Love until the death von Schwabbelpuk (Liebe bis zum Tod) ================================================================================ Kapitel 19: truth (Wahrheit) ---------------------------- "Natsuko...", Satoru erhob seine Stimme, sah ihr fest in die Augen mit einem Ausdruck, wofür es keine Worte gab, "bitte sei dir bewusst, dass ich noch nie mit jemanden darüber gesprochen habe..." Er seufzte erneut laut, stand schließlich auf und ging zum Fenster des Wohnzimmers, um aus diesem zu schauen. Eine Weile sagte er nichts und auch Natsuko traute sich nach dem Geständnis davor nichts mehr zu sagen. Sie hatte Angst, dass er es sich vielleicht sonst noch anders überlegen würde. Innerlich warf sich ihr aber auch die Frage auf, warum er ausgerechnet ihr es erzählen wollte, wenn es sonst keiner erfahren hatte. "Ich lebe schon eine lange, lange Zeit, Natsuko. Länger, als du es dir als Mensch vielleicht vorstellen kannst", sprach er nun endlich weiter, den Blick eisern nach draußen gebannt, "wenn ein Lebewesen eine solch lange Zeit lebt, kommt es irgendwann zu dem Punkt, wo es Zweifel an seiner Existenz bekommt. Es hat alle Dinge getan, die man tun wollte und Dinge probiert, die einen ein kurzes Leben nicht ermöglicht hätte. Aber irgendwann hat man alles getan, alles gesehen und das Leben wird langweilig und eintönig." Er drehte sich nun um und lächelte sie traurig an. "Als ich diesen Punkt erreicht hatte, wurde ich zu einem völlig anderem, als der, den du nun kennst", er sah ihr tief in die Augen und seine Miene wurde wieder ernst, "genau in diesem Moment traf ich Beniko." Er löste sich von dem Fenster und lief ein wenig unruhig vor diesem auf und ab. Seine nächsten Worte schien er gründlich zu überlegen und außer den stetigen Schritten hörte man nichts mehr. Natsuko hatte unbewusst den Atem angehalten und holte nun erschrocken Luft. Satoru sprach so aufgeklärt bisher über alles, dass es ihr fast so vorkam, als würde es ihn seit einer Ewigkeit auf der Seele brennen, endlich mit jemanden reden zu können. "Beniko war für mich...wie eine Sonne", er blieb stehen, sah zur Decke und lächelte leicht, "sie war das offenste, fröhlichste und liebenswerteste Wesen, dass ich bis dahin in meinem langen Leben kennengelernt hatte. Und doch war sie so überaus frech, vorlaut und ließ sich kaum etwas sagen." Die Erinnerung an Beniko schienen ihn mit solch einer Wärme zu erfüllen, dass Natsuko sich immer mehr fragte, wie sie ihn nun so zu hassen schien. Außerdem schien er eine völlig andere Beniko zu beschreiben, als Natsuko sie kennengelernt hatte. Was hatte er mit ihr gemacht, dass sie sich so verändern konnte? "Es dauerte nicht lange, da war mir klar, dass ich sie haben musste. Ich war regelrecht besessen davon. Nicht nur, weil sie aus dem fast ausgestorbenen Hanamiya Clan stammte, welcher für seine außergewöhnlichen Auralesekräfte bekannt war, was übrigens auch der Grund war, warum Ichiro sie unbedingt haben wollte", Satorus Miene verfinsterte sich bei den Gedanken an Ichiro, "nein, ich wollte sie haben, weil sie das Licht war, was mir meine Finsternis erhellen sollte." Er drehte sich nun ganz um, verschränkte die Arme vor der Brust und sah Natsuko ernst an. "Nachdem ich mir mein Licht genommen hatte, wollte ich nicht, dass es mir irgendjemand mehr nehmen konnte. Ich wollte nicht einmal, dass sie jemand ansah, also schloss ich sie ein, mein wertvolles kleines Licht", er schüttelte resigniert den Kopf, ehe er weitersprach, "natürlich litt sie mit ihrem offenen und freien Wesen sehr darunter, dass ich sie wegsperrte und wurde aufsässig. Sie versuchte zu fliehen, sich zu wehren, sie beschimpfte und verfluchte mich. Natürlich fühlte ich mich da gezwungen, sie zu bestrafen. Ich denke, das schlimmste daran war, dass sie mich da schon liebte und somit nicht in der Lage war, mich zu hassen. Es zerfraß sie und ich bemerkte nicht, wie mein teures Licht, langsam in meinen Händen erlosch." Sein Gesicht verzog sich schmerzerfüllt und er biss die Zähne aufeinander. Dann drehte er sich aufgebracht um und legte die Arme über seine Augen, während er wieder gen Decke schaute. Natsuko wusste nicht, ob er in diesem Moment zu brechen drohte. Vorsichtig stand sie auf und ging zu ihm. Vor ihm blieb sie stehen, konnte aber nicht in sein Gesicht sehen. Was sie gehört hatte, schockierte sie. Sie wollte Satoru dafür hassen, was er Beniko angetan hatte, aber wie könnte sie es, nachdem er ihr alles erzählt hatte? Schließlich wollte sie es wissen und er hatte sich ihr anvertraut. Sie musste sich weit strecken, um seine Arme zu erreichen und diese langsam von seinen Augen zu ziehen. Als er sie endlich wieder ansah, merkte sie, dass diese zwar schimmerten, aber weinen tat er nicht. Seine Stärke beeindruckte Natsuko und behutsam nahm sie ihn in den Arm. Nun war es an ihr, ihn zu trösten, auch wenn er streng genommen selbst Schuld war an der Situation. Satoru sagte nichts, erwiderte auch nicht die Umarmung, sondern sah einfach nur zu ihr runter. Eine ganze Weile standen sie einfach nur so da, keiner sagte ein Wort. "Satoru...", flüsterte Natsuko nun leise an seine Brust, wagte sich nicht aufzusehen, "du hast Beniko wirklich geliebt, oder?" Satoru riss erschrocken die Augen auf und sah entgeistert nach vorne. "Ja...", kam es dann erstickend von ihm. Nun löste Natsuko sich doch von ihm und sah ihn direkt in die Augen. Eine einzelne Träne rann seinem Gesicht runter, die er aber sofort hastig wegwischte. Noch nie hatte Natsuko einen Vampir weinen sehen und sie wusste sehr genau, dass es auch keine Normalität war. Dass er ihr so sehr vertraute, sich so offen hinreißen zu lassen, ehrte sie sehr. Satoru drehte sich nun um und fuhr sich aufgebracht durch das lange Haar. Scheinbar verfluchte er sich sehr für seinen Gefühlsausbruch. Dann sah er über die Schulter zu Natsuko und zischte fast ein "Kein Wort zu Niemanden", woraufhin Natsuko nur den Kopf schüttelte. Nie wäre sie auf die Idee gekommen, irgendjemanden etwas davon zu sagen. Innerlich war ihr klar, dass Satoru wahrscheinlich noch sehr viele Details ausgelassen hatte, aber für den Moment reichte ihr das. Es war schwierig, ihn zu verstehen. Nichts gab einen das Recht, einen anderen einzusperren und so, wie Natsuko Beniko erlebt hatte und was Ichiro ihr erzählt hatte, war sie sich fast sicher, dass er sie nicht nur eingesperrt hatte. Sie hatte aber auch das Gefühl, dass sie nicht das Recht hatte, noch mehr zu erfahren. Satoru hatte ihr schon genug anvertraut, mehr konnte sich nicht erwarten. Aber sie merkte auch, dass sie Satoru nun mit anderen Augen sah. Er war jemand, der anderen Leid antun konnte und das verrückte ihr Bild von ihm maßgeblich. Er war eine tiefere Persönlichkeit, als sie zuvor annehmen konnte. Der fürsorgliche, stetig liebe Satoru war mit einem Mal ausgelöscht. Das brachte ihr für die Zukunft Vorsicht vor ihm bei. Sie wollte definitiv nicht wie Beniko enden, nur weil er eine neue Besessenheit gefunden hatte. Satoru sah noch eine ganze Weile schweigend aus dem Fenster, während Natsuko sich wieder an den Wohnzimmertisch gesetzt hatte und ungeduldig wartete, was geschehen würde. Die ausgelassene Stimmung am Morgen war verschwunden und sie wusste, dass sie auch nicht zurückkehren würde. Endlich löste er sich von dem Fenster und setzte sich ihr gegenüber. "Glaub mir bitte, Natsuko...", fand er wieder seine Worte und versuchte Natsukos Blick zu erhaschen, "ich bin nicht mehr der von früher..." Natsuko blickte leicht hoch und versuchte seinen Blick zu deuten, versuchte herauszufinden, ob er die Wahrheit sprach. In seinem Blick war keinerlei Zweifel, aber sie schaffte es dennoch nicht, etwas zu erwidern. Satoru seufzte leicht, als keine Antwort kam und stützte sich auf seinem Arm ab, die Hand über seinen Mund gelegt. Innerlich wusste er, dass er Natsuko zum Teil verloren hatte mit seinen Worten und doch verspürte er eine gewisse Erleichterung, sich endlich jemanden anvertraut zu haben. Er konnte seine Taten schließlich nicht rückgängig machen. Natsuko musste sich stattdessen überlegen, wie sie nun mit Satoru weiter umgehen sollte. Er hatte schreckliches getan und sie hätte ihn am liebsten dafür gehasst, konnte es aber nicht, was ihr unbegreiflich war. Ihr tat die arme Beniko leid und doch wollte sie Satoru nicht so grausam verstoßen, nachdem er ihr so letzte Nacht und auch schon davor geholfen hatte. Er meinte, er wäre früher jemand anderes gewesen und sie war sich ziemlich sicher, dass sie diese Person hasste. Andererseits mochte sie den Satoru, den sie kennengelernt hatte sehr gerne. Der innerliche Konflikt brachte sie noch zur Verzweiflung, aber nach einer Weile wurde ihr klar, dass es nur eine Lösung gab. "Satoru", erhob sie ihre Stimme, woraufhin sich Satoru erwartungsvoll zu ihr umdrehte, "ich kann dir nicht verzeihen, was du Beniko angetan hast." Sofort verfinsterte sich Satorus Miene und er sah getroffen zu Boden. "Aber", setzte sie erneut an, "ich möchte mich gerne selbst davon überzeugen, wer du heute bist." Sie lächelte ihn leicht an und Satorus Anspannung schien mit einem Schlag von ihm abzufallen. Sein Blick wurde weich und er sah sie gerührt an. Er bemerkte aber auch etwas Bedrohliches in ihm brodeln, als er diese Güte von Natsuko verspürte und schüttelte energisch den Kopf. Ein tiefes Gefühl stieg in ihm auf, was er schnell wieder verdrängte. Diese Chance, die Natsuko ihm bot, durfte er nicht vermasseln. "Danke...", seine Stimme war voller Wärme und Dankbarkeit für dieses Menschenmädchen. Er hatte ein neues Licht in seinem tristen Leben gefunden und war sich sicher, dass er es dieses mal anständig behandeln würde. Im Gegensatz zu Beniko war das Gefühl aber ein gänzlich anderes. Er spürte eine tiefe Zuneigung und Vertrautheit, aber die Besessenheit und das Verzerren nach Beniko war eine gänzlich andere. Natsuko hatte ihm ein Gnadensangebot unterbreitet. Sie akzeptierte ihn, für diesen Moment und es fühlte sich gut an. Sie wollte Satoru nicht verlieren, trotz seiner Geschichte und seinen Fähigkeiten, war er ihr ein wichtiger Vertrauter geworden und sie hoffte inständig, dass er dieses Vertrauen nicht missbrauchen würde. Und doch glaubte sie, dass dies nie geschehen würde, denn dann stände er alleine da und sie hatte die Vermutung, dass er davor mehr Angst hatte, als ihm vielleicht selbst bewusst war. Der Rest des Tages verlief anfangs etwas schwer. Keiner wusste wirklich, was er den anderen sagen sollte oder auf ihn reagieren sollte. Letzte Nacht schien Ewigkeiten her zu sein, so ließ es zumindest ihr Verhalten erscheinen. Doch mit der Zeit wurde die Stimmung lockerer. Satoru versuchte alles, um zur Normalität zurückzukehren. Tat so, als sei nichts gewesen, was ihn sogar mehr oder weniger gut gelang. Es dauerte nicht lange, da stand Satoru wieder am Herd, während Natsuko ihn bewundernd beobachtete. Sie wollte ihn anfangs noch helfen, wurde aber regelrecht von Satoru vom Herd verscheucht. Offenbar mochte er es gar nicht, wenn man ihm da dazwischen funkte. "Was denkst du, wann Seiji wiederkommt...?", fing Natsuko irgendwann geistesabwesend an. Während des Gesprächs mit Satoru hätte sie ihn fast vergessen, was sie sehr erschreckte. "Das kann ich dir nicht sagen", Satoru rührte in einem großen Topf, seine Stimme war sehr belegen, "bei der Verbindung mit zwei Clans kann das schon seine Zeit dauern, besonders bei so einem aufbrausenden Bräutigam wie Seiji." Sofort verstummte Satoru etwas erschrocken, als merkte, dass er das unangenehme Thema versehentlich angesprochen hatte. Als Antwort sah Natsuko nur betroffen zur Seite. "Warum tut die reinblütige Königin das?", murmelte sie nun leise vor sich hin und spielte dabei gedankenverloren mit einer Haarsträhne von sich. "Lady Sakahashi gehört zur Fraktion der Traditionellen, deswegen hat mich das nicht wirklich überrascht", meinte Satoru nur etwas mit einem gewissen ablehnenden Ausdruck in der Stimme. Natsuko warf ihn einen verwirrten Blick zu, woraufhin Satoru hinzufügte: "Du kannst dir das so vorstellen, dass es zwei Fraktionen bei den Vampiren gibt. Die Traditionellen wollen die strenge Kultur und Tradition der Urvampire wahren, die Menschen als niedere Rasse ansehen. Sprich, für sie haben Menschen nur den Wert von Nahrung oder bestenfalls eines Spielzeuges. Auf der anderen Seite stehen die Revolutionären. Sie wollen eine friedliche Koexistenz mit den Menschen. Seijis Vater, Masao Akasawa, war das beste Beispiel. Er hat trotz seiner Abstammung immer den Kontakt zu Menschen gesucht und versucht sie zu verstehen. Das Ergebnis davon sehen wir ja an Seiji." Satoru stellte den Herd ab und drehte sich zu Natsuko um, die ihn nachdenklich anschaute. Ihr war nie in den Sinn gekommen, dass es zwei Fraktionen gab und auch, dass ihr Hauptinteresse sich dort auf die Menschen bezog. "Und du bist...?", fragte sie schließlich etwas unsicher. "Natsuko", leicht lachend schüttelte er den Kopf und sah sie tadelnd an, "ich stehe bei einem Menschen in der Küche. Würde ich das als Traditionalist tun?" Natsuko erröte über ihre unangebrachte Frage leicht und sah beschämt weg. "Es gab aber tatsächlich eine Zeit, wo ich mich den Traditionellen angeschlossen hatte, weil mir die Denkweisen der Menschen zu sehr auf die Nerven gegangen waren", er zuckte entschuldigend mit den Schultern und drehte sich wieder nach dem Herd um, wo er das Essen gemächig auf einen Teller schaufelte. Natsuko hätte Satoru auch gerne noch über Seijis Vater gefragt, rief sich aber sofort ins Gedächtnis, wie Seiji das letzte Mal reagiert hatte, als sie von jemand anderen private Informationen bekommen hatte. Satoru tischte ihr auf und nahm ihr gegenüber Platz. "Die Vampire sind ein seltsames Volk", fing er leicht grübelnd an, "am besten hältst du dich von den Traditionellen so weit fern, wie nur irgend möglich. Obwohl, da du ja schon Ichiro kennst, ist das wohl nicht mehr möglich." Er schüttelte belustigt den Kopf und ersparte Natsuko somit auch ihre nächste Frage. Ichiro gehörte also zu den Traditionellen und sofort war ihr klar, warum er sich ihr gegenüber immer so verhalten hatte. Dass er sie aufgrund seines Bruders nun gezwungener Weise beschützen musste, schien für ihn damit ja wie ein Schlag ins Gesicht zu sein. Natsuko gönnte sich kurz diesen Moment, als ihr klar wurde, dass sie es ihm indirekt ein wenig heimzahlen konnte. Sie beugte sich über das dampfende Essen vor ihrer Nase und begann zu essen. Es schmeckte wieder himmlisch. Als es Nacht wurde und Natsuko sich für das Bett fertig machte, bemerkte sie auch Satorus ratlosen Blick. Offensichtlich wollte oder konnte er noch nicht gehen, was Natsuko überraschend wenig ausmachte. Sie war sogar froh darüber, wusste sie, dass sie, wenn sie alleine war, nur wieder an Seiji und die Hochzeit dachte. Also erlöste sie ihn irgendwann und schlug ihm vor, doch bei ihr zu übernachten. Er schien sich fast wie ein kleines Kind zu freuen, denn er strahlte sie erleichtert an. Kurze Zeit später lag Natsuko fertig in dem Bett, was für eine Person viel zu groß war. Satoru hatte sich wieder mit etwas Abstand vom Bett auf den Boden gesetzt und an die Wand gelehnt. Natsukos Vorschlag, doch im Wohnzimmer auf dem Sofa zu schlafen, hatte er abgelehnt. Wenn sie etwas bräuchte, wäre er so sofort zur Stelle. Natsuko war der Gedanke zwar etwas unangenehm, zuckte aber schließlich ratlos mit den Schultern. Lange lag sie rastlos im Bett wach, merkte schließlich, wie sie die ungewollten Gedanken doch einholten und wälzte sich hin und her. Sie merkte gar nicht, wie sie irgendwann vor Erschöpfung in einen unruhigen Schlaf fiel. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)