Northernwell Abbey von Salix ================================================================================ Kapitel 1: Auf nach Bath ------------------------ Von Kathy Morgan hätte kaum jemand angenommen, dass sie zur Heldin eines Abenteuers taugte, obwohl sie eine Hexe war. Sie war weder das älteste noch das jüngste unter den sieben Kindern, welche Mrs. Morgan geboren hatte. Als mittleres Kind könnte man davon ausgehen, dass sie nicht von Geburt an für etwas Großes bestimmt war. Und obwohl sie eine Hexe war, war auch diese Tatsache nicht allzu ungewöhnlich. Ihrem Vater, einem recht respektablen Winkelzauberer, oblag die Obhut über ihr Heimatdorf und ein paar Meilen drum herum. Was nicht bedeutete, dass ihm das Land gehörte, er hatte nur dafür Sorge zu tragen, dass die magischen Wesen, sowie Hexen und Zauberer dieser Gegend ihre Macht nicht ausnützten und gegen ihre menschlichen Mitbürger verwendeten. Sein Feld der Obhut enthielt gerade mal ein altes Hügelgrab, von dem es hieß s wäre von Alfric dem Vergesslichen. Ob sich darin ein magisches Relikt befand war unbekannt. Die Chroniken wussten zu berichten, dass Alfric schon zu Lebzeiten äußerst vergesslich gewesen war und viele seiner Relikte verschenkt, vertrödelt oder schlicht irgendwo vergessen hatte. Darum stritten Gelehrte über die Frage, ob Alfric noch magische Gegenstände besessen hatte, mit denen er hatte begraben werden können. Die Frage blieb unbeantwortet, da die Wenigsten sich trauten ein Hügelgrab zu öffnen und hinabzusteigen. Wer wagemutig genug dazu war, suchte sich dafür ein lohnenderes Hügelgrab. Ansonsten bestand das Feld der Obhut nur aus dem Dorf, sowie Wiesen, Feldern und einem kleinen Wäldchen. Es enthielt keine magische Quelle, keinen heiligen Hain, keinen Steinkreis, nicht einmal ein unbedeutenderer magischer Kraftort befand sich darin. Dies war Mr. Morgan gerade recht, bedeutete es doch weniger Aufmerksamkeit von mächtigeren, machthungrigen Personen. Kathys Mutter, eine passable Heckenhexe, hatte genug damit zu tun ihre Kinder großzuziehen, bei leichteren Krankheiten und Verletzungen zu helfen, die keinen Arzt erforderten und in ihrem Garten eine erstaunlich diverse Anzahl an Heilkräutern zu kultivieren. Kathy selber war als junges Mädchen ein Wildfang gewesen und auch noch jetzt, im gesetzten Alter von achtzehn, bevorzugte sie es ihrer Mutter im Garten zu helfen, statt im Haus. Obwohl sie sich so gerne Draußen aufhielt, liebte sie Bücher. Nur gab es hauptsächlich solch nützliche Dinge wie Herbologien, Kochbücher und Gesetzbücher der Magie. Romane suchte man im Haushalt der Morgans vergeblich. Den einzigen Luxus in dieser Hinsicht, welchen sich Mr. Morgan erlaubte war die Zeitschrift „Relationes Curiosae arcanae et mundae“ *, die er abonniert hatte und mit allen im Haus, die darin interessiert waren teilte. Zu Kathys Glück war jedoch der Grundherr Fiddlersfield ein passionierter Buchliebhaber, der ihre Leselust entdeckte, förderte und sogar bereit war ihr einige seiner Schätze zu leihen. Mr. Adams, der Grundherr war ein freundlicher älterer Herr, der obwohl er seine Frau sehr liebte, bedauerte, dass ihre Ehe kinderlos geblieben war und so in Kathy etwas wie eine Ersatztochter sah. Da sowohl die Adams als auch die Morgans sich durch ihren gesellschaftlichen Status vom Rest der dörflichen Bevölkerung abhoben, waren nachmittägliche Besucher untereinander üblich. Allerdings hielt ihr gesellschaftlicher Status weder Mr. Adams noch Mr. Morgan davon ab längere Pläusche mit den anderen Dorfbewohnern zu halten, noch bei alltäglichen Problemen vom umgefallenen Baum bis zur entlaufenen Sau zu helfen. Mrs. Morgan war unter der weiblichen Bevölkerung des Dorfes sehr beliebt und wurde nur allzu gern um Rat gebeten, allerdings führte gerade Letzteres dazu, dass die anderen Frauen eine gewisse Scheu vor ihr hatten. Und was Mrs. Adams anging, nun sie versuchte ihr Bestes, nur trafen ihre bestickten Taschentücher und Kissen, sowie ihre Unmassen an Stricksachen nicht so recht auf Gegenliebe. Jeder wusste, sie meinte es gut, doch wenn praktische Hilfe gebraucht wurde, wandte man sich lieber an Mrs. Morgan. Trotz Kathys Untauglichkeit zur Romanheldin, fand das Schicksal doch einen Weg sie mit einem Abenteuer zu konfrontieren. Eines schönen Nachmittags kam Mr. Adams unvermittelt zum Tee. Kathy, die mit ihrer Mutter im Garten Unkraut gejätet hatte, wurde losgeschickt Tee zu zubereiten. Rasch wischte sie sich notdürftig die Hände an der Schürze ab. „Sally, Sally, wo steckst du denn? Squire Adams ist gekommen! Hilf mir den Tisch zu decken und sieh zu das Meg und Daisy einigermaßen ansehnlich sind“, rief sie ihrer jüngeren Schwester auf dem Weg in die Küche zu. Währen Mrs. Morgan zur Begrüßung noch etwas mit Mr. Adams über das Wetter und deren Rosen, ihr heimlicher Stolz, plauderte, um ihnen etwas Zeit zu geben zumindest den Tisch zu decken, hektikte Kathy in der Küche herum. Sie setzte Teewasser auf, suchte die gute Kanne heraus und fand sogar noch etwas von dem Teekuchen des Vortages, welchen sie aufschnitt und auf einen Servierteller drapierte. Mit der Kanne betrat sie die gute Stube, Sally knapp hinter sich, die den Kuchen trug. „Na, na, Mrs. Morgan, das wäre doch nicht nötig gewesen“, begrüßte Mr. Adams ihre Ankunft. Dabei fiel sein Blick auf Meg und Daisy, die dem Kuchenteller mit größter Aufmerksamkeit folgten. „Setzt euch ruhig zu uns Kinder, wenn eure Mutter nichts dagegen hat“, waren seine nächsten Worte. „Nicht im Geringsten.“ Mrs. Morgan musste Kathy und Sally nicht anweisen, was sie zu tun hatten, die beiden kannten ihre Rollen gut. Kathy goss Mr. Adams und ihrer Mutter Tee ein. Sally sorgte für Ordnung bei den beiden, kleine Mädchen und stellte sie mit jeweils seine Stück Kuchen kurzfristig ruhig. „Wie sie wissen leide ich an Rheuma und, obwohl ihr Kräutertee äußerst hilfreich ist, hat mir Doktor Marten einen Aufenthalt in Bath verordnet. Und da meine liebe Mary Kathy sehr zugeneigt ist, wie ich meinerseits auch, wenn ich das sagen darf, und sie nun das gewisse Alter erreicht hat, dachten wir uns es wäre eine gute Gelegenheit, wenn Kathy uns begleiten könnte, um uns in Bath Gesellschaft zu leisten“, erklärte er auf seine umständliche Art. „Das ist sehr aufmerksam von ihnen, insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass weder mein Mann noch ich Zeit haben Fiddlersfield zu verlassen“, erwiderte Mrs. Morgan. „Nicht doch, wir hätten Kathy gerne als unsere Begleitung. Ihre frische Art ist so belebend.“ „Kann ich auch mitkommen?“, platzte es aus Sally heraus. „Sally, also wirklich, sei nicht so unhöflich! Außerdem bist du noch nicht alt genug, um in die Gesellschaft eingeführt zu werden, wohingegen es für Kathy schon ein wenig spät dazu ist. Und ich brauche eine von euch beiden hier.“ „Ich bin nur drei Jahre jünger“, murrte Sally leise, verstummte aber nach einem scharfen Blick ihrer Mutter. „Sie verstehen sicherlich, dass ich ihr großzügiges Angebot erst mit meinem Mann besprechen muss“, antwortete Mrs. Morgan. „Selbstverständlich Mrs. Morgan. Teilen sie mir ihre Entscheidung einfach in den nächsten Tagen mit, wir brechen erst in einer Woche auf.“ Kathy hatte das Gespräch zwar mit verfolgt, hielt sich jedoch mit ihrer Meinung zurück. Zum Einen war es völlig unklar, ob sie gehen dürfte und zum Anderen wäre es zwar eine neue Erfahrung Bath kennenzulernen, aber eigentlich war sie sich unsicher, ob sie überhaupt in den mondänen Kurort wollte. Ihre einzige Erfahrung mit Bällen erstreckte sich auf den Dorfball bei den Adams, auf dem sie zwar gewesen war wie fast jeder der im Dorf etwas auf sich hielt, doch sie hatte ihn als langwierige und stickige Angelegenheit in Erinnerung. Sie bevorzugte Spaziergänge, ihre Arbeit im Garten mit den Kräutern und das Lesen von Romanen als Zeitvertreib, und das gelegentliche Klettern auf Bäume, auch wenn das ein äußerst undamenhaftes Hobby war. Eine Woche später befand Kathy sich in einer Kutsche mit den Adams auf dem Weg nach Bath. Sally hatte sie von ihr nur um eine Postkarte gebeten, da sie meinte, Briefe würden Kathys Erlebnisse nicht so wirklichkeitsgetreu wiedergeben, wie es Kathy in ihren Gesprächen tat. Außerdem freute Sally sich inzwischen darauf Kathys sonstige Aufgaben zu übernehmen und dadurch mehr von ihrer Mutter lernen zu können. Kathys Eltern hatten mit Ratschlägen, was den Umgang jungen Männer und mit jungen, weltgewandten Männern im Besonderen anging, gespart. Mrs. Morgan hatte sich nur versichert, dass Kathys ein Schutzamulett trug, dessen Nutzen ihrer Tochter vorher genau erklärt hatte. Alle anderen Ratschläge lauteten in Etwa: „Tue nichts, was du später bereust.“, „Setze deine Magie nicht gegen normale Menschen ein, dass ist unlauter.“ Und „denk daran, Magie schafft mehr Probleme als sie löst, insbesondere in zwischenmenschlichen Beziehungen.“ Was alles andere anging so vertrauten sie auf die Integrität der Adams und Kathys Verantwortungsgefühl. Die Kutschfahrt verlief ereignislos, bis auf den Morgen, an dem Mrs. Adams glaubte ein gestricktes Schultertuch im Gasthof vergessen zu haben, nur um von ihrem Mann darauf hingewiesen zu werden, dass es von ihrer Schulter auf den Sitz in der Kutsche gerutscht war. Die ersten Tage in Bath gestalteten sich geruhsam. Mrs. Adams flanierte mit Kathy durchs Stadtzentrum und schleifte sie in jeden auffindbaren Stoff- oder Wollladen, wo sie Stunden verbringen konnte. Durch diese Ladenbesuche lernte Kathy den Unterschied von Flanell, Satin, Musselin, Samt und was es sonst noch alles an Stoffarten gab. Auch erfuhr sie, welche Wollarten für welche Art von Strickerei am besten geeignet war. Nebenbei entdeckte Mrs. Adams ein Woll-Seidengemisch in einem schönen Blau, aus dem sie versprach ein Schultertuch für Kathy in einem Muster zu stricken, das Kathy selbst noch nicht selbst beherrschte. Kathy, die über Mrs. Adams Faible für Stoffe und Garne amüsiert gewesen war, stellte nun fest, dass diese in ihrer Kunstfertigkeit im Umgang darin keiner Schneiderin nachstand. Auch ihr modischer Geschmack erwies sich als etwas exotisch, aber dennoch elegant und vorzüglich. Mrs. Adams ließ es sich nicht nehmen Kathy bei ihrer für die zu besuchenden Bälle behilflich zu sein. Notfalls legte sie selbst Hand an, um ein paar veraltete Kleider modisch aufzuwerten. Durch ihr Geschick darin stieg sie in Kathys Achtung. Zu Kathys Glück bewies Mrs. Adams allerdings auch ihre Geduld, wenn Kathy sich in Kräuterläden und Läden des Kurbedarfs umsah, wobei letztere ihr professionelles Interesse geweckt hatte. Eines unvergesslichen Nachmittags, ließ sich Mrs. Adams sogar dazu überreden in einer Apotheke zusammen mit Kathy dem Genuss eines heilsamen Heißgetränks namens Schokolade zu frönen. ** Wenn sie nicht gerade durch die Stadt flanierten oder in der Trinkhalle prominierten, genossen sie es auf einer Bank im Park zu sitzen, Mrs. Adams mit ihrem Strickzeug und Kathy mit einem Buch in der Hand. Dennoch bedauert Mrs. Adams ein wenig, dass sie keine Bekannten in Bath getroffen hatte. Dies hatte auch zur Folge, dass Kathys erster Ball unspektakulär verlief. Es war eng und stickig vor Menschen. Sie schaffte es geradeso Mrs. Adams nicht in der Menschenmenge zu verlieren. Die Musik und das laute Stimmengewirr erschöpften Kathy, insbesondere, da es kaum etwas gab, was ihre Aufmerksamkeit davon ablenkte. Mr. Adams verzog sich gleich zu Beginn ins Herrenzimmer, wo er sich gut mit anderen Herren über die neuesten Nachrichten, von denen die Zeitungen berichteten, aus aller Welt unterhielt. Als die Musik pausierte und der Tee serviert wurde, mussten Kathy und Mrs. Adams sich durch eine Masse fremder Menschen zum Teesalon durchkämpfen. Nur, um dort festzustellen, dass sie niemanden kannten, fast alle Plätze besetzt waren und die einzigen freien Plätze an einem Tisch keine Gedecke aufwiesen. Letzterem wurde zwar Abhilfe geschaffen, doch da sie niemanden kannten, blieb ihnen nur übrig miteinander zu plaudern, was etwas mühsam war, da sie in den letzten Tagen schon so ziemlich alle Gesprächsthemen, über die sie sich unterhalten konnten, abgegrast hatten. Als Kathy an diese Abend ins Bett ging, ahnte sie noch nicht, dass die nächsten Wochen einiges an Veränderungen für sie bereit hielten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)