Noch einmal mit Gefühl von 4FIVE ([Itachi x Ino | Sasuke x Sakura | modern AU]) ================================================================================ Kapitel 14: Planlos ------------------- . . ♠   —Konoha, Japan; 17 Jahre zuvor   Itachi runzelte die Stirn, als seine Mutter ihm ein Bündel entgegenhielt und behauptete, dass das sein Bruder wäre. Seltsam. Was da eingewickelt war, sah nicht so aus. Da war ein Flaum dunkler Haare, aber das Gesicht war zerknautscht, der Kopf ein wenig unförmig. Grotesk. »Willst du ihn halten, Itachi?«, fragte seine Mutter mit einem sanften Lächeln auf den Lippen, während sie ihm das Bündel vorsichtig in die Arme legte. Es war schwerer als gedacht. Und merkwürdiger. Wie konnte jemand so klein sein, so zerbrechlich wirken, so unbehelligt von der Welt in den Armen eines Fremden schlummern, einen Daumen im Mund und ein Schmatzen auf den Lippen? Itachi war enttäuscht. Über die letzten Monate hatte er sich mehr erhofft. »Kann er morgen mit zum Fußballspielen kommen?«, wollte Itachi wissen. Denn darum ging es doch. Ihm war ein Spielkamerad versprochen worden. Doch sein eMutter schüttelte tadelnd den Kopf und strich ihm liebevoll übers Haar, den Blick auf das Bündel, seinen Bruder, niedergeschlagen. »Nein, das wird noch ein bisschen dauern.« Sie hatte recht, diese kleinen Beinchen würden das eigene Körpergewicht kaum tragen. Sowas Blödes. Damit wollte er nichts zu tun haben. »Aber was soll ich dann mit ihm machen?« Mutter lachte. »Auf ihn aufpassen. Du bist jetzt ein großer Bruder, Itachi, das bedeutet Verantwortung. Verstehst du?« Natürlich verstand er, was Verantwortung bedeutete. Sein Vater trichterte es ihm ein, seit er denken konnte. Aber wieso musste gerade er verantwortlich sein für etwas so … Hilfloses? Er wollte es loswerden, das Bündel seiner Mutter zurückgeben, damit er endlich mit seinen Freunden spielen gehen konnte. Vielleicht konnte er sich in fünf Jahren noch einmal mit Sasuke beschäftigen, wenn er so alt war, wie Itachi jetzt und zu etwas zu Gebrauchen war. Ja, das war ein guter Plan. Und doch hielt er inne. Sasuke war aufgewacht, lächelte ihn an. Ein schiefes, weiches Lächeln, für das er die Verantwortung trug. »Hm«, machte er leise. »Meinetwegen.«   ♠   —Tokio, Japan; Gegenwart   Itachi erwachte mit Kopfschmerzen. Er hatte zu wenig getrunken, zu wenig geschlafen, zu wenig Sport gemacht in letzter Zeit. Langsam aber sicher rächte sich sein Versuch, diese verdammte Firma zu retten. Noch bevor er seine Beine aus dem Bett bemühte, überprüfte er seine beiden Smartphones auf neue Nachrichten. Er hatte eine Menge bekommen – der IT-Leiter wollte das Jour fixe verschieben, Marketing brauchte Freigaben für synCOMs Release-Event. Kein Anruf von Sasuke. Über die letzten Tage hatte Itachi seinen kleinen Bruder mehrmals erfolglos angerufen. Er wollte nichts Bestimmtes; nur nachfragen, ob es ihm gutging. Eine Familie konnte erfüllend sein, keine Frage, aber Uchihas arbeiteten. Uchihas strebten nach etwas, immer, weil Stillstand in ihrer Welt Rückschritt war. So waren sie gestrickt, so wurden sie erzogen. Itachi war das zumindest. Und bis vor ein paar Tagen hatte er gedacht, dass auch Sasuke es war. Ein Irrtum offensichtlich. Itachis Smartphone vibrierte in seiner Hand, und als hätte er ihn beschworen, erschien Sasukes Name auf dem Display. Es war sechs Uhr morgens, was unter gewohnten Umständen nicht ungewöhnlich gewesen wäre. Sie hatten oft Telefonate um diese Uhrzeit geführt, wenn Dinge nicht warten konnten, bis sie sich in der Firma sahen. Im Aufstehen nahm Itachi den Anruf an. »Guten Morgen, Sasuke.« »Morgen.« In Sasukes Hintergrund waren Vögel und Schritte zu hören. »Hab ich dich geweckt?« »Sei nicht albern«, erwiderte Itachi. »Wieso bist du um diese Uhrzeit schon wach?« »Ich hole Cornflakes. Sarada will nicht aufhören zu schreien, ehe sie ihre Schokoriffeln hat. Wir haben nur Schokokissen zu Hause – und nein, das ist nicht dasselbe. Kann ich was für dich tun?« Itachi ignorierte den angestrengten Unterton in Sasukes Stimme. Das Brummen seiner Kaffeemaschine ließ ihn etwas lauter sprechen. »Ich wollte nur fragen, wie es dir geht.« »Ach ja?«, fragte Sasuke. Seine skeptisch zusammengezogenen Augenbrauen waren fast schon hörbar. »Wieso interessiert dich das? Ist was mit synCOM passiert? Mit der Firma? Warum rufst du wirklich an? Itachi!«, setzte er nach, als dieser nicht sofort antwortete. Es war eine schwierige Frage. Nein, eigentlich nicht. Die Antwort darauf war schwierig. Er konnte Sasuke nicht in diese Sache hineinziehen. »Du bist so misstrauisch, kleiner Bruder.« »Womit ich meistens rechthabe. Vor allem, wenn es die Firma betrifft. Sag bloß, jetzt hacken sie auf dir rum. Das würde ich zu gern sehen.« »Ich habe alles im Griff«, behauptete Itachi. Hatte er auch, oder? »Genieß deine freien Tage. Und schöne Grüße an Sarada-chan. Und Sakura-san.« »Klar…« Sasuke klang alles andere als überzeug. »Man sieht sich.« Er hatte aufgelegt, bevor Itachi sich verabschieden konnte. Um Schokoriffeln zu kaufen offenbar. Wie kurios. Doch er schien glücklich zu sein, befreit, und allein das war Grund genug, ihn nicht zu involvieren, auch wenn synCOM die stärksten finanziellen Unstimmigkeiten aufwies und Itachi seine Hilfe gut hätte gebrauchen können. Es war irrelevant. Mit einem großen Schluck trank Itachi seinen Espresso aus und fuhr Richtung Innenstadt. Er würde es auch alleine schaffen, und er würde Sasuke weiterhin den Rücken freihalten, so wie all die Jahre zuvor auch – »Autorisierung fehlgeschlagen?«, las er den Text auf der Parkschranke. Zum ersten Mal seit sehr, sehr vielen Jahren runzelte er die Stirn aus Verwirrung. Das Ding konnte nicht kaputt sein. Itachi war früh, aber vor ihm mussten zumindest die Kundenbetreuer für den mittleren Osten angekommen sein. Das ließ nur mehr eine Möglichkeit. Er warf die Warnblinkanlage an und stieg aus. Zu Fuß umrundete er den Schranken, nahm die Treppen hinauf ins Erdgeschoss und schritt durch das Foyer auf den Empfang zu. Den Gruß der Empfangsdame erwiderte er kaum, bevor er die Parkkarte hochhob. »Könnten Sie bitte die Autorisierung überprüfen? Schnell, wenn Sie so freundlich wären.« »Natürlich, Uchiha-sama.« Eilig nahm sie die Karte entgegen und zog sie über den Scanner. »So etwas passiert häufiger Mal. Vielleicht haben Sie sie beim Einkaufen zu nahe an die Kassa gelegt? Manche Geschäfte benutzen diese Geräte zum Entmagnetisieren, die entladen auch unsere … huh? Das ist seltsam.« Itachi verengte die Augen. »Was genau?« »Mein Computer sagt, dass Sie keine Berechtigung zum Tragen einer Parkkarte haben. Möglicherweise spinnt das System schon wieder rum, die Dinger sind manchmal – ich meine, ich werde dem Helpdesk Bescheid sagen. Die sollten das heute noch behoben haben. Nehmen Sie bis dahin eine Reservekarte. Ich stelle eine zweite auf Ihren Vater aus.« Mit einem knappen Nicken nahm er die farblose Plastikkarte an, die sie ihm ein paar Mausklicks später über den Tisch zuschob. Fehler im System? Wohl kaum. Die Reservekarte funktionierte, was Itachi erneut die Stirn runzeln ließ. Was für einen Sinn hatte es, seine Parkkarte zu sperren? Er war dabei, einen Betrug in Milliardenhöhe aufzudecken, eine Parkschranke würde ihn doch nicht aufhalten. War der Aufsichtsrat nun zu einfachem Mobbing übergegangen? War er nicht. Itachi blieb stehen, als er im Vorzimmer zu seinem Büro ankam. Und Leute Akten hinaustrugen. Kiste um Kiste, Stapel um Stapel, wie eine minimalistische Ameisenstraße. Und sie nahmen nicht nur die angeforderten Bilanzen mit, sondern alles. Lose Kabeln hingen herum, wo vorhin noch ein Drucker und Shiroganes PC gestanden hatten, Regale waren halb bis ganz geleert, der Schreibtischsessel war in Schutzfolie gewickelt. »Passen Sie doch auf!«, hörte er plötzlich Shirogane in seinem Büro rufen. Als er eintrat, sah er sie mit einem der Möbelpacker um ein ledergebundenes Buch streiten. Sie zog ein wenig fester daran und stolperte einen Schritt zurück, als der Mann es abrupt losließ. Aufgebracht presste sie die Lippen aufeinander, kaum glücklich mit ihrem sinnlosen Sieg. Itachis Büro hatte es noch schlimmer getroffen als das Vorzimmer. Sein Computer und Laptop waren verschwunden, die Kaffeemaschine auch, zwei Möbelpacker schoben ihn aus dem Weg, als sie seinen Schreibtisch nach draußen schleppten. »Uchiha-sama!«, rief Shirogane, als sie ihn bemerkte. »Die räumen Ihr gesamtes Büro aus!« »Das sehe ich.« Dass seine brillante Assistentin den Drang zum Aufzeigen offensichtlicher Dinge verspürte, verdeutlichte die Skurrilität der Situation. »Haben Sie eine Ahnung, was das soll?« »Nein. Das geht schon seit einer halben Stunde so. Ich bin heute extra früher gekommen, falls Sie doch noch Hilfe mit dem Papierkram brauchen – und die sind einfach so reingestürmt. Das hier haben Sie mir in die Hand gedrückt.« Sie reichte ihm einen zerknitterten Durchschlag. Es war ein Auftragszettel, unterzeichnet von Uchiha Fugaku, der die komplette Räumung von Itachis Büroraum samt Vorzimmer bestätigte. Vorkasse. Itachi zerknüllte das Papier in seiner Hand. »Wie viel wurde bereits mitgenommen?« Shirogane warf einen Blick zurück auf die beiden leeren Aktenschränke an der Wand. »Sie haben mit den Finanzunterlagen angefangen, die ich Ihnen neulich gebracht habe. Dann haben sie mit den Projektordnern weitergemacht. Sie wollten auch Ihre privaten Bücher mitnehmen, Uchiha-sama. Ich habe nur die paar da in der Ecke retten können und dieses hier.« Verzweifelt reichte sie ihm das Buch, um das sie vorhin so erbittert gekämpft hatte. Humankapital in der freien Marktwirtschaft. Ein schwer zu lesender Schinken, der ihm aktuell wenig brachte. Dennoch nahm er es an. »Danke, Shirogane-san. Jetzt gehen Sie nach Hause. Sie haben sowieso viel zu viele Überstunden. Ich kläre das.« »Wann soll ich … kann ich …« Sie biss sich auf die Lippen. »Muss ich mich nach einem neuen Job umsehen?« Itachi nahm das sich leerende Chaos auf. Er saß nicht mehr am längeren Hebel, alle Versprechungen waren bedeutungslos. »Bleiben Sie erreichbar. Ich rufe Sie an, wenn ich mehr Informationen habe.« Sie ging. Nicht, ohne ihm noch ein Dutzend Mal ihre Hilfe anzubieten, fast aufzudrängen, nun, da ihre Anstellung auf dem Spiel stand, aber schlussendlich wussten sie beide, dass sie nichts tun konnte. Itachi versuchte nicht, mit den Räumungskräften zu verhandeln. Ein Auftrag war ein Auftrag, und nachdem sie seinen Computer längst weggebracht hatten, war der Rest auch egal. Er würde nicht um die verbleibenden Bände von Ueharas Wirtschaftsenzyklopädie der Tigerstaaten streiten. Stattdessen trat er zurück in den Gang, durchquerte ihn, und erwischte seinen Vater gerade, als dieser sein Büro aufsperrte. »Guten Morgen, Vater.« Fugaku zuckte nicht zusammen. Wie sein älterer Sohn hatte er schon lange gelernt, seinen Körper und dessen Reaktionen perfekt zu beherrschen. Ungewollte Körpersprache war Schwäche, und Uchihas waren alles außer schwach. »Itachi.« Er stieß die Tür auf und trat zur Seite, um den Weg freizugeben. »Ich nehme an, du möchtest mit mir sprechen.« »Würdest du mir erklären, wieso du mein Büro räumen lässt?« »Komm erst einmal rein, dann können wir in Ruhe –« »Die Zeit für Ruhe ist vorbei, Vater«, schnitt Itachi ihm das Wort ab. Sachlich. Beherrscht. Nur die Spur einer Drohung in seiner Stimme. Vorerst. »Nachdem die Räumungsfirma meine Einrichtung quer durch das Firmengebäude schleift, ist Geheimhaltung wohl ebenfalls überflüssig. Ich will eine Erklärung.« Fugaku hielt seinem Blick stand, die Mundwinkel nach unten gezogen. Früher hatte er diesen Gesichtsausdruck oft gehabt, vorwiegend Sasuke gegenüber, wenn er all seine Strenge sichtbar machen wollte. Keine Schwäche zeigen. Auch nicht, wenn er Unrecht hatte oder in Wahrheit nur enttäuscht, ratlos oder frustriert war. Keine Schwäche. Nicht damals, nicht jetzt. Niemals. »Der Aufsichtsrat hat beschlossen, dass dein Zugang zu Firmeninterna ein Sicherheitsrisiko ist, solange Misstrauen gegen dich im Raum steht.« Fugaku seufzte enttäuscht. »Ich habe dich gewarnt, Itachi.« Hatte er. Aber, »Glaub nicht, dass ihr dadurch gewonnen habt.« Fast schon empathisch schüttelte Fugaku den Kopf. »Hier geht es nicht um gewinnen oder verlieren, Itachi, wann begreifst du das endlich? Du bist nicht unbesiegbar. Wir alle müssen unsere Grenzen akzeptieren.« Itachi verengte die Augen. Legte sein Vater ihm etwa nach Allem ernsthaft nahe, beim Aufsichtsrat zu Kreuze zu kriechen und diese Farce kommentarlos ziehen zu lassen? Dass er so wenig von ihm hielt, war fast schlimmer als die Tatsache, dass er ihn wortlos aus der Firma geworfen hatte. »Wir werden sehen«, sagte Itachi. Und ging.   ♦   »Yamanaka-san, wie hat Ihnen das Drehbuch gefallen?« Ein strukturloses Trauerspiel von Klischees. »Schon beim ersten Lesen habe ich gemerkt, wie vielschichtig und tiefgründig es ist. Als erfahrene Schauspielerin spürt man sowas einfach!« »Und Ihre Kollegen? Hiro schwärmt von Ihrer Professionalität und Kreativität bei allen gemeinsamen Szenen. Wie sieht das bei Ihnen aus?« Schönes Gesicht mit mittelmäßiger Stimme, wahrscheinlich in einem ähnlichen Knebelvertrag wie ich. »Durch unsere unterschiedlichen Vorgeschichten interpretieren wir Szenen oft ganz anders, was eine ganz neue Erfahrung für mich war. Ich würde mich freuen, wieder mit ihm zu arbeiten.« »In der Öffentlichkeit sind Sie immer sehr bunt. Hat es Sie gestört, mit Nanri einen derart zurückgezogenen Charakter darzustellen?« Als wäre genau das ihr Problem. »Keine Minute! Dieser Stil gehört zu meiner Figur. Ohne die tollen Kostümdesigner hätte ich Nanri nicht so überzeugend spielen können.« So ging es weiter, Frage um Frage, vorgeschriebene Lüge um vorgeschriebene Lüge. Ino hatte das Skript gestern überflogen, ihren brutalen Wutschrei in einer Doppellage Kissen erstickt, und trug seit heute Morgen ihre professionellste Miene. Keine dummen Kommentare, keine Abweichungen vom Skript. Dafür sorgte Mabuchi. Seit Inos Ausbruch ließ sie ihre Klientin nicht mehr aus den Augen, überwachte jeden Schritt, jede Silbe. Die letzte Frage beantwortete Ino ebenso höflich wie die erste, danach rutschte sie vom Stuhl und flüchtete über das Set zu ihrer Handtasche, die Mabuchi als Geisel genommen hatte. »Gut gemacht, Yamanaka«, sagte sie, den Blick durch die runde Brille auf einen Zeitungsartikel gerichtet. »Du kannst ja, wenn du willst.« »Wollen ist eine Übertreibung. War’s das für heute?« »Ja. Soll ich dich in die Stadt mitnehmen? Ich muss in einer Stunde in Chūō sein.« »Nicht nötig, ich laufe.« Mabuchi sah auf, ein leichtes Augenrollen unter ihren gezupften Augenbrauen. »Du kannst mir das alles gerne übelnehmen, Yamanaka, aber ich mache das nicht, um dich zu sabotieren.« »Nein? Fühlt sich verdammt so an.« Ino schüttelte den Kopf. »Schon gut, schon gut. Showbiz ist Showbiz. Verlangen Sie nur nicht, dass ich das gut finde. Bis zum nächsten schmerzhaft dämlichen Interview.« Beim Weggehen warf Ino die Arme über den Kopf, um ihrem Unmut Luft zu machen. Sie kannte Mabuchis Standpunkt, verstand ihn sogar und konnte nicht bestreiten, dass er rational gesehen Sinn machte. Die Schauspielindustrie war hart, in den USA wie in Japan, nur, dass sie in Japan noch Rollen bekam, Geld verdienen konnte. Die Heimfahrt verbrachte Ino auf Google. Wie überlebt man die japanische Schauspielindustrie? Sie war nicht überrascht, dass keine hilfreichen Suchergebnisse kamen. Offenbar hatte sie keine Wahl, also wählte sie die Telefonnummer, die Sakura ihr neulich gegeben hatte. Zwei Freizeichen ertönten.  »Ino. Was willst du?« »Sasuke. Immer wieder eine Freude, deinen Enthusiasmus zu hören.« »Sakura hat mir gesagt, dass du meine Hilfe brauchst. Kannst du vergessen. Ich bin im Urlaub.« Ino schnaubte. »Du bist arbeitslos. Was bedeutet, dass du sowieso nichts Besseres zu tun hast. Komm schon, das wird lustig. Wie unsere gemeinsamen Referate früher.« »Ich hab zu tun. Nur, weil ich gerade keiner geregelten Arbeit nachgehe, bedeutet das nicht, dass ich den ganzen Tag nur darauf warte, dir zu helfen.« »Ja? Was machst du gerade?« Kurze Stille. »Ich sehe Cinnabun dabei zu, wie er eine Karotte frisst – fein, fein, vielleicht habe ich gerade nicht allzu viel zu tun. Hör auf zu lachen.« »Leichter gesagt«, kicherte Ino, obwohl ihr nicht nach Lachen zumute war. »Zieh dir lieber Hosen an, ich komm in einer Stunde vorbei.« »Wie denkst du, verbringe ich meine Freizeit?«, raunte Sasuke. Als sie ankam, hatte er tatsächlich Hosen an, dennoch sah er nicht vollständig bekleidet aus. Seit ihrer Rückkehr nach Japan, hatte Ino ihn immer nur in Anzug und Krawatte gesehen. Wie er jetzt vor ihr stand, in Jeans und Poloshirt, wirkte er viel mehr wie ihr alter Klassenkamerad aus der Mittelschule. »Was?«, fragte er missmutig. Ino grinste und schob sich an ihm vorbei in die Wohnung. »Bin nur nostalgisch.« Sasuke zuckte resignierend die Schultern. »Also schön. Da du schon hier bist, kann ich dir etwas anbieten?« »Kaffee wäre toll.« Es musste ihn etliche Überwindung kosten, Ino mit einem Espresso zu bewirten, während sie über die Theke gebeugt seine Handgriffe beobachtete. Immerhin wusste er mittlerweile, wie seine Küche funktionierte. Die Arbeitslosigkeit schien wenigstens seinen häuslichen Fähigkeiten gut zu tun. Nach kurzer Zubereitungszeit platzierte er zwei Kaffeetassen zwischen ihnen. »Dann schieß los. Womit soll ich dir helfen?«, wollte er skeptisch wissen. »Wenn ich das nur wüsste.« »Kannst du mich nicht einfach gleich erschießen? Das wäre weniger schmerzvoll.« Er zog eine Grimasse über ihren schmollenden Blick. »Dann erzähl einfach mal dein Problem. In der Kurzversion, wenn’s geht.« Ino seufzte. Davon gab es keine Kurzversion, nicht einmal annähernd. Aber sie hatte ihn angerufen. Sie musste es ihm erklären. »Ich … ich weiß nicht, wo ich anfangen soll.« Sasukes Augenrollen musste förmlich wehtun. »Ich kann nicht fassen, dass ich das tue. Warte hier.« »Sasuke?«, rief sie ihm nach. Anstatt zu antworten, verschwand er hinter einer Tür. Eine Minute später kam er mit einem Koffer zurück, ein zweiter Gang förderte ein Flipchart zutage. Argwöhnisch beobachtete sie ihn dabei, wie er einen Bogen Papier aufhing und Flipchartmarker gemeinsam mit farbigen Kartonförmchen aus dem Koffer räumte. »Was soll das denn jetzt werden?« »Eine Bedarfsanalyse natürlich«, erklärte Sasuke, ohne ihre Frage zu beantworten. Mit einem letzten Blick überprüfte er seinen Aufbau. »Wir machen das in der UCHIHA Corp. – ich meine, wir haben das oft gemacht, um eine Idee von aktuellen Kundenbedarfen in unserem Marktsegment zu bekommen.« »Aha.« Als hätte er ihren Argwohn nicht bemerkt, fuhr er fort. »Normalerweise machen wir das mit einer Fokusgruppe von Experten oder Kunden und ich hab hier auch nur Moderationskarten in zwei unterschiedlichen Farben, aber es wird schon gehen. Hier.« Während er gesprochen hatte, hatte er mit einem roten Stift Problem, Bedarf und Ressourcen auf das Flipchart geschrieben. »Das ist, was wir machen. Zuerst identifizieren wir dein Problem. Danach ermitteln wir den Lösungsbedarf und zuletzt schauen wir, welche Ressourcen uns zur Verfügung stehen. Ganz einfach.« Es war nicht einfach. Alles andere als das. Sasuke war ein guter Moderator, ließ sie Dinge auf das Flipchart und auf die Moderationskärtchen schreiben, und am Ende hatte sie ihm ihr Problem tatsächlich erklärt. Sie hatte ihr Leben der Schauspielerei gewidmet, hatte Familie und Freunde geopfert, und nun war sie unglücklich. Sie hatte immer noch keine Antwort auf die Frage, ob es das wert gewesen war, aber Sasuke verstand wenigstens, was sie von ihm erwartete. »Starke Nerven, viel Gute-Laune-Tee und Atemübungen«, war seine Lösung. Ein entschuldigendes Lächeln folgte. »Tut mir leid, aber du verlangst etwas Unmögliches von mir, Ino. Ich kann dir dabei helfen, ein Projekt auf die Beine zu stellen, aber ich bin kein Lebensberater.« »Ich brauche doch keine Lebensberatung.« Ino schürzte die Lippen. »Nur einen Plan, wie ich mich nicht umbringe. Sowas wie … keine Ahnung, Kontakt zu guten Regisseuren knüpfen. Du kennst doch viele wichtige Leute, da wird doch wohl jemand dabei sein, der ernstzunehmende Filme dreht.« Sasuke ließ sich zurück neben sie in die Couch fallen. »Du misinterpretierst mein Netzwerk. Außerdem, wenn du jemanden brauchst, der Leute kennt, ist Itachi sicherlich der bessere Ansprechpartner.« Er zischte abfällig. »Wäre ja auch zu viel verlangt, dass mal etwas ohne meinen verfluchten Bruder geht. Die Welt ist ungerecht.« Das ließ Ino aufhorchen. Seine Vorschläge waren Mist, aber sie hatte irgendwie damit gerechnet. In Wahrheit war das hier eine Ablenkung wie alles andere auch. »Darf ich dich was fragen, Sasuke?« Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr sie fort. »Was ist eigentlich so schlimm daran, dass Itachi besser ist als du? Sakura, Itachi und du seid alle schlauer als ich, aber ich mache keinen Aufstand.« »Man braucht ja auch eine gewisse Mindestintelligenz –« »Sprich diesen Satz zu Ende, und deine ganze schöne Charakterentwicklung der letzten Wochen wird umsonst gewesen sein, Sasuke.« »Tut mir leid«, schob er schnell nach, eine abwehrende Geste von der Hand schüttelnd. »Alte Gewohnheit. Es nervt einfach, wenn ständig jemand … vergiss es. Nimm’s mir nicht übel, aber du bist die Letzte, mit der ich darüber reden will.« »Fair.« Sie sahen sich für einen Moment an, dann seufzten sie synchron und ließen die Köpfe hängen. Für eine Weile hingen sie ihren Gedanken nach. Itachis Name allein hatte neuen Ärger in ihnen beiden heraufbeschworen, wenn auch aus komplett unterschiedlichen Gründen. »Weißt du, Sasuke, ihr Uchihabrüder seid echt anstrengend. Alle beide.« »Steck mich nicht mit Itachi in eine Schublade«, murmelte er. Er hatte den Kopf nach hinten auf die Sofalehnte gelegt und starrte zur kahlen Decke hinauf. »Ich weiß, dass ich die Frage bereuen werde, aber was genau läuft da zwischen dir und ihm?« »Aaaah.« Sie ließ ihren Kopf ebenfalls nach hinten fallen. Die Lehne war weich wie eine Wolke, wie von einer Designercouch zu erwarten gewesen war. Verdammte reiche Leute. »Nur ein paar harmlose Flirts, bevor er entschieden hat, dass die Arbeit wichtiger ist.« »Ernüchternd, nicht wahr?«, fragte Sasuke und traf damit direkt ins Schwarze. »Ich kenn das Gefühl. Erst macht er dich glauben, dass du seine Zeit wert bist, nur um dir mit Leichtigkeit zu beweisen, wie viel höher er über die steht. Ist doch scheiße.« Er seufzte. »Mich wundert nur, dass ausgerechnet du dir das gefallen lässt.« Ino blinzelte. Da war was dran, nicht wahr? Sie war so in Selbstmitleid versunken, dass sie ihre Hartnäckigkeit vergessen hatte. »Hey, Sasuke«, sagte sie. »Weißt du noch, als ich dich in der Mittelschule mit Fotos deiner Tigerunterhose zu einem Date erpresst hab?« »Wie oft soll ich dir noch sagen, dass das nicht meine war? Außerdem hab ich mir den Arsch vorm Kino abgefroren, weil du mich versetzt hast. Danke dafür übrigens.« »Ich hatte vergessen, dass ich ein Vorsprechen hab – und das ist nicht der Punkt«, unterbrach sie sich selbst. »Sondern?« Sie sprang auf, eine Faust motiviert in die Luft gestreckt. »Ich bin verdammt gut im Prokrastinieren. Und ich bin tausendmal sturer als Itachi jemals sein kann.« »Ist es in Ordnung, wenn ich das weder verstehe noch nachfrage?« »Wart’s einfach ab!« . . Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)