Von Halbmondbrillen und Dunklen Malen von Augurey (Oneshot Sammlung) ================================================================================ Kapitel 1: Godric's Geheimnisse ------------------------------- Es war eine laue Sommernacht, die den Friedhof von Godric’s Hollow in einen finsteren, geheimnisschwangeren Schleier hüllte. Gleich einer finsteren Maske, ruhte die Dunkelheit auf Snapes bleichem Gesicht, der sich tief über das Grab beugte, versuchend den zweiten Namen auf dem harten Stein zu ignorieren. Hier war der einzige Ort neben seinem Privatraum in den Tiefen Hogwarts, an dem er sich gestattete um sie zu weinen. Die Frau, die er so liebte und die er auf dem Gewissen hatte. Schuld drückte sich wie Blei auf Severus‘ Brust. Er schloss die Lider. Für einen Moment fiel es ihm schwer zu atmen, bis er die tränenblinden Augen wieder öffnete. Die letzten Tage waren zu viel für ihn gewesen. Nicht, dass sein Leben jemals leicht gewesen war. Doch nichts konnte den Wahnsinn übertreffen, den er nun begangen hatte. Das Versprechen seinen einzigen Vertrauten zu töten, der Schwur, der ihn seit heute band. Snapes Kopf war seit Stunden schwer von den Gedanken, die darin um die Wette kreisten. Er musste hier her kommen, um sich zu besinnen, um sein Kreuz tragen zu können. Musste wissen für wen er das alles auf sich nahm. Wie so oft an diesem Ort fühlte er sich auch jetzt einmal wieder klein und schäbig, so sehr verachtete er sich für das, was er ihr angetan hatte. Niemand… niemand auf der Welt konnte schuldiger sein als er. An seinen Händen klebte ihr Blut… Lilys Blut. Er war der Mörder des Menschen, der ihm alles auf der Welt bedeutet hatte. Gab es eine größere Schande? Kein Anderer konnte so tief gesunken sein wie er. „Vergib mir“, keuchte Severus leise sein aussichtsloses Verlangen in die schwüle Nachtluft. Eine letzte Träne fiel auf die feuchte Erde, dann erhob sich Snape vom Grab. Er hätte auf der Stelle zum Tor mit den geflügelten Eberstatuen disapparieren können, doch Severus brauchte noch ein paar Minuten, ehe er so gefasst war, um in die Masken seiner Existenz zurückkehren. Langsam schritt er zwischen den ruhigen Gräberreihen hindurch, träumte davon, endlich selbst Frieden zu finden, lauschte der Stille bis… „Vergib mir“ Die Stimme rauschte wie ein Echo durch die Dunkelheit. Snape war augenblicklich hellwach. Wer außer ihm könnte um diese Uhrzeit in Godric’s Hollow zwischen den Gräbern umherschleichen? Hoffentlich waren es nicht … „Lumos“ dachte Snape und die Spitze seines Zauberstabs erleuchtete als trübes Licht, das er weit von seinem Gesicht fern hielt. Vorsichtig folgte Snape dem Laut. Die Stimme war ihm eigenartigerweise sehr vertraut erschienen. Doch in der Überraschung hatte er sie nicht zuordnen können. Schritt für Schritt ging Snape vorwärts, Blicke in alle Richtungen werfend. Auf einmal erkannte er in der Ferne schemenhaft einen Schatten, der vor einem Grab kniete. Zögerlich und mucksmäuschenstill trat Severus näher. Im Kegel des Zauberstablichtes, zeichneten sich wie im Scheinwerferlicht auf einer Bühne die Umrisse einer dunkelblauen Robe ab. Der Stoff floh die dünne Gestalt eines großen Mannes hinauf, ging in silbernes, langes Haar und einen ebensolchen Bart über. Und als Snape die Hakennase sah und die Halbmondbrille erkannte, schien ihm auf einmal der Atem zu stocken. Mit jedem hätte Severus auf diesem Friedhof gerechnet. Mit jedem, doch nicht mit IHM. Es war eine Überraschung… nein, es war Schock. Es war, als sähe er in ein Spiegelbild, das ihn betrog. Wie konnte es sein, dass ER hier war, auf dem Boden kauernd, genau wie Severus selbst. War er eingeschlafen, träumte er bereits? Waren dies nicht mehr als die Launen eines nächtlichen Trugbildes? Was… was um alles in der Welt… „Dumbledore?!?“ „Severus?!?“ Die Gestalt am Boden blickte erschrocken auf in die dunklen Augen des Tränkemeisters, die wie zwei schwarze Opale völlig reglos in dem bleichen Gesicht standen. „Was tun Sie…“. Doch Albus brach ab, plötzlich begreifend. Alles begreifend. Nur wenige Gräber weiter ruhte Lily Evans friedlich in der dunklen Erde! Snape stand noch immer wie eine Salzsäule vor ihm, ein schwarzes Gespenst, aus dem jedes Leben gewichen schien. In den dunklen Augen, die wie von Tränen schimmerten, sah Albus im fahlen Licht des Zauberstabs die Schemen seiner eigenen Gestalt gespiegelt. Langsam erhob er sich vom Boden. „Sie waren an ihrem Grab, nicht wahr, Severus?“, fragte er leise. Ein Hauch von Bewegung, von Glanz trat plötzlich in die dunklen Augen, doch über die schmalen Lippen kam noch immer kein Wort. Albus wandte den Blick ab, zurück zu dem Grabstein, auf dem Kendras… und Arianas Namen standen. Ohne dass er es sehen konnte, wusste Dumbledore, dass Snapes Blicke ihm folgten und dort innehielten, wo auch seine es taten. „ja, sie starb recht früh“, sagte Dumbledore scheinbar teilnahmslos, doch unter dem größten Aufwand seiner Okklumentik. Lange hatte er das Grab nicht mehr besucht, viel zu lange. So lange bis die Erinnerungen nur noch ein blasser Abglanz war. Und dann kam der Tag, an dem die Sehnsucht nach Vergebung seine Dummheit heraufbeschwor. Der Stein der Auferstehung, was für eine Kinderei. So viele Jahre hatte er es nicht ertragen können, der Schuld, seiner Schuld ins Auge zu sehen. Er hatte sie, seine geliebte kleine Schwester, auf dem Gewissen! Oh was war er für ein Narr, dass er geglaubt hatte, er könne die unauslöschlichen Flecken seiner Schande unter seiner Gutmenschelei verstecken. Er war selbst nie besser als Voldemort gewesen. „ich denke, wir sollten nach Hogwarts zurückkehren, kommen Sie, Severus“, sagte Dumbledore kühl, wandte sich vom Grabstein ab und machte sich bereit zum Disapparieren. Doch Snape blieb hinter ihm stehen. „Warum sind Sie hier, Dumbledore?“, fragte er scharf. Die Stimme des Tränkemeisters ließ Albus erschauern. Diese Frage aus dem Mund eines ahnungslosen Schicksalsgenossen – es war wie ein gezielter Stoß in seine Brust. Langsam wandte Dumbledore sich um, blickte erneut in die schwarzen Spiegel hinter dem dunklen Haar, das wie ein fallender Theatervorhang das maskenhafte Gesicht umspielte. Und mit einem Mal wusste er, dass dies das Ende war. Das Ende eines jahrzehntelangen Schweigespiels. Mit der verkohlten Hand griff sich Dumbledore an die Stirn, legte sein Gesicht in Falten und stöhnte schwer auf. Als er Snape wieder anblickte, standen seine himmelblauen Augen selbst in Tränen. „Severus“, keuchte er schwer und die Stille der Nacht schien seine Worte fast zu verschlingen. Snapes Augen waren noch immer gebannt auf ihn gerichtet. „Severus“, wiederholte Dumbledore seine Worte, „Sie wissen, ja, Sie wissen, was es bedeutet, Schuld am Tod eines geliebten Menschen zu tragen. Ich glaube… ich glaube, ich muss Ihnen etwas erklären. Kommen Sie!“ Mit einer angedeuteten Geste deutete Dumbledore den Weg hinunter. Schweigend, doch mit aufmerksamen Augen, mit Blicken gleich eines ausgetrockneten Schwamms, trat Severus an Dumbledores Seite. Langsam, Seite an Seite so nah wie noch nie, schritten die Männer durch die menschenleere Landschaft. Irgendwo in der Ferne, weit hinter den Büschen, Gräbern und Statuen fiel der dunkle Schleier der Nacht zu Boden und klares Morgenlicht erhellte die Welt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)