Noch einmal mit Gefühl von 4FIVE ([Itachi x Ino | Sasuke x Sakura | modern AU]) ================================================================================ Kapitel 11: Spontankäufe ------------------------ . . ♠   —Tōkyō, Japan; 7 Jahre zuvor Zwei Millionen Yen. Drei Stunden Beratungsgespräch im edelsten Juwelier der Stadt. Der Aufwand, Izumis Lieblingsring unbemerkt zu entwenden. Zwei eingeforderte Gefallen, um einen Tisch im besten Lokal Japans zu bekommen. Und Izumi starrte das rote Samtkästchen auf dem gedeckten Tisch vor ihr nur an. Es war ungeöffnet und sie würde es auch nicht öffnen. Weil sie längst wusste, was sich darin befand. Der Schmerz in ihrem Gesicht sprach Bände, als sie es über die Tischdecke zurückschob. »Tut mir leid«, sagte sie leise. Damit hatte Itachi nicht gerechnet. Wie auch? Sie waren seit dem Studium zusammen, hatten sich gemeinsam am Campus verlaufen und waren aus der Bibliothek geworfen worden. Hatten sich in Izumis schmalem Einzelbett um jeden Quadratmillimeter Platz gezankt, weil ihr karges Zimmer im geförderten Wohnheim so viel näher war als Itachis voll ausgestattetes Appartement am Stadtrand. »Ich verstehe nicht«, erwiderte Itachi. Er klang gefasst, aber war alles andere als das. Sie waren das perfekte Paar. Izumi war kultiviert und elegant, verstand sich hervorragend mit seiner Mutter und konnte sogar seinem Vater das ein oder andere Kompliment entlocken. »Du wolltest doch immer heiraten.« Ihre Augen suchten nach etwas in seinem Gesicht, das ihr Aufschluss darüber geben konnte, was hinter seiner gelassenen Maske in ihm vorging. Nach neun Jahren war sie gut darin geworden. Sie fand, was sie gesucht hatte, und legte ihre Hand auf seine. »Ja. Ich liebe dich, Itachi, und das werde ich immer. Aber … du lebst für deine Firma, für deine Familie. Bitte verlang von mir nicht, dasselbe zu tun. Die Zukunft, die wir haben können, würde uns beide nur unglücklich machen.« Er sah sie an, suchte nach einer Antwort, einem Einwand, irgendwas, doch es kam nichts. Izumi hatte sich entschieden und er musste akzeptieren, dass sie recht hatte. An diesem Abend übernahm sie die Rechnung und er fuhr sie nach Hause. In all den Jahren hatte sich nie eine gemeinsame Wohnung ergeben. Vielleicht war das schon das erste Symptom gewesen. Itachi wusste es nicht. Es war irrelevant. Sie umarmten sich zum Abschied. Ein nüchternes Ende nach einer langen Zeit. Am nächsten Tag nahm er das Jobangebot in Los Angeles an, das er bislang aufgeschoben hatte. Er würde nutzen, was Izumi ihm geschenkt hatte – die Freiheit, sich seiner Arbeit zu widmen. Ohne Einschränkungen. ♠   —Tōkyō, Japan; Gegenwart   Itachi wunderte sich über viele Dinge an diesem Morgen. Warum Tanakas E-Mail mit den Abteilungsergebnissen des letzten Quartals immer noch nicht in seinem Posteingang war, oder warum Ino sich seit Tagen nicht gemeldet hatte, oder warum Sasuke nach dem Budgetmeeting komplett übergeschnappt war. Vor allem aber wunderte er sich, ob er nach all den Jahren nicht mehr rechnen konnte. Eins plus eins ergab zwei und von dort war es in Itachis Kopf nicht mehr weit zum globalen Maximum einer Polynomfunktion. Nur dass die Zahlen vor ihm aus keiner gängigen oder ihm auch nur ansatzweise bekannten Funktion, Gleichung oder Annäherung hervorgehen konnten. Sie waren falsch, schlichtweg falsch, und er fragte sich, wie das sein konnte. Nein, das war falsch formuliert. Wer eins und eins zusammenrechnen konnte, war auch dazu in der Lage, Briefkastenfirmen in Singapur und fehlerhafte Kostenreporte zu kombinieren. Das Merkwürdige war nur, dass die Briefkastenfirmen plötzlich Gelder in die Firma hineinpumpten. Nach seiner Reise nach Singapur hatte Itachi die Sache ruhen lassen in der Hoffnung, dass die paar Millionen versickerten Yen eine einmalige Sache waren. Wenn ein paar ältere Familienmitglieder ihre Rente aufpolieren wollten, hätte er das nicht gutgeheißen, aber er hätte die Sache ziehen lassen. Doch unerklärliche Umsätze in Milliardenhöhe waren nichts, das er weiterhin ignorieren konnte. Vor allem nicht, wenn er den Sinn dahinter nicht verstand. Die Beträge waren keiner Rechnung, keinem Projekt oder Kundenbetreuer zugeordnet. Sie waren einfach da. Wie konnte das sein? Unzufrieden rollte Itachi mit seinem Schreibtischstuhl nach hinten und stemmte die Arme gegen die Glasfront seines Büros, um seinem steifen Nacken ein wenig Erleichterung zu verschaffen. Seit Ino ihn rückwärts auf ihr Bett geworfen hatte, fühlten sich seine obersten Wirbel an, als hätte jemand einen Zementsack angehängt. Er würde sich davon nicht ablenken lassen. Weder von nervigen Schmerzen noch von intimen Gedanken. Vielleicht war es gut, dass Ino nicht anrief. Dann musste er sie nicht versetzen. Die UCHIHA Corp. hatte eine lange und schmerzhafte Geschichte, geprägt von Aufstiegen und Fällen gleichermaßen. Sie war als Handwerkerbetrieb mit dem Ausbau des staatlichen Telefonnetzes gewachsen, war gefallen mit stärker werdender Konkurrenz, war gerettet worden durch die Spezialisierung auf interne Telefonanlagen in Großunternehmen, und war erneut gefallen durch den Vormarsch der Computer. Es war zu großen Teilen Itachis Verdienst, dass sie heute lukrative Software für Intranet und Schnittstellen verkauften, anstatt mit verstaubten Telefonanlagen herbe Verluste zu schlucken. Sein Großvater hatte das Unternehmen großgemacht und mit Kurzsichtigkeit an die Wand gefahren, sein Vater hatte es gerettet und mit seinem Traditionsbewusstsein ein zweites Mal fast zerschmettert. Itachi hatte es vor dem Aufprall bewahrt und er würde den Kreis nicht mit Ignoranz oder Ablenkung fortsetzen. Und er würde damit anfangen, seinem Vater ein paar Fragen zu stellen. Fugakus Büro war nur ein paar Türen weiter, trotzdem straffte Itachi seine Krawatte und warf sein Sakko um, nur für den Fall, dass ihm ein Mitarbeiter über den Weg lief. Es war eine gute Entscheidung gewesen. Er war kaum aus der Tür, als ihn die Personalchefin abfing, um ihn darüber zu informieren, dass ihr gestriger Abteilungsbericht obsolet war. Sakura hatte gekündigt und stürzte damit die medizinische Abteilung in helles Chaos. Itachi gab sich milde überrascht und wies sie an, sich sofort um einen Ersatz zu kümmern, das restliche Gespräch vertagte er. Er hatte keine Zeit für die innerbetriebliche Auswirkung von Sasukes Ehedrama. Dachte er. Das Büro seines Vaters war leer, auch sein Assistent war nicht auf seinem Platz. Ein Blick auf die Uhr enthüllte Itachis Fehler. Kurz vor Mittag holte Fugaku sich meistens Kaffee aus dem Automaten in der Produktion – ganz heimlich, wenn die dortigen Arbeiter bereits auf Mittagspause waren, um ja nicht zugeben zu müssen, dass er in den Tiefen seines feinen Magens die dünne Instantbrühe jedem italienischen Espresso vorzog. Es war nur eine von Fugakus Marotten, die er hinter dem archaischen Image des reichen Geschäftsführers verbarg. Itachi hatte ihn schon vor Jahren durchschaut. Er wusste auch, dass sein Vater üblicherweise zehn Minuten für seinen Beutezug benötigte, also ließ er sich auf einem der Besprechungsstühle nieder und wartete, bis die Tür geöffnet wurde. Es war nicht sein Vater, der eintrat. »Itachi-san«, sagte Inabi überrascht. In seinen Händen hielt er einen Aktenordner und zwei Tablets. »Ist Fugaku-san nicht hier?« »Offensichtlich nicht.« Itachi gestikulierte gegen einen zweiten freien Stuhl. »Ich warte auf ihn, du kannst mir gerne Gesellschaft leisten. Vielleicht kannst du mir ja sogar behilflich sein.« Bis auf das Zucken in seinen Fingern blieb Inabi ruhig. »Ich werde mein Bestes versuchen, Itachi-san.« »Anwälte sind doch schlau«, sagte Itachi. Er stand auf, um seine zwei Zentimeter überlegene Körpergröße ausspielen zu können. Dutzende Stunden Rhetoriktraining hatten ihm jeden bekannten Trick indoktriniert, und visuelle Ebenen waren gleich zu Anfang dran gewesen. »Kannst du mir beantworten, von wo wir in diesem Geschäftsjahr drei Milliarden Yen Gewinn eingefahren haben?« Inabi bewegte sich keinen Millimeter. »Drei Milliarden? Vielleicht solltest du dich ein wenig ausruhen und nochmal nachrechnen.« »Ich habe mich nicht verrechnet.« »Oh, davon gehe ich auch nicht aus.« Inabi machte einen Schritt nach vorne und senkte die Stimme. Sein verengter Blick ging an Itachi vorbei über die sonnige Skyline der Stadt. »Es wäre nur besser für uns alle, wenn du trotzdem nochmal nachprüfst. Dich eingeschlossen. Ein gutgemeinter Rat unter Freunden.« Er trat zurück und deutete eine knappe Verbeugung an, sein Tonfall wieder neutral und geschäftig wie zuvor. »Wenn du Fugaku-san findest, sag ihm, Flux wird mal wieder verklagt und bittet um unsere Stellungnahme zur Datensicherheit unserer Produkte.« »Ich werde es ihm ausrichten. Inabi-san.« Dann war Inabi verschwunden und Itachi erlaubte sich, für einen kurzen Moment die Schultern zu senken. Verdammt. Das machte die Sache wesentlich komplizierter. Für den Moment blieb ihm nichts weiter übrig, als ungesehen aus dem Büro seines Vaters zu verschwinden und seiner täglichen Arbeit nachzugehen, als wäre nichts gewesen. Bearbeitete E-Mails, als wäre nichts gewesen. Ignorierte eine eingehende Nachricht auf seinem privaten Smartphone und arbeitete weiter, als wäre nichts gewesen. Schickte Shirogane nach Hause und arbeitete weiter, als wäre nichts gewesen. Bis ein Streit ihn ablenkte. Er war gedämpft durch ein wenig Distanz und eine geschlossene Tür, aber Itachi hatte Sasuke oft genug schreien gehört, um seinen aufgeregte Stimme auszumachen. Er wollte nicht nachsehen, wollte sich nicht einmischen in welche Kontroverse auch immer Sasuke und sein Vater jetzt schon wieder verkeilt waren. Doch der Streit dauerte an und der Tag war zu aufreibend gewesen. Er stand auf, kümmerte sich diesmal nicht um seine lockere Krawatte und die aufgekrempelten Ärmel, und kam gerade rechtzeitig an, um Fugakus scharfe Frage durch die geschlossene Tür zu hören – »Ich wusste von Anfang an, dass dieses Haruno-Gör dich runterzieht! Wieso hast du sie überhaupt geheiratet?« ♣ Wieder dieselbe entwaffnende Frage in diesem herablassenden Tonfall. Wieder dieselbe Implikation, derselbe Vorwurf, dieselbe Laier wie jeden Tag, jeden verdammten Tag. Einmal mehr hatte sein Vater ihn in sein Büro zitiert, um ihn über sein unangebrachtes Verhalten zu belehren. Hatte nicht einmal nachgefragt, warum sein gesamter Unterarm einbandagiert war. Was kümmerten ihn die Dummheiten des zweiten Sohns, des unwichtigen Sohns? Nicht eine Silbe hatte er über Sasukes fahlen Blick oder Sakuras Kündigung verloren, oder die Tatsache, dass sein unwichtiger Sohn trotz allem pünktlich erschienen war. Doch diesmal hatte Sasuke keinen Frust gespürt, keine Verzweiflung, sondern nur Wut, die so unbedingt, so dringend aus ihm herauswollte, dass er nur nach einer Ausrede gesucht hatte, um schreien zu können. Und jetzt, wo er sie gefunden hatte, war er ruhig. Weil schreien keinen Sinn machte, nichts ändern würde. Weil Fugaku nicht derjenige war, dem er die Fehler anlasten konnte. Weil Sasuke endlich verstanden hatte, warum er so wütend war und was er wirklich sagen wollte. »Weil ich Sakura heiraten wollte.« Es war ein kleiner Satz, in irgendeinem anderen Kontext offensichtlich und wenig bewegend. Für Sasuke war es eine bahnbrechende Erkenntnis. Er blieb nicht, um die Reaktion seines Vaters zu beobachten. Sie war nicht wichtig, weil sein Vater nicht wichtig war. Weil die UCHIHA Corp. nicht wichtig war. Weil sein Bruder nicht wichtig war, den er mit seinen schnellen Schritten beim Verlassen des Büros umrannte und fast zu Boden stieß. »Und du«, sagte Sasuke, noch ehe die Tür zugefallen war. Sein Vater konnte es ruhig hören, sollte es hören. »Du hast gewonnen, Itachi. Übernimm das Projekt, es gehört dir. Ich hab keine Lust mehr, für euch den scheiß Sündenbock zu spielen.« Er hörte seinen Namen in seinem Rücken, doch er hatte alles gesagt. Was danach kam, interessierte ihn nicht, nicht jetzt zumindest. Sein Bruder schien das anders zu sehen. Schritte eilten ihm über den Teppichboden nach, eine Hand hielt ihn an der Schulter zurück. »Sasuke, wo willst du hin?« »Zu meiner Frau und meiner Tochter.« Itachi schüttelte den Kopf. »Du bist viel zu aufgeregt, um zu fahren.« »Du hältst mich nicht auf.« Sasuke war auf jede Gegenwehr gefasst, war für jede Standpauke gewappnet – es war noch nicht einmal halb sechs und der Projektleiter konnte nicht vor Sonnenuntergang nach Hause gehen, schon gar kein Uchiha, denn Uchihas atmeten und bluteten für diese Firma. Doch Itachi bog in sein Büro ab, zog sein Jackett vom Kleiderhaken, und sagte, »Im Gegenteil. Ich fahre dich.« Sasuke war zu perplex, um zu widersprechen. Die Fahrt nach unten war schweigsam und unruhig, der kurze Weg zum Auto in der Tiefparkgarage und die Fahrt nach draußen ebenso. Itachi fuhr konzentriert über die voller werdenden Straßen, machte keine Anstalten, nachzufragen oder zu kommentieren. Nur das Radio spielte leise Musik, manchmal unterbrochen von Ansagen der Moderatorin und Werbung für Hundefutter. Sasuke zog sein Smartphone aus der Tasche. Sakura hatte keinen Grund, ihm seine unglaubliche Erkenntnis zu glauben. Er musste ihr beweisen, wie ernst er es meinte. »Fahr dort links«, wies er Itachi an. Itachi schenkte ihm einen skeptischen Seitenblick. »Der schnellste Weg geht geradeaus.« »Wir legen einen Zwischenstopp ein.« ♥   Sakura stürzte aus der Dusche, nur ein dünnes Handtuch um ihren seifigen Körper, und erwischte ihr Smartphone gerade noch beim letzten Klingeln. Erst jetzt fiel ihr auf, dass ihre Aufregung reichlich übertrieben war, doch wer konnte es ihr verdenken? Als Betriebsärztin zu arbeiten war nicht das Schlechteste gewesen. Die Arbeitszeiten waren für ein junge Mutter unüblich vorteilhaft, der Verdienst war gut, die Nähe zu ihrem Apartment – Sasukes Appartement – ein Bonuspunkt. Aber sie konnte mehr. Ein Universitätsabschluss summa cum laude hatte ihr eine Turnusstelle an einer renommierten Klinik eingebracht, von dort aus hätte sie überall hingehen können. Doch dann war sie mit Sarada schwanger geworden und Mikotos zermürbende Reden von Familienpflichten und Erwartungen an Uchihamütter hatten Sakura in die Stelle als Betriebsärztin getrieben. Nach der Karenz hatte sie versucht, sich mit Weiterbildungen in Psychologie und Mediation herauszufordern, aber sie war töricht gewesen. Welcher Mitarbeiter klagte schon bei der Schwiegertochter vom Chef? Darum setzte ihr Herz einen Schlag aus, als sie eine Festnetznummer auf dem Display erkannte und der Mann am anderen Ende der Leitung sie tatsächlich zu einem Vorstellungsgespräch im ANA Medical Center in Setagaya einlud. Tsunade war genial! Natürlich nahm sie an, legte auf und sprang vor Freude so hoch in die Luft, dass sie beim Aufkommen ihre Knie bedrohlich knacksen hörte. Wenn sie diesen Job bekam, würde sie viel praktische Erfahrung aufholen müssen, aber sie war schlau und, auch wenn gerade ihr Rücken wehtat, war sie noch jung genug, um in ein paar Jahren ihren Facharzt zu machen. Zum allerersten Mal seit Jahren sah das Leben wieder gut aus. Den ganzen Tag über behielt sie ihr Grinsen, selbst als sie Sarada vom Kindergarten abholte und die Pädagogin ihr erzählte, dass Sarada sich heute mit einem Jungen geprügelt hatte. Sie war also nun in der Trotzphase, kein Drama! Nichts konnte ihren Tag trüben. Während Sarada aß, durchforstete Sakura die Homepage des ANA Medical Centers. Es war ein Allgemeinkrankenhaus mit den meisten üblichen Stationen, inklusive einer Psychiatrie. Wenn sie Glück hatte, konnte sie sich ihre Psychologieweiterbildung anrechnen lassen und ein wenig Zeit sparen. Ja, das Leben war eindeutig wunderbar, wunderbar, wunderbar. Sogar das Klingeln an der Tür war wunderbar, denn sie hatte sich einen sündhaft teuren Designermantel bestellt und – »Sasuke.« Ihre Euphorie war weg. Nicht einmal zerbrochen mit sichtbaren Scherben am Boden, sondern einfach weg, als wäre sie nie dagewesen. Sie seufzte, leise und kurz, weil sie keine Kraft für eine neue emotionale Achterbahn hatte. Er sagte nichts, hob nur eine blaue Stofftasche hoch, an deren Seiten Netze eingenäht waren. Sie gaben den Blick auf ein verängstigtes schwarzes Kaninchen frei. Jetzt war er komplett übergeschnappt. Hatte die Einsamkeit ihn gebrochen, oder die viele Arbeit? Ungewolltes Mitleid quoll in ihr hoch, als das Kaninchen fiepte und Sasuke sich an einem geschundenen Lächeln versuchte. »Ich wollte einen Hund«, sagte er endlich, als täte das irgendetwas zur Sache. Sein Teint war fahl, seine Kleidung zerknittert, seine Augen müde, ein Verband war um seinen Unterarm geschlungen, doch er sah klar aus und sprach ruhig, beherrscht. »Aber die Verkäuferin meinte, dass man Welpen nicht einfach in einer Kleintierhandlung kaufen kann. Also hab ich den Kerl hier mitgebracht.« »Sasuke, ich …« Sie wusste nicht, wie sie den Satz zu Ende bringen sollte. Vorsichtig fragte sie, »Brauchst du Hilfe? Seelischen Beistand meine ich.« Mit einem verwunderten Blick zu dem Kaninchen schien Sasuke zu realisieren, welchen Eindruck er machte. Er sah wieder auf und schüttelte den Kopf. »Ich … ich habe gekündigt. Und habe endlich eine Antwort. Ich habe dich geheiratet, weil ich dich liebe, Sakura. Nicht, weil du dich an meinem Arm auf Galas schick machst oder du einflussreiche Beziehungen hast. Du hast nie in den großen Plan meiner Familie gepasst, kein Stück weit.« »Wenn du mich provozieren willst, Sasuke, bist du auf einem guten Weg –« »Nein! Was ich sagen will – du und Sarada, ihr seid das einzige, für das ich mich jemals bewusst entschieden habe. Nicht, weil mich jemand beeinflusst hat, oder weil man es von mir erwartet hat, sondern weil ich dich an meiner Seite haben wollte –« »Na und?« Sie verschränkte die Arme. »Das sind nette Worte, wirklich, aber mehr nicht. Woher weiß ich, dass ich dir diesmal vertrauen kann?« »Weißt du nicht.« Sasukes Stimme wurde schneller, aufgeregter, angespornt von etwas tief in ihm. »Aber, Sakura, es ging niemals um dich. Ich war das Problem. Das verstehe ich jetzt. Und von hier aus können wir weitergehen. Nicht wahr?« »Das klingt nicht halb so romantisch wie du vielleicht denkst.« »Mag sein«, fuhr er fort, machte einen Schritt auf sie zu; nur einen kleinen, um zu testen, ob sie zurückweichen würde. Als sie auf der Stelle blieb, legte er seine freie Hand auf ihre Wange, strich sanft darüber und Himmel fühlte es sich gut an. »Aber es ist echt. Und es ist ein Anfang.« Sakura nickte nach unten. »Und das Kaninchen?« »Spontankauf. Wir können es bis heute Abend zurückgeben, wenn du es nicht willst. Aber ich dachte, es wäre gut, um dir ein Versprechen zu geben. Dass, egal wie es weitergeht, ich jeden Tag früh genug zu Hause sein werde, um es zu füttern. Das heißt, ich bin auch früh genug zu Hause, um mit dir zu kochen und Sarada ins Bett zu bringen.« Sakura war überfordert. Er hatte sie wieder losgelassen, hielt ihr das Kaninchen erwartungsvoll entgegen. Und vielleicht war es die Euphorie des heutigen Tages, die sie überzeugte, sie erneut etwas wagen ließ, diesmal ganz bewusst. Sie streckte die Hand nach dem Kaninchen aus. »Wir sollten es reinbringen. Das arme Kerlchen sieht aus, als hätte es eine Panikattacke.« Vorsichtig händigte Sasuke die Tasche aus und beobachtete Sakura von der Türschwelle aus, wie sie Inos Küche nach einer Wasserschüssel und übriggebliebenem Gemüse durchsuchte. Sie drehte sich zu ihm um. »Jetzt komm schon rein, deine Tochter hat dich seit Wochen nicht mehr gesehen.« Er lächelte. Zum ersten Mal seit Jahren. »Danke, Sakura.«   ♠ An seine Wagentür gelehnt sah Itachi nach oben, wohin Sasuke mit dem Kaninchen verschwunden war. Auf dem Weg von der Tierhandlung zu Inos Wohnung hatte er mehrfach den Kopf geschüttelt. Sein kleiner Bruder war, obgleich er es im Leben nicht zugeben würde, immer schon impulsiv gewesen. Itachi rechnete nicht damit, dass er allzu bald wieder nach unten kommen würde. Doch das Wetter war schön und heute hatte er noch keinen Plan, wie er den Betrug in der UCHIHA Corp. angehen sollte, also entschied Itachi, ein wenig zu warten. Nur für den Fall. Er hatte gerade einen Termin mit der Personalchefin für morgen bestätigt, da trat jemand an ihn heran und lehnte sich neben ihn an seinen Wagen. Nicht viele Menschen wagten sich einfach so an sein poliertes Coupé heran, oder an ihn. Daher überraschte es ihn nicht, dass er die einzige Frau erblickte, die sich in letzter Zeit einen regelrechten Spaß daraus gemacht hatte, seine persönlichen Grenzen auszureizen. »Tsk. Stalker.« Er deutete nach oben zu ihrer Wohnung. »Chauffeur.« Hinter ihrer großen Sonnenbrille hob Ino eine Augenbraue. »Was?« »Sasuke hatte wohl heute einen phänomenalen Moment der Selbsterkenntnis, den er unbedingt Sakura-san mitteilen wollte. Wenn ich du wäre, würde ich da in nächster Zeit nicht raufgehen.« »Was – oh. Mein. Gott. Ich hoffe, sie haben keinen Sex auf meinem neuen Sofa.« Ino schauderte. »Sie haben bestimmt Sex auf meinem neuen Sofa. Verdammt. Ich brauch ein neues Sofa.« . . Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)