde langsam dunkel und auch heute war es bitterkalt; eingemummelt ging er hinaus und sah sich um. Tatsächlich, nicht weit vom Haus entfernt schlurfte Naruto seiner Wege, zu dünn angezogen, mit den Händen in den Hosentaschen und mit hängenden Schultern.

Sasuke seufzte und ging auf ihn zu. „Hey …“

Naruto blickte erschrocken auf, offenbar war er in Gedanken versunken gewesen. „Oh, hey Sasuke. Du bist schon draußen?!“

Sasuke zuckte mit den Schultern. „Bis zur Bescherung dauert es noch eine Weile. Meine Oma hat dich gesehen und dafür gesorgt, dass ich rauskommen kann.“

Narutos blaue Augen schnellten zu Sasukes Elternhaus. „Verstehe, echt nett von ihr. Tja, ist ganz schön kalt draußen … Ich weiß nicht, was willst du denn machen?“

„Vom Training wird mir immer schön warm und es gibt doch eine Menge, in dem du nicht so besonders gut bist, oder?“, schlug Sasuke vor und konnte sich ein gehässiges Grinsen nicht verkneifen.

Narutos Gesicht wurde rot vor Zorn und er fauchte: „Ich werd mal Hokage, echt jetzt! Ich krieg das schon noch alles hin, wirst schon sehen, du alter Streber!“

Sasuke machte ein paar Schritte zurück, der Schnee knirschte laut unter seinen Schuhen, die Straßenlaternen gingen flackernd an und ein Schwarm Raben setzte sich still auf ein Dach.

„Dann zeig doch, was du alles hinkriegst."

Naruto stopfte drucksend seine Hände in die Hosentaschen. „Hab nix dabei …“

Sasuke lachte boshaft. „Schön, erschwerte Bedingungen für unseren zukünftigen Hokage, das sollte auch ohne Shuriken und Kunai klappen.“

Trotzig zog Naruto die Hände aus den Taschen und nahm Kampfhaltung ein. „Also schön, du hast es ja nicht anders gewollt! Dann mach dich mal auf was gefasst! Ich bin Naruto Uzumaki …!“

„Ich weiß wie du heißt, jetzt greif schon an, oder willst du in Zukunft deine Gegner zu Tode quatschen?!“

Mit einem lauten Schrei stürzte Naruto nach vorn, Sasuke legte die Hände aneinander und machte sich bereit das erste Jutsu anzuwenden.

 

Obwohl es eiskalt war schwitzte Sasuke stark, er wischte sich keuchend mit dem Handrücken über die Stirn, die förmlich zu glühen schien. Naruto, der ihm völlig fertig gegenüber stand, erging es offenbar nicht anders. Sasuke konnte gar nicht sagen, wie lange sie trainiert oder miteinander gekämpft hatten, aber er fühlte sich wohlig ausgepowert. Er hörte schwere Schritte hinter sich, Sasuke kannte diesen Gang.

„Da steckst du also. Was macht ihr denn da?“

Sasuke drehte sich schnaufend um. Es fing an zu schneien, die ersten Flocken kleideten ihn bereits weiß ein. „Wir trainieren nur, Vater. Naruto ist an Weihnachten doch alleine …“

Fugaku sah zu dem verschwitzten Blondschopf hinüber, der sich die Hände im Schnee abkühlte. Die Schläge, die sie sich gegenseitig verpasst hatten, brannten auch auf Sasukes Knöcheln.

Fugaku nickte. „Ich verstehe … Die Bescherung fängt jetzt an. Wenn du magst, kannst du ihn mit reinbringen.“

Naruto sah überrascht auf, während seine Hände im kalten Nass steckten. „Echt jetzt?!“

Sasuke war ebenso überrascht, fing sich aber kurz darauf wieder. „Echt jetzt“, sagte er, noch immer außer Atem. „Außer, du möchtest lieber Schneeengel machen.“

Naruto sprang zurück auf seine Füße. „Große klasse, wollte schon immer sehen, wie das bei anderen so läuft!“ Er wandte sich strahlend Fugaku zu. „Finde ich total nett von Ihnen, echt jetzt!“

Gemeinsam kehrten sie zu Sasukes Elternhaus zurück und ob Fugaku wollte oder nicht, wurde er von Naruto darüber vollgequasselt, wie viel besser er schon im Verwandlungs-Jutsu geworden sei, seit er heute mit Sasuke trainiert hatte und dass er auf jeden Fall Hokage werden könne – Fugaku schwieg, ob wohlwollend oder aus anderen Gründen blieb Sasuke verborgen.

Im Haus selbst sah Naruto sich neugierig um, seine blauen Augen blieben an den Familienfotos hängen. Gedankenverloren betrachtete er sie, besonders die Bilder, auf denen alle Uchiha-Familienmitglieder abgebildet waren hatten es ihm angetan.

„Du siehst aus wie deine Mutter“, sagte er plötzlich zu seinem Kameraden, ohne den Blick vom Foto zu lösen.

Sasuke stellte sich mit gerunzelter Stirn neben ihm, darüber hatte er nie so richtig nachgedacht …

„Ich wüsste gerne, wem ich ähnlich sehe … Meiner Mutter oder meinem Vater?“, fügte Naruto hinzu und dachte darüber nach.

Ein unangenehmes Gefühl, das Sasuke nicht richtig einordnen konnte machte sich in ihm breit. Er fühlte sich schlecht, obwohl er nichts falsch gemacht hatte. „Na ja, ich denke … eines Tages wirst du es vielleicht wissen …“

Naruto wandte sich Sasuke zu. „Meinst du?“

„Klar, und jetzt komm! Wir sind spät dran!“ Hastig schob er Naruto vor sich her, während sie ins Wohnzimmer gingen.

Der Geruch von Essen hing noch in der Luft, unter dem Baum stapelten sich die Geschenke. Sasukes Familie saß leise redend vor dem Baum auf der Couch und Stühlen, als Sasuke mit Naruto hereinkam sahen sie lächelnd auf.

„Und, hast du mir mitgebracht, worum ich dich gebeten habe?“

Sasuke zuckte zusammen, hinter ihm war Oma Midori aufgetaucht, die ihn verschmitzt anlächelte.

„Äh …“

Ihre Augen ruhten auf Naruto, der sie neugierig ansah.

„Du hast, sehr schön. Genau was ich mir gewünscht habe, sehr gut.“ Mit diesen Worten kehrte sie zufrieden an ihren Platz zurück und setzte sich neben ihren Mann.

Naruto schaute ihr fragend hinterher. „Was war denn das für eine Nummer?“

„Meine Oma ist cool, bloß damit das klar ist!“, zischte Sasuke ihm zu, dann gingen sie gemeinsam zum Baum.

Fugaku räusperte sich. „Wir haben heute einen kleinen Gast, Naruto Uzumaki. Er ist ein Freund von Sasuke.“

Sasuke schaute verlegen auf den Boden. Eigentlich brachte man an Heiligabend keine Freunde ins Haus, das war schließlich ein Familienfest für die Uchihas, aber jeder wusste, dass Naruto Vollwaise war und so hoffte Sasuke, dass es für alle okay war. Als er vorsichtig aufsah, bemerkte er, dass alle sehr entspannt wirkten und es sie offenbar nicht störte, dass Naruto heute hier war. Vielleicht hatte Oma Midori aber auch schon alle an den Gedanken gewöhnt, dass Naruto da sein würde.

„Du hast eine ziemlich große Familie …“, flüsterte Naruto Sasuke leise zu.

Er nickte grinsend. „Das sind nur die nächsten Verwandten.“

Naruto sah ihn mit großen Augen an. „Was heißt das?“

„Dass ich noch viel mehr habe.“

Der Blondschopf dachte kurz darüber nach, dann murmelte er spielerisch verärgert. „Blöder Angeber!“

Sasuke zuckte amüsiert mit den Schultern. „Du solltest die Hyūgas sehen, die –“

„Okay, fangen wir an!“, rief Mikoto in die Runde, in ihren Händen eine Box.

Naruto sah die Box neugierig an. „Was ist das?“

„Eine Losebox. Man zieht jemanden und gibt demjenigen sein Geschenk“, erklärte Sasuke und spürte diese angenehme Aufregung in sich hochkriechen. Das mochte er am liebsten, es war für ihn immer total spannend, wer wen ziehen würde und was derjenige geschenkt bekam. Er und Itachi schlossen meist Wetten ab, wer zuerst beschenkt werden oder wer was bekommen würde.

„Oh, oh …“ Naruto wurde merklich blass.

Sasuke klopfte ihm auf die Schulter. „Mach dir keine Sorgen, wir finden schon was für dich.“

„Wenn du das sagst …“ Sehr überzeugt sah Naruto allerdings nicht aus und kaute nervös auf seiner Unterlippe.

Schon bald ging die Box herum und es wurden fröhlich Geschenke verteilt. Naruto war zwar sehr nervös, aber Sasuke hatte den Eindruck, dass es ihn auch glücklich machte, alle so ausgelassen herumalbern zu sehen. Es wurden Scherze gemacht, sich über Geschenke amüsiert, bedankt und umarmt.

Naruto wurde sehr zappelig, als die Box bei ihm ankam.

Er griff in die Box und zog mit zittrigen Händen einen Zettel heraus.

„Sasuke …“, las er mit schwankender Stimme vor, eher Naruto realisierte, wessen Namen er da vorgelesen hatte. Er sah sichtlich erleichtert aus.

Sasuke grinste breit. „Mein Geschenk hast du mir schon gegeben.“

Naruto sah verdutzt vom Zettel auf. „Ach so?“

„Klar, du hast doch heute mit mir trainiert, schon vergessen?“

„Äh …“ Naruto kratzte sich verwirrt am Kopf.

Mikoto bat Naruto, den Zettel wieder in die Box zu legen. „Wie schön, weiter geht's!“

Es wurden Zettel gezogen, bis alle Geschenke verteilt waren und wann immer jemand Narutos Namen zog, bekam er Süßigkeiten oder selbstgemachte Kleidung.

Mit all den Sachen auf dem Arm murmelte Naruto Sasuke verlegen zu: „Ich hab überhaupt nichts für die anderen, da fühl ich mich ein bisschen blöd …“

Sasuke grinste schief. „Also so wie immer.“

„Ey!“

„Benimm dich einfach anständig, das ist vielen erstmal Geschenk genug.“

Naruto sank seufzend in sich zusammen, offenbar war das nicht die Antwort, die er sich erhofft hatte.

Sasuke setzte zur Verbesserung an: „Mach dir nicht so viele Sorgen. Du hast doch gar nicht so viel Geld anderen was zu schenken und außerdem wusstet du ja nicht, dass du hier sein würdest, also erwartet auch keiner von dir mordsmäßig Geschenke. Entspann dich einfach.“

„Wenn du meinst …“, murmelte Naruto und klang immer noch etwas niedergeschlagen.

Die fröhliche Runde ging noch etwas weiter, Naruto vergaß allmählich, dass er anderen nicht wirklich was schenken konnte und amüsierte sich wieder über das Geschenkeverteilen.

Danach unterhielten sich die Erwachsenen, Sasuke schlug Naruto vor, ihre eigenen Geschenke auszupacken und sich damit zu beschäftigen. Sasuke hatte viel fürs Training geschenkt bekommen: Waffen, Waffentaschen, besondere Items, Trainingsausrüstung, aber auch Bücher und Brettspiele, die er ausgiebig mit Naruto testete.

Nach fast zwei Stunden legte sich eine warme Hand auf Sasukes Rücken. „Es ist schon spät …“

Er blickte auf, seine Mutter beugte sich lächelnd zu ihm herunter. „Wir sollten deinen Freund jetzt nach Hause bringen. Morgen könnt ihr ja wieder miteinander spielen.“

Aufgekratzt nickte Sasuke, müde war er überhaupt nicht, also würde er Naruto noch nach Hause begleiten.

Naruto bedauerte beim Anziehen, dass er jetzt gehen müsse und noch gar nicht nach Hause wollte. Als sie draußen waren und Naruto sich von allen verabschiedet hatte, sagte er seufzend zu Sasuke: „Das war bis jetzt mein schönster Weihnachten, echt jetzt!“ Seine blauen Augen strahlten und seine Wangen waren ganz rot vor Freude, in den Händen hielt er mehrere Tüten, in denen all seine Geschenke verstaut waren.

Sasuke spürte eine wohlige Wärme in sich aufsteigen, Naruto an diesem Abend glücklich zu sehen machte auch ihn glücklich und die Tatsache, dass Itachi auch dieses Weihnachten nicht da sein konnte fühlte sich gar nicht mehr so schlimm an. Naruto war doch nicht so ein großer Depp, musste Sasuke feststellen. Naruto war auch gar nicht so unsensible und dumm wie er sich immer gab, er war nur oft einsam und unglücklich. Sasuke glaubt zu verstehen, dass Naruto nur gesehen werden wollte – egal wie.

Als sie bei Narutos Apartment angekommen waren, stand Sasuke schweigend da, die Hände in den Hosentaschen vergraben, während Naruto die Schlüssel aus seiner Tasche kramte. Leise knarrend schloss er die Tür auf.

„Ich glaube, Erwachsene fragen, ob der andere noch auf was zu trinken reinkommen will“, meinte Naruto und kicherte verlegen.

Sasuke grinste schief. „Jaah, aber meine Mutter macht mir die Hölle heiß, wenn ich jetzt ewig weg bleibe …“

„Jaah …“ Naruto packte seine Taschen und räumte sie nach drinnen, dann kam er wieder raus, um sich zu verabschieden.

Sie verabredeten sich für morgen, zum Training und um noch das eine oder andere Spiel von Sasuke auszuprobieren. Narutos strahlend blaue Augen gingen an seinem Kameraden vorbei, er runzelte die Stirn.

„Sasuke … Was hat es mit diesen Raben eigentlich auf sich? Egal wo du bist, diese Raben sind auch immer dort.“

Sasuke drehte sich um. Tatsächlich, auf dem Dach eines naheliegenden Gebäudes saß er, der Schwarm von Raben, sie starrten schweigend zu den beiden hinüber.

„Das ist ein besonderes Jutsu meines großen Bruders. Er sagt, er kann so auf mich auf aufpassen …“, erklärte Sasuke, allerdings verstand er selbst nicht so genau wie das eigentlich funktionierte.

„Hm, klingt ziemlich cool, aber deinem Bruder trau ich sowas schon zu.“

Naruto und Sasuke sagten sich Gute Nacht, Naruto schloss die Tür und Sasuke machte sich auf dem Heimweg – der Schwarm folgte ihm krächzend. Sasuke legte seinen Kopf in dem Nacken. „Wenn du hier sein kannst, warum konntest du es dann heute Abend nicht?!“, rief er laut dem Schwarm zu.

Sie krächzten und schlugen mit den nachtschwarzen Flügeln. Sasuke seufzte tief.

Wenn du hier sein kannst, warum bist du es dann nicht jetzt?

Glücklich, traurig, aufgekratzt – all dies auf einmal war Sasuke als er auf dem Heimweg war, die kalte Nachtluft heulte um ihn herum, Schneegestöber fegten über die menschenleeren Straßen, Eiszapfen hingen von Regenrinnen und glitzerten im Schein der Laternen. Fröstelnd schlang Sasuke seine Arme um sich. Es war gut so wie es war – er wusste nun, dass es auch ganz anders sein könnte. Er könnte niemanden haben, so wie Naruto. Er war nicht wirklich allein, er hatte eine Familie und so selbstverständlich war das gar nicht.

Auf dem Dach eines Gebäudes formte sich der Schwarm von Raben zu einem Schatten und allmählich wurde der Schatten zu einer Person, dessen Augen auf Sasuke gerichtet waren, der nichts davon bemerkte.

 

„Ich bin stolz auf dich, kleiner Bruder.“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Scorbion1984
2019-12-20T12:41:31+00:00 20.12.2019 13:41
Itachi ist schon ein Schlitzohr ,so hat er seinen Bruder immer unter Kontrolle !
Ich finde es toll das Sasuke Naruto so eine tolles Weihnachten verschafft hat ,so hat er aber auch gelernt seine eigene Familie zuschaetzen !
Tolle Geschichte ,bin sehr begeistert !
Antwort von:  Sas-_-
20.12.2019 14:15
Hi :3

Erst einmal vielen Dank für deinen Kommentar! Ich habe mich sehr gefreut^^ Ich bin sehr froh, dass dir die Geschichte gefallen hat und die Aspekte, die mir wichtig waren, zur Geltung gekommen sind :3 Ob auch alles In-Character ist, müssen meine Leser entscheiden :D


Zurück