Besondere Momente von Kittykate (Schreibzirkel) ================================================================================ Kapitel 6: Spiel ---------------- Mit weit aufgerissenen Augen starrte Aoko auf den wild flatternden weißen Umhang. Die kalte Abendluft schlug ihr immer wieder ins Gesicht, sorgte dafür das sich Wasser in ihren Augen bildete und ihre Sicht leicht verschwamm. Immer noch nicht ganz verstehend in welch unwirkliche Situation sie hinein gestolpert war. Sie wollte doch nur den schnellsten Weg nach Hause nehmen. Der spätnachmittags Himmel verdunkelte sich zunehmend. Kein Wunder, denn es war zwar kalendarisch Frühlingsanfang doch der Winter hielt Tokio beharrlich fest. Die düsteren Wolken zogen rasant mit dem aufkommenden Wind auf. Ein Schneesturm war angekündigt. Über Nacht sollte es bis zu zwanzig Zentimeter Neuschnee geben. Statt die Ostereier zu suchen würden die Kinder morgen einen Schneemann bauen können. Wer hätte das schon gedacht. Seit Tagen blühten die Krokusse und Schneeglöckchen. Schon bald sollten diese zarten Blumen unter einer weißen Decke begraben liegen. Der Wind wurde stärker, die Luft kälter und Aoko entschied sich den kurzen Weg durch den Park zu nehmen. Niemals hätte sie ahnen können, das sie in solch eine surreale Situation stolperte. Den Blick auf die dicken Wolken am Himmel gerichtet, achtete sie nicht auf den Weg und hielt erst inne, als sie eine dunkle, leicht zischende Stimme hörte. „Sieh an, wir bekommen Besuch!“ Doch ehe sie den Sprecher wahrnahm, schob sich ein weißer Umhang in ihr Sichtfeld. Der breite Rücken verdeckte sie komplett und ehe sie etwas sagen konnte, vernahm sie schon eine andere Stimme, nämlich die des Mannes direkt vor ihr. „Halt sie raus!“ „K...Kid?“, entwich ihr fast lautlos und verwirrt über die Erkenntnis. Was suchte Kid an diesem Abend hier in diesem Park? Er hatte doch gar keinen Raubzug angekündigt... oder doch? Ein gehässiges Lachen erklang. Doch so plötzlich wie es erklang, verstummte es auch wieder. „Typisch für dich! Immer darauf bedacht, das niemand verletzt wird.“ Ein Klicken erklang und Aoko spürte sofort die Anspannung in sich übergehen. Sie sah nichts, wusste nicht was sie nun tun sollte. Als hätte der Meisterdieb der Nacht ihre Gedanken gelesen, zischte er ihr so leise, das nur sie es hören konnte, zu: „Ich lenke ihn ab, lauf weg so schnell du kannst.“ Unfähig zu antworten nickte sie, aber das konnte er womöglich gar nicht gesehen haben. „Sollte ich jetzt sagen, typisch für Sie eine Waffe auf mich zu richten?“ Aoko starrte auf den weißen Stoff vor sich. Er klang so selbstbewusst und überhaupt nicht ängstlich. War wirklich der Lauf einer Waffe auf ihn gerichtet? Aber warum und wer war dieser Mann mit der zischenden Stimme? Was hatte Kid mit ihm überhaupt zu schaffen? „Du weißt, dass ich dich schon seit langer Zeit tot sehen will.“ Wieso wollte dieser Mann Kid umbringen? Unsagbare Angst und Sorge um den Dieb breitete sich in Aoko aus. Kid tat zwar Unrechtes, aber er brachte die gestohlenen Wertgegenstände immer wieder zurück. „Und Sie wissen, dass ich Ihnen diesen Gefallen nicht tun werde“, antwortete Kid. „Lauf!“, zischte er eindringlich. Sie spürte, wie ernst es ihm war und … Lebensgefahr. Sie war in Lebensgefahr. Erst jetzt realisierte sie es, drehte sich um und wollte weglaufen, doch es blieb beim Versuch, denn direkt vor ihrem Gesicht schwebte der Lauf einer Waffe. Erschrocken wich sie zurück und stieß gegen Kid. „Du sollst weglaufen“, fauchte er wütend, doch ein weiteres Klicken und Aokos erstickter Aufschrei ließ ihn verstummen. Die Oberschülerin starrte ängstlich zu der in Schwarz gekleideten Person auf. Durch die Dunkelheit des frühen Abends und dem großen schwarzen Hut, dem hochgestellten Kragen des schwarzen Mantels konnte Aoko kein Gesicht erkennen. Die Statur ließ auf einen Mann schließen. „Ich würde sagen, Kid, du hast keine gute Ausgangssituation“, zischte der Fremde und es lag eine Gehässigkeit in seiner Stimme, die Aoko erschaudern ließ. Sie spürte Kid direkt hinter sich, drückte sich noch ein wenig näher an ihn. Hoffte das er einen Plan hat. „Es sieht vielleicht wie Schachmatt aus, aber es gibt noch freie Züge“, verkündete Kid. „Ach du willst spielen?“ „Ist nicht das ganze Leben ein Spiel?“, konterte der Meisterdieb selbstbewusst. Aoko schluckte bei seinen Worten. Entweder er hatte wirklich einen Plan, oder diese dunklen Gestalten würde sie jeden Moment ]töten. „Okay, Kid, lass uns spielen. Schach, nehme ich an. Dann bist du der König, die Kleine ist die Dame... und wer bin ich?“, pausierte der Typ, scheinbar überlegte er. „Der Springer?“, riet Kid in die Stille, erntete daraufhin aber nur ein gehässiges Auflachen. „Wie kommst du denn darauf? Nein, viel besser, ich bin der Turm.“ „Der Turm?“, höhnte der Mondscheindieb belustigt. „Ich bitte Sie, aber mit dem Turm haben Sie ja gar nichts gemeinsam.“ Aoko riss ihre Augen auf, blickte über ihre Schulter zu dem Meisterdieb auf und wusste nicht wie er sich in solch einer Situation einen Scherz erlauben konnte. Sie betrachtete seine Statur, spürte sein Selbstbewusstsein und hörte das Lachen in seiner Stimme. „Ein Turm ist schnell und geht immer nur in eine Richtung geradeaus, während der Springer zwei Felder geradeaus und dann ein Feld links oder rechts geht. Die Besonderheit des Springers liegt darin, als einzige Schachfigur über eigene und gegnerische Figuren und Bauern springen zu können.“ Kid pausierte, der Spott verschwand in seiner Stimme und mit einem Mal wurde er bitterlich ernst. „Wie im realen Leben. Sie bestimmen über alle beteiligten Figuren und gehen auch über Leichen. Aber eine gerade Linie haben Sie bei weitem nicht. Der Turm ist die zweitstärkste Kraft auf dem Schachbrett, kein Wunder das Sie sich für diesen halten, aber es wäre Selbstbetrug sich das einzureden.“ Ein Schuss löste sich in diesem Moment und vor Schreck hielt sich Aoko die Ohren zu. Er hatte es getan. Er hatte diesen Mann mit der Waffe solange provoziert, das er tatsächlich geschossen hat. Und Kid war jetzt... tot? Sie wartete auf den Aufprall des leblosen Körpers hinter sich, aber nichts geschah. „Ich warne dich, Kid, du befindest dich in einer gefährlichen Lage. Treib es nicht zu bunt.“ „Ach, können Sie die Wahrheit nicht verkraften?“, sprach Kid überhaupt nicht beeindruckt. Aoko schluckte und fragte sich wie er nur so abgebrüht sein konnte, während ihr Herz wie wild raste. „Okay“, stimmte der Fremde zischend zu. „Dann bin ich eben der Springer. Was ist mit ihm?“ Kid drehte sich leicht seitlich um. Aoko spürte wie er ihr seine Vorderansicht zudrehte. Sie blickte über die Schulter und stellte fest, das der Meisterdieb fast eineinhalb Köpfe größer war als sie. Er stand seitlich, so dass er beide Männer mit den Schusswaffen im Blick hatte. „Vermutlich sollte ich jetzt sagen, das er der Bauer ist. Ein wahlloses von vielen Opfern im Dienste Ihrer Machenschaften, aber diese Ruhe in der Hand und das sich kein Schuss gelöst hatte, als Sie schossen, lässt mich vermuten, dass ich es hier mit einem Läufer zu tun habe. Er kann sich nicht beliebig bewegen, sondern ist an seine farbigen Felder in der Diagonale gebunden, und kann über niemanden hinweg springen. Er kann zwar schnell sein, ist aber erheblich eingeschränkt. Ein leichtes Opfer für den Gegner.“ Kid schob unauffällig eine seiner Hände an Aokos Hüfte. „Deine Interpretation ist wirklich beeindruckend“, zischte der andere unbeeindruckt. „Was ist mit deiner Herzdame?“ Aokos Herzklopfen setzte kurz aus. Wie kam dieser Typ auf so einen Vergleich? „Sie verwechseln da ein Kartenspiel mit einem Brettspiel“, stichelte Kid. „Aber ich werde Sie natürlich gerne darüber aufklären. Die Dame darf auf jedes freie Feld in jeder Richtung linear und diagonal ziehen, ohne jedoch über andere Figuren zu springen und vereint somit die Wirkung sowohl eines Turms als auch eines Läufers in sich. Sie ist die stärkste Spielfigur.“ „Kommen wir nun zu der wichtigsten Figur unseres Spiels.“ „Einer fehlt noch“, stimmte Kid mit dem Kopf nickend zu. „Der König kann jeweils ein Feld in jede Richtung gehen. Damit kann er alle Felder des Schachbretts erreichen. Wegen seiner niedrigen Reichweite benötigt er dazu aber relativ viele Züge. Dennoch ist er die wichtigste Figur, da es Ziel des Spiels ist, den gegnerischen König matt zu setzen – was die Partie natürlich sofort beendet.“ „Dann lass es uns beenden, Kid, aber bevor ich dich erledige, beantworte mir noch eine Frage: Hältst du dich wirklich für den König?“ Aoko entdeckte wie sich die Mundwinkel des Mondscheinzauberers zu einem Schmunzeln verzogen, wusste aber nicht einzuordnen wieso. Sie blickte zu den beiden gefährlichen Männern und spürte, das nun das Ende gekommen war. Gleich würden sie schießen und ihrem Leben ein Ende setzen. Und das obwohl sie Kaito noch nicht die Wahrheit gesagt hatte. Sie wollte ihm doch noch sagen, das sie ihn liebte und auf eine gemeinsame Zukunft mit Kindern hoffte - als Familie. Sie war doch noch nicht mal 19 Jahre alt und noch viel zu jung zum Sterben. Und ihr Vater, was soll nur aus ihm werden? Plötzlich begann Kid zu lachen. Aoko stutzte. Was gab es denn in dieser Situation zu lachen? „Nein...“ „Nein?“, wiederholte der andere zischend. Nein?, dachte Aoko überrascht. Er war nicht der König? Was war er denn dann? „Ich … bin … die … Dame!“ In diesem Moment lösten sich die Schüsse, aber Kid war schneller, packte Aoko unter den Knien und sprang aus dem Schussfeld. Sofort folgten ihnen die Schusswaffen und Kid schlug Haken wie ein Hase, während Aoko sich nur an ihm fest klammerte und ganz fest die Augen zukniff. Erst als die Schüsse verstummten, traute sie sich zu blinzeln. Überrascht stellte sie fest das sie hoch oben zwischen Blättern versteckt waren. Die zwei fremden Gestalten suchten aufmerksam die Gegend ab, die Waffen immer noch Schussbereit in den Händen. Doch dann segelte eine kleine weiße Karte vom Himmel herab und landete direkt vor den Füßen des zischenden Mannes. Dieser hob die Karte auf, las sie sich durch und ballte seine Hand zur Faust. „Dieser verdammte.... Na warte, Kid, wir sind noch lange nicht fertig miteinander!“ Es dauerte nicht lange, dann zogen die gefährlichen Männer ab. Erst als er wirklich sicher war, das keine Bedrohung lauerte, sprang Kid mit Aoko aus ihrem Versteck, welches ihnen ein nahe gelegener Laubbaum bot. Kaum stand er auf dem Boden, ließ er sie auf ihre eigenen Füße sinken und stützte sie noch kurz. Sie war ihm dankbar, denn ihre Knie fühlten sich an wie Wackelpudding und sie hätte nicht sagen können, ob sie wirklich sofort festen Halt gehabt hätte. Endlich konnte sie ihre Gedanken sortieren. „Du hältst das alles für ein Spiel?!“ Ein Hauch von Entrüstung und Entsetzen schlich sich in ihre Stimme ein. „In einem Spiel hat man Spielzüge, braucht Strategien, ein paar Spielfiguren und ein Ziel. Es ist wie im Leben, in dem wir selbst die Spielfiguren sind. Durch unsere Strategien und Spielzüge streben wir auf ein Ziel hin, das uns noch unbekannt ist.“ „Das ist nicht witzig! Das war gefährlich und leichtsinnig“, brauste Aoko nun auf und fuhr den Meisterdieb wütend an. „Du kannst ein Menschenleben doch nicht mit einem Spiel vergleichen.“ „Kann ich nicht?“, schmunzelte der Mondscheindieb und verschränkte seine Arme vor der Brust. „Du hast doch gesehen, das unser Schachspiel gut funktionierte.“ „Ach ja?! Wer ist denn dann der König, wenn du die Dame bist?“ „Du bist der König!“, antwortete der Dieb sofort. „Mein Ziel war es dich zu beschützen, du bist der wichtigste Bestandteil in diesem Spiel gewesen. Wenn er dich Schachmatt gesetzt hätte, wäre das Spiel verloren und mein Leben sinnlos geworden.“ Aoko verstand nicht, welche Bedeutung diese Worte wirklich hatten, aber irgendwann würde sie es verstehen, da war sie sich ganz sicher. Und eines wusste sie jetzt schon: Sie sah Kid seit diesem Abend mit anderen Augen. vorgegebene Wörter: Hase Eier Familie töten kalt Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)