The day we met von Schwabbelpuk (Der Tag, der mein Leben veränderte) ================================================================================ Kapitel 1: The day we met ------------------------- Glaubst du an das Übernatürliche? Daran, dass die Welt von einer unsichtbaren Macht gelenkt wird? Das ein mächtiges Wesen uns alle erschaffen hat und nach seiner Pfeife tanzen lässt? Hättest du mich vor diesem Tag danach gefragt, hätte ich lachend gesagt: "So ein Quatsch, du hast sie doch nicht mehr alle!" Doch dies änderte sich an diesem einen Tag, der Tag, der mich aus meiner lethargischen Starre zerrte und mir ein neues Leben schenkte. Es war einer dieser Tage, an denen man schon mit einem unguten Gefühl aufstand und doch zwang einen der Alltag, das eigene Leben, sein Haus zu verlassen. Ich weiß noch, dass es an diesem Tag schrecklich geregnet hatte, wenn nicht zu sagen, es stürmte regelrecht. Blöd wie ich war vergaß ich an diesem Tag meinen Schirm zu Hause, war es den Rest der Woche doch trocken gewesen. Also zog ich notdürftig die Kapuze meines Pullovers tiefer ins Gesicht. Der Frühling zeigte mir herzlos seine kalte Seite und die Kälte brannte auf meiner Haut. Dennoch lief ich hastig durch den Regen, zu meinem Auto. Ich hatte vor kurzem ein Praktikum in einer kleinen Firma gefunden, nichts, was ich wirklich wollte oder was mir Spaß bereitete. Meine Eltern zwangen mich dazu, ich solle doch endlich mal was aus mir machen. Ich erinnere mich noch an die verzweifelten Tränen meiner Mutter, als sie, völlig überfordert von der Situation, auf mich einredete. Womit sie nur so einen Sohn verdient hatte und warum ich nicht so sein konnte wie meine Brüder, die sie so stolz machten. Ich war schon immer das schwarze Schaf meiner Familie gewesen. Noch nie konnte ich mich ernsthaft für etwas begeistern, hatte noch nie etwas zustande gebracht, was der Menschheit hätte nachhaltig im Gedächtnis bleiben können. Brach die Schule ab und verkrümelte mich in mein Zimmer, lag meinen Eltern nur auf der Tasche. Natürlich war ich nicht so dumm, um nicht zu merken, wie falsch das alles war. Aber tief in mir hatte ich keinerlei Motivation dies zu ändern. Der Titel als Schandfleck der Gesellschaft stand mir gut und so trug ich diesen Titel wie eine Rüstung. Wenn Gott sich so mein Leben vorgestellt hatte, dann war das so. Auch wenn ich manchmal zweifelte, ob es diesen Gott wirklich gab. Der kurze Weg zu meinem Auto hatte mich völlig durchnässt. Auch wenn ich mein Auto wahrscheinlich völlig durchnässen würde, so nahm ich hinter dem Steuer Platz, drehte den Schlüssel und fädelte mich in den Verkehr ein. Ich hatte absolut keine Lust bei der Arbeit aufzukreuzen. Meine Kollegen waren alle piekfeine Anzugmenschen und ich stach mit meinen schlichten, schwarzen T-Shirts und den zerrissenen Hosen auf. Meine Mutter hatte mich am ersten Tag noch entsetzt angeschrien, als ich grade mit meiner Lieblingshose bekleidet das Haus zu meinem ersten Arbeitstag verlassen wollte. So könnte ich doch nicht in eine Firma gehen und was mir nur wieder einfiele. Ich hatte sie ignoriert und war gegangen. Nur um später tatsächlich zu merken, dass meine Kleidung wohl wirklich absolut unangemessen war. Mein Chef verzog missbilligend sein Gesicht, sagte aber nichts. Brauchte er aber auch nicht, ich sah sofort, dass er es bereute, mich als Praktikant eingestellt zu haben. Nicht, dass meine Klamotten alleine nicht schon Grund genug gewesen wären. Meine magere Statur, bei der jeder sicherlich sofort dachte, der könne nicht einmal irgendeine Kisten anheben und meine längeren schwarzen Haare, die mir wirr in das Gesicht fielen, waren nicht unbedingt das, was die feine Gesellschaft von einem jungen Mann erwartete. Wahrscheinlich wollte er einem hoffnungslosen Fall wie mir einfach gnädigerweise eine Chance geben und bereute seinen Heldenmut nun augenblicklich. Schließlich war es gut für das Image, wenn man den ein oder anderen Bedürftigen in der Firma arbeiten ließ. Innerlich glaubte ich, dass dies auch der einzige Grund war, warum manche Firmen so auch zum Beispiel behinderte Menschen einstellte. Nicht, dass dies meine Meinung vertreten würde, aber viele Firmenbosse waren herzlose Arschlöcher. Image war alles, was zählte und nicht der Mensch dahinter. Ich wollte mich dennoch nicht beschweren. Schließlich gab mir dieses Mitleid überhaupt erst die Chance auf dieses Praktikum, auch wenn ich es nicht wollte. Aber zur Überraschung aller tat ich meine Arbeit gut, das wusste ich. Denn obgleich jeder, der mich sah, daran zweifeln musste, wenn man mir eine Aufgabe gab, dann erledigte ich sie auch und das gründlich. Nur hatte ich bisher keine Aufgabe gefunden, auf die ich mein Leben stützen wollte, was noch lange nicht hieß, das ich völlig nutzlos war. Und so verbrachte ich meine Tage trostlos in diesem kleinen Unternehmen. Ordnete Dokumente, kochte Kaffee, spielte das Mädchen für alles. Wenigstens konnte ich so meine Mutter ein wenig ruhig stellen, hatte sie meinetwegen schon genug zu leiden. Schließlich musste sie es ertragen, dass ich ihr Sohn war. Ich trommelte unruhig auf das Lenkrad, der Wagen war erfüllt mit lauter Heavy Metal Musik. Das beruhigte mich ein wenig und meine Stimmung wurde ein wenig besser. Grade als eins meiner seltenen Hochs zum Vorschein zu kommen schien, lief plötzlich ein kleines Mädchen über die Straße. Sie lief einfach, völlig achtlos, vor meinem Auto lang. Sie schaute weder nach links, noch nach rechts. War sie lebensmüde? Schockiert trat ich auf die Bremse, kam ins Schleudern und verfehlte das Mädchen knapp, so glaubte ich zumindest. Ich rutschte über die nasse Fahrbahn, bekam keinen Halt mehr und knallte direkt gegen eine Ampel. Anstelle des erwartenden Ruck des Sicherheitsgurtes, spürte ich plötzlich einen grausamen Schmerz und hörte Glas splittern. Sekunden später sah ich in den verregneten Morgenhimmel. Ich brauchte einen Moment, um zu realisieren. Mein Sicherheitsgurt hatte nachgegeben, er war schon lange kaputt gewesen, aber das hatte mich bis dahin nicht gestört. Hätte es mich mal lieber gestört, denn nun lag ich auf den Boden, mitten auf der nassen Straße. Ich spürte meinen Körper nicht, der anfängliche Schmerz war mit einem Mal verschwunden. Ich schaffte es nicht einmal, meinen Kopf zu drehen,um zu sehen, ob ich wenigstens erfolgreich dem Mädchen ausgewichen war. In meinen Ohren fiepte es laut und ich wünschte mir sehnlichst, dass es doch aufhören sollte. Aber dieser Wunsch wurde mir nicht erfüllt. In einem lächerlich kurzen Moment dachte ich sogar an mein Auto. Es musste durch den Aufprall ein Häufchen Schrott sein. Ich sah meine Mutter ausrasten, zetern, fluchen. Hatte sie mir doch dieses Auto besorgt, damit ich zu diesem dämlichen Praktikum fahren konnte. Die Situation kam mir so lächerlich vor. Ich lag mitten auf der verregneten Straße und dachte an das blöde Auto und meine Mutter. Niemand kam zu mir und ich hätte am liebsten laut losgelacht. Das selbst in diesem Moment ich der Welt scheinbar völlig egal war, war so lächerlich, so erbärmlich, dass ich am liebsten laut losgelacht hätte. Aber meine Stimme war verstummt, mein ganzer Körper gehörte nicht mehr mir. Ich schloss die Augen, spürte zumindest den kalten Regen noch auf meinem Gesicht. War das die Antwort des Himmels? Hatte er nun lange genug überlegt, welches Schicksal am besten zu mir passen würde? Es war so, als ob er meinte: 'Okay, du hattest genug Chancen, genug Zeit, meine Geduld ist am Ende'. Ich wartete, eine schiere Ewigkeit kam es mir vor, das es vorbei sein würde. Ich war bereit, mehr als bereit. Plötzlich nahm ich eine Stimme neben mir wahr. "Glaubst du an das Übernatürliche?", sagte sie leise und ich zwang mich widerwillig doch meine Augen wieder zu öffnen. Vor mir stand ein Mann, schöner als man sich vorstellen konnte. Lange, blonde Haare fielen ihm ins Gesicht. Blaue Augen sahen direkt in die meinen. Der Regen schien förmlich an ihm abzuperlen. Er war völlig in Weiß gekleidet. Irritiert sah ich ihn an und war mir sofort sicher, dass er eine Einbildung sein musste. Vielleicht war ich sogar schon tot und er war ein Engel? Nur ein Engel konnte von solch einer Schönheit sein. Ich schloss wieder die Augen, zwang mich zu einem müden Lächeln. Sollte er mich doch mitnehmen oder mich direkt in die Hölle verstoßen. Beides war mir recht, nur er sollte mich von dieser nassen, kalten Welt endlich erlösen. Ich spürte auf einmal warme Arme um mich, die mich hochhoben. Es schaukelte beruhigend und ich lehnte mich an seine Brust. Er duftete unglaublich gut, sein langes Haar fiel mir in Strähnen ins Gesicht. Es war glatt und seidig. "Ich glaube, es ist noch nicht deine Zeit", vernahm ich ein leises Flüstern, ganz nah bei mir. Seine Stimme war warm, tief und auf eine andere Art verführerisch und sinnlich. Ich wollte protestieren, aufbegehren, ihn anschreien, dass ich bereit war, aber mein Körper zuckte nicht einmal. Nicht einmal mehr meine Augen konnte ich öffnen. Mir wurde kalt und ich sackte kraftlos in mich zusammen. Dann brach mein Denken ab. Ich nahm nichts mehr wahr, hörte nichts mehr. Es war einfach alles schwarz um mich. War das der Tod? War es vorbei? Hatte ich es geschafft? Ich wusste es nicht. Als ich das nächste Mal die Augen aufschlug, war alles um mich weiß. Mein erster Gedanke war, ich musste im Himmel sein. Der wunderschöne Engel hatte mich mitgenommen und erlöst, entgegen seiner Worte. Mein Körper begann plötzlich wieder zu schmerzen und ich stutzte. Im Himmel gab es Schmerzen? Das entsprach nicht meinen Erwartungen und mich beschlich ein ungutes Gefühl. Dann hörte ich ein Schluchzen, direkt neben mir, aber ich war zu schwach, mich danach umzudrehen. Aber auch ohne mich umzuwenden, wusste ich, wem die Stimme gehörte. Meine Mutter saß weinend an meinem Bett. Das weiße Zimmer entpuppte sich als Krankenhaus. Meine Enttäuschung quoll mir aus allen Poren. Ich war nicht tot. Der Mann, den ich für einen Engel hielt, hatte mich nicht in den Himmel, sondern in ein Krankenhaus gebracht. Meine ganze Familie saß um mich herum und doch fühlte ich mich verlassen. Es fühlte sich alles so falsch an. Erschöpft schloss ich wieder die Augen, dachte zurück an den Mann mit dem goldenen Haar und wünschte mir, dass er anstelle meiner Mutter meine Hand halten würde. Einige Monate später verließ ich motiviert das Haus, nachdem ich mich lächelnd von meiner Mutter verabschiedet hatte, die mir ebenfalls lächelnd hinterherwinkte. Ich hatte einen großartigen Job gefunden, meine Kollegen waren nett und das Gehalt wirklich nicht schlecht, wenn man überlegte, dass ich nur ein einfacher Schulabbrecher war. Es war so, als ob ich als neuer Mensch wiedergeboren wurde. Als hätte dieser eine Tag ausgereicht, um zu sagen: 'Wach auf!' Und ich wachte auf. Ich durchlebte die schier endlos lange Reha, bis ich wieder ohne Probleme laufen konnte. An meinem Arm verlief eine riesige Narbe, die mich nur zu gut an diesen Tag erinnerte und doch trug ich sie in Ehren. Sie war ein Zeichen für meinen Neuanfang, für mein neues Leben. Ich schrieb Bewerbungen wie ein Bescheuerter, rannte von einem Bewerbungsgespräch zum nächsten. Überzeugte die Leute von mir, als Person mit neuem, gestärkten Selbstbewusstsein. Meine langen Haare hatte ich mir abgeschnitten, auch wenn ich mich an dem Tag fühlte wie ein Mädchen, das Liebeskummer hatte. Und tatsächlich verspürte ich auch Kummer. Ich weiß nicht, ob der Mann, den ich an jenem Tag traf, real war oder nur Einbildung, aber er ging mir nicht aus dem Kopf. Sein erster Satz spukte mir wieder und wieder durch den Kopf: 'Glaubst du an das Übernatürliche?' Ich war nach wie vor der Ansicht, dass er ein Engel war. Sein Äußeres, seine Stimme und wie mein Leben seitdem verlief. So etwas konnte nur ein übernatürliches Wesen schaffen, da war ich mir ganz sicher. Und doch merkte ich den ein oder anderen Abend, wie ich mich nach diesem Mann sehnte, mich regelrecht nach ihm verzerrte. Diese Gefühle waren mir fremd und verwirrten mich. Doch sie gaben mir auch Kraft. Ich nutzte sie, um weiterzuleben. Um ihm meine Dankbarkeit auszudrücken, indem ich das neue Leben, das er mir schenkte, nicht zu verschwenden. Draußen regnete, stürmte es, wie damals, aber das machte mir nichts mehr aus. Ich wurde an diesem Tag gerettet, von meinem persönlichen Engel. Er hatte mir ein neues Leben geschenkt und auch wenn ich ihn dafür zunächst hasste, war ich ihm nun zutiefst dankbar. Ich ging zu meinem neuen Auto, das alte war schließlich nur noch ein kümmerlicher Schrotthaufen und wollte grade einsteigen, als eine Hand sich auf meine Schulter legte. "Ich würde heute nicht in ein Auto steigen", kam es hinter mir von einer tiefen, sinnlichen Stimme. Ich drehte mich so schnell um, dass ich fast auf dem rutschigen Boden ausgerutscht wäre. Goldenes, langes Haar war das erste, was ich erblickte, ehe ich schon mit Tränen in den Augen in seinen Armen lag. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)