Gute Nacht von Khaosprinz ================================================================================ Kapitel 1: Gute Nacht --------------------- Red Hood ließ innerhalb seines Helms ein leises Stöhnen erklingen und lehnte sich gegen die Wand einer von Gothams vielen Hintergassen. Seine Sicht verschwamm und er dachte kurz darüber nach, einfach sofort an Ort und Stelle einzuschlafen. Welches Medikament diese Verbrecher auch immer in sein System gestopft hatten, es war gut. Mit langsamer Wirkung, aber gut. Wer weiß, vielleicht kam die langsame Wirkung auch durch Jasons Resistenz gegenüber allem, was seinem Körper fremd war, dank Bruce, Talia, der Grube und was noch allem. Der Sinn stand ihm gerade wirklich danach, das herauszufinden. Oder auch nur irgendwas.   Jason stieß sich kopfschüttelnd von der Wand, an der er zusammengesackt gelehnt hatte und langsam herabgeglitten war, ab. Jetzt, wo er da noch einmal darüber nachdachte, war er doch nicht so interessiert daran, herauszufinden, was die falsche Truppe machen würde, wenn sie Red Hood bewusstlos hinter einer Mülltonne, in schimmeligen Resten mexikanischen Essens liegend, fänden. Groggy versuchte er sich daran zu erinnern, wo der nächste sichere Unterschlupf war — so stur er auch sein konnte, in diesem Zustand weiterzumachen war nichts anderes als Selbstmord, und (erneut) sterben stand auf seiner Löffelliste recht weit unten.   Aus der Gasse stolpernd, blieb er in Bewegung und zwang seine Augen, geöffnet zu bleiben. Ein weiteres Stöhnen entwich seinem Mund, als er sich daran erinnerte, dass einer von Nightwings Unterschlupfen nur zwei Blöcke entfernt war. Zum Teufel damit, seinem ‘großen Bruder’ aus dem Weg zu gehen, dies war eine Extremsituation. Er würde lieber durch Dick aufwachen — der entweder wie die Glucke, von der er behauptete, sie nicht zu sein, um ihn herumwuseln, oder mit verschränkten Armen und ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden tippend mit einer Lektion warten würde — als gar nicht aufwachen.   Sich mit einer Hand an der Wand abstützend, machte Red Hood sich langsam auf den Weg zu dem unauffälligen Wohnkomplex, fiel bei seiner Ankunft eher durch die Tür, als dass er ging, und wankte in den Fahrstuhl, wo er benommen an den Knöpfen herumdrückte, bis der mit dem grünen Blob, der eine 13 sein könnte, dem ungeschickten Gestocher seiner Finger nachgab.   Er wagte es nicht, die Augen zu schließen, als der Aufzug ihn nach oben trug, und las stattdessen mehrfach die Platte mit Notfallknopf und -nummer durch, nur, um seinen Kopf beschäftigt zu halten, damit er nicht hier drin einschlief. Ein paar Momente später kam der Lift zum Stillstand und die Türen glitten auf. Red Hood starrte sie trübe an. Was hatte er nochmal vor? Ach, richtig.   Jason zwang sich in den Flur, Bewegungen langsam und fahrig, und er stolperte mehr als einmal über seine eigenen Füße auf dem Weg zu der Wohnung ganz links. Den Notfallcode eingeben war wenigstens etwas, das er ziemlich wörtlich sogar im Schlaf konnte, und bald schon öffnete sich die Tür zu seiner temporären Zuflucht und er trat, ohne weitere Zeit zu verschwenden, ein, seine Motivation durch die Aussicht, endlich ein himmlisches und heiß begehrtes Bett zu finden, immens gesteigert. Sekunden später stolperte er in den vom Mond erleuchteten Raum des Unterschlupfes seines Bruders und erinnerte sich nur gerade so daran, seinen Helm abzunehmen, den er einfach mit einem gedämpften Donk auf den Teppichboden fallen ließ, bevor er mit einem Gesichtsklatscher im Bett landete und sofort in einen tiefen, von Drogen verursachten Schlaf sank. ______________________________   Red Robin landete ganz am Rand des Daches, nur die Hälfte seiner Füße auf stabilem Boden aufsetzend. Für einen Moment stand er einfach da, ohne auch nur einen einzigen Muskel zu rühren, und fragte sich träge, ob die Schwerkraft gnädig mit ihm sein oder ihn panisch nach seinem Greifhaken für einen Glücksschuss grabschen lassen würde, während er neun Stockwerke tief in seinen Tod fiel. Nach einigen sehr langen Sekunden lehnte sich sein Körper langsam nach vorne, nicht nach hinten, und er stolperte mit einem erleichterten Seufzen auf das Dach.   Okay, das war vielleicht weder anmutig noch angemessen gewesen für Tim — oder auch nur irgendeinen halbwegs bedeutungsvollen Vigilanten — aber er war müde genug, dass ihm schon Gehen wie eine unüberwindliche Aufgabe vorkam, ganz zu schweigen davon, über die Dächer zu hüpfen. Er rieb sich ermattet das Gesicht, während er so dastand. Nicht einmal der RR Spezial aus einem rund um die Uhr geöffneten Coffee Shop an der Grenze zur Crime Alley, in dem einer seiner Spitzel arbeitete, machte, wofür er da war, sodass er hundemüde und mehr als nur erschöpft war, anstatt den Kick zu bekommen, den er brauchte, um diese Nacht abzuschließen. Und so sehr er die Idee, sich früher abzumelden, auch verabscheute, seine Patrouille sollte nicht für… er hatte keine Ahnung wie lange enden, aber es war bestimmt nicht um 01:41 Uhr, so viel wusste Tim. Warte, worüber hatte er noch gleich nachgedacht?   Ein wenig auf den Füßen schwankend, schüttelte Red Robin den Kopf und gab sich selbst eine deftige Ohrfeige, stark genug, um seine Wange hellrot zu färben. Zumindest half das dabei, genügend seiner Hirnfunktionen zurückzuerhalten, dass er sich an seinen Namen erinnern konnte. Resigniert aktivierte er sein Comm.   “Red Robin an Nightwing.” Er zuckte zusammen. Oh Gott, er klang sogar noch müder, als er sich fühlte.   “Du hörst dich schrecklich an. Was ist los?” Red Robin starrte verklärt geradeaus, die Stimme, die in seinem Ohr erklang, nicht einmal registrierend. Jetzt, wo er so darüber nachdachte, war er sich nicht einmal mehr sicher, wie lange er schon wach war. Welcher Tag war heute?   “Red Robin? Kannst du mich hören?”   Er versuchte, sich an die letzten paar Tage zu erinnern. Da war dieser Fall über Jugendarbeitslosigkeit gewesen und die beiden Präsentationen bei Wayne Enterprises über Ninjas und… er hatte keine Ahnung.   “RED ROBIN!” Er fuhr bei der Lautstärke zusammen und fiel beinahe hin, sich plötzlich daran erinnernd, dass er Nightwing kontaktiert hatte, um… was noch gleich zu machen?   “Ich bin hier”, antwortete er mit schwerer Stimme, “was geht ab?” Er hörte ein Seufzen auf der anderen Seite der Leitung.   “Du hast mich angerufen, Red. Aber ich kann mir denken, was abgeht. Geh nach Hause, du klingst, als ob du seit Tagen nicht geschlafen hättest.” Aus irgendeinem Grund konnte Red Robin nicht verhindern, dass sich ein dümmliches Grinsen auf seinem Gesicht ausbreitete. Schuldig im Sinne der Anklage!, fügte sein Verstand hilfreicherweise hinzu, als ob er den Depp-des-Jahres-Preis™ gewonnen hätte. Er stöhnte und gab sich eine weitere Ohrfeige.   “Was war das für ein Geräusch? Oh Gott, Red, wo bist du? Bist du in Schwierigkeiten? Ich bin —”   “Nein, nein, das war ich”, unterbrach er Dicks panisches Gebrabbel müde. “Tut mir Leid. Ich werd einfach… zurück ins Nest gehen.”   “Also schön”, war die zögerliche Antwort, gefolgt von einem weiteren Seufzen. “Geh und schlaf ein wenig, kleiner Bruder.”   “Aber sowas von. Red Robin Ende.”   Die Comm-Verbindung in seinem Ohr erstarb, doch Tim blieb einfach, wo er war. Ein Gähnen aus den größten Tiefen und dunkelstem Abyssus seiner Seele entwich seinem Mund, sodass sein Kiefer schmerzhaft knackte. Er zuckte zusammen, rieb seine stechende Wange und sah sich um. Jetzt, wo er noch einmal darüber nachdachte, war es eigentlich eine schlechte Idee, sich zurück auf den Weg zu seinem Nest zu machen, er würde sich vermutlich auf die eine oder andere Weise in seinem derzeitigen Zustand den Schädel einschlagen. Sein Gedächtnis nach möglichen Alternativen durchkämmend, tatschte er tollpatschig an dem Computer in seinem Handschuh herum, um seine derzeitige Position und den nächstgelegenen Unterschlupf zu überprüfen. Glücklicherweise war eine von Nightwings eigenen Wohnungen gerade auf der anderen Straßenseite. Das würde Tim schaffen. Wahrscheinlich. Vielleicht. Hoffentlich?   Fünf Minuten, einige vorsichtige Manöver und die Blamage, auf das erwünschte Dach zu rollen anstatt auf seinen Füßen zu landen, später, ließ er sich auf die Feuerleiter hinabfallen und stand vor der Tür, die in die kleine Küche führte. Sein Gesicht gegen den Türrahmen quetschend, unfähig, sich noch selbst aufrecht zu halten, gab er blind seinen Notfallcode in das Bedienungsfeld ein, das hinter der Wand versteckt war. Sich kaum davon abhalten könnend, auf die Nase zu fallen, als sich die hölzerne Tür endlich öffnete. knallte er sie hinter sich einfach zu und machte sich auf zum Schlafzimmer. Als er den regungslosen Klumpen in der Mitte des Bettes erspähte, schubste er ihn rau und murmelte “Beweg dich, Dick”, während er seine Flügel abnahm und einfach zur Seite schmiss. Der Klumpen grummelte etwas, gehorchte aber und rutschte auf eine Seite des Bettes. Red Robin seufzte in Erleichterung und klatsche mit dem Gesicht zuerst in die Matratze, bereits im Tiefschlaf, bevor sein Kopf die Kissen berührte. ______________________________   Nightwing streckte sich, Arme hoch über dem Kopf, und kostete das Gefühl, wie seine Gelenke mit einem Knacken wieder an ihren angestammten Ort rückten, aus. Er rieb sich müde den Nacken, während er gähnend auf die Uhr schaute — es war weit nach vier und er wollte wirklich Feierabend machen.   Er wäre vermutlich nicht so müde, wenn die Observierung früher nicht massiv schief gelaufen und zu einem Jeder-gegen-Jeden-Faustkampf ausgeartet wäre, bei dem er einfach hatte eingreifen müssen, Informationen sammeln zum Teufel, und wenn Red Robin nicht schon wieder etliche Nächte durchgemacht hätte, sodass der Jüngere sich in einem Zustand befand, bei dem sogar ein Zombie Mitleid hätte. Und als der gute, große Bruder, der er war, hatte er natürlich die Patrouille, die Tim angefangen hatte, beendet. Dick hoffte bloß, dass Red Robin wirklich zurückgegangen war, um zu schlafen, und nicht für irgendeinen anderen Scheiß, von dem er immer behauptete, dass er zu wichtig sei, um ihn aufzuschieben, oder sich nicht von seinem Tetris-Spiel lösen konnte. Mal wieder.   Nicht, dass Nightwing das nicht verstehen konnte, nein, er hatte seinen eigenen Anteil an durchwachten Nächten gehabt, sowohl als Nightwing als auch damals als Robin, doch Tim hob die Messlatte auf absurde und, offen gesagt, immens ungesunde Höhen an. Fast so schlimm wie Bats.   Wo er gerade über ihn nachdachte, er musste den großen, bösen Batman wissen lassen, dass die Nacht für ihn vorüber war. Mit einem weiteren Gähnen tippte Nightwing sein Comm an und holte seinen Greifhaken heraus.   “B? Ich bin fertig für heute Nacht. Wörtlich. Ich geh nach Hause.”   Da war ein kurzer Moment Stille, bevor Dick eine Bestätigung erhielt.   “Verstanden. Kommst du zurück zur Höhle?”   “Nein, nicht heute. Ich hab in der Nähe einen Unterschlupf, ich penn heute Nacht da. Ich geb dir morgen über alles Bescheid. Ich will jetzt gerade nur noch schlafen”, antwortete Dick, während er auf das nächste Dach schwang. Die einzige Antwort, die er erhielt, war ein zustimmendes Brummen, bevor die Comm-Verbindung abbrach. Nightwing seufzte und grummelte “Und auch dir eine wunderschöne gute Nacht, B” vor sich hin. Dieser Mann.    Wenige Minuten später erreichte er sein Ziel und fummelte sich seinen Weg durch die Sicherheitssysteme am Fenster in sein Wohnzimmer. Sobald es offen war, rollte er hindurch und landete alle Viere von sich gestreckt auf der Couch, die er in einem Anflug größter Klugheit direkt unter besagtem Fenster platziert hatte. Er lag für einen Moment da und genoss das Gefühl, wie seine schmerzenden Muskeln und Knochen endlich Ruhe fanden, und —   “Scheiß drauf”, murmelte er und entschied, dass sein Bett einfach zu weit weg war und das Sofa bequem genug. Er konnte sich nicht dazu aufraffen, mehr als seine Maske und seine Eskrimastöcke zu entfernen, bevor er sich ein wenig drehte und an Ort und Stelle einfach einschlief. ______________________________   Einige wenige Stunden später wurde Nightwing urplötzlich aus dem Schlaf gerissen, als er einen Schrei, ein lautes Krachen und weiteres Geschrei hörte, die durch sein Apartment hallten. Er sprang auf die Füße, sofort hellwach — oder, das hätte er, wenn sich sein Fuß nicht an irgendwas verfangen hätte, also anstatt sofort in Bereitschaft zu sein, landete er halb auf dem Boden und halb auf der Couch, mit einem stechenden rechten Knöchel.   Während er ein wenig benommen so dalag, lauschte er dem zweiten Knall und den Stimmen, die aus seinem… Schlafzimmer kamen? Sie hörten sich bekannt an, sehr sogar, und —   Dick hauchte ein Lachen, verwirrt, während er sich auf seine Ellenbogen stützte und seinen Blick von der Richtung, aus der der Lärm stammte, zur Couch wandern ließ. Yep, er hatte einen seiner Füße im Schlaf in die Lücke zwischen den Polstern geschoben. Er ließ sich zurück auf den Boden fallen und rieb sich das Gesicht. Er war immer noch müde, doch wenigstens fühlte er sich nicht mehr wie der König der Untoten. Mit einem weiteren Seufzen wackelte er mit dem Fuß, bis er frei von der Falle war, in die er ihn selbst hineingesteckt hatte, und wuchtete sich langsam in eine aufrechte Position, sich streckend und dehnend, sodass seine Gelenke knackten und seine Muskeln angenehm kribbelten.   Dick ging zu seinem Schlafzimmer. Man konnte immer noch Rufen hören, doch es klang nicht sonderlich feindlich, eher geschockt oder hysterisch, also warf er die Holztür unbekümmert auf und stand einfach da, um sich die Szene, die sich ihm präsentierte, anzuschauen.   Tim war da, auf dem Boden sitzend und gegen die Wand gedrückt, als ob er rückwärts dorthin gekrochen wäre, eine Decke um eines seiner Beine gewickelt. Er trug noch immer seine Uniform, sogar die Domino war noch immer an sein Gesicht geheftet, zerknittert und schief, sodass Dick sich fragte, wie er überhaupt irgendetwas sehen konnte. Er ließ seinen Blick zur anderen Seite des Raums wandern, wo sich, wie er vermutete, der Grund für dieses turbulente Erwachen befand.   Und tatsächlich, dort war Jason. Er würde ihn später fragen müssen, warum er überhaupt da war, doch in diesem Moment konnte Dick es nicht verhindern, dass sich ein Grinsen, das beinahe des Jokers würdig war, auf seinem Gesicht ausbreite. Der berüchtigte Red Hood lag da nicht nur rücklings auf dem Boden, Beine in der Luft, wild umherfuchtelnd und Obszönitäten rufend, sondern versuchte auch , sich aus etwas, was Red Robins Gleiter-Cape zu sein schien, zu entheddern, dessen metallische, aber flexible Federn ihn wie ein gut gebautes Netz in ihren Fängen hielten.   Er schaute für einen Moment einfach zu, bevor er sich laut genug räusperte, dass alle Augen im Raum sofort auf ihm landeten. Tim sah aus, als wären seine Augen unterhalb seiner schiefen Maske so groß wie Untertassen, und er atmete schwer, während Jason nur für ein paar Sekunden verstummte, bevor er seine türkisen Augen in Richtung Dick verengte und ein Grollen ausstieß, das selbst Batman hätte erschaudern lassen, trotz der Röte, die seinen Nacken hinaufkroch.   “Ein Wort, Grayson —”   Dick brachte ihn zum Schweigen, indem er eine Hand hob, und zwang das Grinsen von seinem Gesicht, auch wenn er nicht verhindern konnte, dass seine Mundwinkel weiterhin zuckten.   “... So sehr es mich auch interessiert, warum ihr zwei in meinem Bett geschlafen habt —” Tim stieß ein merkwürdiges, ersticktes Geräusch aus, das ein wenig an ein verschrecktes Kätzchen erinnerte, während Jason nur erneut knurrte, noch immer an den Federn, die ihn gefangen hielten, ziehend und reißend. “— Ich glaub nicht, dass ich das gerade kann. Wenn ihr fertig seid, ich bin in der Küche.”   Und damit griff Dick willkürlich nach ein paar Klamotten, die überall verteilt rumlagen, machte einen kurzen Abstecher ins Badezimmer, um aus seiner Uniform, die wirklich nicht dafür gemacht war, darin zu schlafen, oh Gott, so kratzig zu steigen, und fand sich bald darauf an seinem kleinen Küchentisch sitzend wieder, eine Schüssel mit Frühstücksflocken vor sich. Auch wenn er gerade wirklich gerne duschen würde, er war sich fast sicher, dass es nur in einem Blutbad enden konnte, wenn er die anderen beiden länger alleine ließ, als es wirklich unbedingt nötig war, und Blutflecken wurde man nur so schwer los. Nur einen Moment später tauchte Tim aus dem Flur auf, ebenfalls endlich raus aus seinem Anzug, und trug ein Paar Jeans, das er hier vor ein paar Monaten verstaut hatte, und ein Shirt, von dem Dick sich recht sicher war, dass es eines von seinen eigenen war. Die Haut um seine Augen war rot und fleckig, mit Abdrücken seiner Maske. Die dunklen Ringe unter seinen Augen sahen noch immer wie die Fließbänder an Gepäckterminals aus, obwohl er — Dick warf einen Blick auf die Wanduhr, es war nach 11 — um die neun Stunden Schlaf gehabt haben musste. Er seufzte und zeigte mit seinem Löffel auf einen der Stühle.   “Kaffee ist bald fertig.”   Tim nickte lediglich, total peinlich berührt und beinahe ein wenig aufgewühlt, als ob sein großes Hirn immer noch versuchte zu verstehen, was da eigentlich gerade geschehen war.   “... Ich, äh, hab Jason befreit. Er sucht immer noch nach Klamotten, die ihm passen. Ich, ähm, wusste nicht, dass er den Code hat, um einen deiner Unterschlupf zu betreten, ohne den Alarm auszulösen?”   Dick staunte beinahe darüber, dass noch niemand erstochen worden war, während er die Milch aus seiner Schüssel schlürfte, bevor er mit den Schultern zuckte.   “Jeder in der Familie hat sie. Dachte aber nicht, dass er sie jemals benutzten würde.”   Tim nickte nur, bevor er sich eine große Tasse aus einem der Wandschränke nahm und sich einen Kaffee eingoss. Dick schaute ihm dabei zu, wie er kurz seine Augenbrauen zusammenzog, als ob er über etwas furchtbar Wichtiges nachdachte. Er konnte nicht anders, als mit den Augen zu rollen oder eine Spur Besorgnis zu verspüren, als sein jüngerer Bruder einfach die ganze Kanne nahm und sie mit zu seinem Platz am Tisch trug. Bei ihm zog sich alles zusammen, als Tim die erste Tasse einfach runterkippte, als ob es Leitungswasser wäre, sicher, dass es kochend heiß sein musste und niemand sollte das können, um Himmels Willen, Tim —   “Lass verdammt noch eins was für die anderen übrig, Ersatz.”   Dicks Augen ruckten zur Seite und er erblickte, wie Jason den Raum betrat, Uniform zu einem Bündel gegen seine Seite geklemmt und noch immer sowohl Ärger als auch Peinlichkeit absondernd. Er hatte sich ebenfalls einige von Dicks Klamotten angezogen, ein altes, abgetragenes Shirt und eine Jeans, die an genau den richtigen Stellen gerissen war, dass es zumindest nicht ganz offensichtlich war, dass sie eigentlich zwei Nummern zu klein war. Irgendwo in seinem Hinterkopf fragte er sich, wie es möglich war, dass Jason es kaum aushalten konnte, im gleichen Raum wie Dick zu sein, geschweige denn, sich zivil mit ihm zu unterhalten, aber auf der anderen Seite keinerlei Probleme damit hatte, durch Dicks Kleiderschrank zu wühlen und seine Sachen zu tragen, als ob sie ihm gehörten. Nicht, dass Dick damit ein Problem hatte, aber trotzdem.   “Wer zuerst kommt, mahlt zuerst”, winkte Tim ab und leerte eine weitere Tasse, bevor er sich seine dritte einschenkte, als ob er irgendetwas beweisen müsste. Anscheinend war der knochentiefe Schock von vorher endlich dabei, sich zu verflüchtigen, wenn er wieder schnippisch sein konnte.   Bevor sie jedoch einen weiteren Streit anfangen konnten — und Dick war sich dieses Mal sicher, dass irgendwer erstochen werden würde — räusperte er sich.   “Also, möchte mir einer von euch sagen, warum ihr beide in meinem Bett geschlafen habt?”   Jason knurrte erneut und klaute Tim die Kaffeekanne, als der Jüngere damit beschäftigt war, aufzustöhnen und seine Augen zu bedecken.   “Wurde unter Drogen gesetzt. Musste irgendwo pennen. Es war leer, als ich hier angekommen bin, also wirst du den Nachahmer fragen müssen, warum zum Teufel er zu mir ins Bett gekrochen ist.”   “Ich dachte, du wärst Dick!”, zischte Tim zurück, während sich eine feine Röte auf seinen Wangen ausbreitete, obwohl seine Augen vor unterdrückter Wut leuchteten. Dick bereute es irgendwie, gefragt zu haben — schien so, als ob dieser zweite Streit unausweichlich wäre. Vielleicht konnte er wenigstens die Todesfälle möglichst gering halten, am besten bei null?   “Weckst du deinen kostbaren Dickiebird auch, indem du ihn von der verdammten Matratze schubst?”   “Entschuldige, ich hab mich ein wenig erschrocken, als ich aufgewacht bin, weil du mir direkt ins Gesicht geschrien hast!”   “Du hast Glück, dass ich dir nicht deinen dürren Hals gebrochen habe —”   “Leute.”   “Du hast Glück, dass ich dich nur aus dem Bett geschubst habe —”   “Als ob du irgendwas anderes hättest tun können —”   “Willst du’s testen? Ich werd —”   “LEUTE!”, rief Dick, ihren Zickenkrieg unterbrechend, und fasste sich an die Nasenwurzel. Er öffnete den Mund, nicht so ganz sicher, wie er die Situation zum Besseren wenden könnte, doch Jason ließ ihn nicht zu Wort kommen.   “Was auch immer. Ich bin raus hier.”   Und bevor sowohl Dick als auch Tim auch nur darüber nachdenken konnten, etwas zu sagen, war Jason auch schon aus der Küche raus, knallte die Eingangstür hinter sich zu und ließ die anderen zwei in einer beinahe bedrückenden Stille zurück.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)