Rivals' Reunion von MizunaStardust ================================================================================ Kapitel 9: Befreiungsschlag --------------------------- 9: Befreiungsschlag You bath me You know how to torture me You keep me in my corner I know you, I know you You want me for yourself But I am free I know you, I know you You want me on your shelf But I am free! (Black Lab) Tea Gardner im Interview Ist es schön, nach Hause zu kommen? Puh, eine knifflige Frage. Es ist eigentlich so: Zu Hause ist für mich eigentlich nicht ein bestimmter Ort. Zu Hause sind für mich die Menschen, die es dazu machen. Die Menschen, die ich hier in Domino kennengelernt habe, gehörten dazu. Freundschaft war mir immer wichtig und wird es immer sein. Das, was wir uns versprochen haben damals, das gilt ein Leben lang. Und wenn ich diese Menschen treffe, dann bin ich zu Hause, klar. Aber ich bin genauso zu Hause bei meinem Freundeskreis in New York. Ich habe da einige sehr gute Freunde gefunden, mit denen man Pferde stehlen kann. Und auch mit ihnen hab ich schon jeden Blödsinn mitgemacht und viel durchgestanden. Und an dem Punkt, an dem ich momentan in meinem Leben stehe, nehmen sie einfach mehr Raum ein. Das heißt aber nicht, dass mir all das, was ich hier erlebt habe, nicht wichtig ist. Im Gegenteil. Diese Menschen und Ereignisse haben mir gezeigt, was ich will. Sie haben mir geholfen, überhaupt erst dorthin zu kommen, wo ich heute bin. Und wer weiß, vielleicht gibt es auch eine Zeit in meinem Leben, wo all das wieder größer wird und wo sich mein Lebensmittelpunkt wieder hierher verlagert. Oder ganz woandershin. Ich bin schon jemand, der spontan ist und die Dinge so nimmt, wie sie kommen. Ob das hier nur ein Intermezzo ist oder etwas verändert … ich weiß es nicht, um ehrlich zu sein. Mir macht mein Beruf sehr viel Spaß. Mir gefällt das Tanzen an sich, aber mir gefällt auch alles drumherum. Um ehrlich zu sein: Ich liebe es! Einfach mal aus diesem ganzen Kleinstadtmief raus zu sein. An einem Ort zu sein, wo dich nicht jeder kennt. Nicht das nette Nachbarsmädchen zu sein. Und WENN man dich in New York kennt, dann kann man sich schon was drauf einbilden. Im Gegensatz zu Domino (lacht). Wer ist schon ein Limono Otoya oder sogar ein Seto Kaiba in der Stadt, die nie schläft? Hach ja, meine Beziehung zu Yugi. Es war klar, dass ihr mich danach fragt (kichert). Naja, was soll ich sagen. Wir waren damals ja sehr jung. Ja, ich war eine Zeit lang ziemlich verschossen in Yami, aber ich mochte Yugi immer schon … Aber wie schon gesagt, momentan existiert das hier nur am Rand meines Lebens und ich denke nicht, dass das reicht, um an irgendwas anzuknüpfen. Yugi ist mein bester Freund aus der Schule und ich möchte das eigentlich gerne weiterhin so halten. Wir sind einfach alle zusammen dieses unschlagbare Team. Ich denke nicht, dass es gut wäre, an dieser Konstellation irgendwas zu ändern. In den USA ist man ja etwas lockerer mit dem Dating. Am Anfang fand ich das ungewohnt, aber ich habe mich dran gewöhnt und es hat auch viel Gutes. Man kann sich viel Zeit nehmen, jemanden in Ruhe kennenzulernen, bevor man die Bande zu fest knüpft. Und ja, ich nehme diese Möglichkeit auch in Anspruch. ~*~ „Diesmal nicht“, sagte Joey, während er in der Wohnzimmertür stand. So lange hatte er gebraucht, bis die Worte über seine Lippen gekommen waren. Aber jetzt, endlich, fielen sie ihm so leicht. Jetzt, wo er seinen Vater dort auf dem alten Sofa liegen sah, kaum bei Bewusstsein. Nicht einmal in der Lage, aufzustehen und ihm irgendetwas entgegenzusetzen. Auf dem Wohnzimmertisch standen und lagen leere Dosen und Pizzakartons. Unter der Couch schlummerten vergessene Glasflaschen. Er prägte sich diesen Anblick gut ein. Er wollte ihn nie wieder ertragen müssen. Sein Vater ließ ein heiseres, ersticktes Lachen vernehmen. „Du undankbare Brut!“, zischte er, „Das ist der Dank dafür, dass du so lange deine Füße unter meinen Tisch stellen durftest, für alles, was du mir zu verdanken hast!“ Joey lachte auf und schüttelte amüsiert den Kopf. Er hatte nichts weiter als Hohn für diese Worte übrig. „Ich lach mich kaputt. Und was genau sollte das deiner Meinung nach sein? Was hast du jemals für mich getan? Hast du vielleicht für mich gekocht, als ich klein war? Warst du auf Elternabenden? Hast du meine Hobbys bezahlt, anstatt deine ganze Kohle zu versaufen? Falls ja, muss es mir entfallen sein.“ Joey konnte sich gerade noch rechtzeitig ducken, als ihm eine Flasche entgegenflog, über seinen Kopf hinwegsurrte und klirrend an der Wand zerbarst, wobei sie einen riesigen Fleck hinterließ. Stille legte sich über den Raum. Es gab nichts mehr zu sagen. Joey drehte sich wortlos um und ging. Das hier hatte nichts mehr mit ihm zu tun. * Fünfzehn Monate vor dieser Szene hatte Joey Wheeler die Schule hinter sich gelassen. In seinem Kopf war es ein großer Erfolg gewesen. Er hätte nie gedacht, dass er mal den Oberschulabschluss schaffen würde. Aber seine Freunde hatten ihn angespornt und motiviert. Seinem Vater hingegen war es gleichgültig. Alles, was er zu diesem Erfolgserlebnis zu sagen hatte, war, dass Joey sich endlich einen Job suchen und ihm nicht mehr länger auf der Tasche liegen sollte. Ja, damit du noch mehr für Schnaps ausgeben kannst, dachte Joey bei sich. Joey war überglücklich gewesen, als er endlich eine Anstellung als Automechaniker gefunden hatte. Schon während der Schulzeit hatte er gerne an Wagen und Motorrädern herumgebastelt. Aber es hatte sich anders entwickelt, als er ursprünglich gedacht hatte. Jeden Tag kreidete sein Chef ihm Fehler an, oft suchte er geradezu in den Krümeln. Anfangs ärgerte sich Joey darüber, aber machte sich nicht viel daraus, doch mit jedem Tag wurde er nervöser und nervöser, bis ihm schließlich ausschließlich wegen seiner strapazierten Nerven Fehler passierten. Diese wurden natürlich doppelt geahndet. Ganz zu schweigen von den Vorwürfen, die sich Joey selbst deswegen machte. Er wusste nicht, warum sein Chef ihn auf dem Kieker hatte, aber letztlich dämmerte es ihm doch, dass es etwas mit seiner Herkunft zu tun haben musste. Sein Chef sah jemanden in ihm, der er nicht war, der nur in seinem Kopf existierte. Vielleicht war es seine Sprache, vielleicht seine Kleidung, aber er hatte Joey in eine Schublade gesteckt, die für immer verschlossen war und aus der er keine Möglichkeit sah, jemals wieder auszubrechen. Das war der Moment, als Joey begriff, dass sein Schulabschluss und all sein Fleiß in der echten Welt nichts zählten. Was zählte war nur, als wer er geboren war. Und es war auch der Moment, in dem er begann, seinen Vater zu verabscheuen. Zuvor hatte er nur Mitleid empfunden, manchmal auch Gleichgültigkeit. Und es gab sogar Momente, in denen er ihn ehrlich gernhatte. Aber jetzt wollte er zum ersten Mal alle Verbindungen zu seinem alten Herrn kappen. Er hasste es, auf der Basis von etwas beurteilt zu werden, woran er selbst unschuldig war. So sollte die Welt nicht funktionieren. All das war höchst defizitär. Er wollte für eine eigene Wohnung sparen, aber sein Vater sackte einen Großteil seines Gehalts ein. „Miete“ nannte er es. Was hängen blieb, war nicht der Rede wert. Als er am Ende den Job in der Autowerkstatt verlor, war er der Verzweiflung nahe. Wie sollte er es jemals schaffen, sich von diesem Menschen zu lösen? Er war genauso von ihm abhängig, wie sein Vater umgekehrt von Joey abhängig war. Und so machte er weiterhin die Einkäufe für ihn, besorgte ihm Schnaps, damit seine Laune nicht vollends in den Keller sackte, putzte die Wohnung, weil er es nicht ertrug, im Dreck zu leben, wusch Wäsche und schrieb spät in der Nacht und am Rande der Besinnungslosigkeit Bewerbungen. Yugi, Yami, Tristan und Tea ermutigten ihn, nicht aufzugeben. Er würde einen Job finden, wo er für das geschätzt wurde, was ihn auszeichnete, sagten sie. Und endlich zeichnete sich tatsächlich ein Lichtstreif am Horizont ab. Nachdem er zig Bewerbungen weggeschickt hatte, wurde er letztlich für ein Bewerbungsgespräch als Altenpfleger eingeladen und bekam den Job. Und nicht nur das – er stellte fest, dass er gut darin war und dass es ihn erfüllte. Er konnte gut mit Menschen umgehen, andere zum Lachen bringen, war geduldig und half gerne. Im Putzen und Haushalten hatte er ja ohnehin bereits genügend Erfahrung gesammelt und stellte sich nicht ungeschickt an, und den Menschen, die die Seniorenresidenz in Domino bezogen, half er gerne. Im Gegensatz zu den Arbeiten, die er nach der Arbeit für seinen versoffenen Vater verrichten musste, brachte man ihm dafür Anerkennung und ehrliche Dankbarkeit entgegen. Das alles brodelte mehr und mehr in ihm, aber noch immer waren ihm die Hände gebunden. Er wagte es nicht, seinem Vater sein Gehalt zu verweigern, da er sich noch immer keine Wohnung leisten, geschweige denn die Kaution vorstrecken konnte. Und er hatte zu viel Angst, was passieren würde, wenn er sich ihm widersetzte. Er verabscheute diesen Mann, er sah, wie jämmerlich er war. Und dennoch fürchtete er ihn auch. Mehr noch: Da war noch immer ein Teil in ihm, der ihn auch liebte. Ein Teil, der wusste, dass auch er nur an den Anforderungen dieses Lebens gescheitert war und nun versuchte, dieses erbärmliche Gefühl der Hilflosigkeit zu betäuben. Ein Teil, der spürte, wie menschlich auch jemand wie sein Vater noch war. Alles kochte über an dem Tag, als einer von Joeys liebsten Patienten starb. Er wusste, er durfte diese Dinge nicht so nah an sich heranlassen, musste lernen, das als seinen Beruf zu betrachten, aber Herr Takanashi war für ihn immer ein so aufgeweckter Zeitgenosse gewesen, an dem er jeden Tag seine Freude gehabt hatte. Mit den anderen Pflegern und Pflegerinnen wurde der ältliche Herr nicht so recht warm, doch Joey hatte er ins Herz geschlossen. Sie hatten ihre Scherze zusammen gemacht, viel gelacht, und Joey hatte den Eindruck gehabt, er hatte dem Patienten seinen Aufenthalt hier etwas schöner gestalten können. Als er am Abend dieses schicksalhaften Tages nach Hause kam, war er noch immer tief in seinen trüben Gedanken gefangen und wollte nichts weiter als seine üblichen Aufgaben ausführen und sich dann in seinem Zimmer weiter in seine Grübeleien fressen. Doch daraus wurde nichts. „Joey, warum hast du keine Tiefkühlpizzas eingekauft?“, lallte sein Vater vom Sofa aus. Joeys Augenbraue zuckte. „Sorry … wusste nicht, dass keine mehr da sind. Ich kauf gleich morgen neue, ok?“, sagte er tonlos und beiläufig, während er einige Schritte in Richtung seines Zimmers machte. Aber er kam nicht weit. „Warte mal, Freundchen. Wo denkst du, dass du jetzt hingehst?“, schnarrte sein Vater ihm hinterher, „Bleib gefälligst hier! Du bist wirklich das Letzte. Auf nichts kann man sich verlassen in diesem Haus!“ Irgendwas in Joeys Kopf setzte in diesem Moment einfach aus. Er dachte an Herrn Takanashi, an all die Wärme, die der ältere Herr ihm immer bedingungslos entgegengehracht hatte. An die Güte, die in einem Menschen stecken konnte und die er so leicht an andere weitergeben konnte. Daran, dass er selbst etwas Derartiges unter diesem Dach nie hatte erleben dürfen. Nicht von der Person, die ihn in die Welt gesetzt hatte. In diesem Moment konnte er den Menschen hinter dieser harten Fassade nicht mehr ausmachen, so sehr er es auch wollte. Alles, was übrig war, war dieses innerlich diffamierte, nach Alkohol riechende Ungeheuer da auf dem Sofa. Er war stehengeblieben. Jeder Muskel in seinem Körper war angespannt. „Du gehst jetzt gefälligst zum Kiosk und holst mir was zu essen und ne Packung Zigaretten, hörst du?“, lallte sein Vater. Joey drehte sich um. „Nein“, sagte er, „schaff deinen Arsch von der Couch und hol’s dir selbst, wenn du es haben willst. Ich hab genug.“ „Du kleines Aas … was denkst du dir? Du bist ein Nichts ohne dieses Dach über deinem Kopf! EIN NICHTS, hörst du?! Du wirst jetzt gefälligst spuren oder es setzt ordentlich was!“ „Diesmal nicht.“ Noch während Joey das Haus verließ, drang das ziellose Schimpfen und Fluchen aus dem Wohnzimmer zu ihm. Aber er hatte aufgehört hinzuhören. Etwas, das lange überfällig war. Er ließ die Worte nicht mehr an sich heran. Er wollte etwas anderes vom Leben. Er wollte alles, was sein Vater nicht hatte oder war. „Kann ich für’n paar Nächte bei dir unterkommen?“ Es war 10 Uhr am Abend, als Joey vor Yugis Haustür stand. Er konnte nirgends sonst hin. Sein bester Freund stellte keine Fragen. Er war froh, dass Joey endlich den nötigen Schritt gewagt hatte. * Mit der Zeit wurde alles besser. Joey wusste, er hätte es ohne die Unterstützung seiner Freunde nie geschafft, aber sie waren seine bessere Familie. Die Familie, die man sich aussuchen konnte. Bald konnte er sich eine winzige Wohnung leisten. Neben seiner Arbeit jobbte er noch in einer Kneipe. Aber irgendwann hatte er ein bisschen Geld angespart und kam ohne ein zusätzliches Einkommen über die Runden. Er musste zugeben, es lief gut für ihn. Besser, als er es sich je erhofft hätte. Er war glücklich. Er führte ein gutes, zufriedenes, unabhängiges Leben. Aber da war noch etwas anderes, das ihm im Kopf herumspukte. Und mit jedem Tag, an dem er mehr das Gefühl hatte, in sich zu ruhen und stolz auf das zu sein, was er war, rückte dieser Gedanke in greifbarere Nähe. Bis er schließlich wagte, worüber er so viele Monate gebrütet hatte: Er lud Mai Valentine auf einen Drink ein. Er war trotz allem schrecklich nervös und seine Hände schwitzten, als er auf das Hörersymbol auf seinem Handy drückte und es in der Leitung zu tuten begann. Mit trockener Kehle trug er sein Anliegen vor. „Verstehe … in Ordnung“, sagte Mai mit einem Schmunzeln in der Stimme auf der anderen Seite der Leitung. „Äh … was?“, fragte Joey begriffsstutzig. „Bist du schwerhörig, Wheeler? Ich sagte ja. Hol mich morgen um 8 ab, ok? Wir sehn uns!“ Joey starrte den Hörer an. Er konnte sein Glück kaum fassen. Er hatte es tatsächlich geschafft. Von da an hörte Joey auf, die Tage zu zählen. Er verlor den Überblick über Zeit und Raum. Er konnte im Nachhinein nicht sagen, wie er es geschafft hatte, aber er hatte den Weg zu Mais Herz gefunden. Vielleicht auf dieselbe Art, wie er den Weg zu den Herzen seiner Patienten fand. Er war diese Sorte Mensch, die unbedarft und so unbestechlich ehrlich war, dass er andere kalt erwischte, und ehe sie sich versahen, war er in ihrem Leben. Er wollte nie wieder damit aufhören, in Mais Leben zu sein, und als sie ihm sagte, dass sie ihn liebe, da war sein Herz so voll von alldem, was er zuvor nicht gehabt hatte und nie gedacht hatte zu finden, dass es zerspringen wollte. Oft dachte er an diesen Punkt an seinem Leben zurück, der ihn sich wünschen ließ, dass alles einfach einfrieren und nie wieder anders werden würde. So oft, wenn er sich fragte, was danach eigentlich schiefgelaufen war. Zwei Jahre später hatte er alles verloren: Seinen Job, Mai – und seine Integrität, alles, was er sich tief in seinem Inneren geschworen hatte. Alles, das ihm geblieben war, war die Flasche, die ihm am Abend Gesellschaft leistete. * Joey saß auf dem Boden neben dem Sofa in der Villa, die nun für eine Woche ihr zu Hause war. Yugi und Yami knieten neben ihm und sahen ihn besorgt an. „Joey …“, begann Yugi vorsichtig, „du hast uns nie gesagt, was genau eigentlich zwischen dir und Mai vorgefallen ist. Wir möchten dir helfen. Du kannst mit ins sprechen. Wenn du möchtest natürlich nur.“ Tränen rannen über Joeys Gesicht und er versuchte, es zu verbergen. Aber es war sinnlos. Alle Dämme waren gebrochen. „Ich will‘s ja“, schluchzte Joey, „aber ich schaff‘s einfach nicht. Es tut zu weh. Ich schäm‘ mich zu sehr. Ich hab‘s vermasselt. Alles.“ So saßen sie weiterhin einfach nur gemeinsam da und leisteten ihm stummen Beistand, bis Joey etwas ruhiger wurde. „Danke, ihr beiden“, sagte er irgendwann, matt, aber wieder etwas gefasster, „ich bin echt heilfroh, dass ich Freunde wie euch hab. Ehrlich, Mann. Danke.“ Yami und Yugi nickten. Und Yami dachte mit einem Stich in seiner Brust, dass er viel zu lange nicht für seinen Freund dagewesen war. Jedenfalls nicht so, wie er es jetzt sein konnte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)