Alte Pfade von Kylie (Band 3) ================================================================================ Kapitel 9: Der Verbotene Wald ----------------------------- „Ich bin mir nicht sicher, ob ich besorgt darüber sein soll, dass du dich offenbar umbringen willst oder ob es mich freuen sollte.“ „Warum solltest du dich über einen eventuellen Suizid meinerseits freuen, Sev?“, hinterfragte Camilla skeptisch. „Weil das auch direkt deine Verlobung mit Sirius Black auflösen würde.“ „Ha, ha...“ „Weshalb willst du bitte in den Verbotenen Wald?“, hinterfragte er unzufrieden. Er war für ihren Schutz zuständig, doch sie machte es ihm nicht gerade einfach. In letzter Zeit stürzte sie sich von einer Gefahr in die nächste. „Ich muss es halt machen.“, sagte sie ausweichend. „Du willst dich also nicht erklären?“ „Sehe ich so aus, als hätte ich das vor?“ Er seufzte, schüttelte dann aber den Kopf: „Eher nicht... Mir gefällt das Ganze nicht. Ich müsste dich eigentlich aufhalten!“ „Stell‘ dich hinten an. Hagrid will mir immerhin auch nicht in den Wald helfen.“ Nachdenklich sanken seine perlenschwarzen Augen auf ihren Daumen, an dem der Männerring von Sirius steckte. Er symbolisierte zurzeit ihr Versprechen und würde wohl ausgetauscht werden, sobald ihre richtigen Verlobungsringe fertig waren. Nun fragte er sich allerdings, ob der Rumtreiber etwas mit diesem gefährlichen Unterfangen zu tun hatte. Ob er sie vielleicht sogar bewusst dieser Gefahr aussetzte! Es war naheliegend, weil die Jungen sich schon häufiger in den Wald geschlichen hatten. Irgendwie bezweifelte Severus aber, dass seine beste Freundin sich so leicht beeinflussen ließ. Sie war stark. Sturköpfig! Sie gegen ihren Willen zu etwas zu bringen, war beinahe unmöglich. „Was genau willst du eigentlich von mir?“ „Wir brauchen Heiltränke, wenn wir uns in den Wald schleichen.“, erklärte die Blondine nüchtern. „Wir haben keine Ahnung, was uns erwartet und was passieren wird, also müssen wir vorbereitet sein.“ „Wir?“ „Da Hagrid nicht helfen will, werde ich mit Sirius, James und Peter in den Wald schleichen.“ Wieder seufzte er tief und rollte dann mit den Augen: „Warum überrascht mich das nun nicht?“ „Hilfst du mir?“ „Habe ich eine Wahl?“ „Da du mich beschützen sollst, wohl eher nicht.“, kicherte sie amüsiert. „Ja, ja, ich werde ein paar Tränke brauen... Bis wann brauchst du sie?“ „Bei der nächsten Vollmondnacht.“, erwiderte Camilla nüchtern. „Ernsthaft?“, keuchte der Zaubertrankfreak empört und sah ihr panisch in die eisblauen Augen. „Ihr wollt ihn als Werwolf dahin schleifen? Euch ist schon klar, dass es im Verbotenen Wald weitere Werwölfe gibt, auf dessen Ruf er hören könnte?“ „Deshalb sollst du ja Tränke brauen. Wir müssen vorbereitet sein.“ „Das ist doch Wahnsinn!“, warf er überflüssigerweise ein. „Wahnsinn ist mein zweiter Vorname.“ „Ist dein zweiter Vorname nicht Rebecca?“ „Niemand mag Klugscheißer, Sev.“, erinnerte Camilla ihn mit hochgezogenen Augenbrauen. Innerlich verfluchte er sie für ihren Wagemut, trotzdem bewunderte ein Teil von ihm auch ihre Entschlossenheit und ihren Mut. Worum es hier auch immer ging, sie war nicht nur bereit, ihr eigenes Leben dafür zu riskieren, sondern auch die ihrer Freunde. Es musste sehr, sehr wichtig sein... Vor allem, wenn sie sogar Sirius dabeihaben wollte. Aber warum willst du mich nicht mitnehmen? Ich bin sicherlich nützlicher als ein Werwolf, der sich selbst gar nicht im Griff hat!, überlegte er zähneknirschend. Auch wenn die Rumtreiber ihn als Gruppe überlegen waren, war er dennoch der bessere Zauberer. Er beherrschte viel mehr Flüche und wusste genau, wie er mit einer Überzahl an Feinden zurechtkam. Außerdem konnte er diverse Zaubertränke samt ihrer korrekten Anwendung bieten. Trotzdem fragte sie ihn nicht. Natürlich würde er sich die ganze Zeit mit den Rumtreibern zanken – oder eher sie ihn – aber für sie würde er es in Kauf nehmen. Wenn er sie dafür nur beschützen durfte! Doch stattdessen wollte Camilla, dass er ihnen ein Arsenal an Tränken bereitstellte. „Ich will mit, Camy.“, hörte er sich mit Nachdruck sagen. „Das geht nicht.“ „Warum nicht? Denkst du, dass ich zu schwach bin?“ „Auf gar keinen Fall!“, empörte sich die Blondine. „Du bist einer der besten Zauberer, den ich kenne! Du bist nicht nur talentiert, sondern auch hochkonzentriert und selbst in Stresssituationen immer Herr deiner Sinne.“ „Warum willst du mich dann nicht dabeihaben?“ „Du kannst nicht mitkommen, wenn Moony als Werwolf unterwegs ist. Ich kann es dir nicht erklären, aber es ist so.“, seufzte Camy. „Wieso sollte er euch nicht angreifen?“, hakte Severus trotzdem verzweifelt nach. „Er ist in dieser Form nicht er selbst!“ „Das stimmt.“ „Er tötet Menschen!“ „Ja...“, stimmte sie zu. „Weshalb solltet ihr dann sicherer sein als ich? Das ergibt keinen Sinn!“ „Bitte, Sev, vertrau‘ mir einfach.“, seufzte die Amerikanerin unglücklich. „Ich darf dieses Geheimnis nicht verraten. Ich habe es versprochen.“ „Was bringt es dir, wenn du es schaffst, das Geheimnis zu bewahren, weil du tot bist?“, hinterfragte er zynisch. „Auch wenn es nicht danach aussieht, weiß ich genau, was ich tue, Sev.“, ermahnte Camilla ihn streng. Ihre Augen taxierten ihn, als wollte sie ihm mit einem einzigen Blick klar machen, wer sie eigentlich war. Dabei wusste er das! Sie war der wahre Erbe Slytherins. Noch wahrhaftiger als der dunkle Lord... Nur sah sie es nicht. Bei diesem Unterfangen wird sie sterben... Dennoch war ihm klar, dass nichts, was er sagte, ihre Meinung ändern würde. Keine Tat, würde Camilla Blair dazu bewegen, ihn in diese Sache einzuweihen. Vielleicht ist es besser so., schnaubte Snape verächtlich. Es ist ein Himmelsfahrtkommando. Nur wieso wirkte Camilla dann so entspannt? Sie hatte vor, mit den Rumtreibern in den Verbotenen Wald zu gehen! Vermutlich der gefährlichste Ort in Hogwarts – von der Kammer des Schreckens abgesehen. „Mach‘ mir eine Liste und ich braue alles, was darauf steht.“, gab Severus seufzend nach. Ihm gefiel das Ganze nicht, doch er würde sie nicht ohne Rückendeckung in den Wald lassen. „Danke.“ „Wenn du nicht lebend zurückkehrst, dann schwöre ich dir, bringe ich dich um!“ „Sev... Ich wäre dann bereits tot.“, erinnerte die Blondine ihn skeptisch. In ihren Augen konnte er lesen, dass sie sich innerlich durchaus über ihn amüsierte. Er schnaubte wütend, während er sie fixierte: „Ich finde einen Weg und wenn ich dafür in die Hölle reisen muss!“ „Ich glaube dir.“ Ihre Unterhaltung war damit beendet. Camilla erhob sich und schenkte ihm ein undeutbares Lächeln. Es gab ihm das Gefühl, als wüsste sie genau, dass bald etwas Furchtbares geschehen würde und, dass sie es vielleicht nicht überleben würde... Ein ungutes Gefühl breitete sich in Severus aus, während er ihr nachsah. Eine Stimme in ihm schrie, dass er sie aufhalten musste, doch er tat nichts. Er war wie gelähmt... Innerlich wusste er immerhin, dass er Camilla nicht aufhalten konnte. Nicht mal mit einem Fluch! Oder einen Schlaftrunk... Aber ich weiß, wer sie aufhalten kann. Fest entschlossen, sie nicht in ihr Ende rennen zu lassen, erhob sich der Zaubertrankfreak von der Bank und verließ selbst die Große Halle. Sie hatte ihr Ende vielleicht selbst gewählt, doch er würde bei dieser Sache das letzte Wort behalten. Du lässt mich hier nicht alleine zurück, Camilla Blair!, dachte er verzweifelt. Du bist in dieser kurzen Zeit zum wichtigsten Menschen in meinem Leben geworden! Ich kann es nicht zulassen.   „Heute geht es los.“, verkündete Sirius feierlich. Dennoch war er besorgt... Nach außen durfte er es nicht zeigen. Sie wollten immerhin in den Verbotenen Wald! Alleine. In einer Vollmondnacht... Wäre er nicht besorgt, dann würde mit ihm definitiv etwas nicht stimmen. Aber Camy ist sich sicher, dass sie dorthin muss. Dass sie etwas finden wird, was ihr hilft., erinnerte er sich selbst, um nicht die Hoffnung vollends zu verlieren. „Bereitet euch vor. Ich gehe zu Camy und kläre die Details.“, ergänzte Tatze schließlich. „Erinnere sie daran, dass wir das alle überleben wollen.“, seufzte Remus nicht gerade begeistert. Ihm war klar, dass ein anderer Werwolf ihn dazu bringen könnte, sie anzugreifen. Auch in ihren Tiergestalten... Sie folgten den Ruf anderer Werwölfe. „Erinnere dich selbst daran, positiv an die Sache heranzugehen.“ „Ich versuch’s...“ Sirius nickte. Dazu musste er nicht mehr sagen, stattdessen drehte er sich um und machte sich endlich auf den Weg zu seiner Verlobten. Es klang immer noch eigenartig... Verlobte. Er war sich so sicher gewesen, dass er ein ewiger Junggeselle bleiben würde! Und wenn er Pech hatte, dann würde er seine Verlobte heute Nacht verlieren. Und dann nicht mal an den dunklen Lord... Nur, weil sie herausfinden will, was damals in ihm vorging. Welch Ironie., dachte er verbittert. Es half nicht, darüber nachzudenken. Stattdessen dachte er darüber nach, wie sie am besten in den Wald hinein und im Anschluss wieder herauskamen. Möglichst ohne gesehen zu werden! Hagrid hatte ihnen deutlich zu verstehen gegeben, dass er sie dort nicht haben wollte. Er würde sie auch nicht decken, wenn man sie bei der Sache erwischte. Oder ihnen etwas zustieß... Letzteres wollten sie aber natürlich dringend vermeiden. Noch dringender, als nicht dabei erwischt zu werden, wie sie zig Schulregeln brachen. Brechen wir wirklich die Regeln, wenn der Schulleiter selbst uns eigentlich dazu angestiftet hat? Oder zumindest Camy..., überlegte Tatze. Er will offenkundig, dass sie all das auf sich nimmt, auch wenn sie es nicht ausspricht. Ich bin doch nicht dumm! Das war er wirklich nicht, weshalb ihm durchaus klar war, dass Dumbledore seine Freundin vielleicht bewusst in den Tod schickte. Sie wäre nicht die erste, die durch sein Zutun zu Schaden kam und sie würde nicht die letzte sein. Im Kampf gegen dunkle Magier kannte der Direktor keine Grenzen, was Sirius irgendwo nachempfinden konnte. „Hey, Siri.“, hörte er plötzlich eine vertraute Stimme und blieb stehen. Irgendwie hatte er nicht damit gerechnet, dass jemand ihn auf dem Weg zu Camilla abfangen könnte. „Reg...“, stellte er überrascht fest. „Ist... Camy gut bei euch angekommen...? Wir haben uns seit den Winterferien noch nicht unterhalten.“ „Ja, sie war nur etwas durchgefroren.“ „Hat... Hat sie es dir... erzählt...? Was alles geschehen ist, meine ich...?“, hakte sein kleiner Bruder unsicher nach. Er befürchtete wohl, dass die ganze Geschichte ihr Verhältnis noch mehr verschlechterte. Vermutlich sollte das eigentlich auch so sein, aber irgendwie verspürte Sirius keinen Gram. „Ja, sie hat mir alles erzählt.“, antwortete Tatze ihm aufrichtig. Es brachte nichts, wenn er drumherum redete. „Sie hat mir erzählt, dass du zweifelst und dich fürchtest. Und sie hat mir erzählt, dass du sie über den Fahrenden Ritter aufgeklärt hast, damit sie zu mir kann.“, fuhr er fort. „Danke dafür.“ „Kein Ding... Nach allem, was sie für mich getan hat-...“, Regulus brach ab. Seine Stimme bebte furchtbar und die Augen seines Bruders wirkten feucht. Er rang offenbar mit sich, damit er nicht doch noch zu weinen anfing. Nachdem er sich mit Narzissa versöhnt hatte, sprach nichts dagegen, es auch bei Reg zu versuchen. Er war der einzige Black, den er nie aufgegeben hatte! Nicht mal in den letzten Monaten, obwohl er es wirklich versucht hatte... Wenn Sirius ehrlich mit sich war, liebte er wohl niemanden auf der Welt so sehr wie ihn. Deshalb fiel es ihm leicht, auf Regulus zu zugehen und ihn in seine starken Arme zu nehmen. Er drückte ihn wortlos an sich, während seine Hände behutsam durch sein schwarzes Haar strichen. Es war inzwischen erstaunlich lang! Noch etwas mehr und sie würden vielleicht doch noch als Zwillinge durchgehen. Das ließ Sirius schmunzeln. Ihre Eltern musste es rasend machen, dass Reg seine Haare nun auch wachsen ließ! Trotzdem sagte er auch dazu nichts. Er genoss den Augenblick, als Regulus sich fallen ließ. Er weinte. Er weinte so bitterlich, dass Tatze sich sicher war, dass sein Bruder das wirklich brauchte. Wie lange hältst du deine Tränen bereits zurück, Bruder? Wie lange lebst du alleine mit deinem Schmerz? Ihm war klar, dass Reg schon lange litt. Schon lange, bevor er zum Todesser wurde und Sirius gegangen war. Auf eine andere Weise als er... Ihn hatte ihr Vater nicht gefoltert, doch sie hatten ihn geformt. Verhindert, dass er sich frei entfalten konnte. Sie waren in seinen Geist eingedrungen, um ihn von Innen heraus zu verändern. Er wollte sein Gegenmittel sein... Seine Möglichkeit auf Freiheit! „Es... Es tut mir... sooo leid~...“, schluchzte Regulus herzerweichend, während seine Finger sich in sein Hemd krallten. Sein ganzer Körper bebte. „Ich hätte... auf dich hören sollen...! Ich hätte-... Ich hätte-...“ „Scht~... Ich weiß. Es ist gut. Es ist alles gut.“, flüsterte Sirius aufrichtig. „Es ist nicht deine Schuld.“ „Wessen Schuld ist es dann, wenn nicht meine? Ich habe mich dazu entschieden!“ Sirius schüttelte den Kopf, während er ihn dichter an sich drückte: „Nein, Reg, es war nie deine Entscheidung.“ „Was...?“ „Vom ersten Tag an haben unsere Eltern alles dafür getan, damit du diesen Weg einschlägst. Sie haben dir Dinge eingeredet und dich nach ihren Vorstellungen großgezogen. Und sie ließen dich beitreten, bevor du alt genug warst, um dich bewusst zu entscheiden.“, sagte Tatze und er glaubte daran! Niemand hatte Regulus gezwungen, das wusste er – nicht magisch. Aber die Blacks hatten ihm dennoch keine wirkliche Wahl gelassen. „Sie haben deine Liebe und dein Vertrauen ausgenutzt. Haben es ausgenutzt, dass sie deine Eltern sind... Und ich habe dich auch im Stich gelassen.“, seufzte Sirius bedauernd. „Ich bin genauso schuld an allem wie sie.“ Mit nassem Gesicht sah Regulus ihm endlich entgegen. Er wirkte entsetzt! Offenbar hatte er nicht mit solch einem Zugeständnis gerechnet, nachdem sie so unschön auseinander gegangen waren. Sirius auch nicht. Es musste etwas mit Camillas Einfluss zu tun haben, dass er seine Meinung über all das geändert hatte. „Du hast doch alles versucht, um mich von diesem Unfug abzubringen. Weshalb sagst du nun, dass du eine Mitschuld tragen würdest?“, fragte Regulus atemlos. „Weil ich es mit Gewalt versucht habe. Ich habe dir keine Wahl lassen wollen... So habe ich dich indirekt in diese Richtung gedrängt.“ „Vielleicht... Vielleicht war alles nicht so, wie es hätte sein sollen...“, gab Regulus seufzend nach, schüttelte dann aber entschieden seinen Kopf. „Trotzdem war es im Endeffekt meine Entscheidung.“ „Einigen wir uns darauf, dass wir uns nicht einig sind.“ „Einverstanden.“, lächelte sein kleiner Bruder herzlich. Schweigen trat in ihre Mitte. Das war in Ordnung. Die letzten Wochen war es das zwar nicht, doch nun schon! Immerhin vertrugen sie sich endlich wieder miteinander, was wirklich viel wert war. Zum endgültigen Verzeihen gehörte noch mehr, doch Sirius war sich sicher, dass das mit der Zeit wie von selbst kommen würde. Für Regulus schien auch alles wieder okay zu sein. Er strahlte richtig! Seine Welt musste genauso Kopf gestanden haben wie bei ihm. Die neuen Situationen mussten hart gewesen sein. Niemanden mehr zu haben, dem er vertrauen konnte... Ich kann ihm nicht verübeln, dass er erstmal zu Camy gegangen ist, statt zu mir. Ihm war nicht klar, ob ich ihm helfen würde..., gestand sich der Hüter ein. In Regulus‘ Lage hätte er vermutlich genauso gehandelt, nur hatte er wenigstens viele Freunde! „Bist du auf dem Weg zu Camilla?“, erkundigte sich sein kleiner Bruder schließlich interessiert. Er kannte ihn zu gut! „So ist es.“ „Was sie für mich getan hat-...“, Regulus brach ab und rang um Fassung. Sirius konnte sich kaum vorstellen, wie es seinem Bruder gegangen sein musste, als Camilla sich in die Bresche geworfen hatte. Hilflos... Alleine. Doch es war ein notwendiges Übel gewesen, welches seine Freundin ein Stückchen mehr zerbrochen hatte. „Es ist nicht in Worte zu fassen, was sie für dich getan hat, Reg.“, sagte Tatze verständnisvoll. „Sie hat es gerne getan. Für mich... Für uns.“ „Ich weiß.“ „Trotzdem wäre es mir lieb, du würdest sie nicht mehr um so etwas bitten.“ Entschieden schüttelte der Jüngere seinen Kopf: „Ich hatte sie nicht darum gebeten, so etwas zu machen! Aber ich verstehe, was du meinst... Ich werde versuchen, sie nie mehr in so eine Lage zu bringen.“ „Danke.“ „Du hast unfassbares Glück mit ihr, weißt du das?“ „Ja, das weiß ich...“, grinste Sirius Black breit. Sie war nicht nur das schönste Mädchen Hogwarts, sondern auch noch die begnadetste angehende Hexe, die er kannte! Manch einer würde töten, damit er Camilla haben könnte. Selbst wenn es nur für eine Nacht wäre... Doch das war es nicht, was sie so fabelhaft machte. Es war ihr Charakter. Ihre Gutmütigkeit... Ihre Stärke. All das, was in ihr brannte wie ein Feuer, das unlöschbar schien. Nicht zu zerstören – nicht mal durch den dunklen Lord selbst. Und er hatte es versucht... Sirius wusste genau, wie sehr er es versucht hatte! „Eines muss ich dennoch wissen...“ „Was denn?“, hinterfragte Sirius überrascht. Regulus wirkte so ernst, dass er sich etwas sorgte. „Wie kannst du mit ihr zusammen sein?“ „Wie bitte?“ „Na ja... Sie ist die Tochter von... Du-weißt-schon-wen und auch noch eine... Du weißt schon...“, versuchte Reg ausweichend zu erklären. Sie waren mitten in Hogwarts und konnten womöglich belauscht werden! Deshalb waren die ausweichenden Formulierungen wirklich nicht dumm, wenn sie auch dämlich klangen. „Auch wenn sie all das nicht freiwillig macht, ist das... Mal dennoch da. Ihr Blut ist, was es eben ist... All das kann sie doch nicht ändern und du hasst das Ganze. Mehr als jeder andere Mensch... Wie kannst du es dennoch dulden?“, fragte Regulus besorgt nach. „Ich weiß es nicht... Sie hat sich das eben nicht ausgesucht und kann nichts für ihre Familie, verstehst du? Freunde kann man sich aussuchen, Familie nicht.“, erwiderte er nachdenklich. „Selbst bei unserem Schicksal haben wir nicht immer Mitspracherecht...“ „Das ist bewundernswert.“ „Ach ja?“ Eifrig nickte Regulus und lächelte dann sanft: „Er denkt, dass die Leute an ihn glauben und loyal sind, aber keiner steht so zu ihm, wie du zu Camilla stehst. Ihr würdet einander niemals verraten. Steht geeint zueinander...“ Darüber hatte Sirius niemals zuvor nachgedacht, dennoch musste er zugeben, dass Regulus recht hatte. Er würde Camilla tatsächlich niemals verraten! Und sie würde ihn nicht verraten. Jedenfalls nicht bewusst... Was auch immer zurzeit mit seiner Freundin los war, hatte rein gar nichts mit ihm zu tun. Sie machte es nicht absichtlich. Irgendwas oder irgendetwas beeinflusste ihr Handeln und sorgte dafür, dass sie alles wieder vergaß. Bewusst hatte die Amerikanerin also bisher überhaupt nichts verbrochen. Eigentlich wussten sie nicht mal, was sie unbewusst angestellt hatte! Noch nicht. „Sollte das irgendwann nicht mehr laufen zwischen euch, dann sag‘ Bescheid. Vielleicht will sie dann ja den kleinen Bruder mal ausprobieren.“, kicherte Regulus stichelnd und lockerte damit die Stimmung wieder auf. Sirius musste etwas bei dem Gedanken schmunzeln und schlug ihm sanft gegen die Schulter: „Vergiss‘ es! Sie ist mein Mädchen.“ „Schade...“ „Ich muss jetzt zu ihr, okay? Halt‘ die Ohren steif, Reg.“, winkte Tatze schließlich ab. Sie hatten heute ein enges Zeitfenster, damit sie den Verbotenen Wald wirklich betreten und sicher verlassen konnten. „Alles klar. Danke, dass du mir zugehört hast, Siri. Seid vorsichtig.“ „Sind wir immer.“ „Ich kenne euch doch...“, erinnerte sein Bruder ihn mit hochgezogener Augenbraue. „Passt einfach aufeinander auf und lasst euch nicht erwischen.“ „Ja, Mama.“, stichelte Sirius ihn grinsend. „Vergiss‘ es einfach!“ Der Sucher winkte lachend ab und drehte sich mit einem letzten Blick um. Durchaus schwungvoll entfernte er sich wieder von ihm und schien unaussprechbar glücklich darüber, dass sie sich wieder vertragen hatten. Ebenso erleichtert ging Sirius weiter. Ein Grinsen konnte er sich doch nicht verkneifen, weil alles zurzeit so gut lief! Camilla und er waren verlobt. Sie band ihn mehr in ihre Unternehmungen und Sorgen ein. Keine Liebestränke verwirrten mehr ihre Sinne! Nun hatte er sich auch noch mit seinem kleinen Bruder erfolgreich versöhnt. Wenn sie nun noch im Verbotenen Wald fanden, wonach sie suchten, dann wäre wirklich alles perfekt. Nur einige Schritte weiter entdeckte er bereits seine Freundin. Sie trug eine Tasche mit sich herum und war offensichtlich bereit, um endlich aufzubrechen. Sicherlich waren die Zaubertränke von Schniefelus in der Tasche, die ihnen bei eventuellen Schwierigkeiten oder Verletzungen helfen sollten. Zwar gefiel es Sirius nicht, dass gerade Snape sie hergestellt hatte, konnte aber auch nicht abstreiten, dass er absolut begabt in Zaubertränke war. „Jo, Camy.“, machte er seine Freundin auf sich aufmerksam, die sich sofort zu ihm drehte. Sie lächelte umwerfend. „Sirius.“ „Alles bereit?“ „Ich denke schon.“, antwortete die Amerikanerin nickend. „Und bei euch?“ „Auch soweit, deshalb wollte ich dich auch gerne abholen.“ „Bezaubernd.“, sagte sie lächelnd. „Nicht wahr? So bin ich!“, kicherte Tatze keineswegs beleidigt. Ihren Sarkasmus war er inzwischen gewohnt. Lächelnd nahm sie seine Hand und sie falteten ihre Finger ineinander, damit sie gemeinsam gehen konnten. Ihr Treffpunkt war in der Nähe der Peitschenden Weide, weil Madam Pomfrey Remus stets selbst dorthin brachte, wenn Vollmond war. So konnten sie von dort aus direkt in den Wald aufbrechen. Er riskierte einige Seitenblicke. Obwohl es eigentlich anders sein sollte, wirkte Camilla erstaunlich entspannt. Beinahe so, als wollten sie nur zusammen einen Kaffee trinken gehen! Irgendwie beruhigte ihn das... Es war fast so, als gäbe es keinen Grund zur Sorge. „Camilla...“, hielt er sie nervös auf und blieb einfach stehen. Da sie Händchen hielten, musste auch sie anhalten. „Was ist denn los?“ „Ich... Ich habe etwas für dich...“, gestand Sirius verlegen. Sanft löste er seine Hand aus ihrer, um aus seiner Hosentasche das Samtkästchen zu kramen, welches er schon seit einigen Tagen mit sich herumschleppte. Irgendwie glaubte er, dass er es ihr noch vor diesem lebensgefährlichen Ausflug geben sollte. Ganz, wie es die Traditionen vorgaben, ging Tatze vor ihr auf die Knie und öffnete dabei die Schachtel. Camillas Wagen glühten, während sie ihn beobachtete, doch ihre eisblauen Augen fielen schließlich neugierig auf den Ring. Er sah ihr an, dass sie überrascht war. „Er ist... wunderschön.“, hauchte die Blondine verzückt. „So schlicht, aber trotzdem genau das, was ich wollte.“ „Krone hat mir geholfen... Er meinte, dass du keinen so fetten Klunker haben möchtest, wegen des Tanzens.“ „Damit hat er recht.“, lächelte sie warm. „Steck‘ ihn mir an! Bitte~...“ Lächelnd nahm Sirius den Verlobungsring aus der Schachtel, nahm sich ihre ausgestreckte Hand entgegen und steckte ihr liebevoll den Ring an. Er passte wie angegossen! Mit leuchtenden Augen hob Camilla ihre Hand und betrachtete das neue Schmuckstück. Das Funkeln der Steinchen schien sich in ihren Augen widerzuspiegeln. Sie hatten definitiv den richtigen Ring ausgesucht. Langsam erhob er sich und zog nun auch den zweiten Ring aus seiner Tasche. Er steckte ihn sich an. Nun war es offiziell! Sie trugen beide ihre Verlobungsringe und konnten kaum glücklicher sein, wenn da nicht immer noch die gefährliche Mission wäre... Vorsichtig zog die Amerikanerin den Ring ab, den er einst von Regulus bekommen hatte und schob ihn stattdessen wieder auf seinen Finger. Sie lächelten einander schweigend an, dann küsste er sie. Ihre Finger falteten sich ineinander, während sie sich dicht aneinanderschmiegten und den Augenblick genossen. Genüsslich seufzend löste er sich von ihr und sah ihr dann tief in die Augen: „Hast du die Gravur bemerkt?“ „Gravur? Oh!“, keuchte Camy überrascht und zog den Ring wieder von ihrem Finger, damit sie die Gravur lesen konnte. Sofort lächelte sie breiter. „Das ist perfekt.“ „Ich wusste, es würde dir gefallen.“ „Steht der Rest-...?“ Sirius unterbrach sie: „Ja, der Rest steht auf meinem Ring.“ „Perfekt.“, strahlte sie aufrichtig. Glücklich glitten ihre Hände wieder ineinander und sie gingen weiter. Eigentlich sollten sie über ihr Vorhaben sprechen, doch da war noch etwas anderes, was ihn brennend interessierte. Schon ewig! Doch aus Taktgefühl hatte er das Thema bisher gemieden. „Was willst du wissen?“, hakte Camilla empathisch nach. „Du bist echt gut!“, witzelte Tatze, um etwas Zeit zu schinden. „Nun... Mich interessiert einfach... Na ja-...“ Wieder überlegte er. Wie sollte er das bloß ausdrücken? Sirius wollte nicht verurteilend klingen! Kopfschüttelnd blickte er wieder in ihr neugieriges Gesicht: „Weshalb hasst du Quidditch so sehr? Das kann doch nicht nur an der Klatscher-Geschichte und Mason liegen? Du hast es doch schon vor dieser Sache nicht gemocht.“ „Das stimmt...“, gab sie mit trockenem Mund zu, schwieg dann aber. Er hatte schon vermutet, dass sie dieses Thema nicht besonders gut finden würde. Sie mied nicht einfach nur Quidditch-Spiele und -Felder, sondern auch schon Gespräche darüber! Sie übersprang in Zeitungen alle Artikel, die mit dem magischen Sport zu tun hatten. Kamen ihr Quidditch-Spieler entgegen, wich sie ihnen instinktiv aus. Das war Tatze in den letzten Wochen erst richtig aufgefallen. Ihre Hand drückte seine etwas fester. Es kam ihm so vor, als brauchte sie das, um sich Mut zu machen, weshalb er nichts dagegen sagte. „Es bringt wohl nichts, es weiter zu verschweigen, was...?“, flüsterte sie mit zerbrechlicher Stimme. „Du musst mir versprechen, dass du mich nicht auslachst.“ „Ich schwöre es feierlich.“ „Als ich damals auf die Schule kam, da war ich... Na ja... Ich war halt... Ich war-...“, die Amerikanerin brach ab und rang etwas um Fassung, ehe sie ihm fest in die Augen sah. „Sagen wir es frei heraus... Ich war fett!“ „Wie bitte?“, hinterfragte Sirius ungläubig. Ihr Körper war perfekt! Athletisch... Nichts an ihr deutete darauf hin, dass sie mal zu viele Pfunde mit sich herumgeschleppt haben könnte. Da waren keine Hautläppchen, die unschön hingen oder Dehnungsstreifen. Der einzige Makel an ihr, war das dunkle Mal und die Narben ihres eigenen Kratzens drumherum. „Ja, ich weiß, was du sagen willst... Man sieht es mir nicht an!“ „Überhaupt nicht... Da wäre ich niemals draufgekommen!“ „Es ist wahr, Sirius.“, schwor seine Verlobte aufrichtig und er glaubte ihr. „Ich kann dir morgen ein paar Fotos davon zeigen...“ Sie war optimistisch und glaubte daran, dass sie den nächsten Tag alle erleben würden. „Ich war sicherlich nicht so fett wie andere, aber fett genug, damit man mich gemobbt hat. Vor allem die Quidditch-Spieler... Sie waren immerhin alle Sportkanonen und ich war die fette Kuh mit den homosexuellen Eltern!“ „Ich ahne Schlimmes...“, seufzte er. „Du ahnst richtig.“ „Was haben die getan?“ „Abgesehen von den obszönen Beleidigungen gegen meine Väter? Das kann ich dir gerne sagen!“, schnaubte Camilla wütend. „Pausenlos nannte man mich die »fette Camy« und das schmierte man auch ständig auf meine Sachen. Selbst auf die Tische, an denen ich saß! Manche warfen mir im Unterricht Zettel zu, mit bewegten Zeichnungen, die mich darstellen sollten, wie ich zum Beispiel die Treppen runterrollte... Rollte!“ Als sie das Wort wiederholte, füllten sich ihre Augen etwas mit Tränen. Tatze spürte echtes Bedauern für sie. „Auf den Fluren schubsten mich die Quidditch-Spieler hin und her, als wäre ich ein Quaffel! Und natürlich grölten sie herum, dass sie mich beim nächsten Spiel als Ball benutzen wollten, nur um im selben Atemzug zu sagen, dass ich gar nicht durch die Ringe passen würde...“ „Oh Gott...“, keuchte er entsetzt. Das musste grauenvoll gewesen sein! Es klang für ihn sogar schlimmer als alles, was sie Schniefelus angetan hatten! Doch vermutlich nur, weil er sie wirklich mochte und ihn nicht... „Alle haben das gehört und mitgemacht. Alle, außer Logan und die Zwillinge...“, fuhr sie mit bebender Stimme fort. „Wenn ich zu weinen anfing, dann wurde das Mobbing sogar noch schlimmer! Dagegen half meine Begabung für Duelle leider auch nicht... Lieber meinten sie dann, dass die Flüche an meinem Speck abprallen würden und ich deshalb so gut sei.“ Camilla schnaubte, während sie sich an die Anfangszeit in Ilvermorny erinnerte. Ihm war bewusst gewesen, dass sie es durch ihre Adoption schwerer gehabt hatte, doch nicht so. „Was ist dann passiert?“, hakte er mit trockenem Mund nach, damit sie nicht aufhörte. Irgendwas sagte ihm, dass sie es brauchte, über die damaligen Ereignisse zu sprechen, ohne verurteilt zu werden. Kurz schwieg die Amerikanerin, sah ihn dann aber wieder an: „Ich habe in den Ferien massiv abgenommen... Wirklich massiv! Zu viel... Ich habe mich eher dünn gehungert, indem ich kaum etwas gegessen habe – vor allem keine Süßigkeiten. Das war ein Fehler...“ „Klingt nicht sehr gesund.“ „War es auch nicht. Ich sah richtig krank aus! War bleich, mein Gesicht war eingefallen und mein Körper... Man konnte alle Knochen erkennen!“, berichtete sie empört, als konnte sie es selbst nicht glauben. „Dann hänselten sie mich, dass ich magersüchtig sei... Ich war dann statt der »fetten Camy«, die »dürre Camy«, was es auch nicht besser gemacht hat.“ „Lass mich raten: Ab da an solltest du der goldene Schnatz sein?“, hinterfragte Sirius ohne Begeisterung. „Du bist gut!“, gluckste die Blondine unglücklich. „Ja, ich hätte ja das goldblonde Haar und war nun genauso leicht zu übersehen, meinten sie. Es war frustrierend...“ Erst war sie gemobbt worden, weil sie zu viel auf den Hüften gehabt hatte und im Anschluss dafür, dass sie zu extrem abgenommen hatte. Sirius erkannte die Ironie dahinter und wie schrecklich es für sie gewesen sein musste. Hoffnungslos verloren, den Wünschen der Gesellschaft zu entsprechen. „Meine Väter haben mir dann geholfen... Sie organisierten Trainer und Coaches, damit ich lerne, wie man sich richtig ernährt und welcher Sport mir helfen könnte.“, fuhr sie fort. „Ich fing mit rhythmischer Gymnastik an, ging dann später auf Ballett über und inzwischen tanze ich eher... Freestyle. Es half mir dabei, die Waage zu halten zwischen Essen und Gewicht und gleichzeitig baue ich Muskeln auf. Mein Körper definierte sich praktisch wie von selbst!“ Sie strahlte stolz, als sie das berichtete. Es war ansteckend, weshalb Tatze das Lächeln erwiderte. Darauf konnte sie ruhig stolz sein! „Das Mobbing hörte auf und die Quidditch-Spieler, die mich zuvor noch geärgert hatten, wollten plötzlich mit mir ausgehen. Innerlich fühlte ich mich noch wie das fette Mädchen und witterte eine List, doch irgendwann erkannte ich, dass sie echt auf mich standen. Ich habe mich gerächt...“ „Hatten die auch nicht besser verdient.“, schnaubte der Black-Erbe aufrichtig, wollte aber lieber nicht wissen, wie genau ihre Rache ausgesehen hatte. „Aber waren deine beiden Ex-Freunde nicht auch Quidditch-Spieler? Haben sie bei diesen Sachen mitgemacht?“ „Ja, waren sie und nein, haben sie nicht. Oliver ist erst später Quidditch-Spieler geworden und hatte davor mit ähnlichen Problemen zu kämpfen und Cyrus hat bei solchen Sachen nie mitgemacht.“ „Achso, verstehe... Dann waren die Betrügerei und der Klatscher-Angriff nur Tropfen auf einem heißen Stein.“, schlussfolgerte er. „Richtig.“ „Danke, dass du mir das anvertraut hast. Das muss unfassbar schwer gewesen sein...“ „Ja, war es.“, gab Camilla unruhig zu. „Ich wäre dir sehr verbunden, wenn du das niemanden erzählen würdest – auch nicht Jim. Ich möchte es ihm selbst sagen, wenn ich soweit bin.“ Lächelnd küsste Sirius ihre Wange und sah ihr dann aufrichtig in die Augen: „Ich schwöre es dir, Camy, ich sage es keinem. Es liegt bei dir, ob und wem du davon berichten möchtest.“ „Danke.“ Sie verließen das Schloss. Ab jetzt mussten sie aufpassen, dass niemand sie erwischte oder sah! Bis zur Weide hatten sie aber noch ein bisschen Zeit. Langsam hob er seinen Kopf und blickte in den Himmel. Es war eine klare, aber kalte Nacht. Die Sterne funkelten über ihnen und der baldige Vollmond würde ihnen viel Licht spenden. Eigentlich perfekt! Wären da nicht die zahlreichen Kreaturen, die in den Wäldern auf sie lauerten... „Nun war ich so ehrlich zu dir, darf ich dich auch etwas im Gegenzug fragen?“, weckte Camilla ihn aus seinen Gedanken. „Natürlich.“, antwortete er überrascht und sah sie wieder an. Etwas unbehaglich sah sie sich um, ehe sie sich wieder ihm zuwandte: „Versteh‘ das bitte nicht falsch, okay?“ „Ich versuch’s.“ „Wie kommt es, dass Peter ein Teil eurer Gruppe ist? Er ist nicht gerade ein... Löwe.“, murmelte sie unsicher. „Ihr seid alle sehr unterschiedlich, schon klar, aber ihr seid auch alle wahnsinnig mutig. Kämpfer! Aber nicht Peter...“ „Glaub‘ mir, uns sind seine Schwächen bewusst und ich verstehe, weshalb dich das irritiert. Ich habe auch schon oft darüber nachgedacht...“ „Auf welchen Schluss bist du dabei gekommen?“ „Dass wir alle unterschiedlich und doch gleich sind.“, sagte er mysteriös. „Als wir damals nach Hogwarts kamen, waren wir alle allein. Alle, auf unsere eigene Art und Weise und aus unterschiedlichen Gründen.“ „Auch Jim?“ „Der ganz besonders! Alle sahen nur den großen Potter-Erben. Den Sprössling einer reinblütigen, reichen Familie, dessen Geschichte weit zurückreicht.“ Sirius erinnerte sich noch heute daran, wie verloren James Potter unter all den Bewunderern gewesen war. Oft genug, hatte er sich nach Fluchtmöglichkeiten umgesehen, doch die Meute hatte ihn nicht in Ruhe gelassen. „Er war umgegeben von all den Menschen und doch-...“ „War er einsamer denn je.“, beendete Camilla seinen Satz. Sie schien dieses Gefühl zu kennen. Es hatte sicherlich ihr Herz ergriffen, nachdem sie ihre Gewichtsprobleme in den Griff bekommen hatte und plötzlich alle mit ihr gehen wollten. „Richtig.“, stimmte Tatze nickend zu. „Und Remus hat sich selbst abgekapselt. Er hatte furchtbare Angst, dass er andere verletzen könnte... Selbst, nachdem wir ihm nähergekommen waren, mussten wir sein Geheimnis selbst lüften und selbst dann, hat er es noch abgestritten! Es war wirklich schwer gewesen, sein Vertrauen zu gewinnen.“ Auch daran erinnerte er sich gut. Der einsame Remus Lupin, der abseits von allen am riesigen Tisch der Großen Halle gesessen und für sich gegessen hatte. Immer alleine in der Bibliothek und so gut wie nie im Gemeinschaftsraum. Auf Partys war er auch nicht gekommen... „Wir mussten ihn davon überzeugen, dass wir zwar Angst vor Werwölfen hätten, aber nicht vor ihm. Nicht, solange er sich nicht verwandelt. Es war schwierig, doch es hat sich gelohnt.“ „Kann ich mir vorstellen.“ „Ich war alleine, weil die Slytherins mich für einen Blutsverräter hielten und die anderen Häuser dachten, dass ich eine Art Spion sei. Sie witterten eine List, weil fast alle Blacks immer zu Slytherin gekommen waren.“, fuhr Tatze fort, fühlte aber kein Bedauern mehr für sich selbst. Diese Zeit lag weit in der Vergangenheit. „Niemand wollte neben mir sitzen! Die Lehrer mussten meine Mitschüler zwingen, damit sie Partnerarbeiten mit mir zusammen machten. Einige ließen sich lieber bestrafen, als irgendwas mit mir zu tun zu haben!“ „Ist das wahr?“, fragte die Amerikanerin überrascht. „Aber du bist doch so sexy!“ Röte stieg in ihre Wangen auf und sie schüttelte entschuldigend den Kopf: „Entschuldige, das war unangebracht...“ Er musste lachen und legte seinen Arm um ihre Schulter: „Ich war doch erst elf Jahre alt, Camy. Da war ich noch nicht »sexy«!“ „Das glaube ich nicht, aber bitte, fahre fort.“ „Okay.“, gluckste er amüsiert. „Kommen wir auf Wurmschwanz zu sprechen... Er war ein Feigling – damals wie heute. Die Gryffindors konnten damit nichts anfangen, blieben aber weitgehend höflich. Dann ist er nicht unbedingt eine Augenweide... Nicht besonders begabt in Magie. Keine guten Voraussetzungen, wie du dir vorstellen kannst.“ „In der Tat.“ „Irgendwann war der Unmut unserer Kameraden so groß, dass sie anfingen, auf ihn herumzuhacken. Sie waren der Meinung, dass Peter nicht würdig sei, ein Gryffindor zu sein. Natürlich hingen sie noch nicht besonders nette Kommentare zu seinem Aussehen heran...“ Auch daran erinnerte sich Sirius gut. Einige Schüler hatten es so weit getrieben, dass Peter Pettigrew weinend davongerannt war. Meistens hatte er sich dann irgendwo verkrochen, wie eine Ratte in seinem Loch. Wahrscheinlich war es Camilla damals ähnlich ergangen. Es ist irgendwie eigenartig, sich wieder an früher zu erinnern. Es kommt mir so weit weg fort... Als wäre all das, einem anderen passiert., überlegte Sirius überrascht. „Jedenfalls beendeten wir gegenseitig unsere Einsamkeit. Wir erkannten, dass wir es waren, die daran Schuld trugen, dass wir keine Freunde hatten.“, sagte er mit klarer Stimme. Es wurde ihm erst jetzt wirklich bewusst, was sie damals von Freundschaften ferngehalten hatte. „Wir haben ihnen geglaubt... Wir haben geglaubt, dass Werwölfe gefährlich sind, Peter hässlich und unwürdig, ich ein Spion und Verräter und James nur ein weiterer Potter von vielen. Wir haben so genau hingehört, dass wir die Lügen auf uns übertragen haben und uns eigene Gefängnisse daraus errichtet... Alleine hinter den Mauern.“ Er brach ab und sah die Amerikanerin entsetzt an, die plötzlich weinte: „Camy? Was ist denn los?“ „Ich-... Ich verstehe es jetzt...“, schluchzte sie herzerweichend. „Danke, dass-... du es mir gesagt hast...“ Sie waren fast da, weshalb er sie aufhielt und mit seinen Fingern sanft die Tränen wegwischte. Dann küsste er sie. Einen Herzschlag lang stand die Welt um sie herum still und er fühlte sich unendlich verstanden. So verstanden, wie er es sich immer von seiner Familie gewünscht hatte. Sie ist die Richtige für mich., erkannte Sirius ohne einen Zweifel. Wenn Camilla an Peter gezweifelt hatte, dann jetzt nicht mehr. Sie verstand nicht einfach nur, weshalb sie miteinander befreundet waren und sich trotz all ihrer Macken blind vertrauten, sondern auch die Gefühle, die sie damals zusammengeführt hatten. Mehr konnte er nicht verlangen. Nachdem sie sich wieder beruhigt hatte, gingen sie weiter. Sie konnten schon aus der Ferne die schemenhaften Umrisse ihrer Freunde erkennen, die bereits auf sie warteten.   Camilla war dankbar dafür, dass Sirius ihr die Zeit gelassen hatte, sich wieder zu beruhigen. Sie wollte nicht heulend bei der Weide aufschlagen. Noch dankbarer war sie darüber, als sie sah, dass auch Logan dort stand! Er war nicht zu dieser Unternehmung eingeladen worden, weshalb seine Anwesenheit sie irritierte. „Was machst du denn hier?“, hörte sie Sirius skeptisch fragen. Er wusste also auch nichts davon. „Remus hat mir versehentlich verraten, was ihr vorhabt.“, erklärte Logan, während auch James und Peter ihm lauschten. Offenbar wussten sie auch noch nicht, weshalb der Amerikaner seinen Weg hierher gefunden hatte. „Er wollte nicht, dass ich herkomme, aber ich bin trotzdem hier. Ich will helfen! Und ich lasse euch nicht alleine da rein.“ „Heute ist Vollmond.“, erinnerte James ihn trocken. „Moony weiß nicht, wer er ist. Er würde dich sofort angreifen...“ „Würde er nicht.“ „Hä?“ Camilla seufzte und winkte dann ab: „Ihr erinnert euch an den Wettbewerb aus Ilvermorny, wo es darum ging, junge Schüler zu Animagi auszubilden?“ „Klar...“, krächzte Wurmschwanz verwirrt. „Logan war der Gewinner dieses kleinen Wettstreits. Er hat als erster die Animagi-Verwandlung gemeistert.“ „So ist es. Die einzige Disziplin, in der ich Camilla Fucking Blair schlagen konnte!“, tönte Logan nicht ohne Stolz. „Dir ist trotzdem bewusst, dass die Unternehmung extrem gefährlich ist, oder?“, hakte Tatze nach. „Vielleicht magst du nicht von Moony angegriffen werden, aber im Wald gibt es Kreaturen, denen es egal ist, ob du eine menschliche oder tierische Gestalt annimmst.“ „Das weiß ich und ich will euch trotzdem helfen. Ihr seid meine Freunde! Ich lasse euch das nicht alleine machen.“ „Von mir aus.“, gab Camilla verärgert nach. „Sollte es zu gefährlich sein, gehst du. Dann geht ihr alle! Das war die Bedienung dafür, dass ich einen halben Schulausflug daraus werden ließ.“ „Ja, ja...“, winkten sie wie aus einem Munde ab und ihr war klar, dass es unaufrichtig war. Wurde es gefährlich, würde keiner von ihnen gehen. Genervt zog die Amerikanerin ihre Freunde beiseite und deutete auf die Peitschende Weide. Kurz darauf stampfte Madam Pomfrey Richtung Schloss davon, sah sich aber zuvor skeptisch um. Vorsichtig hob sie ihren Kopf und sah, dass der Mond gerade aufging. Nicht mehr lange und Remus würde seine Gestalt wechseln, konnte aber dennoch nicht entkommen. Nicht, solange sie ihn nicht herausließen. „Verwandelt euch.“, befahl Camilla streng. Keiner widersprach ihr. Zuerst nahm Sirius die Gestalt des riesigen, schwarzen Hundes an. Im Anschluss verwandelten sich James und Logan fast gleichzeitig. James in den gigantischen Hirsch mit seinem beeindruckenden Geweih und Logan in einen überdurchschnittlich großen Luchs. Ihnen folgte Peter, der sich in eine Ratte verwandelte, aber immer noch etwas unsicher dabei wirkte. Seufzend schnallte Camilla die Tasche um Sirius‘ Körper. Sie hatten sich darauf geeinigt, dass er sie tragen sollte, weil er nicht nur kräftig genug war, sondern auch noch ausdauernd. Außerdem wusste sie beim besten Willen nicht, wie sie einem Hirsch einen Rucksack umschnallen sollte! Nachdem alle Gurte festsaßen, verwandelte sich auch Camilla in den etwas größeren Polarfuchs, der neben den anderen Tieren dennoch winzig aussah – abgesehen von der Ratte. Wieder spürte sie den Drang, Peter zu jagen, widerstand diesem Bedürfnis jedoch. „Warte hier draußen, Sirius.“, sagte sie mit der Stimme eines Tieres, was sie immer noch irritierte. „Ich will nicht, dass die Weide die Tasche verrutschen lässt.“ „In Ordnung.“, knurrte der schwarze Hund unzufrieden. Peter flitzte kurz darauf unter den Zweigen des Baumes hindurch, als wäre er für diese Aufgabe geboren! Durchaus beeindruckt beobachtete sie, wie er hochsprang und den Knoten am Baum berührte. Nur einige Sekunden später, erlahmten die Zweige und Äste. „Los!“ Sie hasteten unter den Ästen hindurch, schlüpften in das Loch und quetschten sich durch die Gänge. Je näher sie an die Hütte kamen desto lauter wurde das Heulen eines Wolfes. Sie alle wussten, dass es Moony war, der versuchte, aus seinem Gefängnis zu flüchten. Hoffentlich ist niemand draußen unterwegs..., dachte Camy verunsichert. Wenn er bei dieser Sache jemanden verletzt, wird er es sich niemals verzeihen! Und ich mir auch nicht... Trotzdem war es zu spät, um diese Sache abzublasen. Sie mussten es nun durchziehen und das Beste hoffen. Es war James, der die gusseiserne Gittertür öffnete und den Werwolf aus seinem Gefängnis herausließ. Die Bestie knurrte dankend und presste sich dann durch den engen Geheimgang. Nichts, außer der Fellfarbe, deutete darauf hin, dass es Remus Lupin war. Nicht mal die geringere Größe des Werwolfs war beruhigend! Doch Camilla war ebenfalls klar, dass er ihre beste Chance war, im Wald zu überleben. Falls sie angegriffen wurden, konnte er sie am besten verteidigen. Solange kein anderer Werwolf ihn ruft... Über diese Möglichkeit hatten sie lange diskutiert, sich aber entschieden, dass sie das Risiko eingehen mussten. Die Wahrscheinlichkeit war gering, dass sich gerade in dieser Nacht ein anderer Werwolf in den Verbotenen Wald verirrte. Hofften sie zumindest... Sie warfen einander ein paar Blicke zu, dann hasteten sie dem Werwolf hinterher, der sicherlich fast den Ausgang der Peitschenden Weide erreicht hatte. Wieder sprang Peter meisterhaft an den Knoten und ermöglichte es ihnen, unbeschadet aus dem Loch zu schlüpfen. „Da seid ihr ja endlich.“, knurrte Sirius ungeduldig. Durch die scharfen Sinne konnte Camilla die Abdrücke auf dem Boden erkennen, die deutlich machten, dass er nervös umhergelaufen war. „Ab in den Wald.“, fiepste sie. „Warum in den Wald?“, knurrte Moony, dessen animalische Seite die Kontrolle besaß. Er wusste also nicht mehr, was sie planten. Sie warfen sich unsichere Blicke zu. Daran hatten sie gar nicht gedacht! Natürlich wusste der werwölfische Remus nicht mehr, was sie eigentlich vorhatten und es wäre ihm vermutlich auch gleichgültig. Ihn beherrschten andere Triebe... Instinkte!, fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Sie wurden von Instinkten geleitet! „Jagen.“, fiepste Camilla überzeugend. „Dort muss es massig Beute für uns geben!“ Der Werwolf verengte seine Augen zu Schlitzen und stierte sie skeptisch an, als vermutete er eine List. Er war mindestens genauso intelligent wie Moony, doch sie hoffte, dass er damit nichts anfangen konnte. „Gute Idee, Katze.“, knurrte Moony und drehte sich um. Auf seinen vier Pfoten raste er los, als hinge sein Leben davon ab! Direkt auf den Wald zu. „Ich bin keine Katze...“, murrte sie und half Wurmschwanz dabei, auf Krones Kopf zu klettern. „Ein Fuchs... Ich bin ein Fuchs! Die stammen von Hunden ab, nicht von Katzen...“ Ihr war bewusst, dass ihre Freunde lachen würden, wenn sie es könnten. Glücklicherweise standen ihnen ihre animalischen Gestalten dabei im Weg! Da sie alle soweit waren, stürmten sie nun dem Werwolf hinterher, den sie kaum noch sehen konnten. Wenn das so weiterging, würden sie Remus aus den Augen verlieren! Sie hatten geschworen, dass sie ihn keine Sekunde unbeaufsichtigt ließen, damit er wirklich niemanden bei diesem Ausflug verletzte, also mussten sie sich beeilen. Der Verbotene Wald war sogar noch unheimlicher bei Nacht als sie gedacht hätte. Camilla sah sich mit ihren eisblauen Fuchsaugen um und überall schien sich etwas zu bewegen. Sie hörte mit ihren zuckenden, spitzen Ohren Geräusche, konnte aber nicht sagen, was es war. Schatten nahmen gruselige Gestalten an... Hagrid geht hier wirklich freiwillig hin, um sich um die Geschöpfe zu kümmern? Respekt!, dachte sie anerkennend, während sie ihren Freunden folgte. Neugierig sah sie sich weiterhin um und entdeckte einige Zentauren, die in den Himmel starrten. Sie lasen vermutlich die Botschaften, die ihnen die Sterne sandten, um sie anschließend weiterzugeben. Dann waren da noch Bowtruckle, die in ihr wieder das Bedürfnis weckten, zu jagen. Sie waren so klein! Und sie bewegten sich so rasch! Alles in ihr wollte diese zweigartigen Wesen verfolgen, wenn auch eher zum Spielen, denn an ihnen war nicht genug Fleisch, um sie zu fressen. Sie entdeckte sogar einige Einhörner mit ihren Fohlen! Wunderschöne Geschöpfe, mit denen sie sich zu gerne unterhalten hätte, doch dafür war keine Zeit. Ein Knarl weckte wieder ihren ureigenen Jagdinstinkt, dem sie kaum noch widerstehen konnte. Immer wieder ermahnte sich Camilla dazu, dass die Stacheln dieses Tieres sie massiv verletzen würden, wenn sie es angriff und nur so, konnte sie sich von diesem Drang ablenken. „Gar nicht so einfach, was?“, knurrte Logan, der sich etwas zurückfallen ließ. „So viel Beute, die wir jagen könnten... Keine der Wesen ist skeptisch und läuft davon. Halten uns für gewöhnliche Tiere...“ „Ja, es ist wirklich schwerer als gedacht.“, schnaubte sie aufrichtig. „Du machst das wirklich gut. Ich dachte, dass Moony übertreibt, als er meinte, dass du an deine Animagi-Fähigkeiten gearbeitet hättest.“ „Es war nötig und ich bereue es nicht.“ „Gut so.“, erwiderte er anerkennend und schloss dann wieder zu den anderen auf. Ganz vorne war weiterhin Moony, der sich hektisch überall umsah. Bisher heult zumindest kein anderer Wolf... Plötzlich ergriff Camilla ein seltsames Gefühl! Es hatte nichts mit den Geschöpfen zu tun, die hier überall ihre Instinkte triggerten. Es war auch keine Furcht vor den Konsequenzen dieses Ausflugs. Es war vielmehr eine Art... Vorahnung. Als wusste sie plötzlich, was sie suchte und wo sie dafür hingehen mussten! „Hier lang!“, fiepste sie mit ihrer Fuchsstimme und drehte ab. Überraschenderweise folgten sie ihr alle – sogar der Werwolf. Instinktiv führte sie die Gruppe tiefer in den Wald hinein. Es wurde immer dunkler... Nur Dank ihrer Sinne konnte Camilla noch erkennen, wohin sie gerade lief. Als Mensch wäre sie schon über diverse Wurzeln gestürzt oder gegen Baumstämme gelaufen! Innerlich wusste sie, dass sie in gefährliche Gefilde vordrangen, doch sie konnte nicht aufhören zu rennen. Ihre Freunde wollten wissen, wohin sie lief, doch sie konnte nicht antworten. Einzig und alleine Moony schwieg. Dem Werwolf schien es egal zu sein, wohin der Polarfuchs wollte – oder ihm gefiel diese Finsternis sogar. Sie sah einige Thestrale und wusste, dass ihre Begleiter sie nicht sehen konnten. Sie kümmerten sich um ihre Fohlen und Camilla war klar, dass sie keine Gefahr darstellten. Hier waren sie vermutlich sicher... Die Dunkelheit schützte sie und sie konnten besser jagen. Es gab ihr das Gefühl, dass sie nah dran war. So nah... Um sie herum tauchten Spinnenweben auf. Erst nur wenige, dann wurden es unzählige! Große, festgewobene Spinnenweben, die nicht nur kleine Insekten fangen sollten. Einige der Netze waren so groß, dass sich Camy sicher war, dass ein Mensch sich darin verfangen konnte. Ihr war klar, welches magische Geschöpf so gigantische Netze spinnen konnte und wie gefährlich es war, ihre Kolonie zu betreten. Dafür hatte sie Moony mithaben wollen... Innerlich hatte sie gewusst, dass sie sich einer Gefahr stellen mussten, der sie sich nur so stellen konnten. Plötzlich ertönte in der Ferne Geheul! In ihren Adern gefror das Blut! Nein! Nicht jetzt!, dachte sie gehetzt und drehte sich um. Sie wollte etwas sagen, doch es war zu spät! Der Werwolf lief davon und folgte dem Heulen. „Verdammt!“, fluchte der Hirsch verunsichert. „Was machen wir jetzt?“ „Was wohl? Wir müssen ihm nach!“, piepste Wurmschwanz mit zittriger Stimme. Sie war sich nicht sicher, ob er um Moony besorgt war oder einfach nicht tiefer in den Wald wollte. „Ja, wir müssen ihm nach... Wir haben es versprochen!“, erinnerte Tatze sie. Gerade wollte der Polarfuchs ihnen zustimmen, hörte aber das deutliche Rascheln und verstummte. Es war überall! Um sie herum seilten sich zahlreiche Spinnen ab, die offenbar nur darauf gewartet hatten, dass der Werwolf die Gruppe verließ. Sie waren umzingelt... Panisch drehten sie sich und sahen sich um. Es gab keine Lücke zwischen den gigantischen Spinnen, die beängstigend mit ihren Füllern klackerten. Sie schlossen den Kreis um sie herum immer enger. „Ist Aragog unter euch?!“, hörte sich Camilla panisch fiepsen. Just in diesem Augenblick hatte sie sich an etwas erinnert, was Tom ihr unbeabsichtigt gezeigt hatte. Den Moment, als er Hagrid fälschlicherweise als Täter entblößt und die Kreatur aus der Kiste befreit hatte. Hagrid hatte verzweifelt den Namen gerufen, doch es hatte nicht geholfen. Die Acromantula klackerten nervös untereinander und waren unentschlossen, ob das eine List war. Der Name ihres Anführers war ein menschlicher und keiner von ihnen trug sonst einen. Das taten Tiere nicht. Sie gaben sich keine Namen! Doch diese Spinne war nicht im Wald geboren worden und nicht unter Artgenossen aufgewachsen. Das machte sie aber keineswegs weniger bedrohlich. „Woher kennst du meinen Namen?“, klackerte eine noch größere Spinne und ließ sich von einem riesigen Baum sinken. Diese Bestie war fast so groß wie eine Hütte! „Ich-... Ich kenne Hagrid.“ Die anderen sagten nichts. Um sie herum waren immer noch all die Spinnen und sie mussten bereit sein, falls sie angriffen. „Ihr seid nicht das, was ihr vorgebt zu sein.“, sagte der Anführer der Spinnen-Kolonie. „Ihr seid nicht in unsere Netze gelaufen und ihr seid... anders. Ihr seid Betrüger!“ „Bleibt so.“, mahnte Camilla ihre Freunde und verwandelte sich dann in ihre menschliche Gestalt. Innerlich war sie dankbar, dass sie sich für sportliche Kleidung entschieden hatte, während sie heimlich ihre Hand nach hinten ausstreckte. „Menschlein...“, klackerte Aragog. „Ja, so ist es... Ich bin öfters bei Hagrid und lerne etwas über magische Geschöpfe.“, erklärte sie und versuchte dabei ihre Stimme ruhig zu halten. „Hagrid ist sicherlich ein guter Lehrmeister, nicht wahr? Hast du von ihm gelernt, dass wir eure Sprache sprechen?“ „Ja, so ist es.“ „Er war erst vor kurzem hier... Ich wundere mich, dass er euch schickt.“, klackerte die Spinne misstrauisch. „Er hat uns nicht geschickt...“ Das Klackern um sie herum wurde lauter. Tatze knurrte bedrohlich und Logan schloss sich diesem Gebären an. Krone machte sich bereit, sein Geweih gegen die Acromantula einzusetzen, falls sie angriffen. „Warte!“, schrie Camilla und drehte sich wieder zu Aragog. „Er wollte nicht, dass ich hierherkomme, weil es gefährlich ist, aber ich tue es auch für ihn.“ „Wie meinst du das?“, fragte der Anführer skeptisch und zwang seinen Kindern auf, sich zu beruhigen. Zumindest vorerst... Erleichtert atmete sie aus. Hagrid war das einzige, womit sie diese Kreatur besänftigen konnte oder vielleicht noch mit dem Angebot, ihre Freunde zu fressen, aber das war keine Option. Zumindest würde sie Aragog so am Reden halten können und vielleicht erfahren, was sie wissen musste. „Niemand glaubt ihm. Alle denken, dass er die Kammer geöffnet hätte.“ „Das ist eine Lüge!“, klackerte die Spinne wutentbrannt und seine Kinder wichen ehrfürchtig zurück. „Ich weiß! Ich weiß... Er wäre dazu nicht mal fähig.“, sagte sie besänftigend. „Er ist unschuldig, das weiß ich genau.“ „Woher weißt du das, Menschlein?“ „Weil ich mit Tom verwandt bin. Tom ist-...“ Die Acromantula unterbrach sie noch wütender: „Das ist der Junge, der uns verraten hat! Der gelogen hat!“ „Ja, genau!“ „Und du wagst es, hierherzukommen, obwohl du sein Blut bist?“, zischte Aragog böse. „Ich bin nicht wie er.“, sagte sie unmissverständlich und raffte ihre Schultern, während sie einen Schritt auf ihn zu tat. „Ich hätte Hagrid niemals so etwas angetan. Ich verletze keine Menschen.“ „Bist du dir da sicher? Du riechst nach Blut. Viel Blut.“ All das Blut... Camilla versuchte die Bilder zu verdrängen, doch es ging nicht. All das Blut! Es war überall gewesen... Im Bad, im Wald, in ihrem Zimmer... Moment... Ich bin auch schon blutig in meinem Zimmer aufgewacht?, wurde es ihr plötzlich bewusst. Sie erinnerte sich an etwas Neues! Mit neuer Hoffnung schüttelte Camilla die Bilder ab und sah ihm in die zahlreichen Augen und wiederholte sich: „Ich verletze niemanden.“ „Weshalb bist du hier?“, hakte Aragog missmutig nach. „Weil ich etwas verstehen muss, was keinen Sinn ergibt. Warum hat er dich entkommen lassen?“ „Wieso glaubst du, dass er nicht einfach nur zu dumm war, um mich aufzuhalten?“ „Er macht solche Fehler nicht.“, sagte sie überzeugt und in diesem Moment fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. „Er wollte, dass du entkommst! Er brauchte dich lebend... Weit weg von Hogwarts...“ „Wovon sprichst du, Menschlein?“, klackerte die Acromantula verwirrt. „Hätte Tom zugelassen, dass man dich lebend ausliefert, wären die Lehrer daraufgekommen, dass du nicht auf diese Weise tötest. Ebenso, wie wenn er dich tot ausgeliefert hätte...“, redete Camy weiter, als führte sie Selbstgespräche. „Hagrid hat darauf bestanden, dass du deine Kiste nicht verlassen hast und du hättest das bestätigt. Du kannst sprechen! Doch selbst tot wäre ihnen bewusst geworden, dass Acromantula so nicht töten. Der einzige Weg, um die Geschichte glaubhaft zu machen, war, dass Tom dich ziehen ließ. So stand sein Wort gegen das von Hagrid, der eine Vorliebe für gefährliche Wesen hat...“ „Selbst wenn es stimmen sollte, was du sagst, was ändert das?“ „Es ändert absolut alles.“ Egal, was sie tat, sie konnte Tom nicht ändern. Schon als Jugendlicher war er ein Monster gewesen! Er opferte Menschen, wenn es seinem Zweck diente. Warf sie fort, wie einen benutzten Waschlappen! Ein Teil von ihr hatte immer noch gehofft, dass er aufwachen und ein guter Vater sein würde. Etwas in ihr war noch immer mit etwas Tochterliebe erfüllt gewesen. Nur ein bisschen, doch es war stark genug gewesen, um ihr Handeln zu beeinflussen und sie zu blockieren. Wenn er sie nicht mehr brauchte, dann würde er sie wegwerfen. Sie! Seine Tochter! Das war ihr nun klar. Tom warf sie alle fort. Er hatte auch Sarah fortgeworfen, wenn auch auf eine andere Weise. Tom hatte sie glauben lassen, dass ihre Mutter ihn darum gebeten hatte, ihren Vater zu töten. Nun war sie sich sicher, dass es anders gewesen war. Vermutlich hatte Sarah beiläufig gesagt, dass sie ihn hasste und ihm den Tod wünschte und er hatte es einfach als Aufforderung ausgelegt. Im Anschluss hatte er ihr die Schuld für sein Handeln gegeben und sie an sich gekettet. Ihr das Gefühl gegeben, einen Mord in Auftrag gegeben zu haben. Er hatte Sarah gebrochen, genauso wie er sie versucht hatte zu brechen! Camilla würde es aber nicht zulassen, denn sie hatte seine Maskerade durchschaut. Plötzlich durchströmte sie ein Quell der Macht. Ein mysteriöser Wind kam auf und trug ihr goldblondes Haar eine Weile mit sich, ehe er einfach verebbte. Irgendwas hatte sich in ihr verändert... „Du warst mir eine wirklich große Hilfe, Aragog, danke sehr.“, sagte sie höflich und trat einen Schritt zurück. „Wir wollen euch auch nicht länger aufhalten! Ihr wollt bestimmt... jagen oder so. Schöne Familie übrigens! Sind bestimmt sehr belebte Weihnachtsfeste!“ „Nicht so eilig, Menschlein.“, klackerte die riesige Spinne und fühlte sich offenbar betrogen. „Ihr werdet diese Kolonie nicht lebend verlassen.“ „Ich hatte befürchtet, dass du das sagst...“ Das Klackern um sie herum, klang nun nicht nur lauter, sondern vor allem wütender. All diese riesigen Spinnen kamen wieder näher und waren bereit, sie alle umzubringen. Ihre Freunde waren bereit, doch ihr war klar, dass sie gegen diese Übermacht keine Chance hätten. Selbstbewusst hob sie den Stab von Salazar Slytherin, den sie heimlich aus der Tasche von Sirius gezogen hatte, als sie die Unterhaltung begonnen hatte. Aragog wich ehrfürchtig zurück, fing sich aber rasch wieder. „Was willst du alleine schon ausrichten?!“, klackerte er und es klang ein bisschen wie Gelächter. „Alles.“, knurrte sie und schwang den Stab. „Araina Exumai!“ Wieder strömte all diese Macht durch ihren Körper, doch dieses Mal lenkte sie diese zu ihrem Zauberstab, der sie eben akzeptiert hatte. Eine gewaltige Druckwelle breitete sich aus und warf die Acromantula um einige Meter fort. „Man sollte gehen, wenn es am schönsten ist, Freunde.“, sagte sie zu den Rumtreibern und Logan, die keine weitere Aufforderung brauchten. Sie lief den Animagi nach, kam aber nicht hinterher. Sich in einen Polarfuchs zu verwandeln, kam jedoch auch nicht in Frage! Sie musste Flüche aussprechen, um die Spinnen auf Abstand zu halten. „Stupor!“, rief sie und traf eine Acromantula mit einem starken Blitz, der sie sofort lähmte. Plötzlich hörte sie Hufgetrappel und sah wieder nach vorne. Krone war umgekehrt! „Was tust du denn da, du Dummkopf?!“ James beugte sich herunter und deutete mit seinem mächtigen Kopf mehrmals auf seinen Rücken. Anfangs glaubte Camilla, dass er nun endgültig durchgedreht war, doch dann wurde ihr klar, dass er wollte, dass sie auf ihn ritt! „Aber... Ich bin doch viel zu schwer!“, widersprach sie kopfschüttelnd. „Expulso!“ Eine Explosion ließ einen alten Baum umfallen und versperrte einigen gigantischen Spinnen den Weg zu ihnen. Stur deutete er erneut mit seinem Kopf auf seinen Rücken. Hin und hergerissen, entschied die Amerikanerin, dass sie ihm nachgeben musste, damit sie nicht beide hier starben. Rasch sprang sie auf und hielt sich mit einer Hand an seinem Geweih fest, während die andere ihren Stab umklammerte: „Du hättest dich lieber in einen Esel verwandeln sollen! Die sind genauso stur.“ Natürlich wusste sie es besser, doch das Wiehern des Hirsches klang für sie etwas wie Lachen. Vermutlich wollte sie nur diese menschliche Eigenschaft übertragen, um sich ein bisschen sicherer zu fühlen. Krone lief los. Camy konnte sich nur mit Mühe und Not festhalten! Ein Ritt auf seinem Rücken war viel wackliger, als sie es erwartet hatte, doch es war auch effektiv. Sie holten ihre Freunde ein, die sie aus der Ferne sehen und hören konnte. „Protego!“, schrie sie und ein großer, weißer Schild baute sich auf. Ein Spinnennetz prahlte dagegen und flog dann wieder zurück. Die Acromantula hatte sich selbst erwischt. Von James‘ Rücken aus, sprach sie einen Fluch und Schutzzauber nach dem anderen, die allesamt viel größer und mächtiger waren, als sie es jemals zuvor bewerkstelligt hatte. Dennoch war ihr klar, dass es nicht an Salazar Slytherins Zauberstab lag, sondern an ihr. Es war, wie der Basilisk gesagt hatte: Der Stab war bloß ein Werkzeug, um ihre Macht zu kanalisieren. „Peter!“, kreischte die Blondine panisch, als die Ratte vom Kopf des riesigen Hirsches fiel. Blitzschnell hatte sie den Zauberstab zwischen ihre Zähne geklemmt und Wurmschwanz noch in der letzten Sekunde gepackt. Durch das plötzliche Manöver verlor sie jedoch das Gleichgewicht und fiel beinahe vom breiten Rücken! Gerade so schlang sie ihren Arm um den Hals des Hirsches, der dadurch jedoch ungewollt die Laufbahn änderte und sie beinahe abwarf! Mit rasendem Herzen kniff Camilla die Augen zusammen, während zahlreiche Zweige ihr das Gesicht zerkratzten und Äste sie beinahe von Krones Rücken schlugen. Trotzdem ließ sie Peter nicht los! Erst, als James sich wieder etwas beruhigte, schaffte sie es, sich wieder richtig auf seinen Rücken zu hieven, Wurmschwanz auf seinem Kopf abzusetzen und sich an dem Geweih festzuhalten. Mehrmals atmete sie tief durch, ehe sie den Zauberstab wieder aus dem Mund nahm, damit sie wieder auf die Acromantula Zauber anwenden konnte. Sie ignorierte das Blut in ihrem Gesicht und die brennenden Schmerzen. Sie wusste nicht wie, doch sie entkamen der Spinnen-Kolonie und bald darauf auch dem Verbotenen Wald. Leider fehlte von Moony jede Spur... Vermutlich tollte und jagte er gerade mit einem anderen Werwolf durch die Wälder. Wenigstens leben dort keine Menschen... Sie werden aber wohl ein paar Tiere reißen., überlegte Camilla schuldbewusst. Vorsichtig kletterte sie vom Rücken des Hirschs und nahm Tatze den Rucksack ab. Kurz darauf verwandelten sich alle wieder zurück. Bis auf Wurmschwanz, waren alle außer Atem und schwitzten stark. „Camilla! Du siehst furchtbar aus!“, keuchte Sirius besorgt und kam auf sie zu. Seine warmen, großen Hände glitten durch ihr Gesicht und streichelten über ihre Arme. Überall waren blutige Striemen von den Zweigen und Ästen. Bald würden sicher auch noch blaue Flecken dazu kommen... „Ich fühle mich auch furchtbar...“ „Es tut mir soooo leid!“, stöhnte James wehmütig. „Ich hätte dich fast abgeworfen! Meine Instinkte... Ich hatte total Panik!“ Peter kam dazu und seine Augen waren voller Tränen: „Nein-... Nein, ich war schuld! Ich-... Ich-...“ „Ist gut! Ist gut!“, unterbrach Camilla die Theatralik. „Es ist alles in Ordnung. Wir leben alle noch und solche Kratzer sind leicht zu behandeln.“ „Ja, da stimme ich Ihnen zu, Miss Blair.“, säuselte eine vertraute Männerstimme, die ihre Nackenhaare zu Berge stehen ließ. „Ganz anders, als die Strafen, die Sie für diese Regelverstöße zu erwarten haben.“ Sie drehten sich um und entdecken Joshua Pride, der die Gruppe argwöhnisch betrachtete, aber auch ein bisschen erleichtert schien. Er hatte sich um ihr Wohlergehen gesorgt und musste geahnt haben, dass sie heute hier waren. Nein... Nicht geahnt... Sev! Er hat es ihm gesagt und er hat uns wahrscheinlich knapp verpasst., wurde es ihr bewusst. Oder er hat uns nicht erkannt, weil wir Tiere waren... Er wollte uns bestimmt aufhalten! „Pro-... Professor!“, keuchte Krone panisch. „Wir-... Wir können-...“ Joshua unterbrach ihn mit einer barschen Handbewegung: „Erklären? Ich brenne schon darauf, die ganze Geschichte zu hören.“ „Josh, muss das echt sein?“, warf Camilla ein und erntete einen tadelnden Blick des Lehrers. Er war nicht damit einverstanden, dass sie ihn vor all diesen Schülern duzte, was sie verstehen konnte. „Kommt jetzt mit. Alle!“ Besorgt warf sie noch einen Blick über ihre Schulter, doch von dem Werwolf fehlte jede Spur. Seufzend folgte die Amerikanerin ihren Freunden und dem Zaubertranklehrer. Innerlich flehte sie Gott an, dass es Remus gut erging und er ihr verzeihen würde.   Joshua Pride hatte die ganze Zeit gewusst, dass die Idee des Schulleiters bescheuert war. Nun hatte er den Beweis! Er saß in seinem eigenen Büro vor fünf seiner Schüler, die allesamt reumütig dreinschauten, aber dennoch kein Wort sagten. Sirius Black hielt unentwegt die Hand von Camilla Blair, an der nun ein wunderschöner Verlobungsring funkelte. James und Peter mieden jeden Augenkontakt zu ihm und Logan war so dreist, dass er ihm direkt anstierte! Womit habe ich das bloß verdient?, fragte sich der Hauslehrer und wusste beim besten Willen nicht, weshalb er sich so um Camilla bemühte. „Wollen Sie mir wenigstens sagen, wo Mister Lupin abgeblieben ist?“, knurrte er nach einer gefühlten Ewigkeit des Schweigens. „Ihre Girlgroup trifft man doch niemals getrennt an.“ „Keine Ahnung.“, log Mister Potter ganz offensichtlich. Er sah ihn immer noch nicht an! „Streift er noch im Wald herum? Oder müssen wir direkt seine Leiche suchen?“ „Meinst du nicht, wir würden es dir sagen, wenn er tot wäre?“, warf Camilla provokant ein. „Ich weiß nicht, würdet ihr das?“, fragte er sie scharf und sah ihr in die eisblauen Augen. „Du weißt genau, weshalb wir da waren. Du wolltest, dass ich nicht alleine gehe!“ „Ich dachte nicht, dass du gleich halb Hogwarts mitnimmst! Geschweige denn einen Austauschschüler!“, zischte Joshua ungehalten. „Außerdem hatte ich gehofft, dass du Hagrid mitnimmst.“ „Er wollte nicht...“ „Geh‘ in den Krankenflügel.“ „Was...?“, hakte die Amerikanerin irritiert nach. „Lass‘ die ganzen Wunden behandeln und dann sprechen wir nochmals unter vier Augen. Mir gefällt diese Entwicklung ganz und gar nicht.“, brummte er streng. „Aber-...“ „Geh‘!“ Einen Moment lang war er sich sicher, dass Miss Blair ihm erneut widersprechen würde, doch stattdessen löste sie ihre Hand von ihrem Verlobten und verließ eilig den Raum. Poppy würde die ganzen Kratzer in Windeseile heilen können, doch ihm war klar, dass sie nach Remus Lupin suchen würde. Und ich lasse das auch noch zu... Wunderbar, wie involviert ich schon bin. Schnaubend stützte der Zaubertranklehrer seine Hand auf das Kinn und starrte in das prasselnde Kaminfeuer. Ihm kam es vor, als würde er Camilla darin verbrennen sehen. Was auch immer Dumbledore plante, brachte das Mädchen und auch ihn in Schwierigkeiten! Es war eine Sache, wenn der Dunkle Lord einen im Blick hatte, doch eine andere, wenn man zusätzlich auch noch mit einem Werwolf in einer Vollmondnacht in den Verbotenen Wald ging. Wenn man die Kammer des Schreckens aufsuchte... „Was-... Was ist mit uns...?“, hörte er James Potter zaghaft fragen. Er antwortete ihm nicht. Nun wurden auch noch diese Kinder in den Feldzug des Schulleiters hereingezogen! Die Rumtreiber, wie sie sich selbst nannten und der junge Austauschschüler. Er hat ihn genau deshalb hergeholt!, dachte Joshua verbittert. Ihm war klar, dass er Camilla bei diesen wahnwitzigen Unternehmungen unterstützen würde. Es schert ihn nicht, dass sie alle fast draufgegangen wären! Wut köchelte in ihm hoch. So viel Wut! Zuletzt hatte er diesen Zorn in sich gespürt, als er seine Familie an Tom Riddle verloren hatte. Davor war sie nur ein einziges Mal so heftig gewesen... Bei Myrtes Tod. Wutentbrannt packte er seine Teetasse und warf sie in das prasselnde Feuer! Es zischte heftig, während seine Schüler erschrocken hochfuhren. „Sie können gehen.“, sagte er mit unterdrücktem Zorn. „Außer Sie, Mister Black.“ „Ich gehe nicht ohne-...“ Joshua unterbrach James Potter harsch: „Ich fresse ihn nicht auf. Gehen Sie auf Ihr Zimmer, bevor ich es mir anders überlege!“ Mister Potter warf seinem besten Freund einen besorgten Blick zu, der allerdings ernst nickte. Mit einem letzten Blick erhob er sich endlich und zog Peter Pettigrew mit sich, während Logan ihnen skeptisch folgte. Der Blondschopf wartete, bis die Tür ins Schloss gefallen war und keine Schritte mehr zu hören waren, ehe er Mister Black ansah, der stolz zurückblickte. Mutig war er... Ein echter Löwe. „Was ist dort im Wald geschehen?“, fragte Josh ihn ernst. „Ich will alles wissen... Ich glaube, dass Dumbledore sie unnötiger Gefahr aussetzt und muss die Lage einschätzen können.“ „Warum fragen Sie sie nicht selbst?“ „Weil ich dich frage.“, zischte er streng. „Du kennst sie mit am besten und kannst die Situation am besten einschätzen. Irre ich mich? Schwebt sie etwa nicht in Todesgefahr durch Dumbledores Mission?“ Sirius Black presste die Lippen zu einem Strich zusammen, während er seine grauen Augen verengte. Das war an sich Antwort genug, dennoch begann er endlich zu erzählen. Joshua fiel auf, dass er bestimmte Details ausließ – wie die Tatsache, dass Remus Lupin ein Werwolf war – doch das war in Ordnung. Ihm ging es nur darum, was mit Camilla Blair im Wald geschehen war. Ab und zu stellte er ein paar Fragen, ansonsten hörte er dem Gryffindor-Hüter aufmerksam zu. Mit jedem weiteren Wort legten sich Schatten auf sein Gesicht und er war sich sicher, dass er Camilla helfen musste. „Danke für Ihre Offenheit, Mister Black.“, sagte er, nachdem Sirius seine Erzählung beendet hatte. „Gehen Sie ohne Umweg ins Bett.“ „Ja, Sir. Gute Nacht.“ „Gute Nacht.“ Erschöpft blickte Joshua seinem Schüler nach. Obwohl er sich vorgenommen hatte, dass er sich nicht mehr mit Tom anlegen wollte, spürte er, dass Dumbledore ihm keine Wahl ließ. Nicht, wenn er seine Ersatztochter retten wollte! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)