The outer and personal space between me von Rix (OS-Sammlung zu KazeTsu) ================================================================================ Kapitel 4: IV. Sorry, I'll be a person today I. [Kakeru/Haiji] -------------------------------------------------------------- In the depths of winter, I finally learned that within me there lay an invincible summer. Albert Camus, “Return to Tipasa” I. Don't leave Kakerus Hand packte Haiji harsch am Unterarm, um ihn davon abzuhalten den Raum zu verlassen. Verdutzt hielt der Ältere inne und wandte sich als stille Frage zu ihm um. „Geh nicht“, presste Kakeru kleinmütig hervor, die Worte kaum mehr als ein Flüstern. Haiji reagierte zuerst nicht, bevor er langsam die Umzugskiste in seinen Händen auf den Boden absetzte, bedächtig und vorsichtig, obwohl sich keinerlei zerbrechlichen Gegenstände in ihr befanden. Behutsam, aber dennoch bestimmend, löste er Kakerus verkrampfte Finger aus deren Umklammerung, nur um dann den Jüngeren in eine Umarmung zu ziehen. Sofort vergruben sich Kakerus Hände in dem weichen Stoff von Haijis Pullover, zog ihn so dicht an ihn heran, dass kein Zentimeter mehr zwischen ihnen war. Spürte wie der warme Atem des Älteren über sein Schlüsselbein strich, als er sein Gesicht in Kakerus Halsgrube lehnte. Schweigsam verharrten sie so. Aber es war niemals genug. II. This was a mistake „Wow“, hauchte Haiji fassungslos. Die vorherige Selbstsicherheit verabschiedete sich mit einmal mit einem großen Sprung aus dem Fenster, weswegen Kakeru rasch den Schokoladenkuchen in Herzform wegziehen wollte. Jedoch klatschte ihm Haiji tadelnd auf die Hand. „Hey! Geschenkt ist geschenkt!“ Unsicher beobachtete er den Älteren dabei, wie dieser gut gelaunt eine Gabel holte und dann ein großes Stück von dem Kuchen in seinen Mund schob. Am liebsten wäre Kakeru im Boden versunken, als Haijis Mimik von strahlendem Sonnenschein zu grünlichem Ekel wechselte. „Das war ein Fehler“, entschuldigte er sich, während der Ältere mit aller Gewalt das Stück herunterschluckte. Haiji winkte nur ab und nach ein paar Atemzügen in der er höchstwahrscheinlich den Kampf gegen die Übelkeit gewann, lächelte er Kakeru verschmitzt an, wenn auch etwas gequält. „Der Gedanke zählt“, dann fügte Haiji vergnügt als Nachgedanke an: „Außerdem kann ich es dir an White Day zurückzahlen.“ III. I trusted you Angefressen begutachtete Kakeru seine zerfledderten Laufschuhe. Hinter ihm ertönte ein leises Winseln und er drehte sich zu dem Übeltäter um. Nira lag flach auf den Boden, die Ohren angewinkelt in Schuld. Ihr Besitzer dagegen wippte nur auf seinen Fußballen vor und zurück, die Hände locker hinter dem Rücken verschränkt und beobachtete Kakeru neugierig. Anklagend nickte er zu Haiji hinüber. „Ihm? Ihm traue ich keinen Zentimeter.“ Dann zeigte er direkt auf Nira. „Aber dir. Dir habe ich vertraut. Dieser Verrat schmerzt mir mehr als dir.“ Darauf brüllte Haiji nur so vor Lachen und Nira kroch langsam mit den größten Hundeaugen, die er je gesehen hatte, zu ihm hinüber. Kakeru seufzte nur ergebend, als eine nasse Hundezunge ihn mit Entschuldigungsküssen überhäufte und eine warme Hand ihm über den Kopf wuschelte. VI. One Chance Haiji wollte es nicht versauen. Nicht, dass wirklich die Angst bestand, dass er es versauen könnte, da bisher alles relativ glatt verlaufen war. Was an sich überraschend war, da er normalerweise eine Katastrophe glich, wenn es um solche delikaten Angelegenheiten ging. Von dem sonderbaren Liebesgeständnis, bis hin zu romantischen Verabredungen und dem ersten Kuss. „Oma, das ist Haiji. Wir sind“, fing Kakeru an, wobei er auf Haiji neben sich zeigte. Kalter Schweiß brach Haiji aus und er hatte einen einzigen Versuch das Richtige zu sagen – und sein Kopf war wie leer gefegt, als die Worte nur so aus ihm heraussprudelten. „Teamkameraden!“ Überschlug sich seine Stimme schrill, worauf Kakeru ihm einen irritierten Blick zuwarf. „Richtig, dolle, uns sehr nahestehende und mögende Teamkameraden...“, ergänzte er schlapp. Zu seinem Glück lachte Kakerus Oma nur erheitert auf und stupste ihren Enkel munter in die Seite, der mehr als angepisst dreinschaute. „Nennen sich die jungen Leute heute so, wenn sie miteinander ausgehen?“ V. Help Galle stieg in Haijis Kehle auf. Er hasste es. Hasste den Schmerz, hasste seinen zerbrechlichen Körper und am meisten hasste er das Mitleid in Kakerus Augen. Der Schweiß ließ seine Kleidung wie eine zweite Haut an ihm kleben und alles juckte auf ihr und unter ihr, während sein Knie wie in Lava getaucht brannte. Er hasste es, hasste es, hasste es und zwei warme Hände strichen ihm beruhigend über die Oberarme. „Hey, ruhig“, wisperte Kakeru als würde er ein Geheimnis mit Haiji teilen. „Atme“, verriet er ihm. Haiji atmete tief ein, was schwer und gebrochen war. Wiederholte diesen Vorgang mehrmals, bevor er ein leises „Hilfe“ murmelte. Kakeru küsste ihn sanft auf die Stirn. „Immer“, versprach er und meinte es. VI. Illusion „Ich verstehe nicht, wie Leute wirklich auf solche Sachen hereinfallen können.“ Haiji wandte seine Augen von dem Magier ab, der in der Show auftrat, die sie auf YouTube schauten, und warf Kakeru nur einen fragenden Blick zu. Dieser hatte die Augenbrauen angestrengt zusammengezogen. Manchmal war der Jüngere unergründlich, wenn es um Dinge ging, die ihn verärgerten. „Sie fallen nicht wirklich darauf herein“, erwiderte Haiji ruhig, wobei er sein Gewicht verlagerte, so dass er sich besser gegen Kakerus Seite lehnen konnte. „Manchmal möchte man einfach nur gerne eine Illusion bewahren“, erläuterte er weiter. Der Magier vollführte einen weiteren Trick und das Publikum jubelte begeistert. „Warum sollte man das wollen?“, fragte Kakeru nach einige Sekunden deutlich verwirrt nach, als wäre die bloße Vorstellung lächerlich. Haiji schwieg, erinnerte sich an lange Nächte umgeben von Maschinen und sterilem Geruch; an lange Tage mit zwei Holzbalken an denen er Stunden brauchte, um von einem Seite zur Nächsten zu kommen. „Um viele Dinge einfacher zu machen“, war seine simple Antwort. VII. Silent Fury Kakeru band sich gerade die Schnürsenkel als bekannte Schritte hinter ihm ertönten. Dennoch blickte er nicht auf, sein Blick starr auf die Tätigkeit vor sich gerichtet. Eine angespannte Stille entstand, bevor Haiji sie missgestimmt durchbrach. „Das ist nicht unsere Art, Dinge zu regeln.“ Seine stille Wut wuchs um das Vierfache an, dennoch entließ Kakeru sie nicht in die Freiheit. „Sagt der Richtige“, erwiderte er kalt. „Ich bin nicht derjenige, der so tut, als hätten wir nicht miteinander geschlafen.“ Ohne zu warten, stand er auf und verschwand in die kühle Morgenluft, um eine sehr lange Runde zu rennen. VIII. Sunbathing Die ersten Sonnenstrahlen kitzelten Kakeru wach, da er stets ein leichter Schläfer war. Die Luft im Raum stand, was ihn nur träge wach werden ließ und nach und nach seiner Umgebung scharfe Konturen gab. Neben ihm nahm er eine Bewegung war, weswegen er sich gemächlich zu der Gestalt umdrehte. Wildes, braunes Betthaar und ein schmaler Rücken begrüßten ihn. Lächelnd betrachtete er Haiji, der wie immer die Bettdecke in der Nacht von sich getreten hatte und jetzt wie eine Katze im Licht der Sonne zu baden schien. Mit einem Herz das vor Zuneigung und Freude zu zerbersten drohte, rutschte er an den Älteren heran. Als er seinen Arm um den Oberkörper des Anderen legte, gab Haiji nur ein verschlafenes, aber zufriedenes Grunzen von sich. Zufrieden ließ sich Kakeru von der Wärme der zwei Sonnen in seinem Leben zurück in den Schlaf einlullen. IX. Falling Sie fielen in einem Wirrwarr aus Gliedmaßen rücklings den Abhang hinunter. Der Aufprall war auch mit dem Gras zum Abfedern hart und Kakeru war sich sicher, dass er ihn am nächsten Morgen noch spüren würde. Kurz rollten sie unkoordiniert die sachte Senke hinunter, bis sie zum Stillstand kamen. Schwer lag Haiji auf ihm, was rasch unangenehm wurde. Gerade als er ihn von sich schieben wollte und anschnauzen, was er sich dabei gedacht hätte, fing der Ältere an zu lachen. Die Vibration von Haijis Lachen rüttelte seinen gesamten Körper durch. Und plötzlich fand Kakeru nicht mehr den Willen in sich, den anderen Mann loszulassen. Also hielt er ihn nur und stellte fest, während das Lachen ihn durchschüttelte, dass es mehr als einfach war, sich in Haiji zu verlieben. X. Righteous „Dein Zorn ist nur gerecht.“ Kakeru umklammerte die warme Tasse Kakao fester, auch wenn seine Finger wegen der Hitze sofort protestierten. „Was dir widerfahren ist, was du durchlebt hast...es ist nur nachvollziehbar, dass du wütend geworden bist. Daran ist nichts falsch gewesen.“ Kakeru schaute auf zu den Sternen, die sich endlos über den Nachthimmel streckten. „Warum wirst du dann nie zornig?“ Haiji schwieg auf die Frage. Jetzt schaute Kakeru zu den Älteren hinüber, der mit verschlossener Miene seine Tasse Kakao musterte. Langsam fuhr er mit einem Zeigefinger über den Tassenrand, bevor er vorsichtig antwortete: „Weil meiner nicht gerecht wäre.“ Weil ich mir selbst die schlimmsten Dinge in meinem Leben angetan habe, war was Haiji nicht laut aussprach, aber Kakeru wusste, dass er es so meinte. Über ihnen funkelten die Sterne weiterhin und Kakeru konnte nicht sagen, wer von ihnen der größte Heuchler war. XI. Drastic „Wow, wow, wow“, säuselte Haiji und schob bestimmend, aber nicht abweisend Kakeru zurück, um erneut Abstand zwischen ihnen zu bringen. Sein Kopf schwirrte weiterhin durch die Influenz von zu viel Alkohol und ihrer eben passierten Küsserei. „Auszeit, eine Minute“, er stockte und kniff die Augen zusammen, versuchte seine Gedanken zu ordnen, die gegen den lauten Protest seines Körpers sich durchsetzten mussten, der sehr wohl die drastische Wendung von miteinander reden zu herummachen gefallen hatte. „Ist das..willst du...bist du dir sicher, Kakeru?“ Kakeru schaute ihn an, als wären Haiji sechs Köpfen gewachsen. Der Jüngere öffnete den Mund, um zu antworten. Doch dann kam nur ein tiefer Rülpser heraus, der eine saure Note trug. „Oh nein, Kakeru, du wirst doch nicht-“, bevor Haiji überhaupt den Satz beenden konnte, übergab Kakeru sich in seinen Schoß. Zumindest hatte sich damit seine Frage geklärt. XII. Candles „...und dann whäm! Die Tür zerberste und der lange Schatten des Monsters-“ „Wie kann der Schatten des Monsters zu sehen sein, wenn es stockfinster war“, unterbrach Kakeru trocken die wilde Geschichte von Haiji. Der Ältere schnalzte genervt mit der Zunge. „Kakeru, es geht hier um den Gruseleffekt, nicht um die Logik.“ Haiji verlagerte die Höhe der Kerzen, um ihr spärliches Licht dafür zu benutzen, gruseliger in der Dunkelheit zu wirken. Jedoch fürchtete Kakeru nur darum, dass die Haare des Älteren Feuer fingen. „Wo war ich? Achja, das Monster! Der Schatten des Monsters streckte sich bedrohlich als riesiger Schatten durch den Raum. Und-“, Kakeru blendete den Rest aus. Das nächste Mal würde er einen der Anderen mit Haiji mitgehen lassen, um den Sicherheitskasten zu überprüfen. Oder sich eine effektive Methoden einfallen lassen, damit der Ältere nicht vor Angst ihm das Ohr abkaute. XIII. Too loud Haiji versuchte es zu unterdrücken, aber er konnte den Laut nicht in sich behalten. Kakeru hielt inne, schnaubte gegen Haijis Nacken, der durch die vorherige Behandlung viel zu übersensibel war. Beinahe hätte Haiji erneut gestöhnt. Der Jüngere schien es zu bemerken und verlagerte sein Gewicht. „Du bist zu laut, Haiji“, zischte er, was ihn jedoch nicht davon abhielt seine Finger in Haijis Hose zu vergraben. Rasch hielt Haiji sich die Hand vor den Mund, um die Laute zumindest einigermaßen zu dämpfen. „Ich bin nicht der Schuldige hier“, erwiderte er, wobei die Schärfe seiner Worte, seine erregte Stimme nicht erreichte. Kakeru grinste darauf nur selbstgefällig. „Versuch sie möglichst etwas zu dämpfen.“ „Bratze“, brachte Haiji gerade noch so hervor, bevor er fasst schon den Ärmel seines Pullovers auffraß, damit ihn niemand hörte, während Kakeru ihn ganz genau zeigte, was er von der neuen Jeans hielt. XIV. Overgrown Sie stolperten über das Grab, als sie eine langen Querweg durch den Wald nahmen. Haiji war der Sinn nach Erkunden gewesen und Kakeru war ihm wie stets gefolgt, um den Älteren vor sich selbst zu schützen. Das Grab selbst war von Kletterpflanzen und anderem Unkraut überwuchert gewesen, weswegen sie es nur durch puren Zufall gefunden hatten. Vorsichtig hatte Haiji, die Pflanzen beseitigt, damit sie den Schriftzug lesen konnten, der auf den Stein eingraviert war. Es war ein sonderbares Grab, aber als Kakeru begriff, was dort stand, wurde ihm klar wieso. Etwas Schweres lag in seinem Magen und wurde nur noch unerträglicher, als er Haijis finsteren Ausdruck sah. Für einen Moment wollte er fragen oder wünschte sich sogar, die Gedanken des Älteren zu lesen. Schlussendlich war er erleichterter darüber, nicht gefragt zu haben oder die Fähigkeit Gedanken zu lesen zu besitzen, da ihn jegliche Antwort nur mit mehr Sorgen erfüllt hätten, als sowieso schon vorhanden waren. „Lass es uns wieder zudecken, damit sie weiterhin ihre Ruhe haben“, sagte Haiji nach einer Ewigkeit und Kakeru half ihm wortlos. XV. Trembling hands Mit einem lautem Klackern setzte sich der Wagen in Bewegung. Automatisch verkrampfte sich alles in Kakeru. Sein Puls schoss so rasch nach oben, dass ihm fast schon schwindelig wurde. Die Verlagerung seines Schwerpunktes half dabei wenig, um dem drohendem Gefühl von Verderben zu mindern. „Alles okay?“, fragte Haiji besorgt neben ihn. Hastig nickte Kakeru, da seine Zähne anfingen zu klappern. Ohne Vorwarnung griff der Ältere nach seinen zitternden Händen. „Keine Sorge, ich bin bei dir“, versicherte ihn Haiji, was ihn zumindest einigermaßen beruhigte. Die Achterbahnfahrt war dennoch die Hölle auf Erden. XVI. In dreams Manchmal rannte Haiji in seinen Träumen Meilen über Meilen. Rannte leere Straßen in Städten entlang; rannte über weite Feldwege, wo das goldene Weizen sachte im Wind wippte; rannte an weiten Seen, die im Sonnenlicht wie Opale leuchteten; rannte steile Berge hinauf und hinab, ohne jemals außer Puste zu kommen. Er rannte frei und ohne Konsequenzen, die ihn fesselten. Rannte ohne jeglichen Schmerz im Knie. Wenn Haji von solchen Träumen aufwachte, dauerte es immer etwas, bis er sich seiner Realität wieder bewusst wurde. Fasste sich stets über die lange Narbe an seinem Bein, wo das Fleisch uneben und merkwürdig hart war. „Morgen“, nuschelte die schläfrige Stimme von Kakeru in sein Ohr und Haiji schloss erleichtert die Augen darüber, dass es nur Träume waren. XVII. Empty „Niemand schuldet dir etwas. Nicht irgendwer oder irgendwas, nicht die Welt, nichts und niemand.“ Mit einem geschickten Wurf aus dem Handgelenk heraus, warf er einen Kieselstein, der mehrmals über das Wasser hüpfte, bevor er in den Strom des Wasser versank. „Traurig, aber wahr. So wie das Leben nun einmal ist.“ Kakeru spielte mit einem eigenen Kieselstein in seiner Hand, jedoch hielt ihn fest, anstatt ihn ebenso loszulassen. „So was? Also muss ich es so hinnehmen und mit dieser leeren Unzufriedenheit leben?“ Haiji prüfte einen weiteren Kieselstein, ob er geeignet dazu war, geworfen zu werden. „Natürlich nicht. Du musst nur hart dafür arbeiten und danach fragen.“ Kakeru beobachtete, wie Haiji einen weiteren Kieselstein warf, während der Ältere dabei in das rot-goldene Licht der untergehenden Sonne getaucht wurde. Weiterhin warf Kakeru seinen Kieselstein nicht, sondern bot ihn Haiji scheu an, der ihn nach einigem Zögern annahm. XVIII. Flinders „Weißt du, was ich am meisten an Kintsukuroi mag?“, fragte ihn Haiji aus dem Nichts, so als hätten sie davor eine lange Diskussion darüber gehabt. Kakeru liebte diese unvorhersehbare Art des Älteren und erwiderte nur mit einem „Was?“, während er sich darauf konzentrierte die Möhren ordentlich zu schneiden. „Es geht nicht darum, dass die Schönheit im Reparierten liegt, nachdem es zerbrochen wurde. Sonder darin, wie viel Arbeit darin liegt. Es beansprucht Zeit und Geduld, einige Teile sind sogar unreparierbar, es wird also nie mehr wie vorher aussehen oder das selbe Stück sein. Nein, die Schönheit liegt darin mit wie viel Fürsorge das zerbrochene Stück wieder zusammengesetzt wird und deshalb wieder etwas Eigenes wird.“ Kakeru schaute auf und musterte Haiji, der mit einem undefinierbaren Blick das Fleisch anbriet. Musterte den Mann, der ihm im Schutz seiner Arme mit schwermütigen Worten sein Zerbrechen in Scherben anvertraut hatte. „Hm, gefällt mir der Gedanke“, antwortete er und Haijis Lippen verziehen sich zu einem sachten Lächeln, welches schöner nicht sein könnte. XIX. Sea change „Ich halte lediglich deine grundlegende Veränderung fest“, erwiderte Haiji vergnügt, wobei er munter zwischen den Bildern auf dem Vorschaubildschirm der Kamera hin und her wechselte. „Meine Entwicklung...“, Kakeru runzelte die Stirn, „...als was?“ Auf die Frage hin, schaute Haiji mit einem schelmischen Grinsen auf. „Als Mensch.“ Kakeru schnaubte darauf nur irritiert. „Was soll das heißen?“ „Nun“, fing der Ältere langsam an, nur um im nächsten Moment völlig übertrieben eine wütende Grimasse zu ziehen und die Arme wie Frankensteins Monster vor sich zu halten. „Am Anfang warst du nur die ganze Zeit: Grrrrr.“ Kakeru blinzelte einige Male, bevor er trocken die letzten Laute von Haiji wiederholte „Grrr...“ Haiji nickte. „Grrr“, bestätigte er. Einige Sekunden starrten sie sich stumm an, bevor Kakeru die Augen verdrehte und Haiji sich die Hand vor dem Mund hielt, um sich ein Lachen zu verkneifen. XX. Alone, finally Ein erleichtertes Seufzen entfloh Kakerus Lippen, als er sich in das heiße Wasser der Badewanne niederließ. „Endlich alleine“, säuselte er und schloss genüsslich die Augen. So sehr er auch seine Freunde mochte und glücklich darüber war, endlich einen Platz gefunden zu haben, zu dem er gehörte, misste er dennoch manchmal die Ruhe. Auch wenn es fast schon auf Mitternacht zuging und nur in einem kleinem Bad möglich war. Kaum hatte er sich ordentlich entspannt und war dabei wegzudriften, wurde plötzlich die Tür aufgerissen. Missmutig starrte er zu dem Störenfried hinüber, nur um im nächsten Moment Haiji zu erkennen. Dieser schien genauso überrascht zu sein wie er, fing sich jedoch als Erster wieder. „Ah, du bist hier….“, ungewöhnlich schüchtern für ihn, fuhr er fort: „Platz für eine zweite Person?“ Hin und wieder sehnte Kakeru sich danach einen Moment der Ruhe für sich zu haben. „Klar“, sagte er, wobei sein Herz nervöse Sprünge machte. Aber dann wiederum sehnte er sich stets mehr nach der Anwesenheit einer bestimmten Person. XXI. Collapse Der Jenga Turm brach mit einem lautem Poltern zusammen. Beeindruckt pfiff Haiji, wohingegen Kakeru nur frustriert schnaubte. Es war das fünfte Mal in Folge, in dem der Jüngere gegen ihn verloren hatte. Obwohl er sich bewusst war, dass Kakerus Geduld an einem seidenen Faden baumelte, konnte er sich dennoch nicht zurückhalten, es ihn unter die Nase zu reiben. „Gut das du niemals Architekt wirst. All die Toten und trauernden Familien, eine Schande. Unsere Nachbarn würden mir bestimmt ständig Essen vorbeibringen, um zu fragen, wie mein Ehemann nur mit dieser Schuld zurecht kommt.“ Als Antwort bewarf ihn Kakeru nur mit den hölzernen Blöcken. Erst als er ausversehen die frisch gewaschenen Gläser vom Regal fegte, hörte er auf. Und erst viel später, als sie gerade mit einer Packung neuen Gläsern auf den Rückweg zum Dorm waren, fragte er nach, ob Haiji es ernst gemeint hatte. Natürlich wusste Haiji, was Kakeru meinte, aber er stellte sich absichtlich auf dumm. Der Jenga Turm seiner Gefühle würde sonst ebenso nutzlos zusammenbrechen. XXII. Nap Es war ein ruhiger Sonntag, in dem Haiji eine seltene Lethargie überkam. Ungewöhnlich antriebslos, blieb er bis zum frühen Nachmittag im Bett liegen, nur um den Platz, nach einer leichten Mahlzeit, zu wechseln und stattdessen sich mitten in den Flur ein Nickerchen zu machen. Es schien niemanden zu stören, noch hinterfragte jemand sein Verhalten. Haiji war sich noch unschlüssig darüber, ob er dies als positives oder negatives Zeichen werten sollte. Gerade als er noch am Abwägen war, nährte sich jemand. Die Person blieb stehen, aber Haiji war zu träge, die Augen zu öffnen, um zu schauen, wer es war. Im nächsten Moment spürte er, wie sich die Person dicht neben ihn legte, ein Arm über seine Brust gestreckt und weiches Haar so dicht an ihm, dass es ihn leicht an seinem Hals kitzelte. „Du bist der seltsamste Mensch, der mir je untergekommen ist“, sagte Kakeru und Haiji summte nur zufrieden als Zustimmung. XXIII. Sated „Kakeru“, sagte Haiji mit scharfen Ton. Jener Ton, den er nur dann benutzte, wenn ihn etwas wirklich missfiel. Oftmals, wenn Kakeru Grenzen überschritt, die er nicht überschreiten sollte. Mehr noch, wenn er dabei war, etwas zu tun, woran er im Nachhinein am meisten leiden würde. „Hör auf damit“, befahl ihm Haiji harsch. Doch Kakeru stoppte nicht und stopfte sich weiterhin das Essen hinein, obwohl er längst übersättigt war. Erst als Haiji ihn förmlich das Besteck aus der Hand riss und grob seine Handgelenke festhielt, schaltete Kakerus System um. Während er heulte, während er all das Essen wieder auskotzte und völlig emotional aufgebraucht in einen erschöpften Schlaf fiel, war Haiji die ganze Zeit an seiner Seite. Es änderten den Anruf seiner Mutter nicht, jedoch machte es die Zukunft weniger beängstigend. XXIV. Tender Eins der größten Geheimnisse, welches Haiji mit sich herumtrug, war jenes, dass er wusste, dass Kakeru einer der zärtlichsten Menschen der Welt war. Hinter all der forschen Art, dem leichten Temperament und der hin und wieder sozialen Inkompetenz, war ein Mann, der alles, was er liebte, fürsorglich behandelte. Haiji fand sich glücklicherweise am Ende dieser Fürsorge wieder und erlebte daher aus erster Hand mit, wie zärtlich Kakeru sein konnte. Er würde lügen, wenn er sich nicht danach sehnte und ihn ihr aufging. Dennoch gab es auch Momente, in denen er nicht wusste, ob er es verdient hatte. Insbesondere an seinen schlechten Tagen. Doch Kakeru küsste ihn nur zärtlich auf die Nase und verwickelte ihre Finger ineinander, als er ihm das Geheimnis verriet. „Idiot.“ Dann. „Soll ich dir ein ähnliches Geheimnis verraten?“ Haiji war froh, dass seine Tränen für immer zwischen ihnen bleiben würden und von allen Menschen auf der Erde, er derjenige war, der Kakeru kennenlernen dürfte wie kein Anderer. XXV. Senseless „Was tust du da?“, misstrauisch beäugte Kakeru die Ansammlung an Gießkannen, welche Haiji gut gelaunt in einer Reihe aufstellte. „Gießkannen aufstellen“, erläutert der Ältere das Offensichtliche. Innerlich zählte Kakeru bis fünf, bevor er einen erneuten Versuch startete. Und warum stellst du sie auf?“ Haiji schaute ihn jetzt an, als wäre er derjenige, der sich unsinnig benahm. „Um Regen aufzufangen.“ Die Lachlinien von Haijis Augen zogen sich an und Kakeru wusste, dass ihn der Ältere extra aufzog. Dennoch spielte er das lächerliche Spiel mit, da es Haiji erfreute. „Und für was möchtest du den Regen auffangen?“ Haiji zuckte nur mit den Schultern. „Keine Ahnung.“ Kurz schauten sie sich über die lange Linie der Gießkannen an. Schließlich seufzte Kakeru. „Haiji, du brauchst dringend ein Hobby.“ Doch der Ältere winkt nur ab. „Dafür habe ich dich doch“, neckte er. Die nächsten Minuten verbrachten Kakeru damit, Haijis Gießkannen zu klauen und vor dem Älteren wegzurennen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)