Not ever von Silberstrich ================================================================================ Kapitel 4: Misguided -------------------- Schlaf. Ein Zustand, der uns so friedlich und zufrieden erscheinen lässt. Und dennoch konnte man nie so wirklich wissen, was gerade im Inneren des Schlafenden vor sich ging. Sam stand, wie eine blasse Statue, regungslos in einer Ecke von Aaron's Schlafzimmer und beobachtete wie sich dessen Brust langsam hob und senkte. Er hatte die Zeit vergessen. Das einzige auf das er wirklich hätte achten müssen. Es war schwer einfach zu gehen, zu schwer, und schließlich war es zu spät. Draußen ging langsam die Sonne auf. Ein glühender, wunderschöner, tödlicher Gasball. Immer weiter kroch das Licht des neuen Tages über den bordeaux farbenen Teppich auf seine Füße zu. Zögernd machte er einen Schritt zurück und stieß gegen die Wand. Sie war kühl...kühl wie seine Haut. Wohin? So ein Mist... Es fühlt sich merkwürdig an, wenn man Unsterblichkeit gewohnt ist und dem Tod zum ersten Mal wieder so nah' kommt...nur wegen einem Tagtraum.. Nur wegen etwas, das gefährlicher war, als jeder Pfahl...: Hoffnung. Er hatte gewagt von einer Zukunft zu träumen. Auf Liebe zu hoffen. Er hatte nach Lösungen für ihr Dilemma gesucht. Aber zu diesem Zeitpunkt war er auch noch davon ausgegangen, dass Aaron einfach Aaron war... irgendein Niemand...ein Nachtwächter...einfach irgendein Mensch, der zufällig in sein Leben getreten war. Inzwischen kam er ihm eher wie eine Bestrafung vor. Entweder das oder aber eine Prüfung. Schnell fiel Sam's Blick auf den schweren, großen Schrank auf der anderen Seite des Zimmers. Er wollte sich darin verstecken und abwarten, doch kam es nicht dazu. Sam musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, dass der Andere hinter ihm stand. Er konnte ihn riechen, er konnte ihn spüren und beinahe....konnte er ihn auf seiner Zunge schmecken. Konnte förmlich hören wie das Blut durch Aaron's warmen Körper rauschte. "Das war ein Fehler...", raunte der Vampirjäger in sein Ohr. Dann ging alles ganz schnell. "Bitte nicht!", presste Sam zwischen den Zähnen hervor. Doch Aaron packte ihn am Arm und zog ihn auf das große Rundbogenfenster zu. Erste, zarte Sonnenstrahlen trafen auf Sam's Haut und er versuchte sich nichts anmerken zu lassen. Ihre Blicke trafen sich. Sam biss sich auf die Lippe und begann zu zittern, als sich erste Brandbläschen auf seinem Arm bildeten. Trotzdem sah er seinem gegenüber stur weiter in die Augen. "Wie konntest du mir das antun?", flüsterte Aaron verbittert. "Auch Monster suchen sich nicht aus in wen sie sich verlieben...", erwiderte Sam und in seiner Stimme schwang all der Schmerz mit, der sich wie Säure durch seinen Arm fraß. "Wehr' dich verdammt nochmal...", forderte Aaron und zog Sam weiter ins Licht. Es dauerte nicht lange bis Sam vor Schmerzen schrie. Schließlich lockerte Aaron seinen Griff. Sam riss sich los und stürzte erst aus dem Schlafzimmer und dann aus der Wohnung. Im Schatten einer kleinen Kammer, in der zwei Regale voller Putzmittel standen, wartete er darauf, dass sich sein geschundener Arm wieder regenerierte. Sein Arm würde wieder werden...sein gebrochenes Herz war eine andere Sache. Aaron trat derweil vom Fenster zurück und richtete seine eisig blauen Augen auf die unscheinbare, kleine Kamera in einer Ecke des Zimmers. Dann zuckte er nur mit den Schultern. Das würde Konsequenzen haben. Andernorts rührte Leander nachdenklich mit dem Finger durch sein Martini Glas voller Blut. Nichts besonderes heute. Blutgruppe 0 mit dem Rhesusfaktor positiv. Ein ganz normaler Mittwoch. Bevor er es wieder an die Lippen hob, sah er zu Scarlett rüber: "Ein Jäger sagst du? In unserem Viertel?.." Er wirkte ruhig und gefasst, doch innerlich kochte er vor Wut. Wenn Leander eines über die letzten 300 Jahre perfektioniert hatte, dann war es sein Pokerface. Sie nickte ängstlich: "Ja Sir.." Nachdenklich trank er einen Schluck und bedachte sie schließlich mit einer beiläufigen Handbewegung: "Bring ihn mir.." "Ja Sir.." Sie hatte den schummrigen Raum beinahe verlassen als sie noch ein letztes Mal inne hielt und schwer schluckte: "Tatsächlich ist da noch etwas Sir.." Leander rieb sich genervt über die Stirn, als würden ihn üble Kopfschmerzen plagen. Er konnte ihre Worte bereits erahnen. Es waren Momente wie diese in denen er ihr am liebsten einfach die Kehle herausgerissen hätte. "Ja?.." "Es ist Sam er...er hat Nein gesagt....Sir.." Kurz nachdem sie es ausgesprochen hatte zuckte sie heftig zusammen, als das Martiniglas neben ihrem Kopf an der Wand in tausend kleine, funkelnde Splitter zerbarst. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren verließ sie eilig den Raum. Stunden waren vergangen. Ewige Stunden. Unzählige Minuten...noch mehr Sekunden... Ihm war bewusst, dass er längst wieder raus gehen konnte. Dass er fliehen konnte. Und dennoch verharrte er noch weitere 3 Stunden und 33 Minuten und 14 Sekunden ganz genau hier wo er war. Vielleicht hätte er sterben müssen. Vielleicht hatte er sein Verfallsdatum erreicht. Vielleicht war Aaron wirklich ein Geschenk...nur eben eines mit ganz anderer Bedeutung. Sam hatte sich immer irgendwie unendlich einsam gefühlt. Vielleicht wollte das Schicksal ihm Aaron nicht als Partner an die Seite stellen....vielleicht war Aaron nur die Person, die ihn letztendlich von allem erlöste. Sam schloss kurz die Augen, und als er sie wieder öffnete, konnte er endlich auch die Tür der Kammer aufstoßen. Nein, so würde er nicht untergehen und er würde es Aaron auch nicht leicht machen. Vor einigen Jahren wäre er noch umgezogen...geflohen. Aber was brachte es ihm zu fliehen wenn er Aaron immer in seinem Herzen mit sich nahm? Sam sah auf seinen wieder vollständig verheilten Arm und erinnerte sich an die Schmerzen. Eine Erinnerung, die sich für immer in sein Hirn gebrannt hatte. Der Schmerz war unbeschreiblich gewesen, aber zu keinem Zeitpunkt hatte er geglaubt, dass Aaron es beenden würde. Er hatte es in seinen Augen gesehen. In diesen eisigen Augen. Eine Zerrissenheit, wie er sie noch nie zuvor erblickt hatte. Aber wohin mit Liebe, wenn sie nicht sein darf? Zur selben Zeit.. Aaron sah auf seine Armbrust, die unberührt in der Ecke lehnte. Er hatte sich ausgemalt, wie er Sam gegen die Scheibe presste... wie diese Kreatur, die kein Recht darauf hatte zu existieren, vor ihm zu Asche verbrannte. Ob Sam zu dem blutsaugenden Vampirpack gehörte, die hier bereits seit Monaten Jagd auf Menschen machten? Die verantwortlich dafür waren, dass eine verzweifelte Mutter ihre beiden Söhne nie wieder sehen würde? Der man bald zu verstehen geben würde ihre Kinder wären wilden Tieren zum Opfer gefallen? Er hatte sich auch vorgestellt, wie er Sam's Herz durchbohrte...wie das Licht in diesen verführerischen Augen erlosch... Aber Sam hatte ihn angesehen... hätte er nicht woanders hinsehen können? Hätte er sich nicht wenigstens wehren können? Hätte er nicht wenigstens ein bisschen mehr ein....Monster seien können? Aaron ballte die Hände zu Fäusten und betrachtete seine Wohnungstür. Es wäre ein leichtes für ihn gewesen den Vampir aufzuspüren. Wo sollte Sam auch schon hin? Bei Tag.. In diesem ganzen großen Gebäude gab es kaum einen Fleck, der nicht Lichtdurchflutet gewesen war... Was sollte er den anderen erzählen? Wie sollte er es erklären? Wieder wanderte sein Blick hoch zur Kamera und er fuhr sich unbewusst über seine Narbe. Eigentlich sollte sie seiner Sicherheit dienen...jetzt war sie ein unbestechlicher Zeuge.. ein Zeuge seines Versagens. Wütend ging er raus und auf den Gitterfahrstuhl zu. Sam stand davor. Wieso zur Hölle war er noch immer hier?! Die Antwort bekam er schneller als gedacht denn... Sam streckte Aaron einen Pfahl entgegen: "Tu' es.." Aaron sah ihn irritiert an. "Tu' es...ich bin alt genug..tu' es!", wiederholte Sam bestimmt, seine Finger, die die Waffe umklammerten zitterten dabei allerdings heftig . Aaron kam stumm näher und griff schnell nach dem Pfahl. Doch statt ihn zu benutzen warf er ihn weg, zog Sam an sich und küsste dessen kühle Lippen. "Ich kann nicht..." "Wieso nicht...", flüsterte Sam. Aaron wollte gerade antworten, als ihm ein Sack über den Kopf gezogen wurde. Zwei Männer zerrten ihn weg. Im ersten Moment war Sam wie versteinert, dann rannte er hinterher: "HALT! NICHT!" Doch er kam nicht mehr rechtzeitig. Der Fahrstuhl hatte sich längst geschlossen und in Bewegung gesetzt. Panisch rüttelte er an dem Gitter und stolperte schließlich zu einem der großen Fenster. Unten im Licht einer Straßenlaterne sah er gerade noch wie Aaron in einen schwarzen Van gestoßen wurde. Der Wagen fuhr los und durch tiefe Pfützen. Eine Gestalt stand noch dort und telefonierte. Sam schlug mit der Faust gegen die Scheibe. Scarlett lies das Handy sinken, sah zu ihm hoch und verschwand dann in der Dunkelheit. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)