Eine Geschichte mit, aber nicht über Pferde von aceri ((weil die Autorin keine Ahnung von diesen Tieren hat)) ================================================================================ Kapitel 9: #09 -------------- Das Wetter blieb trüb und regnerisch, und der schief auf seinen Achsen stehende Ford Escort vor dem Pferdestall war wie ein stummes Mahnmal dass mir bei seinem Anblick jedes Mal Magenschmerzen bereitete. Lilly und meinen Vater hatte ich inzwischen auch eingeweiht, wenn auch nur in mit sehr grob gehaltenen Fakten (mit Caleb gestritten, er hatte mir eine verpasst, aus Rache zerstach Danny ihm die Reifen, jetzt wieder alles gut). Der letzte Teil war zwar sehr optimistisch, aber ich wollte nicht dass sie sich möglicherweise noch einmischten. Ich würde das allein regeln. Irgendwie. Mein Piercing verheilte vorbildlich, und als von dem Bluterguss in meinem Gesicht nur noch ein blasser Schatten zu erkennen war überschminkte Jessy mir den professionell, und zusammen mit Marielle ließ ich mich in Stanleys Studio für dessen Galerie ablichten. Meine neue Busenfreundin hatte sich kurz nach mir ebenfalls noch einmal spontan piercen lassen; sie trug jetzt einen kleinen Ring durch die Nasenscheidewand. Wir waren schon ein hübsches Pärchen. Natürlich hatte Marielle es sich nicht nehmen lassen Stanley ein bisschen auszuquetschen; wir wussten nun dass er 28 und single war, und schon als kleiner Junge davon geträumt hatte sein eigenes Piercingstudio zu besitzen. Er war nett, witzig, und sah gut aus. Und als er mich nach dem Fotoshooting um meine Nummer bat (natürlich nur um mich anzurufen wenn die Aufnahmen fertig waren, ja ja) sagte ich nicht nein. Als ich Marielle davon erzählte hängte sie sich quietschend an meinen Arm und küsste mich überschwänglich auf die Wange. „Ey, das Make-up!“ wies ich sie zurecht, und sie kicherte noch mehr. Gemeinsam statteten wir dem Punk- und Gothicgeschäft noch einmal einen Besuch ab, und Marielle überraschte mich mal wieder aufs neue. Sie suchte sich eine nachtblaue Samtbluse mit Knopfleiste und weitem rüschenbesetzten Ausschnitt aus, und auch ich musste für sie Anziehpuppe spielen. Durch meinen Erfolg bei Stanley beflügelt tat ich ihr den Gefallen sogar ohne großartig zu murren, und schließlich war ich um ein enges schwarzes Shirt mit halblangen Ärmeln und silbrigen Knöpfen an eben jenen reicher. „Du siehst einfach in allem gut aus! Mich würde mal interessieren ob man aus dir auch ein Mädchen machen könnte...“ flötete Marielle, und ich warf ihr einen entsetzten Blick zu. „Das kannst du aber mal ganz gepflegt vergessen. Ich mache ja vieles mit, ich lasse mich für dich sogar durchlöchern und in irgendwelche Gothicklamotten stecken, aber irgendwann reicht es. Ich bin KEIN Mädchen!“ Marielle nahm mich kein bisschen ernst. Wir warteten wieder bis Jessy Feierabend hatte, dann brachten die beiden mich nach Hause. Als ich gerade aus dem Auto steigen wollte rief Marielle mich noch einmal zurück und streckte mir einen kleinen gefalteten Zettel entgegen. „Hier! Hätte ich beinahe vergessen! Mein Cousin gibt in zwei Wochen eine Party, die letzte bevor wir wieder in die Schule müssen. Du bist eingeladen, und Caleb und Danny auch. Wenn die Klapperkiste bis dahin noch nicht wieder ganz ist holen wir euch auch gerne ab! Ihr kommt, ja?“ Ich sagte unverbindlich zu; einerseits wäre es sicher nicht verkehrt vor Schulbeginn schon einmal ein paar neue Gesichter kennen zu lernen, andererseits hatte ich wenig Lust mit Caleb dort aufzukreuzen. Und was bei meiner letzten Party passiert war musste ich ja nicht noch einmal erwähnen. Ich stapfte durch den allgegenwärtigen Matsch die Einfahrt hinunter und hinüber zu unserem Haus. Leo bellte, und ich pfiff ihm kurz und freundlich zu. Dieses Wetter konnte einen wirklich depressiv machen. „Ich will aber auf diese Party! Marielle hat uns alle eingeladen, du kannst es mir gar nicht verbieten!“ Danny stand mit vor Wut geballten Fäusten vor Caleb; es war gerade einmal fünf Minuten her seit ich den beiden von Marielles Einladung zur Party ihres Cousins erzählt hatte. Und das Szenario welches daraufhin folgte war mehr als vorhersehbar gewesen. „Es ist mir egal was du willst, und doch, ich kann es dir verbieten! Solange unser Vater nicht hier ist hab ich hier das Sagen, und ich sage du gehst da nicht hin. Das ist mein letztes Wort!“ Caleb starrte uns wütend an, natürlich war er gegen die Party, ich hatte nichts anderes erwartet. Am liebsten hätte er mir die Teilnahme auch direkt verboten, aber ich fiel glücklicherweise nicht in seinen Weisungsbereich. „Ich wette Nicks Vater lässt ihn auch nicht hingehen, nicht nachdem was das letzte Mal passiert ist.“ Autsch. Da war ja was. Aber so leicht ließ ich mich nicht unterkriegen. „Ach, ich schleich mich einfach raus. Aber ich denke ich kriege die Erlaubnis auch so, Marielle hat versprochen für mich ein gutes Wort einzulegen. Und ihre Schwester ist auch auf meiner Seite. Und die ist erwachsen.“ ich grinste Caleb siegessicher an, und der stand kurz vorm Explodieren. Vor kurzem hatte meine beste Freundin ihm auch noch gesteckt dass ich mich mit einem deutlich älteren Mann traf; keine Ahnung warum, aber das schien doch ziemlich an Calebs Ego gekratzt zu haben. Nach unserem keuchen Gute-Nacht-Kuss hatte er nicht noch einmal versucht sich mir zu nähern, und ich war nicht besonders gut darin auf jemanden zu warten. Also hatte ich Stanley den Vorzug gegeben. Wir waren bereits bei unserem zweiten Date im Bett gelandet; ich nahm nicht an dass das zwischen uns etwas längerfristiges werden würde, aber für den Moment war es okay. Es lenkte mich von den Reibereien mit Caleb ab, und ich ließ mich von ihm nicht mehr so leicht aus der Ruhe bringen. Was natürlich noch ein Grund mehr für Caleb war meine Beziehung zu Stanley zu hassen. „Du bist echt ein kleines beschissenes Aas, weißt du das?“ zischte Caleb in meine Richtung, aber ich zuckte nur mit den Schultern. Caleb konnte soviel Schimpfen wie er wollte, ich war ein freier Mann, und das passte ihm überhaupt nicht. Vor allem weil ich mit meinen Widerworten Danny dazu anstachelte ebenfalls welche zu geben, und das gab mir ein gewisses Gefühl von Genugtuung. Ethan´s Party war außerdem völlig ungefährlich. Wir würden im Haus und auf dem Grundstück seiner Eltern feiern, die waren zwar nicht direkt dabei, aber ich wusste von Marielle dass sie sehr wohl an ihrem Hab und Gut hingen, und Ethan postwendend und ohne zu Zögern in ein Boot Camp stecken würden wenn auch nur ein Bier- oder Kotzefleck auf einem der sündhaft teuren Teppiche landen würde. „Ach Caleb komm schon. Du kannst doch als Anstands-Wauwau mitkommen, du bist doch auch eingeladen. Und es sind doch sogar Erwachsene anwesend! Jessy, und Stanley...“ versuchte ich meinen verstockten Nachbarn umzustimmen, aber der stieß nur verächtlich die Luft aus. „Klar. Erwachsene. Die Frau die dich dazu überredet hat dich Verstümmeln zu lassen und der Typ der dass dann auch noch getan hat. Ich habe vollstes Vertrauen in ihre geistige Reife, danke.“ Es war doch zum Verrücktwerden! Danny stand wie ein Häufchen Elend neben mir, ihn traf Calebs Ablehnung noch viel härter als mich, immerhin würde er die Party sausen lassen müssen wenn wir seine Spaßbremse von Bruder nicht umstimmen konnten. Da kam mir eine Idee. Sie war nicht besonders fair, aber das war Caleb auch nicht. Ich berührte Danny am Arm und schüttelte den Kopf. „Lass uns gehen, der gönnt dir den Spaß einfach nicht. Mein Vater hat gestern eine neue DVD für seine Sammlung angeschleppt, die soll ziemlich gut sein. Wir zwei machen uns jetzt einen netten Abend, und Caleb kann sich hier alleine ärgern bis er schwarz wird. Das hat er verdient, dieser verbockte Idiot.“ Caleb rief uns noch irgend etwas wenig freundliches hinterher, aber ich schob Danny einfach aus der Küche und schloss die Tür hinter uns. Dann grinste ich breit. „Und jetzt...rufen wir euren Vater an und fragen ob du mit mir zur Party gehen kannst. Wir sagen es werden ganz viele Leute aus der Schule da sein, und es wäre so etwas wie dein soziales Aus wenn du nicht hingehen dürftest. Das wird ihn schon weich kochen, denkst du nicht auch?“ Ich war wirklich böse. Natürlich hatte Dannys Vater nichts dagegen als dieser ihn fragte ob er auf eine Party seiner Klassenkameraden gehen dürfte, und als auch noch die anwesenden Erwachsenen zur Sprache kamen war die Sache sowieso geritzt. Danny legte den Telefonhörer zur Seite und strahlte über das ganze Gesicht. „Er hat ja gesagt! Du bist ein Genie Nicky! Caleb wird es niemals wagen unserem Vater zu widersprechen, also darf ich hingehen! Juhu! Ich gehe auf eine Party!“ Bis zur letzten Minute versuchte Caleb Danny am Besuch der Party zu hindern, aber schließlich musste er einsehen dass er gegen das Wort seines Vaters keine Chance hatte. Und so saßen wir schließlich alle drei am letzten Freitagabend unserer Sommerferien in dem inzwischen wieder bereiften Ford Escort und fuhren gut gelaunt Richtung Stadtrand; na gut, einer der Anwesenden war nicht ganz so gut gelaunt, aber das war zu verschmerzen. Danny trug das T-Shirt das Marielle und ich für ihn ausgesucht hatten, das schwarze mit den apokalyptischen Reitern, und auch ich hatte mich in eines von Marielles Schätzchen geworfen; ein dunkelgrau marmoriertes halblanges Sweathshirt mit schwarzen Querstreifen an Bund und Ärmeln. Wir zwei sahen wirklich spitze aus. Nur Caleb fiel natürlich total aus der Reihe. „Jetzt zieh nicht so ein Gesicht wie zehn Tage Regenwetter. Wir sind fast da, du kannst dich jetzt mit deinem Schicksal abfinden und mitfeiern, oder du bleibst in deinem Traum von einem Auto sitzen und schmollst bis die Party vorbei ist. Na?“ Seine Antwort bestand aus einem wütenden Knurren. Ich hatte nichts anderes erwartet. Die Party war bereits in vollem Gange als wir endlich eintrafen, Dutzende Autos parkten am Straßenrand, die Musik war selbst hier draußen ohrenbetäubend. Danny und ich kletterten aus dem Auto, er wirkte ein bisschen verunsichert, aber ich legte ihm aufmunternd einen Arm um die Schulter und grinste ihm zu. „Keine Sorge, das wird lustig! Ich bleibe die ganze Zeit in deiner Nähe wenn du willst, okay? Und wenn du keine Lust mehr hast suchen wir Caleb und fahren sofort heim, das verspreche ich dir.“ Danny wirkte noch nicht so recht überzeugt, aber ich ließ ihm gar keine Zeit mehr um weiter darüber nachzudenken. Ohne auf Caleb zu warten zog ich ihn mit mir in Richtung des hell erleuchteten und bis zum Erbrechen mit Menschen gefüllten Gebäudes.   „Nicky! Na endlich! Ich dachte ihr kommt gar nicht mehr!“ Wir hatten kaum die Türschwelle übertreten da kam Marielle auf uns zugeflogen und gab uns jedem einen alkoholgeschwängerten Schmatzer auf die Wange. Sie trug die samtene blaue Bluse die wir gemeinsam gekauft hatten, und dazu einen kurzen eng anliegenden schwarzen Rock. Sie sah atemberaubend aus. „Wo habt ihr denn Caleb gelassen? Oder seit ihr hergetrampt?“ sie stellte sich auf die Zehenspitzen und blickte suchend über unsere Köpfe, aber bevor ich antworten konnte hatte Stanley uns bereits entdeckt. Er saß zusammen mit Jessy und einem anderen Mädchen, einer kleinen zierlichen Elfe mit weinrot gefärbtem Haar und auffällig dunkel geschminkten Augen auf einem eleganten beigen Ledersofa und hielt einen Pappbecher mit Bier in der Hand. Den stellte er jetzt vor sich auf dem Couchtisch ab und drängte sich durch die Menschenmassen bis zu uns hindurch. Er überragte die meisten Anwesenden um mehr als einen ganzen Kopf. „Hey mein Schatz, doch noch her gefunden? Ich hab schon angefangen mir Sorgen zu machen.“ Er beugte sich zu mir herunter und gab mir einen Kuss, dann wandte er sich zu Danny um und zwinkerte ihm zu. „Du bist Danny nehme ich an. Nicky schwärmt mir ständig von dir vor. Da werde ich fast ein bisschen eifersüchtig.“ Danny murmelte irgendetwas unverständliches und lief knallrot an. Ich lachte. Natürlich hatte ich Stanley von Dannys kleinen Eifersuchtsanfällen erzählt, und er hatte mir versprochen ihn mit ganz besonderen Samthandschuhen anzufassen. Auch wenn ich mir sicher war dass das mit Stanley nur eine vorübergehende Sache war, er war trotz allem ein richtiger Schatz. „Und wo ist dein gemeiner großer Bruder der euch den ganzen Spaß verderben wollte?“ „Den gehe ich jetzt mal suchen, nachher verkrümelt der sich klammheimlich und verpasst diese wundervolle Party.“ Schaltete Marielle sich ein und verschwand zwischen den immer dichter werdenden Menschengrüppchen. Stanley geleitete uns mit hinüber zu der kleinen Sofaecke, ich begrüßte Jessy mit einem Wangenküsschen, danach wurde mir die hübsche rothaarige, Sophia, vorgestellt. „Sophia ist meine Praktikantin, sie interessiert sich sehr für Piercings und Tattoos. Sie ist auch 15, genau wie du Danny, oder?“ Aha, daher wehte also der Wind. Jessy zwinkerte mit grinsend zu, und ich dirigierte Danny neben Sophia aufs Sofa. „Hi Danny. Stanley hat mir erzählt dass du auf einem Pferdehof wohnst und dass du ein eigenes Pferd hast. Ich LIEBE Pferde!“ Das war genau Dannys Thema. Während er von seiner Stute Kalypso erzählte konnte man richtig beobachten wie er langsam auftaute, und Stanley und ich rückten immer weiter aus seinem Aufmerksamkeitsbereich. Der Plan ging auf, und es war schön ihn so begeistert zu sehen. Stanley legte einen Arm um meine Schulter und flüsterte mit leise ins Ohr. „Ich wusste das die zwei sich gut verstehen werden. Sophia ist eine richtige Pferdenärrin, auch wenn sie gar nicht so aussieht. Und Danny scheint auch ein netter Kerl zu sein, da hattest du recht. Niedlich oder?“ Keine fünf Minuten später waren wir alle mit Bier oder Bowle versorgt und an Caleb verschwendete ich keinen Gedanken mehr. Und auch an sonst niemanden. Stanley und ich waren ausführlich mit einander beschäftigt, und auch Jessy hatte sich in kürzester Zeit einen Typen geangelt. „Kommt ihr mit raus eine rauchen?“ Sophia hatte ein Bein über Dannys Schoß gelegt und stupste mich mit ihrem nackten Fuß in die Seite. Ich löste mich widerwillig von Stanley und verzog das Gesicht. „Nee, also ich nicht. Ich rauche nicht.“ „Ich hab was viel besseres als eine öde Zigarette, schaut mal.“ Der Kerl neben Jessy, ein blond gelockter Jüngling mit schräg stehenden braunen Mandelaugen zupfte an seiner Hosentasche und förderte einen schon ordentlich zerknickten aber sicher noch brauchbaren Joint zu Tage. „Sascha, hier sind Kinder anwesend!“ schallt Jessy ihn, aber ihre Stimme klang eher belustigt als tadelnd. Sascha sah uns fragend an, und ich zuckte die Schultern. „Ich hab kein Problem damit, wäre nicht mein erster.“ „Meiner auch nicht.“ Stimmte Sophia mir zu. Danny blieb stumm, aber da er ebenfalls keine Widerworte gab wertete Sascha sein Schweigen wohl als Zustimmung. Mit einem kleinen neongrünen Feuerzeug zündete er den Joint an und zog zweimal kurz und kräftig, dann legte er Jessy eine Hand an die Wange und drehte ihren Kopf zu sich herum. Sie küssten sich, und er blieb ihr den Rauch direkt in den Mund. Und so ging es reihum. Als Danny an Sophia weitergab kicherte sie mädchenhaft, aber sie zierte sich nicht. Schließlich mussten wir doch alle nach draußen um frische Luft zu schnappen, ich hakte mich bei Danny ein und zog ihn kurz an mich. „Alles okay bei dir?“ Er nickte und gab mir einen Kuss auf die Wange. „Ja. Danke dass du mich mitgenommen hast.“   Die kühle Nachtluft klärte unsere leicht benebelten Köpfe. Sophia und Stanley steckten sich ihre normalen Zigaretten an und ich ließ den Blick langsam über die anderen Nachtschwärmer hier draußen wandern. Wo Caleb wo stecken mochte? Sein Ford stand jedenfalls immer noch am Straßenrand, und das beruhigte mich schon ein bisschen. „Wollen wir wieder reingehen oder soll ich uns eine Flasche Sekt für hier draußen organisieren? Drinnen wird´s jetzt immer voller.“ Jessy sah fragend in die Runde, und wir entschieden uns die Party unter freiem Himmel fortzusetzen. Im Garten fanden wir noch ein nettes freies Fleckchen im Gras und ließen die Flasche Sekt kreisen. Ich hasste Sekt, aber inzwischen war mir auch das egal. „Nicky ist schon betrunken!“ kicherte Sophia und reichte Danny die Flasche. Der warf mir einen prüfenden Blick zu und gab sie ohne selbst zu trinken weiter. „Caleb wird ganz schön sauer auf dich sein.“ Meinte er warnend, aber ich zuckte nur gleichgültig die Schultern. Ich lehnte mit dem Rücken an Stanley, sein Arm lag um meine Mitte. Mir war herrlich beschwippst zu Mute. „Caleb ist immer sauer auf mich, was macht das jetzt für einen Unterschied? Solange ich ihm nicht ins Auto kotze ist doch alles okay.“ Sophie kicherte wieder, und Jessy beugte sich neugierig nach vorn und sah mich fragend an. „Was hat der eigentlich gegen dich Nicky? Marielle erzählt mir ständig dass ihr euch streitet, und geprügelt habt ihr euch ja auch schon. Du bist doch eigentlich ein netter Kerl, oder nicht?“ Nun lag die allgemeine Aufmerksamkeit auf mir, und ich versuchte in meinem benebelten Gehirn eine passende Antwort zusammen zu flicken. Zum Glück kam Danny mir zur Hilfe. „Caleb denkt Nicky würde mich schwul machen. Deswegen streiten sie immer. Mein Bruder ist da ein bisschen komisch.“ meinte er nüchtern, und Sophie lehnte sich schnell zu ihm herüber und gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Das wäre aber schade wenn du schwul werden würdest. Dann müsste ich mir ja einen neuen niedlichen Freund mit Pferd suchen.“ Und schon war ich wieder aus dem Schneider. Nachdem wir die Sektflasche gemeinsam geleert hatten machte ich mich schwankend auf die Suche nach der Toilette, ich wollte gerade durch die Terrassentür nach drinnen gehen als ich ziemlich unsanft an der Schulter gepackt und festgehalten wurde. Das konnte nur einer sein. Niemand sonst war ohne Grund so grob zu mir. „Caleb, lass mich los, ich muss mal…ins Bad.“ Ich versuchte seine Hand abzuschütteln, aber hielt mich eisern fest. Was war denn nun schon wieder? „Du kannst unterwegs ins Gebüsch pissen, wir gehen. Wo ist Danny?“ Endlich schaffte ich es mich zu ihm umzudrehen, und mir blieb jegliches Widerwort im Halse stecken. Ich hatte Caleb ja schon oft wütend erlebt, aber diesmal war es anders. Er wirkte regelrecht gehetzt. Seine Finger bohrten sich schmerzhaft in meine Schulter, und ich verzog unwillig das Gesicht. „Aua, du tust mir weh! Danny ist draußen im Garten, bei Jessy und Stanley. Aber ich glaube nicht dass er schon gehen…“ „Das ist mir egal. Geh zum Auto, ich hole ihn und komme nach.“ Natürlich ging ich nicht zum Auto. Ich folgte Caleb hinaus in den Garten und versuchte herauszufinden was ihm so auf die Laune geschlagen war, aber er ignorierte mich einfach und steuerte zielsicher die kleine Gruppe an bei der Danny zusammen mit Sophia saß. Das würde Drama geben, da war ich mir sicher. Ohne die anderen Anwesenden auch nur eines Blickes zu würdigen wandte Caleb sich direkt an seinen kleinen Bruder. „Danny, komm, wir fahren. Steh auf.“ „Aber warum? Ich will noch nicht heim.“ Danny sah seinen Bruder überrascht an, und auch die anderen warfen Caleb verwirrte fragende Blicke zu. „Was du willst ist mir egal, ich habe gesagt wir fahren jetzt. Entweder du kommst mit oder du kannst nach Hause laufen, ist das klar?“ Calebs Stimme bebte vor Zorn, seine Hände waren zu Fäusten geballt, und ich bekam es langsam mit der Angst zu tun. Hatte er sich vielleicht Ärger eingehandelt und wollte jetzt schnell die Kurve kratzen? Zuzutrauen wäre es ihm. „Jetzt bleiben wir alle mal ganz ruhig.“ Stanley war aufgestanden  und kam auf Caleb zu, aber der fuhr sofort mit einem wütenden Knurren herum. „Ich wird dir gleich „ganz ruhig“, Schwuchtel. Ich rede mit meinem Bruder, und nicht mit dir!“ Oha, jetzt wurde er langsam ausfallend. Stanley blieb verblüfft mitten in der Bewegung stehen, die anderen starrten Caleb fassungslos an. „Was geht denn mit dem ab? Mein Vater kann Danny dann nach Hause bringen, kein Problem.“ Meldete sich Sophia zu Wort, aber ich schüttelte schnell den Kopf. Jetzt musste es schnell gehen, sonst würde die ganze Sache mit Sicherheit eskalieren. „Danke Sophia, aber ich denke wir gehen jetzt wirklich. Komm Danny, es ist schon spät. Zeit nach Hause zu fahren.“ Ich warf ihm einen eindringlichen Blick zu, und auch wenn er es sehr widerwillig tat erhob Danny sich schließlich und verabschiedete sich von Sophia. „Du rufst mich an ja?“ fragte sie hoffnungsvoll, und er nickte. Caleb hatte sich bereits wieder abgewandt und stürmte mit langen Schritten voran, ich drehte mich noch einmal zu Stanley um und küsste ihn schnell auf den Mund. „Sorry, ich ruf dich morgen an. Bis dann!“ Und dann eilte ich zusammen mit Danny seinem flüchtenden Bruder hinterher.   Die Autofahrt verlief in eisigem Schweigen, Calebs Hände waren ums Lenkrad gekrallt, er starrte stur geradeaus und fuhr eindeutig zu schnell. Aber ich hielt die Klappe, und irgendwo auf halber Strecke verstummte auch Dannys Genörgel von der Rückbank. Er schlief. Wir kamen weit nach Mitternacht auf dem Hof an; Caleb fuhr direkt bis zum Pferdestall durch und ich stieg aus kaum dass der Wagen stand. Mir schwirrte der Kopf, und Calebs rasanter Fahrstil hatte nicht gerade dazu beigetragen dass ich mich besser fühlte. „Danke fürs Fahren, gute Nacht.“ Ich schlug die Autotür hinter mir zu und machte mich auf den Weg hinüber zu meinem zu Hause, da hörte ich wie Caleb ebenfalls ausstieg.    Hatte er mir noch etwas zu sagen? Ich blieb mitten auf dem Weg stehen und sah mich fragend zu ihm um, in der Dunkelheit konnte ich seinen Gesichtsausdruck nicht einmal erahnen. „Ist noch irgendwas?“ ich versuchte möglichst nicht genervt zu klingen, aber es gelang wir wohl nicht ganz. Caleb war mit wenigen Schritten bei mir, er starrte mich einen Moment unschlüssig an, dann packte er mich plötzlich an der Hüfte und zog mich zu sich heran. Und diesmal war unser Kuss eindeutig keine flüchtige Angelegenheit. Ich spürte wie meine Knie weich wurden, mein Herz raste, und mir wurde so heiß als ständen wir mitten unter der unbarmherzigen Sommersonne. Das war ganz anders als Stanley zu küssen. Bei ihm hatte diese Geste etwas routiniertes, wie ein Händeschütteln, aber das hier… Calebs Kuss war atemberaubend, aber er hatte auch etwas verzweifeltes. Der Griff mit dem er mich festhielt war beinahe schmerzhaft, und er ließ mir kaum genug Zeit zum Luftholen. Erst als Leo uns bemerkte und anfing zu bellen löste Caleb sich von mir, sein Blick war unergründlich. Ich wollte etwas sagen, aber er schüttelte schnell den Kopf. „Kein Ton, okay?“ Ich knurrte frustriert. „Also willst du es wieder totschweigen.“ „Fürs erste, ja. Lass mich nachdenken, dann reden wir.“ Und damit drehte er sich einfach um und ließ er mich stehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)