Familienfest von Jaelaki (Kakashi und Yamato (Tenzou)) ================================================================================ Kapitel 1: Dasein ----------------- Die Hauswand trennte ihn von dem Gelächter und Geschnatter, das er bereits von hier hörte. Von der irrwitzigen Dekoration und dem Gesang, den Naruto gerade laut und schief anstimmte. Bereits zum vierzehnten Mal in der letzten halben Stunde. Sakuras schrille Stimme ertönte, Hinata kicherte und Sasuke brummte etwas, das er durch die Tür nicht verstand. Kerzenschein tanzte innen auf dem Fenstersims, Lichterketten erleuchteten das Dach, die Wände, den Eingang. Und er verschmolz mit dem Schatten.   Es war eine dumme Idee gewesen, sein Apartment zu verlassen, sein kuscheliges Bett und seinen heißen Tee stehen zu lassen, nur um jetzt seit einer halben Stunde untätig im Schnee zu warten. Er wusste nicht, worauf. Er wollte sich umdrehen und gehen, aber die Möglichkeiten fesselten ihn. Er könnte, wenn er wollte. Aber wollte er? »Ich sollte nicht hier sein«, murmelte er. Dieses Fest presste seine Lungen zusammen, als tauchte er unter Wasser. Er kannte dieses Gefühl. Es schnürte seine Atemwege zu, als gefror das Wasser in seinen Bronchien.   »Wir beide sollten nicht mehr hier sein.« Eine Silhouette löste sich vom Hausdach und hockte sich auf die Ziegelsteine, die Beine baumelten herab, mit einem Buch zwischen den Fingern. »Und viele, die es nicht mehr sind, sollten es sein.« »Steht das in deinem Buch?«, spöttelte Yamato und schob seine Hände in die Hosentaschen. »Nope, da geht es gerade darum, dass jemand kommt. Und dann noch jemand.« »Und dann?« »Dann kommen sie gemeinsam.« »Wohin?« Kakashi schwieg und die Stille beherbergte Bilder, die Yamatos Ohren brennen ließen. Er hätte gar nicht erst fragen sollen. Kakashi wusste, wie er ihm die Hitze in die Wangen trieb. Er wusste, wo er die Finger in die Wunde zu legen hatte. »Es war eine verdammt irrwitzige Idee«, murmelte Yamato und wandte sich zum Gehen. Er hätte nicht nachgeben sollen, sondern die Einladung strikt ablehnen. Wie all die Jahre. »Warum bist du dann hergekommen?« Aber er hatte Narutos Worten gerne gehört. Immer wieder. Und irgendwann war er weich geworden. »Weil ich gerne irrwitzigen Ideen aufsitze.« Kakashis tauchte aus dem Nichts vor ihm auf, der Blick klebte in seinem Buch. »Zum Beispiel?« »Das werde ich kaum hier mit dir besprechen.«   Yamato machte einen Schritt, um an ihm vorbeizugehen. Er spürte eh schon seine Fingerkuppen nicht mehr und hatte es lange genug probiert. Irgendwann war es Zeit, einzusehen, dass er auf der Stelle trat. Die Hand schnellte hervor und hielt seinen Ärmel. Yamato erstarrte und betrachtete den Handschuh, der sich in seinen Mantel krallte, wie ein Kunai, das sich in seine Haut bohrte. »Wohin möchtest du?«, fragte Kakashi und blickte ihn über den Rand seines Buches an. »Ich gehe zurück in mein Apartment.« Er schüttelte Kakashis Hand mit einem energischen Schritt weg von ihm ab und versuchte tief durchzuatmen. Dieses Fest erdrückte ihn. All die Verpflichtungen und Versprechungen, die höflichen Einladungen und Wünsche. Er hatte genug davon für dieses Jahr. »Gut, ich hoffe, du hast noch etwas Anderes als diesen widerlichen Tee da.« »Was meinst –« Kakashi schlenderte neben ihm her, sein Buch vor der Nase. Ihre Schritte knirschten im Pulverschnee. »Ich meine deine irrwitzigen Ideen, die du mit mir besprechen wolltest.« »Ich bespreche gar nichts mit dir, Sempai.« Er blieb stehen und verschränkte die Arme.   »Vielleicht ist das der Grund«, sagte Kakashi und senkte das Buch. »Der Grund wofür?« Yamato verabscheute dieses Gefühl, die Ahnung, diese Furcht, etwas herauszufinden, das die Bruchstücke, aus denen er bestand, endgültig auseinanderbröseln ließ. »Der Grund, warum ich mir deinetwegen gerade die Zehen abfriere. Schon wieder.« Yamato schnaubte. »Ich habe dich nicht darum gebeten.« Kakashi betrachtete ihn wortlos und er spürte, wie er schrumpfte. Als wäre er eine Pflanze, die langsam verdorrte. »Hör auf damit«, murrte er und riss sich von seinem Blick los. »Ich habe gewartet, Tenzou, und du bist nicht gekommen. Zum vierten Mal.« Er kniff die Augen zu. Dieser scherzhafte Ton stach in seine Brust. Die Hülle aus Leichtigkeit, die etwas Schweres verdeckte. »Aus Gründen.« »Weil du eine irrsinnige Idee hattest?« »Weil ich auf Mission war«, fauchte er. »Auch wenn dieses Dorf gerne so tut, als gäbe es keinen Grund für Krieg, da draußen läuft ein Massenmörder vor den Toren Konohas herum und unsere Patrouille ist ein Scherz. Ein Schein, damit es wenigstens so aussieht, als würden wir etwas tun.« Es tat weh, weil es wahr war. Aber auch verschwieg, was er nicht sagen durfte. Sie tanzten um das Ziel herum. »Wage es nicht, dich vor mir hinter deiner Pflicht zu verstecken. Nicht vor mir!«, zischte Kakashi. Die Stille zwischen ihnen flackerte, wie ein Feuer, das versuchte zu brennen, sich durch den Wald zu fressen, aber er erstickte es rechtzeitig. Das war seine Pflicht.   »Es ist besser so.« Die Worte sollten es beenden, was nie begonnen hatte. Er musste es aus seinen Gedanken bannen, seinen Hoffnungen und Wünschen. Jemand wie er hatte kein Recht auf so etwas. Aber Kakashis Nähe brannte. »Warum?« »Es ist meine Pf-« Und näher. »Warum?« »Es ist meine –« Er war ihm so nah, dass er seinen Atem auf der Haut spürte. »Warum, Tenzou?«, flüsterte er.   Er presste die Augen aufeinander und zuckte zusammen, als er seine Fingerkuppe über seine Wange strich. »Weil ich bezweifle, dass wir beide dieselbe irrwitzige Idee haben und ich es nicht ertrage«, hauchte er und zwang sich, seine Augen zu öffnen. Kakashi seufzte und starrte in den Himmel. Er folgte seinem Blick. Sterne glitzerten zwischen dunklen Wolken. Schneeflocken schwebten auf sie herab. »Ich gehöre nicht hierher. Damit lebe ich schon mein ganzes Leben. Aber ich sollte nicht so tun, als gäbe es einen Grund, hier zu sein. Außer die höfliche Einladung von Naruto.« Kakashi schnaubte. »Seit wann tut Naruto etwas aus Höflichkeit?« »Er ist erwachsen geworden.« »Oh, bitte«, erwiderte Kakashi mit einem Augenverdrehen. »Bitte sag mir nicht, dass du auch einer von denen bist, die der Hokagemantel über Narutos wahres Wesen hinwegtäuscht. Nicht du.« »Wenn jemand den Hokagetitel verdient hat, dann wohl er.« »Absolut.«   Yamato blinzelte. »Ich weiß nicht, was du –« »Naruto tut nichts aus Pflicht. Er tut es, weil er es für richtig hält. Weil er es für gut empfindet.« Yamato begriff nicht. Er starrte Kakashi an und runzelte die Stirn. »Niemand ist heute Abend hier, weil es sich so aufgrund von irgendeiner Etikette gehören würde. Naruto interessiert so etwas nicht. Das hat es noch nie.« Kakashi wedelte mit seiner Hand, als versuchte er die Schneeflocken zu vertreiben. »Ich verstehe, dass du meine Motive anzweifelst. Aber tu das nicht bei Naruto.« »Ich bezweifle nicht deine Motive an«, murmelte Yamato. »Ich bezweifle lediglich, dass das ein gutes Ende nimmt.« »Es nimmt nie ein gutes Ende. Am Ende stirbt man«, erwiderte Kakashi trocken. »Aber davor leben wir.« Yamato glotzte ihn an. Eine Welle an Irritation und eine Portion Zustimmung vermischten sich zu einem Gefühl einer Realisation. Es war wahr. Seine Pflicht würde ihn sicherlich früher ins Grab bringen, als viele. Aber bis zu jenem Tag war er nicht tot. Er war hier. Er hielt sich die Hand vor den Mund, aber er schaffte es nicht, es gefangen zu halten. Das Lachen brach aus ihm heraus.   Weil es wehtat. Weil es befreite. Weil es schwer war. Weil es nicht richtig war. Aber auch nicht falsch.   Als sein Lachen zu einem Glucksen verebbte, drang Narutos schiefer Gesang und das Gelächter der anderen durch die Tür. Es duftete nach warmem Essen und Zimt und Schokolade und Gebäck. Sasuke rief etwas von ›Idiot‹ und Sakura grölte, sie würde sie beide aus dem Haus werfen, Naruto lachte unbekümmert und fragte, wann es endlich Geschenke gäbe. »Das ist die Familie, die er sich zusammengebastelt hat.« Kakashi zuckte mit den Achseln. »Und jeden davon hat er heute eingeladen.« »Mh«, machte Yamato, aber tat keinen Schritt. Es war nicht nur die Hauswand, die ihn von den anderen trennte. Es war die Angst vor Ablehnung, Furcht davor, etwas zu verlieren, was er vielleicht gar nicht hatte. »Und jetzt?«, fragte Kakashi. Yamato atmete tief ein und spürte die eiskalte Luft seine Lunge durchströmen. Jemand riss die Tür auf und Naruto steckte seinen Kopf heraus. »Kommt ihr endlich mal? Was treibt ihr hier die ganze Zeit? Nein, ich will’s gar nicht wissen. Wir warten drinnen schon alle! Hinata hat gemeint, es gibt erst Geschenke, wenn alle da sind! Kakashi-sempai! Yamato-taichou! Worauf wartet ihr?« Er spürte, wie Kakashi ihn am Ärmel fasste und dann seine Hand in seine zog und ohne ein Zögern mit ihm gemeinsam ins Haus schlenderte. Wärme prickelte auf seinen Wangen und in seinem Bauch. Er atmete und zum ersten Mal seit langer, langer Zeit spürte er, wie etwas in seinem Innersten wuchs, ein Gefühl aus Wärme.   »Ich bin hier«, murmelte Kakashi. Obwohl es Menschen gab, die es mehr verdient hätten, das wusste Yamato. Bessere Menschen als sie beide. Aber vielleicht war das ein Grund hier zu bleiben. Etwas daraus zu machen. Etwas zu tun, was er vielleicht bereuen würde. Aber vielleicht war es seine Pflicht, die Zeit hier nicht mit Warten zu vergeuden. »Ich auch«, hauchte er.     Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)