Persona: Timeless Key von ShinoYuta ================================================================================ Kapitel 29 - Informationsbeschaffung ------------------------------------ Freitag, 08. Mai 2015   An diesem Tag kam Rin nur schwer aus dem Bett. Nicht nur, dass es am Abend zuvor viel zu spät wurde, nein, vielmehr graute es ihr davor Kuro in der Schule zu begegnen. Sie fand sein Benehmen am Vortag zwar absolut falsch, konnte aber dennoch nichts dagegen tun, sollte er sie wirklich feuern. Glücklicherweise war er in der Schule aber gar nicht anwesend und das Mädchen konnte aufatmen. Einzig ein großer, wackliger Geschenkeberg türmte auf seinem Schulpult. Bisher kannte die Blauhaarige diese unrealistischen Massen nur aus Mangas und hätte im Traum nicht daran gedacht, dass sich etwas derartiges wirklich mal vor ihren Augen abspielen würde. Trotz allem konnte die Schülerin es einfach nicht fassen, dass dieser Idiot so unglaublich beliebt war. In der Mittagspause wollte sie dann endlich Shina aufsuchen, denn sie musste unbedingt herausfinden wo Ruri war. Dadurch, dass das einzige arbeitende Mitglied des Schülerrats nun im Krankenhaus lag, war sich die Stipendiatin ziemlich sicher, dass ihre Kollegin dort anzutreffen war. Irgendwer musste die Arbeit ja verrichten. Auf halbem Weg wurde sie mal wieder von zwei ihrer Klassenkameradinnen unfreundlich angeraunzt: „Wo warst du gestern?“ „Warum wollt ihr das wissen?“, war Rin sichtlich genervt. „Hast du dich etwa beim Suzuki-Prinzen eingeschleimt?“, spielten sie sich auf, „Er gehört dir nicht!“ „Der Kotzbrocken ist mir sowas von egal!“, schnauzte das Mädchen die beiden Schnepfen an. Diese fanden es so gar nicht lustig, dass die Blauhaarige Kuro niedermachte und eine Diskussion brach aus. Die Stipendiatin wäre zwar lieber entflohen, kam jedoch nicht durch, da ihre Mitschülerinnen ihr den Weg versperrten. Es machte absolut keinen Spaß mit eingebildeten und eifersüchtigen Tussis über Dinge zu streiten, die sie nicht im Geringsten interessierten. Zumal sie auch keine Lust hatte sich all die Beleidigungen anhören zu müssen wegen ihrer ärmlichen Herkunft. Was konnte sie denn dafür, dass sie nicht in eine reiche Familie hineingeboren wurde? Einerseits war sie froh, andererseits war es gerade auf der Suzuki Akademie ein guter Grund ausgeschlossen zu werden. Es dauerte ein paar Minuten, bis die beiden Diskutierfreudigen endlich von Rin abließen: „Ach was solls. Als ob sich der Suzuki-Prinz um jemanden wie dich scheren würde. Du bist ja nur billiges Personal.“ Mit diesen Worten zogen sie an beiden Seiten an der Blauhaarigen vorbei und rempelten diese unsanft mit der Schulter an, sodass sie zu Boden fiel. Noch einmal drehten sich die Schnepfen um und mimten das Unschuldslamm: „Ups, das tut uns aber leid.“ Lachend zogen sie schließlich von dannen und eine ziemlich wütende Oberschülerin blieb zurück. Schnell sprang sie wieder auf die Beine und ballte die Fäuste. Es fiel ihr schwer den beiden nicht hinterherzurennen, um ihnen eine reinzuhauen. Sie hätten es definitiv verdient, aber die Kettenreaktion, die die Stipendiatin damit auslösen würde, wäre ihr Tod. Sie würde von allen Seiten mächtig Ärger bekommen und im schlimmsten Fall von der Schule fliegen. Und als Sahnehaube obendrauf würden sich all diese Mädchen ins Fäustchen lachen. Egal wie sie es drehte oder wendete, es ging immer schlecht für sie aus. Um wieder auf andere Gedanken zu kommen, schritt sie schnellen Fußes zum Schülerratszimmer. Dort angekommen fand sie Shina wie erwartet vor. Aber nicht nur sie, sondern auch noch drei weitere Schülerinnen. Wenn sich Rin richtig erinnerte, dann waren sie in derselben Klasse wie die Brünette. Die drei saßen allerdings etwas abseits von Shina, welche bis eben in ihren Papierkram vertieft war. Während Rins Kollegin zu arbeiten schien, waren die anderen eher mit Klatsch und Tratsch beschäftigt. Obwohl sie ebenfalls zu bearbeitende Unterlagen vor sich liegen hatten. Kaum setzte die Blauhaarige einen Fuß in den Raum, hörte sie die Mädchen auch schon tuscheln: „Was will die denn hier?“ „Minatsuki-chan, kennst du die?“, sprach eine der drei etwas lauter. „Möchtest du etwas vom Schülerrat?“, wandte sich die Brünette freundlich zu Hinzugekommener und wich somit der Frage gekonnt aus. Die Blauhaarige hingegen war noch immer völlig von der Rolle und druckste herum: „I-ich ähm, also…“ Eigentlich hatte die Stipendiatin nicht erwartet noch jemanden außer ihrer Kollegin anzutreffen. Was sollte sie jetzt bloß tun? Sie wurde immerhin von Shina darum gebeten nicht mit ihr vor Mitschülern zu interagieren. Das Mädchen wollte alle Verbindungen vermeiden, die ihr Geheimnis als Assistentin aufdecken könnten. Die Blauhaarige verstand das nur zu gut, denn je näher man Kuro kam, umso mehr zog man böse Blicke auf sich. Und an dieser Schule einen solchen Nebenjob zu haben, war wohl auch nicht unbedingt hilfreich, wenn man nicht ausgeschlossen werden wollte. Je mehr Rin über all das nachdachte, umso mehr fragte sie sich, ob es das überhaupt wert war an dieser Schule zu sein. Aber für solche Gedanken war jetzt keine Zeit. Sie musste nun irgendwie an Informationen kommen, ohne ihre Kollegin auffliegen zu lassen. „Na ja, ich wollte mal im Schülerrat nachfragen wo die Schülersprecherin eigentlich herkommt“, warf die Blauhaarige ihre Frage ganz neutral in den Raum. „Ihr Heimatort?“, hakte die erste der drei Schülerinnen nach, „Wozu willst du das wissen?“ Verlegen kratzte sich Rin am Hinterkopf und zog sich eine Halbwahrheit aus der Nase: „Ich wollte sie im Krankenhaus besuchen.“ „Seid ihr nicht miteinander verwandt?“, verstand eine andere die Frage nach Ruris Herkunft nicht. Die dritte berichtigte sie: „Nee, die sind nicht verwandt. Das merkt man doch direkt an ihrem plumpen Auftreten.“ Gegen Satzende wurde die Schülerin zwar leiser, jedoch drang es dennoch an die Ohren der Blauhaarigen. Wiedermal regnete es eine Beleidigung, welcher sie standhaft bleiben musste. Vermutlich waren diese Worte dieses Mal gar nicht aktiv gegen die Stipendiatin gerichtet. Trotzdem taten sie weh. Die erste im Bunde gab schlussendlich die hilfreichste Antwort: „Ich glaub sie wohnt in irgendeiner Stadt, die nach Spiegel klingt.“ Mit dieser Information verließ Rin schlussendlich den Raum. Aber was brachte dieses Wissen schon? Es war weder sicher wie die Stadt nun hieß, noch ob sie wirklich in irgendeiner Weise benanntes Wort beinhaltete. Entmutigt trottete sie zurück zu ihrem Klassenzimmer, um wenigstens noch etwas ihres Bentos zu essen, bevor der verhasste Schwimmunterricht auf dem Plan stand. Das Mädchen hatte sich noch gar nicht überlegt mit welcher Ausrede sie dieses Mal dem Schwimmbecken entkam. Vielleicht simulierte sie wieder irgendeine Krankheit. Während sie in Gedanken darüber war, vibrierte plötzlich ihr Handy. Es war eine LINE Nachricht von Shina: „Ruri kommt aus Kagaminomachi. Schreib doch nächstes Mal einfach über den Chat xD“ Man war Rin blöd. Wieso war sie nicht selbst darauf gekommen einfach eine Nachricht zu schicken? Die Blauhaarige hatte sich einfach noch nicht daran gewöhnt, dass mit diesem Smartphone alles viel einfacher war. Aber abgesehen davon fiel es ihr plötzlich wie Schuppen von den Augen. Auf diese Stadt hätte sie auch selbst kommen können, als das Wort „Spiegel“ fiel. Immerhin wohnte Shuya ja auch dort und sie selbst war in der Vergangenheit sogar hin und wieder mal hingefahren.   Wenig später stand Rin wiedermal im Badeanzug im Hallenbad der Akademie. Wie jeden Freitag stand Schwimmunterricht auf dem Plan und die Blauhaarige simulierte bereits einige Krankheitssymptome. Während die Klasse der Anweisung zum Einschwimmen folge leistete, blieb die Stipendiatin als einzige am Beckenrand zurück. „Ayase-sensei, mir geht’s gar nicht gut. Mir ist total schlecht und schwindelig“, begann das Mädchen mit ihrer Show. Die Lehrerin hingegen schien eher verwirrt: „Warum hast du überhaupt den Badeanzug an? Du musst doch gar nicht mehr am Schwimmunterricht teilnehmen?“ „Heh?“, war nun auch Rin völlig irritiert. Wie meinte sie das? Wie kam ihre Lehrerin darauf, dass die Oberschülerin plötzlich nicht mehr schwimmen musste? Zuvor hieß es doch noch, dass man mit einem Sportstipendium nicht ohne Attest fernbleiben durfte. Und die Blauhaarige war sich ziemlich sicher, dass sie nichts dergleichen abgegeben hatte. Was war hier bloß los? „Na los. Zieh dich um und geh heim, wenn es dir so schrecklich geht“, scheuchte die schwarzhaarige Schönheit das Mädchen davon. Ohne ein weiteres Wort tat sie wie ihr befohlen und machte sich so schnell sie konnte aus dem Staub. Da es die letzten beiden Schulstunden waren und das Lacrosse-Training so kurz vor den Prüfungen ausfiel, war das zum Glück kein Problem. Trotzdem wüsste sie gerne warum sie plötzlich nicht mehr ins Schwimmbecken musste. Allerdings traute sie sich nicht nachzufragen. Vielleicht lag ja auch nur ein Fehler vor und ihre Lehrerin hatte sich geirrt. Das wollte Rin zumindest für den heutigen Tag nicht provozieren. Sonst hätte sie am Ende doch noch ins Wasser gemusst.   Da die Stipendiatin nun verfrüht zurück im Wohnheim war, versuchte sie die freie Zeit vernünftig zu nutzen und klemmte sich hinter den Schreibtisch zum Lernen. In der nächsten Woche waren Examen und da ihr ein Wochenendtag flöten ging, um Ruri zu besuchen, wollte sie jede freie Minute ausnutzen. Außerdem wusste sie nicht wann und ob sie noch zusätzlich für Kuro Zeit aufopfern musste. Zwar versuchte Rin angestrengt zu lernen, jedoch konnte sie sich kaum konzentrieren. Sie hatte immer noch so viele Sorgen, denn kaum war sie eine losgeworden, kam eine neue hinzu. Zwischenzeitlich machte sie mehrere Pausen, in welchen sie mit Shuya und auch mit Akira chattete. Mit ihrem Freund auf Probe hielt sie nur Smalltalk, während sie ihren Kindheitsfreund fragte, ob er Ruri eventuell kannte und wusste wo sie möglicherweise zu finden war. Da ihre Eltern sie auf eine solch teure Schule schicken konnten, waren sie sicherlich etwas wohlhabender und womöglich auch durch irgendwas bekannt. Die Chance war zwar gering in einer so großen Stadt jemanden zu finden, aber dennoch nicht völlig unmöglich. Tatsächlich stellte sich auch heraus, dass es eine Einrichtung gab, die den Nachnamen der Schülersprecherin beinhaltete. Diese Spur würde sie sicherlich zu Gesuchter führen. Im Notfall würde sie sich einfach durchfragen oder eben alle Krankenhäuser der Stadt abklappern. Egal wie, irgendwie würde sie ihre Klassenkameradin schon finden. Dazu war sie fest entschlossen.   Im Laufe des Tages führte das Mädchen noch ein ausgiebiges Gespräch mit ihrer besten Freundin Amika. Die Blauhaarige war praktisch dazu verpflichtet ihr alles über ihren ersten Freund zu erzählen. Auch wenn es nur eine Probebeziehung war, so war es dennoch das absolute Highlight des Gespräches. Während Rin noch mit sich haderte, ob daraus eine richtige Beziehung werden würde, so war die Brünette sich dessen sicher. Mit der Begründung, dass es in Mangas und Animes ja auch so laufen würde, konnte Amika ihre beste Freundin jedoch nur halb überzeugen. In der Realität kam ja doch immer alles ganz anders und war eher mittelmäßig schön. Zu Mittelschulzeiten hätte sich die Blauhaarige das noch einreden lassen. Mittlerweile war sie aber schlauer. Die beiden Mädchen telefonierten noch intensiv bis zum späten Abend, sodass Rin gar nicht mitbekam, dass zwischenzeitlich ein schwarz-blauer Vogel am offenen Fenster gelandet war. Es war Skye, welcher einiges belauschte, bevor er sich wieder aus dem Staub machte.     Hektisch, fast schon panisch, rannte der kleine Mann durch das Suzuki Anwesen. Erfolglos suchte er alle Räume ab, bis er schließlich in den Garten stürmte und dort seine Suche ausweitete. „Verdammt! Warum ist dieses Anwesen so groß? Wozu braucht man so viel Platz?!“, fluchte Skye vor sich hin und drang noch weiter ins Grüne vor. Ziemlich weit weg vom Gebäude blieb er plötzlich schwer schnaufend stehen und stützte seine Hände auf den Knien ab. Auf einer Bank vor ihm saß kein geringerer als Kuro, welcher von der ganzen Arbeit eine kleine Pause nahm und die letzten Sonnenstrahlen des Abends genoss. „Es ist furchtbar!“, rang der Schwarz-Blauhaarige noch immer schwer nach Luft, „Wir müssen was unternehmen!“ „Wolltest du dich nicht mit der Nervensäge wieder vertragen gehen?“, blieb der junge Mann völlig gelassen und desinteressiert. Der Grundschüler hatte in der Vergangenheit einfach schon zu oft wegen der unscheinbarsten Dinge ein Fass aufgemacht, sodass es den Älteren kaum noch interessierte. „Rin ist mit Akira zusammen“, sprudelte es aus Skye heraus. Überrascht, aber keinesfalls schockiert kam eine irritierte Antwort: „Und was ist jetzt das Problem? Ist doch toll für sie.“ Wie wild gestikulierte der Kleinere aufgebracht herum: „Toll?! Nichts ist toll! Das ist eine absolute Katastrophe!“ Ein kritischer Blick traf den Hysterischen. Warum in aller Welt war das so schlimm für ihn? Solange er keinen triftigen Grund offenlegte, wusste Kuro nicht so recht was er von dieser Aktion halten sollte. „Wir müssen das sofort in Angriff nehmen und die beiden wieder auseinanderbringen“, versuchte der Schwarz-Blauhaarige seinen Gesprächspartner von der Bank hochzuziehen. Dieser hingegen blieb standhaft: „Jetzt komm mal wieder runter. Warum sollten wir uns zwischen die beiden stellen? Nenn mir einen sinnvollen Grund. Akira ist mein bester Kumpel.“ „Einen Grund? Es gibt tausende. Such dir einen aus“, verstand der Jüngere ihn nicht. Der Schwarzhaarige hingegen zuckte mit den Schultern: „Also mir fällt nicht einer ein.“ „Wenn ich dir einen sage, kommst du dann endlich mit?“, jammerte Skye. „Wenn er sinnvoll ist denke ich mal drüber nach“, war es die Neugierde, die aus dem jungen Mann sprach. „Na ja besser als nichts“, ging der Schwarz-Blauhaarige darauf ein, „Ein sehr gutes Argument die beiden wieder zu trennen wäre, dass du in Rin verliebt bist.“ „Ich?“, deutete Kuro ungläubig mit dem Finger auf sich selbst. Man sah ihm die Verwirrung an. Hatte er sich gerade verhört oder wollte man ihm soeben wirklich weißmachen, dass er in diesen Tollpatsch verliebt sei? „Ja, du“, verstand der Grundschüler die Gegenfrage nicht. „Eh… Nein?“, zerstörte der Schwarzhaarige dieses Argument, als wäre es der unwahrscheinlichste Fall, der sich je ereignen würde. Nachdem der Ältere endlich realisiert hatte, wie ernst und bedeutsam diese falsche Tatsache für Skye schien, musste er unweigerlich loslachen. Es war einfach viel zu lustig auf welch absurder Fährte sich der kleine Mann befand. Er wurde so sehr ausgelacht, dass der Ältere bereits Tränen in den Augen hatte und gar nicht mehr aufhören konnte. Ein seltener Anblick, welcher sich dem Schwarz-Blauhaarigem soeben bot, denn Kuro so herzhaft lachen zu sehen war wohl ein einmaliger Augenblick. Trotz allem ärgerte es den Jüngeren. Er ließ partout nicht von seiner Meinung ab und beharrte darauf, dass er vom Suzuki-Erben angelogen wurde. Ohne Beweise führte das Gespräch jedoch in eine Sackgasse. „Jetzt geht’s mir schon viel besser“, stand der Schwarzhaarige motiviert von der Bank auf, „So einen Witz hab ich gebraucht.“ „Wie oft noch? Das ist die Realität und kein Witz. Lüg mich doch nicht an“, protestierte der Grundschüler noch immer wie wild. Der Ältere winkte nur belustigt ab: „Ja, ja schon klar.“ Daraufhin machte er sich wieder auf den Weg ins Gebäude, um mit seiner Arbeit fortzufahren.     Es war bereits spät in der Nacht, als Rin endlich ihr Telefonat mit Amika beendet hatte. Eigentlich war sie ziemlich müde, allerdings kam ihr beim Umziehen eine Idee. Als sie ihren Gürtel mit der Schlüsseltasche abnahm, fielen diese hinaus und sie schnappte sich kurzerhand den Portalschlüssel. Ohne groß nachzudenken drehte sie ihn im Schloss ihrer Zimmertür. Zwar wurden diese normalerweise mit einer Schlüsselkarte geöffnet, hatten aber für Notfälle auch ein normales Schlüsselloch. Ein leises Klacken ertönte und der Durchgang öffnete sich. Vorsichtig lugte die Blauhaarige in den menschenleeren Flur, ehe sie diesen betrat und die Tür hinter sich wieder abschloss. Es sah zwar aus, als hätte sich nichts verändert, jedoch war sich das Mädchen sicher, dass sie nicht mehr in ihrer Welt war. Sie hatte sich in den Kopf gesetzt nach einem Anhaltspunkt zu suchen. Sollte die Schülersprecherin wirklich in dieser eigenartigen Welt gefangen sein, würde Rin totsicher einen Hinweis finden. Zwar hoffte sie lieber nichts zu finden, wollte aber alle Möglichkeiten durchgehen. Schnell schaute das Mädchen an sich herunter, um herauszufinden, ob sich wieder dieses lange Cape materialisierte. Aber nein, da war nichts. Leicht atmete sie daraufhin auf, denn bisher tauchten nur dann Gegner auf, wenn sie diesen Umhang trug. Für den Moment schien sie wohl in Sicherheit zu sein. Trotzdem musste sie auch weiterhin auf der Hut sein, denn der Schlüssel katapultierte sie bekanntlich in eine andere Zeit. Sie hatte keine Lust auf Schimpfe von Skye oder anderweitigen negativen Einflüssen, wenn ihr irgendetwas blödes passierte. Mit Unmut schritt sie voran und blieb direkt an Ruris Zimmertür hängen. Ob es auch in dieser Zeit ihr Heim war, wusste die Blauhaarige zwar nicht, wollte allerdings bei der Suche nichts auslassen. Bei genauerer Betrachtung spürte sie, wie ein kalter Luftzug unter dem Türspalt herauswehte. Auch die Tür selbst war eisigkalt und an den Rändern hatten sich kleine unscheinbare Eiskristalle gebildet. „Was ist das bloß? Warum ist die Tür so zu geeist?“, schaute sie sich das außergewöhnliche Phänomen genauer an. Es ließ keinen Zweifel daran, dass hinter diesem eisigen Hindernis etwas verborgen lag, das mit großer Wahrscheinlichkeit mit der Schülersprecherin zu tun hatte. Vorsichtig versuchte Rin den Durchgang zu öffnen. Wie erwartet war das leider nicht so leicht, denn die Tür war abgesperrt. Allerdings hatte das Mädchen plötzlich ein anderes Problem, denn ihre rechte Hand klebte förmlich an der Türklinke. Durch die Kälte, welche von ihr ausging war die Stipendiatin festgefroren. „Verdammt!“, fluchte sie und versuchte wie irre ihre Hand wieder loszubekommen. Nach Anwendung von roher Gewalt gelang es ihr tatsächlich von der Klinke loszukommen. Jedoch zog sie sich dadurch ein paar Hautfetzen mit ab, wodurch ihre Handfläche zu bluten begann. „Aua“, stammelte sie und zog scharf die Luft nach innen, „Das tut höllisch weh!“ Mit der Linken hielt sie ihr rechtes Handgelenk und betrachtete die stark blutende Innenseite, während sie versuchte nicht vor Schmerzen zu schreien. Ihr ganzer Körper bebte und ihr Herz schlug so wild, dass es fast aus der Brust zu fallen drohte. Warum nur war Ruris Tür so dermaßen vereist? Am liebsten hätte die Blauhaarige noch weitergeforscht und Informationen gesammelt, aber das war ihr in diesem Zustand nicht mehr möglich. Außerdem konnte sie soeben Stimmen hören, welche sich ihr näherten. Diesen wollte sie auf keinen Fall ihren Zustand erklären müssen. Das würde alles nur unnötig verkomplizieren, weswegen sie sich schnell den Timeless Key schnappte und ihn erneut in ihrem eigenen Schloss drehte. Ein Klacken ertönte und der Durchgang zu ihrem Zimmer öffnete sich. Eilig huschte sie hindurch und verschloss das Portal schnell wieder. Mit dem Rücken an der Tür lehnend rutschte sie diese außer Atem hinunter und plumpste auf ihren Hintern. Langsam normalisierte sich ihr Herzschlag wieder und auch das Zittern, welches ihren ganzen Körper durchdrang klang langsam wieder ab. Ihr Adrenalinschub war vorbei. Einerseits war das zwar gut, andererseits spürte sie dadurch den Schmerz nun noch viel deutlicher. Das Zittern in ihrem Arm wurde wieder heftiger und sie musste die Tränen erneut unterdrücken. Schwermütig rappelte sich die Verletzte schließlich wieder auf und drückte sich ein paar Taschentücher auf die offenen Wunden. Damit machte sie sich auf den Weg in den Sanitätsraum. Leider war die Ärztin des Wohnheimes schon gegangen, weswegen sich die Blauhaarige einfach selbst behandelte. Schlussendlich kam sie mit einem ziemlich schlampig gewickelten Verband wieder aus dem Raum heraus. „So langsam habe ich wirklich keine Lust mehr auf diese verrückten Ereignisse“, fluchte die Oberschülerin leise vor sich hin, „Wann habe ich zugestimmt bei so einem Schwachsinn mitmachen zu wollen?“ Mittlerweile hatte sich ihre Angst zu Wut gewandelt, weswegen sie am liebsten laut schreiend auf irgendetwas eingeprügelt hätte. Aber das tat sie natürlich nicht. Stattdessen knallte sie ihre Zimmertür hinter sich zu und stapfte knurrend zu ihrem Schlüsselbund, welcher mitten im Raum auf dem Boden lag. Zielstrebig schnappte sie sich den gold-blauen Schlüssel mit dem eingravierten V und drehte ihn im nächstbesten Schloss.     Velvet Room   Wie jedes Mal hörte ich wieder diese sanfte Arie und atmete die reine Regenluft tief ein. Es war ein wirklich angenehmes Gefühl, welches mich beruhigte. Allerdings war es dann doch immer wieder nach wenigen Sekunden verflogen, wenn ich schlussendlich in dieser Wasserfolterkammer stand. Ich fühlte wie meine Füße langsam nass wurden, zog scharf den Atem nach innen und schlug blitzartig meine Lider auf. Da war sie wieder: Die blau schimmernde Höhle mit den kleinen Wasserfällen ringsherum. Sicherlich werde ich niemals verstehen wo das ganze Wasser herkam, geschweige denn wo es ablief. Vielleicht war das Ganze ja auch wie ein Springbrunnen konstruiert und irgendwo waren Pumpen eingebaut? Aber wo? Ich schüttelte den Kopf, um die Gedanken wieder loszuwerden, denn ich hatte andere Sorgen. Fakt war nur, dass ich keine Angst zu haben brauchte. Schlimmer als meine Hand würde das sowieso nicht werden. Aber warum zitterten dann meine Beine schon wieder? Mir war doch gar nicht kalt. Auch das Nass in welchem ich stand hatte wie immer eine recht angenehme Temperatur. „Was willst du denn hier?“, wurde ich ziemlich unfreundlich von Igors kleiner Assistentin begrüßt. Da ich wusste, dass sich scheinbar mit ihrem Aussehen auch ihre Persönlichkeit änderte, war es ein Leichtes für mich herauszufinden mit welcher ich es dieses Mal zu tun hatte. Obwohl es eigentlich bereits durch ihr Auftreten offensichtlich war. „Wozu habe ich den blöden Schlüssel, um hierher zu kommen, wenn es scheinbar unerwünscht ist?!“, konterte ich ebenfalls recht aggressiv. Wen wunderts? Ich kam ja schon ziemlich geladen hierher. „Und was willst du nun hier?“, rollte die Jüngere mit den Augen und sah mich genervt an. Sie saß auf dem etwas größeren Felsen, welcher mit der Wand verbunden war und las ein Buch. „Na ja, ich bin hier, weil ich mit Igor sprechen möchte“, drehte ich mich zu ihm herum, schrak jedoch auf, denn sein Platz war leer. Aber die Platinblonde erklärte direkt warum: „Glaub ja nicht, dass du die Einzige bist mit der mein Meister verkehrt. Er ist gerade woanders.“ „Ist er etwa bei Ami oder dem Suzuki-Schnösel?“, ignorierte ich diesmal den arroganten Unterton und versuchte an wertvolle Informationen zu gelangen. Meine Gesprächspartnerin war allerdings wenig kooperativ: „War das dein Anliegen? Dann kann ich dir nicht weiterhelfen. Geh heim.“ Gleichgültig richtete sie ihren Blick zurück auf ihr Buch und versuchte mich mit einer Handbewegung davon zu scheuchen. „Wie kann das mein Anliegen sein, wenn ich es zuvor gar nicht wusste?!“, knurrte ich sie an. So langsam reichte es mir, denn dieses nervige Kind machte meinen Tag absolut nicht besser. Ich wollte endlich brauchbare Antworten! „Also hilfst du mir nun meine Frage zu beantworten oder nicht?“, stemmte ich die Hände in die Hüfte. Mit einem Hauch von Neugierde sah die Jünger von ihrem Buch auf: „Und was ist die Frage?“ „Ich will wissen was mit Ruri ist. Vermutlich ist ihr dasselbe passiert wie Ami, aber ich bin nicht sicher“, versuchte ich ihr mein Problem zu schildern, „Und wenn ja, dann habe ich wahrscheinlich die Tür gefunden hinter der sie gefangen ist. Aber die ist zu. Da kommt man nicht durch. Man friert nur fest und kommt nicht wieder los.“ Kurz überlegte die Assistentin, ehe sie antwortete: „Wie wäre es mit einem Deal? Wenn ich dir helfe, hilfst du auch mir.“ Ohne groß darüber nachzudenken stimmte ich einfach zu. So zum Greifen nah war ich einer vernünftigen Antwort noch nie gekommen. In diesem Moment war es mir egal um welchen Preis ich an Informationen gelang. Hauptsache ich konnte die Schülersprecherin retten. „Du liegst mit deiner Vermutung richtig. Deine Freundin schwebt in Gefahr“, kam es ernst aus der Platinblonden, „Und wie man Türen öffnet muss ich dir ja wohl nicht erklären, oder? Sonst hättest du den Weg hierher auch nicht gefunden.“ So langsam kam etwas Klarheit in mir auf. Trotzdem war ich noch immer so hilflos und verzweifelt. Jetzt konnte ich mir sicher sein, dass Ruri wirklich in Lebensgefahr schwebte. Also musste ich schon wieder in diese gefährliche Welt und kämpfen. Eigentlich wollte ich nie wieder dorthin, aber deswegen eine Freundin sterben zu lassen wäre für mich noch viel schlimmer. „Aber wo bekomme ich den passenden Schlüssel her? Oder warte“, stoppte ich abrupt, „Passt der silberrote Schlüssel von Amis Dungeon etwa auch bei Ruri?“ „Das wäre so, als würde einer in zwei völlig fremde Haustüren passen“, verzog die Kleinere das Gesicht. „Aber der Timeless Key passt auch in jede Tür“, fand ich mein Argument ziemlich stimmig. Mein Gegenüber jedoch nicht: „Das kannst du nicht vergleichen.“ „Angenommen du hast recht“, folgte ich jeder Spur die ich bekommen konnte, „Wo soll ich einen weiteren Schlüssel finden?“ „Sag mal funktioniert dein Hirn eigentlich, oder warum denkst du nicht selbst nach?“, keifte mich die Platinblonde an, „Wenn der des Feuermädchens bei ihr selbst zu finden war, wo wird dann der des Eismädchens zu finden sein?“ Wie Schuppen fiel es mir von den Augen. Ich musste einfach nur in den Sachen der Schülersprecherin suchen, dann würde ich schon finden was ich brauche. Allerdings nervte mich der unfreundliche Ton der Jüngeren gewaltig: „Kannst du vielleicht mal aufhören mich ständig zu beleidigen? Dieser ganze Mist ist so unnormal, wie soll man da noch logisch denken können?! Da ergibt doch schon lange nichts mehr einen Sinn!“ Meine Laune besserte sich an diesem Abend wohl nicht mehr. Aber ich hatte es heute geschafft an viele wertvolle Informationen zu gelangen und war einen großen Schritt weiter. Irgendwie fiel ein Stückchen der Last von mir ab und ich fühlte mich besser. Gleichzeitig war ich aber auch gestresster, da das Leben einer Freundin in meinen Händen lag. Für mich stand fest, dass ich am morgigen Tag irgendwie in Ruris Zimmer reinkommen musste, um den Schlüssel zu finden. So konnte ich mir auch sparen ins Krankenhaus zu fahren und die Zeit sinnvoller nutzen, um sie schneller zu befreien. „Wars das was du wissen wolltest? Dann geh wieder. Du störst“, ignorierte das kleine Mädchen meine wütende Beschwerde vollkommen. Ich war zwar noch immer sauer, aber vor allem verwirrt. Wollte sie nicht eine Gegenleistung für die Informationen? Oder war das nur ein Bluff, um mich auf die Palme zu bringen? Vielleicht hatte sie es ja auch einfach vergessen? Was auch immer der Fall war, ich würde definitiv nicht nachfragen. Warum sollte ich mir noch mehr Arbeit aufhalsen wollen? „Und wie komm ich hier wieder raus? Hier ist ja kein Durchgang oder so“, maulte ich. Die Jüngere schaute noch immer gebannt in ihr Buch und sprach geistesabwesend zu mir: „Du schaffst das schon allein. Deine versprochene Hilfe nehme ich dann nächstes Mal in Anspruch.“ Auf ihre Aussage hin musste ich unweigerlich Zucken. Eigentlich dachte ich, dass sie es nicht mehr anspricht und es einfach in Vergessenheit geraten würde. Da mir plötzlich schwarz vor Augen wurde und der Raum sich immer weiter entfernte, hatte ich leider keine Chance mehr nachzufragen um was genau es sich dabei handelte.     Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)