Summer of '99 von sallysoul_fiction (Die Herren des Todes) ================================================================================ Kapitel 16: Die Herren des Todes -------------------------------- Albus hörte das nahe Schnauben eines Dampfkessels und das heisere Heulen eines Signalhorns, doch er konnte nichts erkennen als dunkle Schemen. Ein eigenartiger halbdurchsichtiger Stoff, der ihn komplett einhüllte, trübte die Sicht und verschaffte ihm das Gefühl absoluter Beklemmung, denn er war nicht allein unter dem eigenartigen Überwurf. „Gellert?“ „Psst.“ „Was ist das hier? Wo sind wir?“ Er wollte den Stoff beiseiteschieben, um eine bessere Orientierung zu bekommen, doch ein leichter Schlag auf seine Hand ließ ihn zurückschrecken. „Au, was soll denn das?“ Plötzlich rief eine Stimme dicht in ihrer Nähe, dass alles bereit zur Abfahrt sei. Albus klappte vor Erstaunen der Mund auf, denn die Ansage war in Gellerts Muttersprache erfolgt, und er hatte sie dennoch verstanden. Das laute Tuten der Dampflok ertönte erneut, dann erkannte Albus verschwommen, wie sich direkt zu ihrer Linken ein Zug in Bewegung setzte und schnaubend den Abhang hinabratterte. Ein Berghang? Ein Bahnhof? Als das Geräusch langsam in der Ferne verhallte, raunte eine Stimme in Albus’ Ohr: „So. Nun können wir wieder reden. Dein Geplapper hört man auch durch diesen Umhang, Albus.“ „Bist du das wirklich?“, fragte Albus. „Was ist mit deinem Akzent passiert?“ Von dem so vertraut hüpfenden Tonfall war kaum noch etwas zu hören. „Übung. Hast du etwa Zweifel, dass ich es bin?“ Albus spürte, wie sich ein paar schmale Lippen auf die seinen drückten, sanft und gleichzeitig in dieser unterschwellig fordernden Weise, die er nur zu gut kannte. Erleichtert erwiderte er den Kuss. Etwas anders fühlte sich das allerdings doch an – anders und aufregend. „Das mit deinem Bart ist interessant“, sagte Gellert. Albus fasste sich ans Kinn und merkte nun erst, dass er einen Vollbart trug. Seine andere Hand tastete nach Gellerts Nacken, um die vertrauten Locken zu suchen, doch stattdessen fühlte er dort nur kurz geschorene Stoppeln. Auch sein eigenes Haar war deutlich kürzer, bemerkte er im nächsten Moment, als Gellerts Hand zu seinem Hinterkopf weiterwanderte. Wurde es mit einem Mal wärmer unter diesem Umhang? Die Luft zwischen ihnen schien wie elektrisiert. Ihre Lippen fanden sich erneut und beide atmeten geräuschvoll, während sie weitere Küsse austauschten. Als Bewegung in ihre Umarmung geriet, verrutschte der Stoff über ihnen ein wenig, und Gellert nahm schnell beide Hände, um ihn festzuhalten. Albus rang nach Atem. „Warum ist das so gut? So anders?“ „Nun, ich vermute, wir haben mittlerweile einfach mehr Erfahrung.“ „Was?“ „Na, wir haben einen kleinen Zeitsprung gemacht. Ins Jahr 1914, meine ich.“ Seine Hände vollführten eine schnelle Drehung, und der Schleier über ihnen lüftete sich. Albus sah für einen Moment, dass es ein sehr alter Umhang mit eigenartig silbrigen Musterungen war, doch als Gellert sich den Stoff demonstrativ um die Schultern legte, stutzte er: Gellerts Körper war verschwunden, nur sein Kopf, ein Kopf mit erschreckend blassem Teint und weißblondem kurzen Haar und Schnurrbart blieb sichtbar. „Ein Tarnumhang - der Tarnumhang?“ „Verstehst du nun, warum du zuvor die Klappe halten solltest? Wir kamen mit einem ganzen Schwung von Reisenden hier an. Eigentlich hab’ den Tarnumhang ja immer für das langweiligste Objekt der Heiligtümer des Todes gehalten, aber … er hat seine Vorzüge …“ Gellert rückte näher und machte Anstalten, den Umhang wieder über sie beide zu ziehen, doch Albus hielt ihn zurück. Das war eine ganze Menge neuer Informationen. Er sah sich um. „Sind wir in Österreich?“ Gellert lachte trocken. „Du hast wirklich keine Ahnung von Bergen, was? Wir sind in Deutschland, genauer gesagt im Harz. Auf dem Gipfel dieses Berges erwartet uns ein großer Spaß, eine Feier zu unseren Ehren. Wollen wir?“ Sie setzten sich in Bewegung und folgten einem schmalen, Kies bestreuten Weg, der von Tannen gesäumt zum Gipfel hinaufführte. Der Musik nach zu urteilen, die von dort oben zu ihnen herabschallte, herrschte dort bereits eine ausgelassene Stimmung. Eine Wolke vor dem Mond zog sich zurück, sodass nun bleiches Licht die Umgebung erhellte. Albus erkannte Hügelketten in der Ferne, schroffe Felsen an einem steilen Abhang zu ihrer Linken und vereinzelte, aber dichte Tannenwälder. Auf welcher Höhe sie sich wohl befanden? Albus sah zu Gellert und konnte nun auch ihn besser erkennen. Er mochte etwa 30 Jahre alt sein und trug eine schwarze Feldmarschalls-Uniformjacke mit silbrigen Kordelverzierungen über der Brust und an den Hosenbeiden. Eine rot-weiße Schärpe zog sich von der rechten Schulter diagonal zu seiner Hüfte und auf seiner Brust prangten einige Orden, darunter ein doppelköpfiger Adler und das Zeichen der Heiligtümer des Todes. Sein hüftlanger schwarzer Umhang war innen mit rotem Samt ausgekleidet. Er sieht aus wie die Muggel-Kaiser aus seinem Stammbaum – Was soll dieser Unsinn? Albus betrachtete seine eigene Kleidung und musste feststellen, dass sie zwar gänzlich anders, aber doch nicht weniger exzentrisch war. Jackett und Hose waren aus schimmernder grauer Seide mit Jugendstil-Verzierungen, und sein weißes Hemd fühlte sich so unfassbar weich an, dass er die Stoffart und den sicherlich exorbitant hohen Preis nicht erraten konnte. Verzückt betrachtete er die auf Hochglanz polierten braunen Lederschuhe an seinen Füßen, die im Gleichschritt links neben Gellerts schwarzen Stiefeln liefen. Die Krönung seiner Garderobe war allerdings der weite dunkelgraue Umhang mit Schulterüberwurf, an dessen Revers die Ministernadel prangte. „Gellert“, sagte er mit trockener Stimme. „Bitte sag mir, dass wir zu einem Kostümball gehen.“ „Nicht im Geringsten. Diese Garderobe ist Zeichen unseres Erfolgs.“ Albus wollte gerade zu weiteren Fragen ansetzen, als hinter Ihnen ein Ruf ertönte: „Ah, wenn das nicht die Herren der Stunde sind!“ Albus’ Nackenhaare stellten sich auf, als er den blasierten Tonfall erkannte. Er fuhr mit gezücktem Zauberstab herum und sah, dass er richtig gehört hatte: Torquil Travers eilte mit einer etwa zehn-köpfigen Einsatztruppe auf sie zu. Dem Kleidungsstil nach zu urteilen handelte es sich um britische Auroren und Aurorinnen sowie preußisch uniformierte Alchemisten. Albus trat der Schweiß auf die Stirn, und er zielte nervös auf Travers, doch Gellert legte mit Nachdruck die Hand auf seinen Arm und schüttelte den Kopf. Dann wandte er sich in feierlichem Tonfall dem ankommen Trupp zu: „Ah, der Herr Sicherheitsminister! Schön, dass er es auch schon den Blocksberg hinaufgeschafft hat.“ Travers kam außer Atem vor ihnen zum Stehen und vollführte – zu Albus’ großer Überraschung – eine tiefe Verbeugung. „Verzeiht, meine Lords. Für diesen Abend wollte ich den beiden ehrenwerten Herren eine Garde zusammenstellen, die keine Zwischenfälle erlaubt. D-das hat ein wenig Zeit in Anspruch genommen. Aber nun sind auch ein paar Ortskundige dabei!“ Die Uniformierten verbeugten sich. „Sehr schön, Preußen“, sagte Gellert schnippisch. „Nun, wir wollen ihm die Verspätung nachsehen, Travers. Er ist ein so nützlicher Verfechter unserer Sache gewesen, und am heutigen Abend wird das mit Sicherheit honoriert werden.“ „Gnädiger Herr sind zu gütig“, hauchte Travers. Albus starrte ihn entgeistert an. Das war nicht der arrogante, sadistische Slytherin, den er in seiner Schulzeit heimlich verehrt und schließlich fürchten gelernt hatte! Vor ihnen stand ein gedrungener und zutiefst devoter Mann. Der Trupp bildete nun einen Kreis um Albus und Gellert und setzte sich mit ihnen in der Mitte wieder in Bewegung. Travers lief an der Spitze des Trosses und berichtete aufgeregt von den ranghohen Gästen, die bereits auf dem Gipfel eingetroffen waren. „Was ist mit ihm passiert?“, fragte Albus. „Steht er unter dem Imperiusfluch?“ „Iwo“, sagte Gellert, „wir haben einfach einen deiner Zauber angewendet. Malito. Haben ihn damit vor die Wahl gestellt, ob er lieber diesem rückgratlosen Zaubereiminister Evermonde oder unserer Sache dienen möchte. Schien eine recht leichte Entscheidung für ihn zu sein.“ „Er … ist nicht er selbst.“ „Oh, natürlich nicht, er ist kein aufgeblasener, schikanierender Reinblüter mehr – was ich für eine Verbesserung halte. Aber hättest du ihn gerne anders? Wir könnten ihn zum Beispiel vor die Wahl stellen, ob er lieber unser Minister für innere Sicherheit sein möchte – oder deine Mätresse.“ „Gellert!“ „Nur ein Gedanke …“, sagte Gellert und lachte leise. „Wir können jetzt alles haben, was wir wollen.“ Er umfasste Albus’ Taille, was der mit einem alarmierenden Blick auf die Auroren um sie herum abwiegelte. „Was tust du? I-ich meine, sind wir … offiziell?“ Gellert beugte sich vor und raunte ihm ins Ohr: „Natürlich sind wir das! Glaubst du, ich führe einen Kampf für Freiheit, Gerechtigkeit und Liebe – und verstecke trotzdem meine eigene Neigung vor den Leuten? Außerdem: Unsere Anhängerschaft hat sich über Nacht verdoppelt, nachdem wir uns zum ersten Mal öffentlich geküsst haben. Was soll ich sagen, die Leute lieben das hier!“ Er hakte sich bei Albus ein, während sie weiterliefen. Als er zufrieden den Kopf in den Nacken legte und die klare Bergluft einsog, gefror plötzlich das Lächeln auf seinem Gesicht. Wie ein Hund, der unerwartet Witterung aufgenommen hatte, lauschte er und seine Augen bewegten sich schnell hin und her. „RUNTER!“ Albus wurde am Arm zu Boden gerissen. Er schlug hart auf, biss sich dabei auf die Lippe und spürte, wie Gellert sich über ihn warf. Im selben Moment ertönte ein lauter Knall, und etwas schoss pfeifend an Albus’ Ohr vorbei. Dann ertönte ein Schrei. „Gellert?“ „TRAVERS!!!!“, schrie Gellert. Er drückte Albus weiterhin zu Boden, weshalb der nur verschwommen erkennen konnte, dass einer der Auroren zusammengebrochen war. Travers beugte sich zitternd zu ihm herab. „V-verzeiht, meine Lords. Gamboil! Peasegood! Ergreifen!“ Die beiden angesprochenen Auroren, ein hagerer kahler Mann und eine rothaarige Frau, lösten sich aus dem Kreis und näherten sich dem dichten Nadelgestrüpp rechts des Weges, von wo der Knall hergekommen war. Gellert rappelte sich auf und betrachtete entsetzt den am Boden liegenden, blutenden Auroren, den Travers mit „Macallan, Macallan, hören Sie mich?“ anrief. „Steh er nicht so herum“, herrschte Gellert einen der preußischen Alchemisten in seiner Sprache an, „mach’ er gefälligst seine Arbeit!“ Der Uniformierte ließ sich zitternd mit seiner Ledertasche voll Tinkturen neben dem zuckenden Getroffenen nieder und erklärte, es sehe ganz nach einer Schussverletzung aus. „Wie von einer Muggel-Waffe?“, fragte Albus. Wieder war er überrascht, dass er den Dialog verstanden hatte, Gellert allerdings schien nicht weniger erstaunt von seiner Antwort, die in der gleichen Sprache erfolgt war. „Expelliarmus!“, rief Gamboil und richtete ihren Zauberstab auf das Gebüsch. Ein metallener Gegenstand flog daraus hervor und landete zu ihren Füßen. Angewidert hob sie ihn auf: Es war ein Revolver. „Incarcerus!“, rief Peasegood, und beide Auroren stürzten vorwärts. Albus stand nun auf und blickte besorgt zu Gellert, der sich über den Verletzten gebeugt hatte, um den Heilprozess zu beschleunigen. „Ist alles in Ordnung? Ich dachte für einen Moment, es hätte dich erwischt.“ Gellert hob vielsagend seinen Arm und offenbarte ein großes schwelendes Loch in seinem Umhang. Zorn ergriff Albus, und er fuhr wieder herum zum Wegesrand. Wer auch immer das getan hatte, würde Antworten geben müssen! Ein geräuschvolles Handgemenge war im Dickicht zu hören, gefolgt von einem dumpfen Schlag. Kurz darauf erschienen die beiden Auroren wieder, zwischen sich schleiften sie einen wild um sich schlagenden, vermummten Mann. „Bringt ihn her!“, rief Albus und zückte seinen Zauberstab. „Sofort, Lord Dumbledore!“, rief Gamboil und zerrte gemeinsam mit ihrem Kollegen den widerspenstigen Gefangenen auf den Weg. Sie drückten ihn nieder, und er fiel er nach vorn auf die Knie. Peasegood zerrte die Fesseln an seinen Handgelenken zurecht, und Gamboil drückte ihm den Zauberstab an die Kehle. „Still jetzt, du Wurm!“ Der Vermummte schnaubte: „Pah, wenn jemand ein Wurm ist, dann wohl ihr beiden Schleimkriecher!“ Albus stutzte. Diese Stimme … hatte er sich womöglich verhört? Er hob den Zauberstab: „Revelio.“ Die Kapuze rutschte zurück, und der schwarze Schal, der Hals und Mund verhüllte hatte, glitt davon wie eine aufgescheuchte Schlange. Albus’ schlimmste Vermutung bestätigte sich: Wenngleich das Haar des untersetzten jungen Mannes bereits kahle Stellen aufwies, ließen doch diese grauen Augen und das pockenvernarbte Gesicht keinen Zweifel übrig. „Elphias?“ „So überrascht mich zu sehen, Albus?“ „W-was in Merlins Namen tust du denn? Du hättest Gellert fast umgebracht!“ „Wundert Euch das, mein Lord?“, fragte Gamboil und bohrte ihren Zauberstab drohend in Elphias’ Hals. „Ich meine: Das hier ist Dog-Breath, der Anführer von Arianas Rächern.“ „Wie bitte?“ „Die Rebellen, mein Herr“ – sie wandte sich an Elphias – „Seid ihr das nicht, du Hund? Muggel-schmusende Rebellen mit einem stumpfsinnigen Namen. Wer ist das überhaupt, diese Ariana? Deine Mum?“ Elphias sah zu Albus auf. „Man vergisst nie sein erstes Opfer, hab’ ich Recht, Albus?“ „Sprich nicht so respektlos mit Seiner Lordschaft“, zischte Peasegood und zurrte die Handfesseln enger. Elphias verzog das Gesicht. „Was meinst du damit?“, fragte Albus erschrocken. „Was für ein Opfer?“ Elphias schnaubte. „Du … weißt es nicht? Oh Merlin! Das kannst du mir doch nicht erzählen. Klingelt da nichts? Ihr beide habt euch gestritten – duelliert! Und Ariana hat einen furchtbaren Preis bezahlt. Sie – “ Gamboil verpasste ihm einen Hieb mit dem Revolver, den sie konfisziert hatte. „Still, du Hund!“, schrie sie schrill und wandte sich entschuldigend an Albus. „Mein Lord, diese Rebellen verbreiten seit Jahren dieselbe Lüge. Nicht einmal, wenn man ihnen die Zauberstäbe abnimmt, geben sie Ruhe! Ich kann es nicht mehr hören – erst recht nicht an so einem feierlichen Abend!“ „Wie Recht sie hat“, sagte Gellert. Er stand plötzlich an Albus’ Seite, und seine Augen blitzten hasserfüllt. Mit seiner blassen Hand, von der das Blut des verwundeten Aurors tropfte, hielt den Zauberstab auf Elphias gerichtet; es war allerdings nicht der Stab, den Albus kannte. In Elphias Augen flackerte einen Moment Panik auf. Grindelwald lächelte dünn. „Erkennst du ihn? Den Elderstab? Er hat viele mächtige Zauberer getötet. Du dagegen bist nur ein Mistkäfer, den ich zerquetschen werde. Ein widerlicher, kleiner Parasit …“ Elphias schluckte, dann setzte er eine abschätzige Miene auf und wandte sich an Albus: „Und auf so was stehst du? Das kannst du mir doch nicht erzählen.“ „Hüte deine Zunge, du Wurm!“, herrschte Gellert. „Ich bin noch höflich“, fuhr Elphias unbeeindruckt fort, „ich meine, Albus, die Gerüchteküche sagt, dass er dich nachts auf allen vieren kriechen lässt und auspeitscht, bis du ihm zu Willen bist.“ „DU WIRST HIER GLEICH AUSGEPEITSCHT“, schrie Gellert, blass vor Wut. „Aah, danke, aber ich halte nicht so viel von schwulen Sado-Maso-Spielchen.“ Gellert verlor die Beherrschung und stürzte sich auf Elphias. Wütend riss er ihn zu Boden, warf sich über ihn und schlug ihm mit der Faust ins Gesicht. Elphias’ Lippe platze auf. Blut strömte hervor, doch er lächelte weiter. „Immer noch nicht so mein Fall …“ Gellert richtete den Zauberstab auf das blutige Grinsen und holte Luft für den tödlichen Fluch. „Gellert“, sagte Albus leise. „Al …“, keuchte Gellert, und der Elderstab zitterte in seiner Hand. Albus’ reine Willenskraft schien ihn daran zu hindern, die Formel auszusprechen, die ihm auf der Zunge lag. Er würgte, als versuche er dagegen anzukämpfen, doch es half nichts. Kraftlos ließ er den Arm sinken. Albus zog ihn auf die Füße und umarmte ihn fest. Er spürte die gleiche Wut in sich, die Gellert gepackt hatte, doch seine Enttäuschung war weit größer. Mit bitterer Miene blickte er auf Elphias herab: „Du warst mein bester Freund, Phias! Ich dachte, du wärst der Letzte, der das, was Gellert und ich haben, in den Schmutz ziehen würde. Ich meine … ich dachte, du würdest dich für mich freuen!“ In Elphias Augen traten zornige Tränen. „Oh, Albus. Ich hätte dir wirklich alles Glück der Welt gewünscht, aber nicht mit ihm. Siehst du nicht, was er tut? Das ist widerwärtig.“ „Widerwärtig …“, echote Albus fassungslos. Er wandte sich an die preußischen Schergen und befahlt ihnen in ihrer Sprache, sie sollten Elphias Doge abführen, sein Gedächtnis löschen – und ihn verbannen, irgendwohin, Hauptsache weit weg. Elphias starrte ihn an. „Was hast du gesagt?“ Die Schergen nahmen seine Fesseln von Gamboil und Peasewood entgegen und zerrten ihn vom Ort des Geschehens fort, den Abhang hinunter. „Albus – was hast du ihnen gesagt?“ Albus wandte sich ab, während Elphias’ Stimme in der Ferne verhallte. Dann spürte er Gellerts Hand an seinem Kinn und hob den Kopf. „Das hast du sehr schön gesagt.“ „Ich wollte sein Blut nicht an deinen Händen“, sagte Albus. „Sehr weise von dir. Heute ist ein Tag zur Freude. Und übrigens auch dein Geburtstag! Also lassen wir uns nicht davon ablenken, in Ordnung?“ Albus nickte. „Meine Lordschaften?“, meldete sich Travers nun wieder zu Wort. „Wir sind bereit, weiterzugehen. Macallan hat es überstanden. U-und ich denke, wir sollten die Menge nicht warten lassen.“ „Wie Recht er hat, Travers!“ Sie setzten ihren Weg fort, und Gellert begann in stichelndem Tonfall, Travers’ Sicherheitsvorkehrungen zu kritisieren. Er hatte sichtlich Freude daran, als sein Minister sich reuevoll zusammenkrümmte, während er sich unterwürfig entschuldigte und seine eigene Wertlosigkeit betonte. Albus Aufmerksamkeit wurde hingegen von dem Spektakel in Bann gezogen, das nun in Sichtweite rückte: Vor einem großen Felsen, der den Gipfel des Berges markierte, loderte ein helles meterhohes Hexenfeuer. Musik von silbernen Flöten und kleinen Marschtrommeln erfüllte die Luft, und eine bunte Menge aus Zauberern, Hexen und magischen Wesen tanzte um die Flammen. Albus erkannte ein Gruppe Veelas, jene feengleichen Frauen, die sich entrückt im Takt der Musik wiegten, aber auch Zentauren und Satyrn hatten sich unters Volk gemischt. Gellert legte Albus den Arm um die Schultern. „Na, wenn das keine Feier ist?“ Kaum hatten sie den Rand der Lichtung betreten, löste sich eine Gruppe aus der Menge, die Albus zuvor nicht aufgefallen war. Mit ihren großen Fotoapparaten und in der Luft schwebenden Federkielen, waren diese Männer und Frauen aber unschwer als Reporter zu erkennen. Die Auroren wollten ihnen den Weg versperren, doch Gellert pfiff sie zurück: „Bitte, bitte die Damen und Herren machen doch nur ihre Arbeit!“ Ehe Albus sich versah, waren sie umringt von der aufgeregten, hungrig gaffenden Menge. Im nächsten Moment prasselten Fragen nur so auf sie ein, und weitere Stimmen riefen eifrig „Lord Dumbledore! Lord Grindelwald!“, um sie dazu zu bringen, für die Fotos in verschiedene Linsen zu blicken. Albus fühlte sich ein wenig unbehaglich, denn Gellerts Arm lag noch immer auf seiner Schulter, während sie posierten. Wusste auch diese hungrige Meute, dass sie beide offiziell waren? „Was dürfen wir vom heutigen Abend erwarten?“, fragte ein Reporter des Tagespropheten. „Oh, er darf gespannt sein, das kann ich sagen.“ „Lord Grindelwald, werdet Ihr die Nachfolge als Kaiser antreten?“ „Es ist nur ein Titel, dasselbe gilt für den Ministerposten. Ich denke, wir werden etwas ganz Neues erschaffen. Etwas, das man durch zwei teilen kann“, sagte Gellert und zwinkerte Albus zu. Die Reporter wiederholten diese Aussage erstaunt und begannen, eifrig zu notieren. Weitere Fragen folgten, aber Gellert wiegelte sie nun ab. „Bitte, meine lieben Kinder. Es wird sich alles in wenigen Minuten klären – “ „Meine Herren“, unterbrach ihn eine kleine Hexe mit lockigem blondem Haar atemlos, „bitte: Nur einen Kuss für die Hexenwoche?“ Die anderen Reporter verstummten und sahen sie schockiert an. Sie duckte sich verschämt hinter ihren Fotoapparat und wisperte: „Unsere Leserinnen lieben Grindeldore. Die Herren sind zum dritten Mal in Folge zum beliebtesten Paar des Monats gewählt worden.“ „Grindeldore …“, wiederholte Albus amüsiert. Gellerts Hand wanderte spielerisch zu Albus’ Nacken und kraulte seinen Haaransatz. „Wir wollen doch diese treue Leserschaft nicht enttäuschen“, sagte er grinsend und zog ihn zu sich. Albus hatte eine Art Bühnen-Kuss erwartet, gesittet flüchtig, doch Gellert dachte nicht daran. Stattdessen legte er sich mächtig ins Zeug, und seine Zunge bahnte sich so fordernd und neckisch ihren Weg, dass Albus ganz schwummrig wurde. Er vergaß alle Vorsicht, packte Gellerts Kragen und erwiderte den Kuss leidenschaftlich. Man hörte ein begeistertes Quieken der Hexenwoche-Reporterin, doch ihre Kamera war bei Weitem nicht die einzige, die klickte. Gellert riss sich von Albus los und schnaufte: „Auszeit! Oder ich schwöre dir, ich höre nicht mehr auf.“ Albus grinste. „Wir sollten diese Rede schnell hinter uns bringen!“ Travers und die Auroren schoben sich nun vor sie beide und baten die Reporter, auf ihre Plätze zurückzukehren. Albus und Gellert ließen sich von ihrer Garde am Rande der Menge entlang zum Gipfel-Felsen führen, der über dem ganzen Geschehen thronte. Die Menschen und Kreaturen, an denen sie vorbeikamen, erstarrten zunächst in Ehrfurcht und verneigten sich dann tief. Schnell hatte sich die Kunde vom Erscheinen der beiden Redner verbreitet, und binnen kürzester Zeit verstummte die Musik. Gespanntes Murmeln und erste begeisterte Rufe waren zu hören, und Albus war sich der vielen Augen bewusst, die auf seinen Rücken gerichtet waren, als er und Gellert am Fuße des Felsens zum Stehen kamen. Travers huschte um sie herum und gab einige Instruktionen zum geplanten Auftritt, während er ihre Umhänge ordnete und Schultern abbürstete. Wirklich ein bedauernswerter Mann, dachte Albus, doch da ihm das Herz nun vor Nervosität bis zum Hals schlug, ließ er das Zupfen und Klopfen an seiner Kleidung über sich ergehen. Er suchte Gellerts Blick und fand darin die überragende Selbstsicherheit, die ihm selbst im Moment fehlte. „Das wird großartig, vertrau mir!“, sagte er und reichte Albus die Hand. Als sie zusammen den Felsen erklommen, hob Applaus an und steigerte sich zu einem Crescendo aus den verschiedensten Tönen, denn Zauberer aller Herren Länder und magische Kreaturen stampften, klatschen und jubelten ihnen zu. Gellert drückte Albus’ Hand und sagte: „Bereitmachen!“ Auf sein Kommando erhoben sie ihre Zauberstäbe und riefen: „Summum Bonum.“ Gleißendes Licht brach aus den Spitzen ihrer Stäbe hervor und schoss in den Nachthimmel. Zusammen bildeten ihre Zauber Formen: Zunächst erschien der senkrechte Strich, dann der ebenmäßige Kreis und schließlich das gleichschenklige Dreieck, bis es in seiner ganzen Pracht am Himmel stand: das Zeichen der Heiligtümer des Todes. Die Menge verstummte und starrte gebannt hinauf. Auf die unzähligen Gesichter trat ein glückliches, entrücktes Lächeln. Albus war, als höre er eine feine Melodie, mehr in seinem Herzen, als tatsächlich in der Luft, und sie kam ihm äußerst bekannt vor. Während er noch versuchte, sie zu ergründen, erhob sich plötzlich der klare, zauberhafte der Gesang einer Veela. Es war eine zarte, aber heroische Melodie, und schon nach wenigen Worten stimmten weitere der Anwesenden ein, bis das Lied von der ganzen Menge aufgenommen wurde. Es war eine Hymne, und sie ging wie folgt: Seht sie, die Herr’n, die den Tod gemeistert Oh, welch ein Mut, der uns alle begeistert Wir waren geknechtet, im Schatten gebannt Doch jetzt liegt das Schicksal in unserer Hand. Seht sie, die Lords, die Herren des Tods! Der eine hält über uns alle Wacht Der and’re sprengt Ketten mit seiner Macht Heil Dumbledore! Heil Grindelwald! Die die Zaubererwelt aus dem Schatten befreit, Heil Dumbledore! Heil Grindelwald! Die die Zaubererwelt aus dem Schatten befreit! Seht sie die Lords! Die Herren des Tods! Die letzten Worte des Liedes gingen über in tosenden Applaus; lauter als zuvor, ja ekstatisch war der Jubel. Albus hielt die Arme über der Menge ausgebreitet und fühlte eine Euphorie in sich, die alles in den Schatten stellte, was er je empfunden hatte. „Gellert … Gellert, wir haben es geschafft! Sie sind frei! Ich glaube, das ist der beste Moment meines Lebens!“ „Noch nicht ganz, mein Bester!“, rief Gellert. „Ich habe eine Überraschung für dich, und die Menge wird mein Zeuge sein.“ Damit richtete er seinen Zauberstab an die Kehle, sagte „Sonorus“ und wandte sich mit magisch verstärkter Stimme an die Versammelten. „Meine lieben Freunde, meine Kinder, oh wie sehr ich mich freue, euch heute Abend hier versammelt zu sehen. Hier, auf diesem altehrwürdigen Platz, wo unsere Vorfahren seit hunderten von Jahren zusammenkommen – um nichts Geringeres zu feiern als sich selbst! Und die Magie, die uns von den anderen Wesen in dieser Welt abhebt! Wir sind gesegnet, meine Freunde, aber wir tragen auch Verantwortung! Wir, meine Lieben, bringen das Gleichgewicht zurück. Nicht nur Albus Dumbledore und ich, wir alle bestimmen ab heute die Geschicke der Welt. Denn wir haben etwas, das die Muggel mit all ihren Waffen und ihrer Lust an Gewalt nie besessen haben: Macht über den Tod!“ Er holte den Tarnumhang hervor und ließ ihn über sich und Albus schweben. Die Menge antwortete mit ehrfürchtigen „Ah!“ Gleich darauf reckte Gellert den Elderstab in die Höhe und fuhr fort. „Ihr habt gesehen, was Albus und ich mit diesen beiden Geschenken des Todes erreicht haben. Tyrannen und tatenlose Minister mussten uns weichen, ABER ihr könnt mit Recht fragen: ‚Sind sie denn nun wirklich die Herren des Todes?‘ Meine Kinder, damit kein Zweifel mehr daran besteht, möchte ich diesem Mann neben mir ein ganz besonderes Geschenk machen. Seid ihr bereit?“ Unter Beifallrufen holte er aus seinem Umhang ein kleines schwarzes Schmuckkästchen hervor. Entzückte Laute drangen aus den vordersten Reihen. „Ein Ring?“ – „Hat er einen Ring?“ flüsterte es an allen Orten. Albus keuchte vor Überraschung und starrte auf das Kästchen. „Gellert, was zum - ?“ „Alles Gute zum Geburtstag“, sagte Gellert grinsend. Er öffnete das Kästchen, und ein großer goldener Ring kam zu Vorschein. Eingefasst in das glänzende Metall, das in zwei Schlangenmündern endete, befand sich ein schwarzer geschliffener Stein. Albus erkannte ihn – den Stein der Auferstehung – und ein Lächeln trat nun auch auf seine Lippen. „Du bist wirklich ein Angeber …“ „Das stimmt. Aber für gewöhnlich halte ich meine Versprechen“, sagte Gellert und nickte flüchtig Richtung Travers. „Wir sind nun am Ziel. Ich will, dass du diesen Ring bekommst und deine Eltern wiedersiehst. Hoffe doch, du stellt mich ihnen vor?“ „Was für eine Frage“, sagte Albus und nahm den Ring aus dem Kästchen. „Selbstverständlich!“ Er hauchte Gellert einen Kuss auf den Mund und präsentierte dann der verzückten Menge den Ring. Nach ein paar tiefen Atemzügen schob er den eingefassten Stein der Auferstehung auf seinen Finger. Die metallenen Schlangenmünder des Rings gerieten in Bewegung und drehten den schwarzen Stein dreimal um die eigene Achse. Albus blickte auf, und da stand sie: Kendra Dumbledore in einem grauen, schwerelos wehenden Kleid. Sie war keinen Tag älter als zum Zeitpunkt ihres Todes und sah wunderschön aus mit ihrem hochgesteckten schwarzen Haar und ihren dunklen liebevollen Augen. Albus lief auf sie zu, und als er sie erreichte, erschien neben ihr sein Vater, Percival. Auch er war in graue Gewänder gehüllt, und seine blauen, durchdringenden Augen schimmerten vor Freude. Albus schloss sie beide in die Arme, und es war wunderbar und schrecklich zugleich, denn sie schienen nur halb Gestalt zu besitzen – fast so, als umarme er dicken Nebel. Ganz egal, dachte er sich, sie sind hier, alle beide und wenn ich es will, werden sie nie wieder fortgehen! Plötzlich fühlte er ein seltsames Vibrieren. Ein vertrautes und doch eigenartiges Gefühl, das aus dem Inneren seiner Brusttasche kam und etwas zupfte ihn am Ärmel. Er wandte mühsam den Blick von seinen Eltern ab und sah an seiner Seite hinab. Der Schrecken fuhr ihm durch Mark und Bein, und eine eisige Kälte machte sich in seinem Herzen breit. Fassungslos starrte er auf die Hand, die seinen Arm berührte, denn sie gehörte … Ariana! Blass und in ein graublaues Kleid gehüllt stand sie an seiner Seite, ein Mädchen von 14 Jahren, mit verzweifeltem Blick und der leuchtenden Phönixspange im Haar. Albus wich zurück. „Was tust du hier?“ Sie folgte ihm, die Hände hilfesuchend ausgestreckt und klammerte sich erneut an seinen Arm. Albus fuhr zu Gellert herum, auf dessen Gesicht sich Entsetzen zeigte. „WAS MACHT SIE HIER, GELLERT?“ „Albus … ich … ich weiß nicht.“ Mit einem Mal wurde er sich wieder ihrer Situation bewusst … Gellerts Vision … und der Boden, auf dem sie standen, geriet ins Wanken. Die Menge stöhnte und verschmolz zu einem wogenden Brei aus diffusen Formen. Arianas Hände krallten sich klauenhaft in den Stoff seines Ärmels. Panik lag in ihrem Blick. „Albus! Du zerstörst die Vision!“ „BRICH ES AB, VERDAMMT NOCHMAL! BRICH ES AB!“ Kometen fielen vom Himmel und zerrissen das Zeichen der Heiligtümer des Todes. Himmel und Erde, Raum und Zeit lösten sich auf, und Albus wurde von einem Sog gepackt, der ihn in die Höhe riss, zwischen seine Eltern und Ariana, die ihn bedrängten und festhielten, denn wie konnte er sie verstoßen, nun, da sie wieder vereint waren? Albus schrie, und Schwärze umhüllte ihn. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)