Eine Geschichte mit, aber nicht über Pferde von aceri ((weil die Autorin keine Ahnung von diesen Tieren hat)) ================================================================================ Kapitel 4: #04 -------------- Tatsächlich ließen Lilly und mein Vater mich bis zum Mittag in Ruhe, ich schwitzte mich in meiner stickigen Dachkammer fast zu Tode, dann nahm ich zwei Aspirin mit einem Glas Wasser und setzte mich blass wie der Tod an den Esstisch. Ich bekam keinen Bissen runter. Lilly versuchte mich aufzumuntern, sie bot sich sogar an mir extra eine leicht verträgliche Suppe zu kochen, aber ich lehnte dankend ab. Mein Vater durchbohrte mich mit tadelnden Blicken, und ich kam mir ziemlich klein und jämmerlich vor. Ich hatte mich besoffen und wieder mit meinem Ex herumgemacht, es war ein Wunder dass ich nicht auch noch Drogen genommen und mich von ihm im Pferdestall hatte...okay, genug davon, mir wurde schon wieder schlecht. Der Sack mit den leeren Bierflaschen war verschwunden, aber die beiden Gartenliegen standen noch an Ort und Stelle. Ich ließ mich auf einer davon nieder und vergrub das Gesicht in den Händen. Heute trug ich nur eine kurze zerknitterte schwarze Shorts und ein ärmelloses dunkelblaues Shirt, wenn man genau hinsah konnte man sogar noch die Blutergüsse erahnen die Abyss mir gleichzeitig mit den Bissspuren verpasst hatte. Ich war wirklich eine Jammergestalt. Aber immerhin begannen die Aspirin endlich zu wirken. Keine Ahnung wie lange ich so trübselig vor mich hinstarrte, plötzlich schlug Leo vor seiner Hundehütte an, und als ich den Kopf hob sah ich Danny über den Hof auf mich zu eilen. Er strahlte, und war bis auf eine knallig grüne Badehose komplett nackt. „Nicky! Hey! Wir wollen zum See reiten, ein bisschen schwimmen gehen! Kommst du mit? Bitte bitte! Das wird super toll! Caleb holt schon die Pferde, du MUSST einfach mitkommen!“ So viel gute Laune, und das bei 33 Grad im Schatten. Ich stöhnte leise, dann fuhr ich mir durch mein verschwitztes ungekämmtes Haar und zwang ein einigermaßen fröhliches Lächeln auf meine Lippen. Nichts würde ich jetzt lieber tun als mich auf ein Pferd zu schwingen und mit meinem neuesten Erzfeind in einem brackigen alten Tümpel schwimmen gehen. Das waren doch tolle Aussichten. Nicht. „Danny, sorry, aber mir geht’s heut nicht so gut...vielleicht ein Andermal?“ versuchte ich mein Glück, und spürte sofort einen Stich schlechten Gewissens als ich Dannys enttäuschte Miene sah. Der kleine tat mir Leid, aber mir war wirklich nicht nach Schwimmen zu Mute. Vielleicht wäre ich mit meiner Ausrede sogar durchgekommen, aber da trat Caleb auf den Plan. Natürlich hatte er meine Worte gehört, das sagte mir schon das gehässige kleine Lächeln auf seinem Gesicht. Was, wollte er sich nun auch noch an meinem Leiden ergötzen? „Lass ihn, Danny. Nick hat gestern wohl ein bisschen zu heftig gefeiert. Wir nehmen ihn einfach ein andermal mit, dann wenn er nicht so...hinüber ist.“ Calebs Stimme troff vor Hohn, und ich funkelte ihn wütend an. War ja klar dass er mir nach der Sache gestern noch eins reinwürgen würde. Aber nun war mein Kampfgeist geweckt. Als ob ich vor diesem selbstherrlichen Kerl den verkaterten Suffi geben würde. Da hatte er sich aber geschnitten. „Alles gut Danny, ich denke ich komme doch mit. Ich hole nur schnell meine Badehose, dann kann es losgehen.“ ich warf Caleb einen triumphierenden Blick zu, dann erhob ich mich von der Gartenliege und wäre fast der Länge lang im Gras gelandet. Okay, vielleicht war ich doch noch nicht so fit wie ich dachte. Mein Kopf schwirrte, und Caleb bekam mich gerade noch so am Arm zu fassen. „Lass mich los, mir geht es gut!“ knurrte ich ihn unangebracht unhöflich an, dann riss ich mich los und stapfte in Richtung Haus davon. Ich schlüpfte schnell in meine Badehose, zog mir ein ausgewaschenes graues T-Shirt über den Kopf, und schnappte mir im Bad mein größtes Handtuch sowie eine weiteres Aspirin. Das Handtuch stopfte ich zusammen mit einer Flasche Wasser in einen von Lillys Stoffbeutel, und schon war ich bereit zum Aufbruch. Mir war zwar immer noch ein bisschen übel, aber das würde sich schon geben. Spätestens wenn ich in den Sattel klettern musste, hoffte ich. Als ich zurück auf den Hof trat hatten Caleb und Danny die Pferde bereits vor dem Stall angebunden, Teddy nickte vorfreudig mit dem Kopf und ließ sich kaum aufzäumen. Er sprühte praktisch vor Tatendrang. „Kann ich was helfen?“ fragte ich höflich, aber wenig motiviert. Danny, der den unruhigen Teddy endlich am Schopf gepackt bekam grinste mich breit an. „Nee, ich hab´s gleich. Guck, der freut sich weil du mitkommst.“ Wie zur Bekräftigung trampelte das wuschelige Pony mit den Hufen und wäre Danny fast auf die nackten Zehen getreten. „Wo sind denn die Sättel?“ ich sah mich suchend um, und Caleb warf mir einen schadenfrohen Blick zu. Der Idiot. „Wir reiten ohne, es ist sonst zu heiß. Oder traust du dir das etwa nicht zu?“ Natürlich tat ich das nicht, aber das würde ich ums Verrecken nicht zugeben. Ich vertraute einfach darauf dass Teddy mich genauso sympathisch fand wie ich ihn, und er mich deswegen hoffentlich nicht sofort abwarf. Und das die dritte Aspirin endlich wirkte. „Ich kann dir einen Sattel holen wenn du möchtest.“ bot Danny sofort an als er mein Zögern bemerkte, aber ich winkte betont lässig ab. Diese Blöße würde ich mir vor Caleb garantiert nicht geben. Stattdessen tätschelte ich Teddy kurz den Rücken (der sich übrigens auf meiner Augenhöhe befand, keine Ahnung wie ich ohne Steigbügel da rauf kommen sollte) und schüttelte noch einmal bekräftigend den Kopf. „Nee, lass mal, ich kann auch ohne. Teddy ist ja ein netter. Der wird mich schon nicht abwerfen.“ Danny musterte mich noch einmal zweifelnd, dann kehrte das breites Grinsen auf sein Gesicht zurück und er zog dem gefleckten Pony die Zügel über den Hals. „Teddy hat noch nie jemanden abgeworfen, er ist unser bravster, nicht wahr?“ er rubbelte dem Pferd einmal kräftig durchs Fell, dann überließ Danny mir das Feld und ging hinüber zu seinem eigenen. Das war bereits aufgezäumt, genau wie Calebs Hengst. Ohne zu zögern packte Danny mit beiden Händen fest in die Mähne seiner schwarzbraunen Stute und schwang sich problemlos und äußerst elegant auf ihren Rücken. Ich war verloren. Caleb sah mich herausfordernd an, am liebsten hätte ich ihm dieses selbstgefällige Grinsen vom Gesicht gewischt. Aber schließlich erbarmte er sich und kam zu mir herüber. „Komm ich helf dir, oder willst du lieber eine Leiter haben?“ sein Grinsen wurde noch eine Spur gehässiger, und ich beließ es bei einem unbestimmten Schnauben da eine verbale Antwort sicher um einigen unfreundlicher ausgefallen wäre. Mit Calebs Hilfe und seinen zu einem improvisierten Steigbügel verschränkten Händen schaffte ich es schließlich auch ohne Sattel auf Teddys Rücken, und dann konnten wir endlich los. Ich saß erst zum zweiten Mal in meinem Leben auf einem Pferd, aber Teddy machte seinem Namen zum Glück alle Ehre. Er zockelte brav und ohne zu Mucken hinter Calebs und Dannys Pferden her; ich musste praktisch nur die Zügel festhalten und mich darauf konzentrieren nicht herunter zu fallen. Und nicht zu kotzen.   Wir folgten der Zufahrtstraße unserer Häuser hinunter bis zur Hauptstraße, und von dort ging es nach wenigen Metern hinein in den direkt angrenzenden Wald. Ich war dankbar für den Schatten der dichten Laubbäume, die Sonne brannte mit gefühlt 300 Grad auf mich herab, und ich konnte den Sonnenbrand auf Schultern und Nacken bereits spüren. In meinem alten Leben hätte ich jetzt unter einem Sonnenschirm im Freibad gelegen und ein kühles Bier getrunken (oder mich in Ruhe ausgenüchtert), aber nein, stattdessen hockte ich auf dem Rücken eines zugegebenermaßen erfreulich braven Ponys und folgte einem Kerl der mich kein bisschen leiden konnte in die Tiefen eines mückenverseuchten Waldes zu einem höchstwahrscheinlich pisswarmen und vor Algen und anderen unangenehmen Dingen wimmelnden Tümpel. Aber ich tat es Danny zu Liebe; und weil ich kein Weichei sein wollte. Nun wirkte endlich auch das letzte Aspirin, ich spürte nur noch einen fast schon angenehmen Schwindel im Kopf, die Übelkeit war fast komplett verschwunden. Danny drehte sich immer wieder mit strahlenden Augen zu mir um und unterhielt mich mit lustigen Anekdoten über Teddy und seiner eigenen Stute Kalypso. Er schien wirklich froh zu sein dass ich mit von der Partie war; was vielleicht auch kein Wunder war, immerhin wäre die Alternative ein Ausflug ganz allein mit seinem griesgrämigen Bruder gewesen. Der starrte den gesamten Weg stur geradeaus und schenkte uns keinerlei Beachtung.   Der Tümpel entpuppte sich schließlich als erstaunlich klarer und weitläufiger See inmitten einer mit Moos und anderen kurzen Sträuchern bewachsenen Lichtung. Das grelle Sonnenlicht wurde durch die dicht belaubten Bäume zu einem angenehmen Zwielicht gedämpft, nur in der Mitte des Teiches glitzerte es und warf hübsche Spiegelungen auf die flachen vom sanften Wind ausgelösten Wellen. Es war wirklich traumhaft. Caleb und Danny brachten ihre Pferde am Rande der Lichtung zum Stehen und schwangen sich von ihren Rücken, nur Teddy´s Geduld schien beim Anblick des erfrischenden Nasses endgültig aufgebraucht zu sein. Ohne auf mein Protestgeschrei zu achten galoppierte mein bis eben noch so artiges Pony in die lockenden Fluten und ich hatte alle Hände voll zu tun um nicht von seinem Rücken zu fallen. Schließlich blieb es doch noch stehen, und ich schnappte zitternd nach Luft. „Nick! Alles in Ordnung?“ Danny stand erschrocken am Ufer, sein Gesicht zeigte ehrliche Bestürzung, aber ich hatte mich inzwischen wieder einigermaßen gefangen. Das Wasser reichte Teddy nur bis knapp über die Knie; er scharrte fröhlich im matschigen Schlick und steckte prustend die Nüstern in die Wellen. Immerhin, ich saß noch oben. Punkt für mich. Oder? „Alles okay! Kannst du mein Shirt und meinen Beutel fangen? Dann komm ich gar nicht erst raus.“ Ich wollte jetzt um alles in der Welt Haltung bewahren, auch wenn mir der Schreck immer noch in den Knochen saß. Schnell zog ich mir mein T-Shirt und den Beutel über den Kopf und warf beides Richtung Ufer. Danny war mir ein Stück entgegen gekommen, er fing die Sachen geschickt aus der Luft  und brachte sie ins Trockene. Ich rutschte langsam von Teddys Rücken und ließ mich neben ihm ins Wasser gleiten, es war kalt, aber wunderbar erfrischend. Gänsehaut bildete sich auf meinem Körper und ich rieb mir kurz über die Arme. Teddy schien meine Anwesenheit als Aufforderung für ein gemeinsames Spiel zu sehen, er stupste mir mit seinen feuchtkalten Nüstern gegen die Schulter, und ich tat ihm den Gefallen. Ich war dem übermütigen Pony längst nicht mehr böse. Während wir uns gegenseitig mit Wasser bespritzten und laut prustend um einander herumsprangen führte Danny die beiden anderen Pferde ins flache Uferwasser, und als ich einen kurzen Blick in Calebs Richtung warf musste ich zu meiner Verblüffung feststellen dass er eine erstaunlich professionell aussehende Kamera in Händen hielt. Ich hatte nicht bemerkt dass er Fotos von uns machte. Nach zehn Minuten hatte Teddy endlich genug von der Toberei und gesellte sich zu seinen beiden Artgenossen die friedlich bis zu den Fesseln im See standen und mit den Nüstern im Wasser wühlten. Ich war inzwischen ordentlich durchgefroren und außer Atem, aber ich schwamm noch ein paar Runden mit Danny bevor ich mich schließlich zu meinem Handtuch schleppte. Es lag bereits sorgfältig ausgebreitet neben denen von Caleb und seinem kleinen Bruder, mein Shirt und mein Beutel waren ebenfalls da. Ich zog die Wasserflasche heraus und nahm einen kräftigen Schluck, dann wischte ich mir das tropfnasse Haar aus der Stirn. Das kalte Wasser hatte auch noch den Rest meines Katers vertrieben, ich fühlte mich fast wie neu. Ich wandte mich zu Caleb um, der lag bäuchlings und völlig trocken auf seinem Handtuch und betrachtete die geschossenen Fotos. „Hast du Bilder von mir gemacht?“ ich drehte die Flasche wieder zu und warf sie achtlos neben mich ins Gras, und Caleb nickte ohne mich dabei anzusehen. „Ja, von dir und Teddy. Willst du sie sehen?“ Oh, plötzlich so freundlich? Ich rutschte zu ihm hinüber und legte mich ebenfalls bäuchlings auf Dannys Handtuch, unsere Schultern berührten sich, aber Caleb machte keine Anstalten von mir abzurücken. Das war seltsam, aber ich befahl mir nicht weiter darüber nachzudenken. Ich nahm Caleb schnell die Kamera aus der Hand und klickte mich durch die Aufnahmen. Sie waren verblüffend gut. Die meisten zeigten Teddy und mich im Wasser, sie strotzten geradezu vor Kraft und Lebensfreude. Glitzernde Wassertropfen hüllten uns ein wie feiner Nebel, die Sonne malte geheimnisvolle Schatten auf unsere Körper. Es gab kein einziges was mir nicht gefiel. „Die sind richtig gut.“ Ich gab Caleb die Kamera zurück und sah ihn ehrlich bewundernd an, aber der zuckte nur gleichgültig mit den Schultern und legte sie einfach beiseite. „Danke, liegt am Motiv.“ Ich wollte gerade nachfragen was genau er damit meinte als Danny plötzlich hinter uns auftauchte und sein tropfnasses Haar über uns ausschüttelte. Laut schimpfend fuhren Caleb und ich in die Höhe und jagten den vor Lachen kreischenden Danny wieder zurück in den See, und dann lieferten wir uns zu dritt eine wilde und erbarmungslose Wasserschlacht.   Es war als hätte Caleb für diesen einen Nachmittag vergessen dass er mich eigentlich nicht ausstehend konnte; seine grummelige Laune löste sich praktisch in Luft auf während wir gemeinsam durchs Wasser tobten, er verbündete sich sogar mit mir gegen Danny dem wir seine hinterhältige Attacke ordentlich heimzahlten. Und als dieser mich mit einer Hand voller Schlamm einseifen wollte packte Caleb mich kurzerhand um die Hüfte und hielt mich fest; sein vom kalten Wasser eisiger Körper so nah an meinem war etwas das ich trotz der ausgelassenen Stimmung nur schwer ertragen konnte. Zum Glück ließ er mich direkt wieder los nachdem Danny seine fiese Tat vollendet hatte, und ich tauchte so schnell ich konnte von beiden weg in Sicherheit.   Wir blieben bis zum späten Nachmittag, erst als die Mücken immer aufdringlicher wurden und die Sonne langsam über dem See verschwand packten wir unsere Sachen zusammen und machten uns an den Heimweg. Diesmal half Caleb mir ohne einen hämischen Kommentar auf Teddys Rücken, wahrscheinlich war er einfach zu ko um wieder auf mir herum zu hacken. Den Rückweg verbrachte ich deutlich angespannter als den Hinweg, immerhin hatte mein Knuddelteddy mir ziemlich eindrucksvoll gezeigt dass ich ihm Falle eines Falles nichts entgegen zu setzen hatte. Aber er blieb brav, und als wir schließlich den Hof erreichten war er mindestens genauso kaputt wie wir anderen. Unter Dannys Anweisungen nahm ich Teddy die Zügel ab und legte sie ordentlich zusammen, dann spritzten wir die nach See und Algen riechenden Pferde grob mit einem Gartenschlauch ab und brachten sie für den Rest des Tages auf die Koppel. Ich hatte Sonnenbrand auf Schultern und Rücken, meine Oberschenkel schmerzten, und mein Magen hing mir praktisch in den Kniekehlen. Bis auf Wasser und ein paar Kekse hatte ich seit dem Morgen nichts mehr gegessen, und ich hoffte dass Lilly und mein Vater bereits fürs Abendessen eingekauft hatten. Ansonsten würde ich höchstwahrscheinlich elendig verhungern. Caleb war irgendwann grußlos Richtung Haupthaus verschwunden, und Danny versuchte mich noch für eine Abendrunde mit Leo zu überreden. Aber ich war viel zu fertig. Ich wollte nur noch unter die Dusche und dann aufs Sofa, und erst wieder aufstehen wenn es Abendessen gab. Der Muskelkater war praktisch vorprogrammiert. Danny überwand seine Enttäuschung darüber dass er allein würde gehen müssen schnell, er winkte mir bereits wieder fröhlich zu als er mit dem um ihn herum springenden Leo den Hof verließ. Ich duschte, zog mir frische Sachen an, und setzte mich dann im Wohnzimmer vor den Fernseher bis Lilly und mein Vater endlich eingetrudelt kamen. Nach unserem Ausflug zum See schien offensichtlich so etwas wie ein Waffenstillstand zu herrschen; Caleb ignorierte mich zwar zum größten Teil immer noch, aber er grüßte ab und an, und er verkniff sich jeden verbalen Seitenhieb oder herablassenden Kommentar. Er gab mir einmal sogar eine Reitstunde nachdem Danny spontan von einem Schulfreund zu einer Radtour abgeholt worden war. Und auch ich riss mich am Riemen. Ich trank weder in aller Öffentlichkeit Alkohol (ich hätte eh nichts mehr gehabt nachdem Caleb meinen Whiskey konfisziert hatte) noch schenkte ich Danny irgendwelche geschmacklosen Anziehsachen. Oder machte mit einem abgeranzten Punk auf der Gartenliege herum. Mein Vater konnte wirklich stolz auf mich sein. Deswegen freute ich mich auch wirklich als Danny mich auf einen Ausflug in die nächstgrößere Stadt einlud. Er wollte ins Kino, zu irgend so einem neuen Actionstreifen, und Caleb würde uns fahren. Ich war eigentlich nicht scharf auf Kino, und schon gar nicht auf Actionfilme, aber ein bisschen Abwechslung würde mir sicher gut tun. Die Sommerferien waren noch lang, und bis jetzt hatte ich nichts weiter außer kilometerweise Autobahnen und den Hof mit dem angrenzenden Wald und dem See kennen gelernt. Mir war langweilig. Und ich war neugierig wie wohl das Stadtleben hier aussah. Danny holte mich gegen sechs Uhr ab, er trug wie immer Alex´ehemaliges Punkshirt und weite schwarze Cargoshorts, und ausnahmsweise sogar einmal Schuhe. Ich verabschiedete mich von Lilly und meinem Vater, versprach anständig zu bleiben, und stieg danach zu Caleb ins Auto. Dafür dass der Ford Escort schon so einige Kilometer auf dem Buckel hatte war er erstaunlich gut gepflegt, ich konnte kaum einen Fleck oder andere Gebrauchsspuren erkennen. Natürlich stand die Ausstattung in keinem Verhältnis zu der im Volvo meines Vaters, aber sie war okay. Es gab sogar eine Klimaanlage. Ich lehnte mich auf dem Beifahrersitz zurück und blickte aus dem Fenster. Wir verbrachten die gesamte Fahrt schweigend, zumindest Caleb und ich. Danny plapperte ununterbrochen vom Rücksitz aus, aber durch den lauten Motor des Escorts verstand ich eh nur die Hälfte. Als wir schließlich vor dem Kino parkten war ich fast eingenickt. Die Sonne und die ungewohnte körperliche Arbeit auf dem Hof machte mich erstaunlich müde. Die Stadt durfte sich übrigens kaum als so eine schimpfen; es gab das von Lilly bereits erwähnte Einkaufszentrum, ein paar größere Firmengebäude, eine Hochhaussiedlung (die deutlich netter und ungefährlicher aussah als die in der ich gewohnt hatte), und noch ein paar kleinere, bereits geschlossene Geschäfte. Es war nett, aber ziemlich unspektakulär. Ich gähnte, dann rieb ich mir mit beiden Fäusten über die müden Augen und stieg schließlich aus. Danny hüpfte bereits in Richtung Kinopforte, und ich wartete auf Caleb der seinen Rucksack aus dem Kofferraum holte und danach das Auto abschloss. „Na, auch so aufgeregt?“ er nickte in Richtung des davoneilenden Dannys, und ich schüttelte grinsend den Kopf. „Nee, ich bin nicht so der Actionfilm-Fan.“ Caleb schulterte seinen Rucksack und wühlte in seiner Hosentasche nach Kleingeld. „Was guckst du denn stattdessen?“ „Pornos.“ Autsch. Falsche Antwort. Caleb wandte mir ruckartig den Kopf zu, aber zu meiner Überraschung kam kein weiterer abfälliger Kommentar. Stattdessen grinste er. „Du kannst es nicht lassen, oder? Was läuft nur falsch bei dir?“ er seufzte gespielt ergeben auf, und ich schob trotzig die Unterlippe vor. „Gar nichts, was gibst du mir auch immer solche Vorlagen? Du bist selber Schuld.“ knurrte ich, und Caleb schüttelte den Kopf. „Das war keine Vorlage, du bist einfach nur unglaublich verdorben. Hoffentlich ist das nicht ansteckend.“ Er warf mir einen spöttischen Blick zu, aber zum ersten Mal schwang in seinen Worten kein versteckter Vorwurf mit. Das war so ungewohnt dass ich einen Moment nichts zu erwidern wusste. Aber zum Glück nahm Danny mir die Entscheidung über eine Antwort ab. „Kommt ihr jetzt? Der Film fängt gleich an, und ich will noch Popcorn haben! Und Cola!“ Er sah uns vorwurfsvoll an, und Caleb und ich beeilten uns ins Kino zu kommen. Der Film war gar nicht so übel wie ich befürchtet hatte, und da Danny mit seinem Jumbo-Eimer Popcorn genau zwischen Caleb und mir saß konnte ich mich außerdem mit Essen munter halten. Fast zwei Stunden dauerte die Vorstellung, und als wir schließlich aus der Dunkelheit des Kinosaales nach draußen stolperten war die Sonne bereits untergegangen. Und außer den Kinobesuchern kaum noch einer auf der Straße. „Hier klappt man ja zeitig die Bürgersteige hoch.“ stellte ich naserümpfend fest als wir zu Calebs Auto schlenderten. Danny hüpfte wieder voraus, er war im Gegensatz zu mir noch immer voller Tatendrang. „Wir sind hier mitten auf dem Land, was erwartest du?“ Ich wollte gerade etwas erwidern, da hörte ich die verdächtigen Geräusche aus einer unbeleuchteten Nebengasse. Mir war sofort klar was da vor sich ging. Dafür war ich einfach viel zu sehr Ghettokind. Ohne auf Caleb oder Danny zu warten bog ich in die Seitengasse ein, und meine Intuition wurde natürlich direkt belohnt. Bereits aus diversen Gesichtsverletzungen blutend, an die Wand gedrängt und halb zusammengekrümmt, hockte da ein Typ Marke Sunnyboy im Dreck, umgeben von zwei deutlich größeren und eindeutig unfreundlicher aussehenden Hohlbirnen. „Hey!“ Die beiden fuhren sofort zu mir herum, und auf ihren Gesichtern lag pure Gewaltbereitschaft. Sie ließen sofort von ihrem eigentlichen Opfer ab und kamen mit geballten Fäusten auf mich zu. In einer hielten sie Handy und Geldbörse des Schönlings. „Na wen haben wir denn da? Eine kleine Schwuchtel die den Helden spielen will. Dafür kommst du leider zu spät, aber für dich haben wir sicher auch noch Zeit.“ sie bleckten mordlüstern die Zähne, und mir wurde für einen Moment flau im Magen. Ich hatte mich schon mehr als einmal geprügelt, daran kam man gar nicht vorbei wenn man in einer Gegend wie der meinen gelebt hatte, aber bis jetzt hatte ich immer Rückendeckung gehabt. Und hier war nur Mr. Sunnyboy, und der sah nicht gerade so aus als würde er mir gleich zur Hilfe kommen. „Gibt´s ein Problem?“ Caleb. Er war so plötzlich hinter mir aufgetaucht dass ich erschrocken zusammen fuhr, aber ich hatte mich fast sofort wieder im Griff. Ganz so allein war ich anscheinend doch nicht. Ich warf Caleb einen fragenden Seitenblick zu, und er nickte unmerklich. Auf in den Kampf. Die beiden bulligen Typen zögerten, nun waren sie nicht mehr in der Überzahl, und zu ihrem Pech begann sich nun auch Opfer Nummer eins wieder zu regen. Vielleicht wäre es trotzdem zu einer Prügelei gekommen, die Typen saßen schließlich in der Falle, aber da wurden Stimmen laut, und plötzlich standen noch mehr Leute am Eingang der Seitengasse. Unterstützung für Sunnyboy. „Colin, Scheiße, alles okay?“ Offensichtlich nicht, aber das war nun auch egal. Die zwei Prügeltypen ergriffen im plötzlich entstehenden Trubel die Flucht, aber nicht bevor Caleb ihnen noch Handy und Geldbeutel ihres Opfers abgenommen hatte. Dieses wurde jetzt von seinen besorgten Kumpels umringt, und ich kam mir ziemlich überflüssig vor. Und wo war eigentlich Danny? „Ey, du, dich kenn ich doch! Du gehst auf meine Schule, hab ich Recht?“ einer der Sunnyboys kam auf uns zu und nahm Caleb die Wertsachen aus der Hand. Er musterte ihn fragend, und Caleb nickte widerstrebend. Anscheinend gefiel es ihm überhaupt nicht so im Mittelpunkt zu stehen. „Du bist Caleb! Du wohnst auf dem Ponyhof! Und wer ist das da?“ Der neugierige Typ schielte an Caleb vorbei, und nun stand ich im Kreise der Aufmerksamkeit. Inzwischen hatte sich auch Colin wieder berappelt, und er und die anderen drei Gestalten kamen jetzt zu uns herüber. „Der kleine da hat die Idioten von mir abgelenkt. Die hätten ihn fast auch noch verprügelt!“ meinte Colin und wischte sich mit dem Handrücken über die blutige Lippe. Er sah echt nicht gut aus. Der Kerl der uns angesprochen hatte zog überrascht die Augenbrauen hoch, dann klopfte er mir kameradschaftlich auf die Schulter. Aua. „Echt? Hast du Todessehnsucht oder was? Die waren doch viel größer als du. Die hätten Hackfleisch aus dir gemacht! Du bist echt verrückt.“ er lachte, und ich schaute betreten zu Boden. Das war ja schon fast peinlich. Bevor die Szene noch unangenehmer werden konnte kam Danny uns glücklicherweise zur Hilfe. „Caleb? Nicky? Seit ihr hier? Ich hab am Auto gewartet, aber ihr kamt einfach nicht...“ er schaute vorsichtig in die dunkle Seitengasse und blieb überrascht stehen als er die Menschenansammlung entdeckte. „Äh, alles okay?“ Caleb hatte sich als erster wieder gefasst, er legte mir eine Hand auf den Arm und dirigierte mich in Dannys Richtung. „Alles okay, es gab nur einen kleinen...Zwischenfall. Wir kommen jetzt, geh schon mal zum Auto. Wir sagen nur noch schnell auf Wiedersehen.“ seine Stimmte hatte einen strengen Unterton, und auch wenn Danny offensichtlich noch tausend Fragen auf der Zunge brannten drehte er sich auf widerstrebend auf dem Absatz um und ging betont langsam wieder zurück zum Auto. „Also dann, auf Wiedersehen. Und gute Besserung.“ Caleb nickte den Jungs zu, dann verstärkte er seinen Griff an meinem Arm und zog mich praktisch hinter sich her aus der Gasse. „Hey, wartet mal!“ Der Typ der uns so gelöchert hatte kam uns schnellen Schrittes hinterher und versperrte Caleb kurzerhand den Weg. Der runzelte verärgert die Stirn, aber der andere ließ sich davon überhaupt nicht beeindrucken. Er grinste sogar. „Wie können wir uns bei euch bedanken? Ihr habt Colin praktisch den Arsch gerettet, das ist mindestens ein Bier wert. Also, wie sieht es aus?“ er sah uns auffordernd an, aber Caleb schüttelte den Kopf. War ja klar gewesen. Dieser Spielverderber. „Danke, aber wir können nicht. Wir müssen meinen kleinen Bruder heimbringen, und Nick ist außerdem Alkoholiker. Der darf nichts trinken.“ Ich starrte Caleb fassungslos an, und auch unser neuer Freund schien es einen Moment die Sprache verschlagen zu haben. Dann kehrte das Grinsen auf sein Gesicht zurück, und nun klopfte er Caleb auf die Schulter. Er hatte den Witz verstanden. Oder wollte es zumindest als einen verstehen. Wie auch immer. „Du bist witziger als ich dachte. Gefällt mir. Wir trinken ein Bier zusammen, wenn nicht heute, dann ein andermal. Also, man sieht sich. Bis dahin!“ Die Typen zogen fröhlich winkend ab, und Caleb und ich schlossen zu Danny auf der bereits an der Beifahrertür des Ford Escorts lehnte und ungeduldig auf uns wartete. „Wer waren die? Waren das nicht Hunter und seine Sportlerkumpels? Warum war der eine von denen so blutig im Gesicht? Hast du ihn verprügelt?“ Ohne seinen kleinen Bruder auch nur eines Blickes zu würdigen schloss Caleb sein Auto auf und setzte sich hinter das Steuer. Er startete den Motor. Danny sah mich verwirrt an, aber ich zuckte nur mit den Schultern und bedeutete ihm einzusteigen. Ich war immer noch verstimmt wegen des Kommentares den Caleb über mich abgelassen hatte; ich war kein Alkoholiker, verdammt! Mit wütend vor der Brust verschränkten Armen ließ ich mich auf den Beifahrersitz fallen und starrte stur zur Windschutzscheibe hinaus. „Schnall dich an. Ich will nicht schon wieder wegen dir Ärger bekommen.“ knurrte Caleb mich an, und ich stieß ein zorniges Schnauben aus. „Du hättest dich ja nicht einmischen brauchen. Aber danke dass du dich um meine Sicherheit sorgst.“ giftete ich zurück, schnallte mich aber trotzdem an. Und schon waren wir wieder auf Anfang. Herzlichen Glückwunsch. Caleb lenkte den Ford aus der Parklücke und beschleunigte auf ein ungesundes Tempo kaum dass wir das Ortsschild hinter uns gelassen hatten. Zum Glück hatte ich mich wirklich angeschnallt. „Natürlich musste ich mich einmischen, die hätten Kleinholz aus dir gemacht. Warum bist du dem Kerl überhaupt zur Hilfe gekommen? Das war unglaublich dumm von dir!“ fuhr Caleb unbeirrt fort, und ich wurde auf meinem Platz immer wütender. Jetzt musste ich mir also auch noch vorwerfen lassen dass ich jemandem den Hintern gerettete hatte; da war ich einmal kein Feigling, und es wurde mir trotzdem aufs Butterbrot geschmiert. Womit hatte ich das eigentlich verdient? „Die hätten mich schon nicht umgebracht, also krieg dich mal wieder ein. Und ich bin diesem Colin zur Hilfe gekommen weil er meine Hilfe brauchte, was soll eigentlich diese dumme Frage? Bist du so ein großes Arschloch dass du ihn einfach seinem Schicksal überlassen hättest?“ „Colin? Ist das nicht der Junge der dich in der Schule immer ärgert?“ kam es plötzlich von der Rückbank, und Caleb stieß zischend die Luft aus. Oha. Daher wehte also der Wind. Da hatte ich doch ganz offensichtlich Calebs Mobber davor bewahrt ausgeraubt und vielleicht noch weiter verprügelt zu werden. Ich war wirklich ein Held. Den Rest der Fahrt verbrachten wir schweigend, selbst Danny hielt die Klappe, und als wir auf dem Hof einbogen ließ Caleb uns nachdem er schräg vor dem Pferdestall geparkt hatte einfach im unabgeschlossenen Auto sitzen und stürmte mit wütenden Schritten hinüber zum Haupthaus. „Der ist ganz schön sauer.“ Ich hielt Danny die Tür auf und wartete bis er ausgestiegen war. Inzwischen war es stockdunkel, und das obwohl Caleb zum Schluss wirklich halsbrecherisch gerast war. Mir war immer noch ein bisschen flau im Magen von seinen Fahrkünsten. Danny wirkte zum ersten Mal seit ich in kannte ernsthaft bedrückt, er sah seinem Bruder hinterher, dann wandte er sich zu mir um. Das Auto ließen wir offen. „Ist ja nicht deine Schuld, du wusstet ja nicht dass Colin so ein Idiot ist. Du wolltest nur helfen. Und du warst so mutig! Hattest du gar keine Angst?“ nun lag schon wieder so etwas wie Bewunderung in seiner Stimme, und ich zuckte verlegen die Schultern. „Es war gar nicht so mutig, eher ziemlich dumm. Caleb hat Recht, die hätten mich fertig gemacht und wären dann mit Colins Zeug abgehauen. Eigentlich war dein Bruder der Held, und nicht ich.“ gab ich bescheiden zu, aber Danny ließ sich nicht von seiner Meinung abbringen. Für ihn war ich der Retter der Stunde, auch wenn ich Caleb mit dieser Aktion ausversehen mordswütend gemacht hatte. Und uns den Abend verdorben hatte. Danny schien das allerdings überhaupt nicht zu stören; anstatt seinem Bruder zu folgen und nach Hause zu gehen folgte er mir hinüber zu Haupthaus, und er plapperte schon wieder als müsste er sein Schweigen auf der Rückfahrt dreifach wieder wett machen. „Du bist so anders als meine anderen Freunde, weißt du das? Du hast überhaupt gar keine Angst, und du trinkst Alkohol. Und einen Freund hattest du auch schon! Also ich meine J., nicht Alex. Den will ich übrigens unbedingt noch kennen lernen! Ist er ein Punk? Caleb hat gesagt du gibst dich nur mit Punks und anderem...ähm, „Gesocks“ ab, heißt das so? Tut mir Leid, ich will dich nicht beleidigen.“ Danny zog eine niedliche Schnute, und dich lachte. Dann legte ich ihm einen Arm um die Schultern und schlenderte mit ihm über den Hof in Richtung meines neuen zu Hauses. Im Wohnzimmer brannte noch Licht, ansonsten war alles dunkel. Wie spät war es überhaupt? Ich hatte gar kein Zeitgefühl mehr. „Du beleidigst mich nicht, keine Sorge. Und ja, Alex ist ein Punk. Aber ein netter. Er hat grüne Haare und viele abgefahrene Klamotten, und er raucht wie nichts gutes. Aber er ist mein bester Kumpel, neben dir, natürlich.“ ich grinste Danny an, und er grinste selig zurück. Seine gute Laune war auf jeden Fall wieder hergestellt. Wir verscheuchten meinen Vater und Lilly aus dem Wohnzimmer die uns erstaunlich bereitwillig den Fernseher überließen und schoben uns einen Horrorfilm in den DVD-Player. Mein Vater war sonst eher konservativ, aber diese abartigen Streifen liebte er. Genauso wie ich. Danny starrte gebannt auf den Bildschirm, ich hatte extra etwas mit passender Jugendfreigabe ausgewählt, trotzdem war der Film echt heftig. Als es zu der zwingend notwendig scheinenden romantischen Szene zwischen den Hauptprotagonisten kam sah Danny mich plötzlich forschend von der Seite an. „Ich hab noch nie jemanden geküsst, also so richtig. In den Filmen sieht das immer so einfach aus...ist es das?“ Der Film schien plötzlich nur noch Nebensache zu sein, Dannys Blick bohrte sich in meine Seite, und mir wurde immer unbehaglicher. Warum zur Hölle fragte er mich sowas? Konnte er solche Sachen nicht mit seinem großen Bruder besprechen? Waren die nicht für genau diese Themen da? Ach, was wusste ich denn schon. „Keine Ahnung, darüber hab ich mir ehrlich gesagt noch nie Gedanken gemacht. Ich hab immer einfach drauf los geküsst, schwer fand ich es jedenfalls nicht.“ ich versuchte betont gleichgültig zu klingen und richtete meinen Blick stur wieder auf den Fernsehbildschirm. Hatte meine Antwort Danny zufrieden gestellt? Natürlich nicht. Er war genauso wissbegierig wie er gesprächig war. Ganz zu meinem Leidwesen. „Echt? Muss man das nicht üben? Kann man das einfach so?“ Er kniete jetzt auf der Couch und sah mich neugierig an. Ich seufzte ergeben, dann stellte ich den Fernseher leiser und wandte meine Aufmerksamkeit meinem neuen, sehr indiskreten Nachbarn zu. War der wirklich nur ein Jahr jünger als ich? Kaum zu glauben. „Man übt in dem man es tut. Es gibt gute und schlechte Küsser, aber ich glaube irgendwann hat jeder den Dreh raus. Das wirst du schon noch merken, glaub mir. Und wenn man sich liebt ist das eh alles egal. Genug Nachhilfe für heute, okay?“ „Übst du mit mir?“ „Was?!“ ich starrte Danny fassungslos an, aber der schien seine Frage wirklich ernst zu meinen. Warum nur kam ich immer in so unangenehme Situationen? War das die Strafe für meine in der Vergangenheit begangenen Sünden? „Ob du mit mir übst. Ich kenne sonst niemanden den ich fragen könnte, und du bist doch sowieso schwul. Dann ist das doch gar nicht so schlimm.“ erklärte Danny mir mit bewundernswerter Gelassenheit, und ich suchte stammelnd nach Worten. Caleb würde mich umbringen! „Darum geht es doch gar nicht! Du bist nicht schwul, kannst du nicht einfach mit einem Mädchen aus deiner Klasse üben? Das macht doch viel mehr Sinn!“ versuchte ich mich wenig heldenhaft aus der Situation zu bringen, aber Danny ließ gar nicht mit sich diskutieren. Er war Feuer und Flamme von seiner Idee, und er konnte ziemlich hartnäckig sein. Und er wusste wo er mich packen musste. „Ach Nicky bitte! Die Mädchen aus meiner Klasse interessieren sich gar nicht für mich, die wollen nur die coolen Sportler und nicht mich! Ich bin denen zu langweilig. Bitte bitte üb mit mir!“ Er sah mich treuherzig an, und ich seufzte geschlagen. Was konnte schon passieren? Danny war nicht schwul, und Caleb würde es nie erfahren. Und auch sonst keiner. Also konnte ich Danny diesen kleinen Gefallen ruhig erweisen. Immerhin gab er mir auch kostenlos Reitstunden, da konnte ich mich sicher auch mal erkenntlich zeigen. „Okay, meinetwegen. Aber nur dieses eine Mal, verstanden? Und du verrätst es keinem, sonst bring dein Bruder mich nämlich mit allergrößter Sicherheit um. Und zwar langsam und qualvoll.“ Danny kicherte, und ich musste ebenfalls grinsen. Wir drehten den Fernseher wieder lauter, aber das große Finale verpassten wir. Danny küsste erstaunlich gut, und ich hätte lügen müssen wenn ich behaupten würde es hätte mir nicht auch ein bisschen gefallen. Das war auf jeden Fall angenehmer als die Reitstunden. „Hatte Caleb schonmal eine Freundin?“ Wir hockten immer noch auf dem Sofa, ich hatte Danny gerade zusammengefasst wie der Film endete (ich hatte ihn bereits mehr als einmal komplett gesehen), und es musste schon fast Mitternacht sein. Im Wohnzimmer gab es noch keine Uhr, und die Digitalanzeige am DVD-Player blinkte mit einer fröhlichen 00:00 „Ja, das ist aber schon ein Jahr her oder so. Caleb hat Reitunterricht gegeben als wir noch mehr Pferde hatten, und sie war eine Schülerinnen. Ich weiß gar nicht mehr wie sie hieß. Ist auch egal, hat nicht lang gehalten. Sie ist dann weggezogen, glaube ich.“ gab Danny bereitwillig Auskunft. Er schien überhaupt nicht müde zu sein, ganz im Gegensatz zu mir. Ich streckte mich gähnend und rieb mir die Augen. „Also eine verlassene Jungfer, der arme.“ Danny kicherte, dann gähnte er plötzlich ebenfalls. Müdigkeit war wohl doch ansteckend. Ich schaltete Fernseher und DVD-Spieler ab und erhob mich von der Couch. „Kann ich heute hier schlafen? Caleb hätte sicher nichts dagegen.“ Der kleine wurde immer dreister. Ich warf ihm einen strengen Blick zu und schüttelte den Kopf. „Vergiss es. Und Caleb hätte sicher sehr wohl was dagegen. Er hält mich für einen schlechten Einfluss, schon vergessen?“ gab ich zu bedenken, aber Danny ließ sich von meinen logischen Argumenten wie immer nicht beeindrucken. Er grinste breit und tippte auf seine Armbanduhr. „Es ist bereits ein Uhr, und wenn ich jetzt über den Hof schleiche würde Leo alle wach bellen. Das wäre sicher nicht so toll, und ich würde einen riesigen Ärger bekommen.“ Okay, logisch konnte er auch. Dieser hinterhältige Fuchs. „Fein, dann schlaf hier, aber keine Knutscherei mehr, und keine weiteren Fragen in diese Richtung. Versprochen?“ ich hob mahnend den Zeigefinger, und Danny nickte begeistert. „Versprochen! Ich werde dich nicht weiter nerven!“ Wir löschten im Erdgeschoss alle Lichter und gingen gemeinsam hinauf ins Dachgeschoss. Nachdem ich in meinem Schlafzimmer die Fenster für die kühle Nachtluft geöffnet hatte machten wir uns in dem winzigen Badezimmer bettfertig (zum Glück hatte mir Lilly mehrere Zahnbürsten zurecht gelegt, warum auch immer) und schlüpften schließlich nur mit Boxershorts bekleidet ins Bett. „Caleb wird mich umbringen wenn er das erfährt.“ knurrte ich ins Kissen, und Danny lachte. Sein Optimismus war wirklich unerschütterlich. „Wie soll er das denn rauskriegen? Wir sagen ihm einfach ich hätte auf dem Sofa geschlafen, wenn er überhaupt fragt. Ich wette es ist ihm egal. Du musst dir gar nicht solche Sorgen machen!“ Danny tätschelte mir die Schulter, dann gab er mir einen blitzschnellen Kuss auf die Wange und drehte mir den Rücken zu. „Gute Nacht. Und danke dass ich hier schlafen darf.“ „Gern geschehen.“ Ich haderte einen Moment mit mir, dann streckte ich die Hand aus und legte einen Arm um Dannys Hüfte. Sein triumphierendes Grinsen war praktisch spürbar. „Ein Ton von dir, und du schläfst auf dem Fußboden.“ flüsterte ich warnend, und er rückte schweigend einen halben Zentimeter näher. Würde Caleb jemals davon erfahren hätte mein letztes Stündlein geschlagen. Dessen war ich mir sicher. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)