[Operation Nautilus] Andara-House von MarySueLosthername (Mein letztes Jahr) ================================================================================ Kapitel 25: "Blindes Vertrauen" ------------------------------- „Sagst du mir jetzt, was in dem Karton ist?“, fragte ich wollkommen entnervt, während ich Jeffrey dabei beobachtete, wie er sich seelenruhig die Haare frottierte. Doch anstatt mir eine Antwort zu geben, warf er das Handtuch achtlos zu dem anderen, das vorher um seine Hüften geschlungen gewesen war, auf den Boden. „Das hab ich doch schon“, meinte er und kämmte seine Haare notdürftig mit den Fingern – was ganz klar erklärte, warum sie immer so struppig aussahen. „Deine und meine Maske natürlich.“ „Ja aber, warum zeigst du sie mir nicht?“, maulte ich zurück. Er hatte mir schon an dem Abend, als er sie gekauft hatte, gesagt, dass es Masken waren. Aber eben nichts dazu, wie sie aussahen. Seitdem hatte ich immer wieder gefragt, aber er weigerte sich schlicht, sie mir zu zeigen. Ich fand das ziemlich empörend. Immerhin sollte ich eine davon tragen! Sollte er sich doch zum Deppen machen, aber ich hatte da keine Lust zu. Seufzend wälzte ich mich auf dem Bett herum und schielte auf die Kleidung, die Stan uns vor ein paar Stunden ins Zimmer gelegt hatte. Zwei Garnituren eleganter, aber schlichter Anzüge in schwarz. Dazu passende schwarze Krawatten und weiße Hemden. Sie sahen fast aus wie unsere Schuluniformen, nur dass der Stoff edler war und das Emblem des Internats fehlte. Es war wohl langsam Zeit, sich anzuziehen, denn schon bald würden wir zum vereinbarten Treffpunkt aufbrechen müssen. Geplant war, dass uns dort eine Kutsche abholen und zum geheimen Veranstaltungsort bringen würde. Das hörte sich für mich wie eine Entführung an. Nur, dass ich dummerweise zugestimmt hatte. „Du willst sie also sehen?“, sagte Jeffrey, dem das alles egal zu sein schien und der beinahe seit einer halben Stunde nackt vor mir herumsprang. „Na gut. Kannst du haben!“ Neugierig sah ich zur Kommode hinüber, auf der er den Karton abgestellt hatte und nur das Rascheln verriet, dass er sie geöffnet hatte. Jeffrey machte es aber nach wie vor spannend. Er holte nicht etwa die Masken raus und brachte sie mir. Sondern schwang seinen Po in einem langsamen Takt von einer Seite zur anderen, während er mir eisern den Rücken zuwandte. „Was soll der Mist, du Spinner?“ Ich konnte nicht verhindern, dass mir ein lautes Lachen entwich. Was er da tat, sah zu komisch aus. Doch er ließ sich nicht beirren, hob etwas an sein Gesicht und band die Schnur an seinem Hinterkopf fest. Die andere Maske musste er ebenso aus der Schachtel genommen haben, aber ich sah nichts davon und im nächsten Moment war ich zu abgelenkt. Mit einer schnellen Bewegung fuhr Jeffrey herum – wobei er meine Maske hinter seinem Rücken verbarg – und kam mit katzengleichen Bewegungen zu mir ans Bett. Ich wusste nicht, ob ich sprachlos sein oder lieber laut losprusten sollte, aber Jeffrey lief splitterfasernackt und mit einer Tigermaske auf dem Gesicht auf mich zu. Und dabei tat er so, als würde er sich an seine Beute heranpirschen. Auf allen Vieren, wobei eher Dreien – er versteckte ja noch die Maske – kam er auf mich zugekrochen. „Du kannst mir nicht entkommen“, schnurrte er, während ich mich grinsend ein Stück von ihm wegschob. „Ich bin gierig nach dir und schlage meine Zähne in dein Fleisch, bis deine schönen Federn mir gehören!“ Mit diesen Worten warf er die Maske so schnell über mein Gesicht, dass ich gar keine Gelegenheit hatte, zu erkennen, wie sie aussah. „Was?“, lachte ich, nachdem ich mich von seinem Kuss gelöst hatte. „Welche Federn?“ Irritiert riss ich mir die Maske vom Gesicht, drehte sie um und starrte sie entgeistert an. Die Maske selbst bedeckte das halbe Gesicht, sodass nur Nase, Kinnpartie und die halbe Wangenpartie zu erkennen war. Sie war in einem tiefen Blau gehalten, um die Augen heller gefärbt und schwarze Umrandungen ließen es so aussehen, als würde man Kajal tragen. Ein dichter Kranz aus Pfauenfedern war so an die Maske angebracht, dass sie bis zu den Schultern reichten und mein eigenes Haar verdecken würden. „Ein Pfau?!“, stieß ich entgeistert aus. „Wie kommst du auf einen Pfau?“ „Mhm“, machte Jeffrey langgezogen, während er sich wieder über mich warf und mir das Ding erneut aufs Gesicht drückte. „Ich dachte, das sei passend für meine indische Schönheit.“ „Ich bin aber nur ein halber Inder“, gab ich gespielt patzig zurück. „Und wie kommst du darauf, dass du ein Tiger bist? Passt Brummbär nicht besser?“ „Pah!“, stieß Jeffrey aus und begann, mich zu kitzeln – leider wusste er mittlerweile ganz genau, wo es für mich am schlimmsten war. „Du wirst gleich sehen, dass der Tiger gerechtfertigt ist!“ Amüsiert lachte ich auf und versuchte weiter, tapfer seine Hände abzuwehren. „Jungs? Seid ihr fertig?“, rief Stan. Erschrocken fuhr ich zur Tür herum, während Jeffrey nur enttäuscht seufzte, dass sein kleines Intermezzo nun so harsch unterbrochen wurde. Ich war mir sicher, dass Stan geklopft hatte, denn ohne wäre er nie ins Zimmer gekommen. Nur leider hatten wir beide es wohl nicht gehört. Wenn es Stan peinlich war, dass er uns beide so gut wie nackt – wir hatten ja immerhin die Masken – auf dem Bett vorfand, so ließ er es sich jedenfalls nicht anmerken. Er wirkte sogar eher genervt. „Das gibt’s doch nicht“, maulte er drauf los. „Ich dachte, ihr seid fertig. Wir müssen gleich los und zumindest für den Weg solltet ihr euch was anziehen. Von mir aus könnt ihr dann dort die ganze Zeit nackt durch die Gegend springen, aber wartet bitte damit, bis ich mir das nicht ansehen muss.“ Er seufzte tief, drehte sich um und blieb dann mit der Türklinke in der Hand noch einmal stehen. „Zehn Minuten, in Ordnung? Ach Mike; schöne Maske.“ Damit zog er die Tür hinter sich zu und ließ uns perplex sitzen. „Hey, was ist mit meiner Maske?“, zeterte Jeffrey und verzog schmollend die Lippen. „Ich sag‘s ja: Der Brummbär hätte besser gepasst“, meinte ich, wobei ich mir ein Lachen nicht verkneifen konnte. „Und jetzt runter von mir. Sonst kann ich mich nicht anziehen.“ Da Jeffrey seinen Onkel so einschätzte, dass er ohne uns ging, wenn wir nicht rechtzeitig fertig waren, sprang er auf und wir beide hatten uns in Windeseile unsere Kleidung übergeworfen. Nach wenigen Handgriffen von mir standen auch Jeffreys Haare schließlich nicht mehr so extrem ab. Bei mir war es egal. Meine Haare kringelten sich heute so stark, dass ich beinahe Locken hatte. Das würde ich sowieso nicht geordnet bekommen und das musste ich auch nicht. Die Federn der Maske verbargen es komplett. „Ich denke, dann brauchen wir deinen Onkel nicht mehr länger warten lassen“, meinte ich und warf einen kurzen Blick in den Spiegel. Obwohl ich Anzüge durch die Schuluniform gewöhnt war, war das noch einmal eine Nummer eleganter und wirkte auf mich äußerst ungewohnt. Aber es war durchaus schick und mir gefiel, was ich bei Jeffrey sah. Ihm schien es auch so zu gehen, denn er kam grinsend auf mich zu, griff mich am Kragen und zog mich für einen Kuss zu sich. „Du siehst wirklich unglaublich verlockend aus. Nicht, dass jeder dir dort hinterherläuft“, sagte er mit rauer Stimme. Ich lächelte und gab das Kompliment zurück. Er sah wirklich gut aus, aber ich glaubte, dass er bei mir eindeutig übertrieb. Seine Finger fuhren an meinem Hals entlang, bis sie an meiner Kette stoppten und er sich auf die Unterlippe biss. „Ich glaube, die solltest du ablegen.“ Zunächst blickte ich etwas irritiert auf das Schmuckstück, doch dann ging mir auf, dass er wohl recht hatte. Alles, was unsere Identität verraten konnte, musste hierbleiben. Auch wenn es sicher ein riesiger Zufall gewesen wäre, würde mich jemand im Nachhinein vielleicht an der Kette, die ein Unikat war, erkennen können. Mit bedächtigen Handbewegungen zog ich sie mir über den Kopf und legte sie sanft neben dem Karton auf der Kommode ab. „Lass uns gehen“, meinte ich schließlich und folgte Jeffrey nach unten in das dunkle Ladengeschäft, wo Stan schon auf uns wartete.  Wir liefen eine Weile durch leere Straßen, die von Gaslaternen erleuchtet wurden. Unser Weg führte uns jedoch immer weiter in abgelegenere Straßen, sodass diese Laternen schließlich weniger wurden und die Dunkelheit zusehends nach uns griff. Mir fröstelte es und das nicht nur, weil es gegen Abend doch wieder recht kühl geworden war und mein dünner Mantel nur bedingt dagegen half. Ich machte mir Sorgen, wie sicher diese dunklen Straßen und Gassen waren. Aber Stan schien in keinster Weise beunruhigt zu sein und ich beschloss, ihm zu vertrauen. Seufzend presste ich den Mantel mit meinen Armen enger an mich. Damit versuchte ich nicht nur, mir mehr Wärme zu verschaffen, sondern ging auch sicher, dass ich die Maske, die ich unter meinem Mantel versteckt hielt, nicht verlor. Es dauerte jedoch nicht lange, bis Stan unvermittelt stehen blieb. „Wir warten jetzt hier“, verkündete er uns, nachdem er auf dem gesamten Weg allgemein wenig gesprochen und uns auch nicht gesagt hatte, wo es eigentlich genau hinging. „Und wie lange?“, maulte Jeffrey, der sichtlich fror und von einem Bein auf das andere sprang. „So lange wie es eben dauert. Aber vermutlich nicht lange“, gab Stan genervt und recht vage zurück. Aufmerksam musterte ich ihn und war mir nicht mehr sicher, ob er sich auf die Festlichkeiten freute. Je näher wir dem Ganzen kamen, desto stiller und miesepetriger wurde er. Was absolut untypisch war. Während Jeffrey sich abwandte, um einige Meter entfernt mehr Luft zum Maulen zu haben, machte ich einen zögerlichen Schritt auf Stan zu und legte ihm eine Hand auf den verschränkten Unterarm. „Ist alles in Ordnung?“, fragte ich leise. „Aber ja. Mach dir keine Sorgen“, sagte er lächelnd und diesmal war ich mir sicher, dass das nicht stimmte. Bevor ich jedoch energischer nachhaken konnte, hellte sich sein Gesicht auf und er blickte die Straße hinab. „Da ist er ja schon.“ Tatsächlich hielt eine dunkle Kutsche mit rasantem Tempo und unglaublichem Krach auf uns zu. Obwohl mir so unglaublich kalt war, freute ich mich nun gar nicht darüber. Denn ich hatte gehofft, mit Stan reden zu können. Das konnte ich nun aber vergessen und wollte es auch nicht im beengten Raum der Kutsche tun. Der Kutscher ließ das Gefährt direkt neben uns stoppen und wies uns mit einem knappen Kopfnicken an, dass wir einsteigen sollten. Er wirkte genauso ungeduldig wie seine stämmigen, schwarzen Pferde, die aufgeregt die Nüstern blähten und mit den Hufen scharrten. Skeptisch betrachtete ich die geschlossene, ebenso schwarze Kabine, deren Fenster mit dunklen Vorhängen verhangen waren. Doch als ich hinter Stan und Jeffrey an die Kutsche herantrat, bemerkte ich auch, dass nicht nur die Vorhänge den Blick in die Kutsche abwehrten. Man hatte die Fenster direkt mit einer dunklen Farbe bepinselt. Zwar machte diese die Fenster nicht direkt undurchsichtig – etwas schummeriges Licht wäre wohl durchgekommen, wenn es nicht gerade stockfinster war – aber man erkannte die Umgebung aus dem Inneren der Kutsche so gut wie überhaupt nicht. Jedenfalls stellte ich das fest, als wir durch einige mit Gaslaternen erleuchtete Straßen fuhren. Ich erkannte, dass da Licht war, aber von der Straße sah ich nichts. „Und du weißt nicht wo wir hinfahren?“, fragte ich an Stan gewandt. Wir fuhren nun schon seit gut zwanzig Minuten und ich hielt das Schweige einfach nicht mehr aus. „Nein. Und wir sollen es auch nicht wissen“, gab er zurück und deutete auf die dunkle Scheibe der Kutsche. Der Gedanke machte mich absolut nervös. Immerhin saß ich in der Kutsche eines fremden Mannes, der uns nicht erlaubte, einen Blick nach draußen zu riskieren und uns sonst wo hinfahren konnte. Vielleicht in das nächste abgelegene Moor, um uns auszurauben und dann loszuwerden. „Man kann ihnen vertrauen und das alles hier ist nur zu unserem Schutz“, fügte Stan hinzu, als hätte er meine Gedanken gelesen. Aber sicher waren die mir deutlich anzusehen. „Außerdem ist es doch aufregend!“, stieß Jeffrey aus. Er grinste und seine Wangen glühten regelrecht vor Erregung. Ich sagte nichts dazu, aber teile konnte ich seine Gefühle nicht. Stattdessen war ich es, der jetzt lieber schweigen und seinen Gedanken nachhängen wollte. Und das tat ich noch eine gute Stunde. Wo zum Teufel fuhren wir hin? Ich war nicht einmal sicher, ob wir noch in London waren. Gerade, als ich nicht mehr daran glaubte, wurde die Kutsche angehalten und wenige Minuten später tauchte der Kutscher an der Tür auf. Er lächelte freundlich, aber in seinem Blick lag auch etwas Anderes. Irgendetwas schien ihm absolut unangenehm zu sein. „Hier kommt der Teil, den ich eigentlich nicht so mag. Aber es muss sein“, meinte er nach einem knappen Räuspern und reichte uns drei schwarze Stoffstreifen. „Könnt ihr euch damit bitte die Augen verbinden?“ Er zuckte mit den Schultern und betrachtete dann Stan. „Du kennst das ja.“ Jetzt fiel mir auch auf, dass die Kutsche so stand, dass ich durch die geöffnete Tür absolut nichts erkennen konnte. Nur Bäume, sonst nichts. Kein Haus, kein gar nichts. Aber anscheinend waren wir da. Zögerlich tat ich es Stan und Jeffrey gleich und band mir das Stück Stoff um. Nun sah ich wirklich nichts und machte mir Gedanken, wie ich aus der Kutsche kommen sollte. Aber der fremde Mann nahm beherzt meine Hände und lotste mich sicher aus dem Gefährt. Schließlich konnte ich nichts anderes tun, als ihm zu vertrauen. Daher nahm ich auf sein Geheiß Stans und Jeffreys Hände in meine und wir bildeten so eine Kette. Unter meinen Füßen fühlte ich Kies und ich nahm an, dass man uns eine kurze Auffahrt hochführte. Der Mann klärte uns auf, dass es nur noch wenige Schritte weit war und wir dann stehenbleiben sollten. Etwas quietschte und knarrte, dann ging es wenige Treppenstufen hinauf. Der Boden unter meinen Füßen war jetzt anders. Fester, glatter. Aber wenn ich meinen Ohren vertrauen konnte, wurden wir noch durch eine weitere Tür geführt und dann durften wir die Augenbinden abnehmen. Der Raum war klein und wie in der Kutsche zuvor, waren die Fenster mit schwarzen Vorhängen verhüllt. Es herrschte hier nur ein schwaches Licht, aber das war egal. Soweit ich sehen konnte, gab es in diesem Raum absolut nichts zu entdecken. Er schien bis auf den einen oder anderen Stuhl vollkommen leer zu sein. Eine weitere Tür an der gegenüberliegenden Wand führte wieder hinaus. „Setzt die Masken auf, dann können wir weiter“, sagte Stan und ging uns mit gutem Beispiel voran. Neugierig betrachtete ich ihn in dem schwachen Licht. Seine Maske war schwarz-braun mit zwei helleren Flecken über den Augen und an der Stirn war sie leicht geriffelt. Unwillkürlich musste ich schmunzeln, denn er erinnerte mich an einen Rottweiler. Es fehlten nur die Ohren. Aber ich fand, dass es zu Stan passte. Er schien so liebenswürdig und treu zu sein wie ein Hund. Jedoch, wenn er seine Lieben in Gefahr sah, konnte er deutlich anders sein. Mein Blick wanderte weiter zu Jeffrey, der schon wieder den Tiger rausgelassen hatte und ruhelos auf und ab sprang. Seufzend musterte ich meine Maske. Ein Pfau. Warum musste es ausgerechnet ein Pfau sein?, dachte ich resigniert. Die Farben und die Umrandung an den Augen hatten fast schon etwas Feminines. Ich war doch keine Frau. Wie es schien, hatte ich jedoch keine Wahl und seufzte erneut, als ich mir das Ding schließlich aufsetzte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)