Die Drachenballade von Kylie (Band 1 - Drachen-Saga) ================================================================================ Kapitel 6: Unausgesprochene Sehnsüchte -------------------------------------- Argrim gefiel das Ganze nicht. Während seiner Patrouille war nicht nur Andras angeblich in den Geist von Billiana eingedrungen, sondern auch ihr vermeidlicher Bruder, der aus dem Nichts aufgetaucht sein soll! Er hatte ihn nirgendwo kommen sehen und es gab draußen auch keine Fußspuren, die sein Kommen ankündigten. Cazie bestand aber auch darauf, dass er einfach nur da war und die Tür nicht benutzt hatte. Plötzlich mit einem Becher in der Hand und dem Wunsch, seiner Schwester beizustehen.  Von solcher Magie verstand er rein gar nichts und er wollte es auch nicht. Es war unheimlich! Wenn er sich vorstellte, dass irgendwelche Leute in seinem Kopf herumliefen und jeden Gedanken erhaschen konnten... Das war kein angenehmes Eindringen. Es würde auch der Elfe sicherlich nicht gefallen! Sie sah so friedlich aus... Sie lag einfach da und schien zu schlafen. Ob ihr bewusst war, was in ihr vorging? Dabei sah sie nicht mal krank aus. Allerdings hatte die Heilkundige ihm gezeigt, dass sich Adern an ihrem Körper in einem dunklen Schwarz abzeichneten und immer mehr und dicker wurden. Die Rothaarige vermutete, dass die Gegenwehr der Blondine ihren Körper vergiftete, weil die schwarze Schlacke sich andere Wege suchte. Ob es Auswirkungen hatte, wenn sie die Seuche besiegte, wusste sie nicht zu sagen. „Kennt Ihr die Märchen der Menschen, Lord Jalgat?“, erkundigte sich Cazie und legte Billie einen kühlen, feuchten Lappen auf die Stirn. Sie bekam starkes Fieber. „Ich bin kein Lord.“, warf er ein. „Nennt mich Argrim, das ist vollkommen ausreichend. Und auf welche der Märchen wollt Ihr hinaus? Einige wurden uns als Zwerglinge von den wenigen >Weisen< unserer Sippe vorgelesen.“ „Zwerglinge?“ „So bezeichnen wir unsere Kinder. Zumindest die ganz kleinen unter ihnen.“ „Ich verstehe.“, erwiderte die Heilkundige überrascht. „Nun... Ich kenne eigentlich nur Schneewittchen. Da kamen auch Zwerge drin vor. Diese Situation erinnert mich ein bisschen daran... Eine schlafende Prinzessin und ein trauriger Zwerg, der über sie wacht.“ „Genaugenommen wurde die Prinzessin vergiftet und war tot...“, warf er ein, denn dieses Märchen hatten sie oft vorgelesen bekommen. „Aber in der Version der Menschen kommt dann ein wunderschöner Prinz und küsst sie wach. Am Ende sind sie dann glücklich für alle Zeiten, oder nicht?“ „Das stimmt. Gibt es noch eine andere Version der Geschichte? Eine zwergische?“ „Ja, allerdings.“ „Wie lautet die?“, wollte sie ganz aufgeregt wissen. „Ist sie spannender?“ Ich vergesse schnell, dass auch sie noch ein junges Ding ist. Sie hat die Welt kaum gesehen. Eigentlich braucht sie beinahe noch eine Gutenachtgeschichte., dachte Argrim besorgt. Obwohl ihre Faszination und Euphorie für solche Dinge beinahe niedlich ist. Menschen und ihre Geschichten! Er öffnete trotzdem erstmal die Fensterläden und warf einen Blick nach draußen. Es herrschte ein ungemeines Schneegestöber, welches eine klare Sicht vollkommen verhinderte. Dazu kam ein dünner, weißlicher Nebel, der wolkenartig einige Fleckchen Erde für sich beanspruchte. Dieser Ort hatte etwas Unheimliches an sich! Das Wetter war so... lebendig. Und wie die Seuche hier ausgebrochen war... Schnell, plötzlich und vollkommen übergreifend. Trotzdem war Cazie gesund. Draußen war nichts, außer dem weißen Schnee, der Kälte und die verborgenen Leichen von Vieh und Menschen. Es wirkte beinahe schon idyllisch, wenn man nicht wusste, wie viele hier gestorben waren. Gerade, weil das einzige Geräusch der pfeifende Wind war, welcher durch die leerstehenden Häuser pfiff. Der Zwerg schloss die Fensterläden wieder, um die Kälte nicht weiter in das Haus zu lassen und sie vor allem vor dem Schnee zu schützen. Hier drin loderte noch das Lagerfeuer, doch er musste bald aufbrechen, um nach neuem Holz zu suchen, damit es nicht doch noch erlosch. Bei der Kälte wären sie in Windeseile tot! Wenn nicht sogar die Scharniere von Türen und Fenster einfach einfroren, solange da keine beständige Wärmeausstrahlung aus dem Inneren kam. Cazie kümmerte sich weiter um ihre Patientin und hakte nicht weiter nach. Sie war eine wirklich angenehme junge Frau! Sie bestand nicht permanent darauf, dass sie bekam, was sie sich wünschte und war nicht aufdringlich. Doch sie kam nicht an die außergewöhnliche Ausstrahlung der Elfe heran, die eine exotische Schönheit mit einem noch exotischeren Akzent verknüpfte. Er erwischte sich dabei, wie er die schlafende Blondine anstierte und riss den Kopf sofort von ihr weg. Seine Augen widmeten sich stattdessen der fleißigen Heilkundigen, die sich auch nach der Gesundheit der beiden Männer vergewisserte. Ihre Temperatur war wohl normal, denn sie bekamen keine kühlenden Lappen auf die Stirn. Nur flößte sie ihnen manchmal eine Kräuter-Mixtur durch den Mund ein. „Ich erzähle Euch die Variante der Zwerge und Ihr erklärt mir dafür, warum Ihr den beiden ständig dieses stinkende Gebräu einflößt.“, schlug er vor. Auf diese Weise konnte er seine Neugier befriedigen ohne wie ein Kind nachfragen zu müssen. Außerdem konnte er behaupten, dass sie unbedingt die Geschichte hatte hören wollen und das wäre das einzige gewesen, was er als Gegenleistung hatte nennen können. Die Rothaarige nickte sofort eifrig und schien wirklich überglücklich zu sein, dass er es sich noch überlegte! Langsam drehte sie sich zu ihm, nachdem sie die Mixtur fertig eingeflößt hatte: „Es dient der Stärkung ihrer Abwehr gegen äußerliche Einflüsse. Meine Meisterin erklärte es mir so, dass der Körper von innen durch... Vitamine und sogar Metalle gestärkt werden müsse, damit er von außen nicht attackiert werden kann. Als würde man ihnen Schild und Schwert geben, um die Krankheiten zu bekämpfen. Da sich die beiden zurzeit in einem sehr gefährlichen Zustand befinden, könnten sie sich jeder Zeit mit Krankheiten infizieren. Deshalb verabreiche ich ihnen zur Sicherheit diese Rezeptur. Ich hoffe allerdings auch, dass es ihren Geist wachhält und ihnen bei der Konzentration hilft.“ „Sehr interessant.“, gestand der Axtschwinger ehrlich und setzte sich wieder auf den Hocker an Billianas Bett. „Anfangs ist die Geschichte vollkommen gleich. Sieben Zwerge, die in Minen arbeiten und alle möglichen Erze gewinnen. Nur sehen sie natürlich aus wie echte Zwerge! Nicht diese lächerlichen Beschreibungen aus den Menschengeschichten, in denen wir euch nur bis zu den Knien gehen... Wir retten dann die arme Prinzessin vor dem bösen Jäger und bringen sie in unsere Hütte. Dort bekommt sie Verpflegung und darf uns Zwergen ihre Leidensgeschichte klagen. Aus Großmut darf sie bleiben und kümmert sich etwas um den Haushalt. Wenn dann die böse Schwiegermutter kommt und sie vergiftet, ziehen die Zwerge aus und töten das Weibsbild. Auf diese Weise bekommen sie das Gegengift und können Schneewittchen aus ihrem todesartigen Zustand erlösen.“ „Gibt es keinen Prinzen? Bleibt sie bei eurer Variante am Ende alleine?“ „Nein, es gibt keinen Prinzen, aber sie darf dann bei den Zwergen leben und wird eine von ihnen. Natürlich im übertragenen Sinne...“, erklärte er. „Sie wird als Mitglied der Sippe akzeptiert und lebt bis zu ihrem Tod zufrieden in ihrer Gemeinschaft. Unendlich dankbar über den Heldenmut schreibt sie sogar ein Lied über ihre Retter und singt es regelmäßig für die Zwerge, damit niemand jene Taten jemals vergisst.“ „Kennt Ihr das Lied? Könnt Ihr es mir vorsingen?“, wollte Cazie ganz aufgeregt wissen. Sofort peitschte die Röte in das Gesicht des Zwergs, als habe sie ihm eine anzügliche Bitte gestellt. Unbehaglich bewegte er sich auf dem Hocker hin und her, um schließlich den Kopf zu schütteln: „Ich singe nicht. So ein Zwerg bin ich nicht... Eher soll mich der Gevatter Tod holen, ehe ich wie ein Vögelchen träller‘!“ „Oh, das ist aber schade.“, sagte sie enttäuscht. „Ich hätte es wirklich gerne gehört.“ Sie wirkte wirklich sehr traurig darüber. Es tat ihm beinahe schon leid, dass er bei solchen Sachen nahezu aggressiv reagierte. Viele amüsierten sich auf zahlreichen Ebenen, doch er hatte sich nicht mal als Zwergling dazu erwärmen können, sich auf solche Albernheiten richtig einzulassen. Nicht, dass er ein furchtbar ernster Geselle war, der keinen Spaß verstand, nur sang er nicht und er nahm auch keine Tavernen auseinander... Daran empfand er keine Freude. Immerhin war er ein Krieger! Und der Anführer seines aussterbenden Clans. „Ich kann dir das Lied aufschreiben...“, schlug er seufzend vor. „Und du kannst es dann selbst singen, wenn du möchtest. Ich brauche nur etwas Pergament, eine Feder und ein Tintenfass. Nachdem ich es aufgeschrieben habe, muss ich erstmal Feuerholz suchen.“ „Wunderbar! Ich bringe dir die Sachen!“, keuchte die Rothaarige euphorisch und eilte sofort los. Sie störte sich nicht daran, dass er sie plötzlich duzte. Für mich ist sie gerade zu einem Zwergling geworden... Schützenswert und ein bisschen unsicher.   Die unendlichen Weiten von Billianas Erinnerungen waren zum Teil erschütternd, aber auch erleuchtend. Andras verstand inzwischen, warum sie so übervorsichtig war und sich mit ihrem Vertrauen sehr schwertat. Es war nicht so, dass er nicht schon vorher gewusst hatte, dass ihr Leben kein Ponyhof war, doch nun hatte er tiefere Einblicke in ihren Verstand erhalten. Ein festes Bild eines missverstandenen, einsamen und hilflosen Mädchens zwischen hunderten Mördern, Vergewaltigern und Monstern. Der eine Engel unter Millionen von Bestien. Misshandlungen und das Überschreiten ihrer Schwelle gehörte zum dunklen Alltag der Elfe, die gewiss Besseres verdient hatte. Immer noch ungebunden und eine viel zu junge Mutter. Connar hatte vollkommen recht damit, dass sie einfach nur die wahrhaftige Liebe suchte. Nur nicht diese bedingungslose, reine Liebe wie Connar es geglaubt hatte. Billie hatte diese aufrichtige Liebe bereits gefunden, nun suchte sie eine andere Form. Einen Beschützer und Retter. Jemand, der sie aus der Unterwelt befreite und mit ihr floh. An Orte, die sie niemals zuvor gesehen hatte! An Orte, an denen sie niemals jemand finden konnte... Frei von der Familie. Jene Finsternis der Unterwelt hatte sich auf ihren Verstand, ihr Herz und ihre Seele ausgebreitet. Es hüllte jede Hoffnung, jeden Traum und auch jeden Wunsch in eben diese Dunkelheit. Das war ungemein bedauerlich, denn in ihr steckte wahnsinnig viel Güte. Gab man ihr nur eine Chance, dann hatte sie auch genauso viel Liebe zu geben. Andras konnte nicht anders, als sie um ihre innere Stärke zu bewundern. Er an ihrer Stelle hätte längst aufgegeben! Er wäre den Weg der Feiglinge gegangen und hätte sein Leben einfach beendet... Weglaufen half bei solchen Erlebnissen nicht mehr viel, da es im Kopf stecken blieb und alles verstopfte. „Dir sollte klar sein, dass du diese Dinge nun zwar gesehen hast, du aber keineswegs darüber sprechen solltest.“, sagte Connar und riss ihn damit aus seinen Gedanken. „Für sie ist das unangenehm genug. Da muss man sie nicht laufend daran erinnern.“ „Als ob ich vorhätte, ihr zu erzählen, was ich hier alles aufgeschnappt habe.“, sagte er spottend. „Es geht mich nichts an und ich bin der Letzte, der ihr daraus einen Strick drehen würde.“ „Gut, ansonsten drehe ich dir nämlich einen Strick daraus und zwar einen echten.“ Eine überdeutliche Drohung, die bei dem Nekromanten dafür sorgte, dass er skeptisch die Augenbraue hob und die Stirn krauszog. Die Markrhons verstanden sich wirklich gut darauf, den falschen Leuten nicht zu vertrauen! Und noch mehr wussten sie, wie sie jemanden Gewalt androhten oder antaten, der es nicht verdient hatte. „Ich denke, dass deine Schwester ähnliche Gewaltfantasien hegt.“, sagte Andras und deutete auf drei riesige Orks, die mit ihren stämmigen Körpern problemlos die ebenso riesigen Waffen halten konnten. Bisher hatten die Erinnerungen und letzten Fetzen davon sie nicht wahrgenommen und es hatte keine Probleme gegeben oder Kämpfe. Diese Gesellen sahen jedoch wirklich so aus, als wären sie bereit, in einen Krieg mit ihnen zu ziehen und keine Überlebenden zurückzulassen. Da sie in Billianas Kopf steckten, hatte es aber trotzdem mit einem Ereignis ihrer Vergangenheit zu tun. Diese Orks hatte sie irgendwann wirklich getroffen, wobei das Ereignis so einprägsam gewesen war, dass es sich tief verankert hatte. Warum kann sich das Mädchen nicht einfach an süße, flauschige Häschen erinnern? Das wäre auch zu einfach..., sinnierte der Nekromant amüsiert, auch wenn an dieser Situation an sich nichts Lustiges war. „Das ist nicht Billie, die uns versucht zu attackieren.“, sagte Connar deutlich. „Es ist Zodiak, der ihre Erinnerungen nun gegen uns lenkt, damit wir aufgeben oder den Pfad verlieren.“ Diese Theorie bewahrheitete sich recht schnell, denn die Augen der Kreaturen wurden kurz darauf weiß. Keine Pupillen mehr, keine Iris... Es war dämonisch! Und es bedeutete, dass Zodiak bereits relativ viel Macht über die Elfe gewonnen hatte. Wenn sie Pech hatten, dann war es sogar schon zu spät und sie konnten gar nichts mehr tun. „Was machen wir jetzt?“, wollte Andras wissen. „Sie sehen nicht so aus, als würden sie uns friedlich durchlassen.“ „Na, ist doch klar!“, erwiderte Connar. „Wir kämpfen!“ „Und womit, bitte?“ Der Schwarzmagier grinste schief und zog aus einer Scheide an seinem Bein einen Dolch hervor. Irritiert blinzelte Andras, als er das beobachtete und tastete nach seinem eigenen Degen. Er war tatsächlich da! Und er konnte ihn auch noch ziehen, um ihn auf seine Feinde zu richten. Obwohl das Billianas Kopf war, waren viele Dinge offenbar weiterhin „real“ und funktionsfähig. „Noch stößt sie uns nicht ab. Deshalb können wir hier noch mit Waffengewalt durch. Vermutlich funktioniert auch ein Teil unserer Magie.“ „Aber wie ist das möglich?“, wollte der Nekromant wissen. „Ich war nicht oft in den Köpfen anderer, aber es erscheint mir vollkommen unmöglich. Immerhin ist das hier nicht die Realität und wir sind auch an sich nicht wirklich hier. Nicht mit unseren Körpern zumindest...“ „Es ist aber für Billie eine Form der Realität. Die Erinnerungen, diese Orte, die Lebewesen... All das ist für sie echt und hat eine spezifische Bedeutung.“, erklärte Connar. „Wenn wir ihr begegnen, sind wir für sie genauso echt wie draußen. Sie weiß, dass wir Magie beherrschen, sie weiß grob welche und sie kennt unsere Kampfstile. Das ermöglicht uns einigen Freiraum, auch wenn es an sich nicht unsere Welt ist.“ Es ist faszinierend..., musste Andras ja doch zugeben, Wenn wir hier heil herauskommen, muss ich mich viel mehr mit solchen Dingen beschäftigen. Man weiß nie, wann man wieder in den Kopf einer anderen Person muss! Mehr Zeit zum Denken blieb ihnen nicht. Die Orks stürmten auf sie zu und hoben ihre Keulen und Äxte, damit sie nach ihnen schlagen konnten. Andras entging nur knapp dem Schlag einer Keule, die mit Nägeln versehen worden war. Als er aus der Hocke wieder heraufkam, schnitt er mit dem Degen die Seite der Kreatur auf. Sie ächzte, griff sich an die blutende Stelle, wirkte aber nur noch wütender! „Deine Schwester nimmt es in ihrem Kopf etwas zu genau mit der Realität.“, schnaubte der Nekromant und machte sich bereit, wieder angegriffen zu werden. Connar lachte trocken auf und rutschte zwischen den Beinen einer der Bestien hindurch. Eines der Beine wirkte wie ein Baumstamm! Wenn er seine Schenkel zusammendrücken würde, dann konnte er einen Schädel wie eine Walnuss knacken! Das geschah aber nicht. Der Schwarzmagier war zwar kein Kämpfer, aber außergewöhnlich schnell und geschickt. Er schnitt dem Ork einfach die Wade mit der Klinge auf, welche in sich zusammensackte. In dem Moment der Schwäche sprang er voran und schnitt ihm einfach die Kehle auf. Die weißen Augen verdrehten sich und zeigten kurzzeitig die gewöhnlichen des Orks. Kurz darauf verlor er trotzdem sein Leben. „Bist du nicht ein Nekromant?“, fragte der Schwarzhaarige. „Dann solltest du lieber diese Gabe mal nutzen und dir Hilfe verschaffen.“ Das ließ er sich nicht zwei Mal sagen! Er konzentrierte sich auf den hünenhaften Leichnam und zwang ihm seinen Willen auf. Kurz darauf stand die Kreatur mit totem Blick wieder auf und wandte sich nun gegen die eigenen Artgenossen. Mit seiner riesigen Axt stürmte er auf diese zu, die sich sofort zur Verteidigung bereitmachten. Es war nicht überraschend, dass die Orks nicht schockiert waren, dass ihr eigener Verbündeter sich gegen sie stellte. Das kam durch Zodiaks Einfluss. Er kannte immerhin genauso die Fähigkeiten der beiden Männer – oder zumindest von Andras. Wie genau die Verbindung zwischen Connar und dem Urbösen war, wusste er nicht zu sagen. Der riesige Ork mit der genagelten Keule wurde nun von dem Untoten abgelenkt und konnte vorerst außer Acht gelassen werden. Aus diesem Grund widmeten sich nun beide Magier der verbliebenen Kreatur. Allerdings wollte diese sich zuerst Connar widmen, der kein Frontalkämpfer war und körperlich schwächer als Andras. Er ließ sich auch nicht von den Gedanken abbringen, als der Nekromant auf ihn zustürmte und nach ihm stach. Zwar wurde der Ork gezwungen, den Angriffen auszuweichen, konzentrierte sich aber weiterhin auf den Kurzhaarigen. Ganz so wehrlos war Connar jedoch auch nicht. Er lächelte und winkte die Bestie zu sich heran. Just in dem Moment, als der Ork ihn angreifen wollte, erschuf er aus dem Nichts eine schwarze Wolke aus blickdichtem Nebel. Sie schloss die Kreatur in sich ein und nur die Geräusche von hektischen Bewegungen machten klar, dass es in Panik geriet und nichts mehr sehen konnte. Muss er hier auch den Tribut zahlen, wenn er seine schwarze Magie einsetzt? Kann er hier auf die Seelen zugreifen, die er sich für solche Zauber ergaunert hat? Ihm blieb keine Zeit, um den Schwarzmagier bezüglich solcher Dinge zu befragen. Lieber konzentrierte er sich und versuchte einen Fluch heraufzubeschwören, der das Fleisch des Orks langsam in einen verwesenden Zustand bringen würde. Dafür schloss er die Augen und sprach die Worte einer toten Sprache, die oft fälschlicherweise als Dämonensprache betitelt wurde. Erstaunt stellte Andras fest, dass nichts geschah, obwohl er die Formel korrekt gesprochen hatte und seinen Blick in den schwarzen Nebel gerichtet hielt. Er versuchte es nochmals und wieder verpuffte seine Magie im Nichts! Vollkommen irritiert blinzelte der Nekromant, reagierte dennoch sofort, als der Ork wieder etwas Orientierung fand und aus dem Nebel stürzte. Sofort wich er aus und stach den Degen in den kräftigen Oberarm der Bestie. Diese hustete, ächzte und fiel in sich zusammen. Dabei hatte er ihm nicht mal eine Fleischwunde zugefügt! „Miasma.“, sagte Connar entspannt und trat an die Seite des Nekromanten. „Billie weiß nicht, dass du Flüche wirken kannst, deshalb kannst du diese Magie hier nicht einsetzen. Hätte sie es gewusst, wäre es kein Problem gewesen. Deshalb passierte eben nichts.“ „Zu dumm, aber ich hätte es wissen müssen. Bisher hat sie nur die Beschwörungen gesehen...“, gestand Andras zähneknirschend. Das schränkte ihn hier nicht minder ein! Wenn es ihm an Leichen fehlte, war seine Magiebegabung vollkommen nutzlos, denn mehr als das, war eben nie gewesen. Und natürlich die Blutmagie! Aber die würde ihn hier sicherlich genauso schwächen... Im Moment blieb ihm nichts Anderes übrig, als sich mit der Situation zu arrangieren. Da war immerhin noch ein anderer Ork, der ihnen feindlich gesinnt war und gerade den Untoten in alle Einzelteile zerlegte. Wenn er erstmal mit ihm fertig war, würde nicht mal mehr der beste Puzzler ihn zusammengesetzt bekommen! Bedauerlich, aber kein Verlust. Andras konzentrierte sich und widmete sich seinem neuen Stück verwesenden Fleisch, welcher gerade an dem giftigen Nebel verstorben war. Er stand wieder auf, als habe er niemals sein Leben gelassen. Davon ging zuerst auch die andere Bestie aus, welche den Artgenossen gar nicht groß beachtete. Stattdessen griff er die beiden Männer an. Ein fataler Fehler! Der Untote beschützte seinen Meister instinktiv und schlug mit seiner stacheligen Keule auf den Schädel des eigenen Verbündeten. Das Knacken war heftig und bedrohlich. Keine zwei Atemzüge später krachte die hünenhafte Bestie zu Boden und wurde von dem Untoten übel zugerichtet. Immer wieder schlug er mit der Keule auf ihn ein, wobei die rostigen Stacheln sich tief in das Fleisch bohrten. Das Blut spritzte nur so und verteilte sich Rot auf dem Boden der Unterwelt. Auch die schwarzhaarigen Männer waren nicht ganz sicher davor. Es war besser als die Alternative. Auch bei diesem Todesfall fackelte der Nekromant nicht lange, sondern beschwor die Leiche herauf, damit sie als sein Diener folgte. Sie wussten nicht, was sie noch erwartete und es war besser, wenn sie für weitere Angriffe besser gewappnet waren als eben. Gerade solch mächtigen, großen Verbündeten waren ein Vorteil. Notfalls konnten Orks durchaus in der Lage sein, Wände, Mauern oder Blockaden einzureißen. „Kann ich sie auch in die nächste Ebene ihres Verstandes mitnehmen, wenn wir den Weg finden?“, erkundigte sich Andras, dessen Wissen in dieser Dimension eindeutig geringer war. „Das weiß ich nicht.“, gestand Connar und suchte den Boden nach etwas ab. „Wir müssen es wohl einfach mal ausprobieren.“ Nach einigen Atemzügen war das Gesuchte gefunden. Offenbar hatte er irgendwann seinen Dolch geschmissen, um einen der Orks zu treffen. Entweder schlecht gezielt oder er war kein guter Werfer, denn die Waffe lag enorm weit weg von dem Kampfgeschehen. Das sorgte dafür, dass Andras die Augenbrauen in die Höhe zog und ihn skeptisch anblickte. „Was ist denn?“ „Worauf hast du denn bitte gezielt? Die Wand am anderen Ende dieser Katakomben?“, hinterfragte Andras belustigt. „Oder wolltest du bis zur Oberwelt werfen?“ „Sehr witzig...“, erwiderte Connar grinsend. „Ich habe sehr wohl getroffen.“ Als er die Klinge hob, war daran Blut. Das konnte aber auch noch von dem Angriff auf die Wade geschehen sein! Der Nekromant lächelte und ließ seinen Gefährten in dem Glauben, dass er einen Feind getroffen hatte. Sie konnten nur glücklich sein, dass sie es gegen die Übermacht an Orks geschafft hatten, welche alleine für drei kämpfen konnten! Gut, dass keiner von ihnen ein Schamane gewesen war... Der hätte ihre Gegenwehr schnell zunichtemachen können, denn nur ihrer Magie war es zu verdanken, dass sie noch lebten.   Während Argrim die anderen Hütten ablief, um die Holzscheite dort aufzulesen und zu hoffen, dass sie alle trocken waren, machte er eine erschreckende Entdeckung! Eher durch Zufall hatte er den Abhang herabgeblickt und entdeckte dabei eine Meute von Menschen. Wenn ihn seine Augen nicht trogen, dann waren auch Nichtmenschen unter ihnen... Es kam so gut wie nie vor, dass sich solche zusammenrotteten, außer in der Hauptstadt. Sie selbst reisten zwar auch als gemischte Gruppe, doch sie waren nicht besonders viele, was den Zwist relativ geringhielt. Das können nur die verdammten Verseuchten sein! Und es sind nicht gerade wenige... Es ist ein Vormarsch einer kleinen Armee, die wohl in der Nähe war., wurde dem Zwerg klar, der mit seinen kurzen Beinen sofort losstürmte. Natürlich wäre er schneller, wenn er das Holz fallen lassen würde, doch es änderte nichts daran, dass sie es brauchten, um nicht zu erfrieren. Solange die drei noch durch diesen Zauber nicht Herr ihrer Körper waren, konnten sie auch nicht fliehen oder sich richtig verstecken. Vermutlich hatten die Besessenen auch ohnehin bereits den Qualm des Schornsteins entdeckt und waren deshalb auf dem Weg zu ihnen. Oder es lag an dieser Magie... Vielleicht hatte sie Zodiak aufmerksam gemacht. Letztendlich spielte es keine Rolle! Rasch riss er die Tür zu der kleinen Hütte auf und sorgte dafür, dass Cazie sich enorm erschrak. Sie hatte offenbar bis eben noch das Lied gesungen, welches er ihr aufgeschrieben hatte und fühlte sich etwas ertappt. Soweit er es durch den Wind und die Wanderung hatte hören können, hatte sie eine schöne Stimme und den Rhythmus des Liedes erstaunlich gut getroffen. Wäre es Frauen gestattet, als Minnesänger zu arbeiten, wäre das vielleicht eine Option für sie! Viele Frauen sangen ohnehin viel schöner, aber das war nun nicht wichtig. Sofort warf der Axtschwinger das Holz neben den Kamin und warf einige Scheite herein. Es war relativ knapp gewesen, denn die Flammen waren inzwischen klein geworden. Zum Teil gab es sogar nur noch Gluten... Nun aber griff das Feuer über und entfachte die neuen Holzquellen, was ihnen bald wieder mehr Wärme bringen würde. Danach warf er einen Blick auf seine Freunde, die immer noch so wirkten, als würden sie schlafen. „Sie kommen.“, sagte der Zwerg schließlich ernst. „Es sind ziemlich viele. Ich würde sagen fünfzehn... Vielleicht sogar zwanzig. Der Schnee macht die Sicht wirklich schwierig.“ „Bist du dir sicher, dass es Besessene sind? Vielleicht sind es nur Händler?“ „Nein, davon gehe ich nicht aus. Es war eine riesige Truppe und ich bin ziemlich sicher, dass sie gemischt war.“, erklärte er. „So etwas kommt zu Zeiten wie diesen kaum vor. Menschen und Nichtmenschen kamen nie wirklich miteinander aus und selbst der Frieden im Weltenbaum ist äußerst kipplig. Hier draußen ist es undenkbar.“ „Aber was sollen wir nun machen?“, hinterfragte Cazie. „Sie sind immer noch nicht zurück und Billie macht keine Anzeichen, dass sie bald erwachen würde. Es ist nur erkennbar, dass diese schwarze Schlacke sich immer weiter in ihren Adern ausbreitet...“ Sein Blick huschte nun endlich genauer auf die Elfe. Die Heilkundige hatte recht! Inzwischen waren in ihrem Gesicht feine, schwarze Äderchen zu erkennen, die sich wie ein Spinnennetz über es ausbreiteten. Aber sie rührte sich auch immer noch nicht, was die Vermutung nahelegte, dass sie den Kampf nicht verlor, das Zeug sie allerdings vergiftete. Das war nicht unbedingt besser... Es würde ihren Körper schwächen und dadurch auch ihren Geist, was sie wieder anfälliger für Zodiaks Verführung und Lügen machen würde. Geistesabwesend streichelte er über das puppenhafte Gesicht der Elfe, die etwas Animalisches an sich hatte. Er hatte die Gerüchte darüber gehört, dass sie sich im Schloss unter Möbeln verkrochen hatte und ihr Knurren hatte er selbst schon gehört! Doch es waren auch ihre Augen, die diese tierischen Eigenschaften ausstrahlten. Der erstaunliche Drang zu überleben. „Du kannst es schaffen...“, flüsterte der Zwerg ihr zu. „Halte noch etwas durch und wir werden dir helfen können... Bis dahin musst du stark bleiben.“ Und er musste bis dahin wohl oder übel diese Position verteidigen und halten! Er hatte gar keine andere Wahl, wenn er nicht fliehen wollte. Gerade Flucht war für ihn keine Option und erst recht nicht, seine eigenen Verbündeten im Stich zu lassen. Sie kämpften um ihre Leben! Auf einer Ebene, die er niemals begreifen konnte... Dafür bewunderte er sie alle. „Wir müssen Barrikaden errichten.“, sagte Argrim streng. „Sie müssen nicht professionell sein, aber so stabil, dass sie eine Weile halten. Und wir müssen so viele Gräben ausheben, wie wir es bei dem Frost schaffen! Am besten recht nahe an den Barrikaden, damit sie diese nicht bemerken und nach dessen Einriss einfach hineinstürzen.“ „In Ordnung... Ich werde versuchen, Material herzuschaffen und nach einigen Schaufeln zu suchen. Wir werden wohl einiges brauchen...“, murmelte Cazie und würde dennoch tun, was er gesagt hatte. Es blieb ihnen keine Wahl! Selbst wenn sie versuchten zu fliehen, würden die Verseuchten sie schnell einholen und umbringen. Ihnen machte die Kälte nicht so viel aus. Nicht wie ihnen...   Innerhalb von zwei Stunden waren die Angreifer bereits zu sehen. Da sie keine Fackeln bei sich trugen und offensichtlich keine Verschnaufpause gebraucht hatten, war umso deutlicher, dass es Verseuchte sein mussten. Sie hatten aber die Zeit ebenso genutzt! Ihnen blieb immerhin keine andere Wahl, wenn sie überleben wollten, also hatten sie selbst ohne Pausen geschuftet. Direkt beim Aufgang des Passes hatten sie eine Barrikade aus alten Möbeln, rostigen Rüstungen und Werkzeugen hergestellt. Sie war rustikal, doch wirklich stabil. Direkt dahinter hatten sie unter großen Mühen zumindest einen relativ breiten Graben ausheben können. Einige Holzbalken hatten sie an den Enden gespitzt und in den Boden gerammt. Kurz darauf hatte Argrim Cazie wieder Unmengen an Schnee in die Grube schaufeln lassen, damit sie gut verborgen als Falle hinter der ersten Barrikade lag. Im Moment arbeiteten sie an der zweiten Blockierung. Hier hatten sie die wenigen Schwerter, Speere und Pfeile genommen, um sie an der Front zu befestigen. Aber auch Äxte, Spitzhacken und andere scharfkantige Werkzeuge taten dafür ihren Dienst! Wenn die Verseuchten zu schnell auf die Barrikade stürzten, um diese zum Einsturz zu bringen, würden sie sich zahlreiche Verletzungen zufügen. Einige davon konnten tödlich sein oder die Schwertarme zumindest lähmen. Damit ihre Verteidigung effektiver wurde und sie ihre eigene Unterzahl etwas mehr angleichen konnten, verteilte die Heilkundige ein Gift auf den Spitzen der tödlichen Waffen. Früher hätte sie es nicht machen können, denn sie war sich nicht sicher, ob sich die Wirkung verlor, wenn die Mixtur erstmal einfror... Im Schnee der Grube hatte sie hingegen ein Pulver verstreut, welches darin nicht zu sehen war. Das sollte auf blanker Haut dafür sorgen, dass ein starker Juckreiz ausbrach. Blieb es zu lange auf der Haut, konnte es sogar die Nerven beschädigen, was einen großen Einfluss auf die Bewegungen hatte. Es war ihre beste Chance, um sich gegen diese Übermacht zur Wehr zu setzen und Zeit zu schinden. Gerade weil Cazie selbst deutlich zeigte, dass sie wirklich noch nie eine Waffe benutzt hatte. Deshalb konnte er sie nicht mit einem Bogen, einer Armbrust oder Speeren ausstatten... Wenn sie schoss und ihn traf, half ihnen das wirklich nicht weiter! Leider beherrschte er selbst auch keine Fernkampfwaffe... Es passte nicht in die Ideale des Zwergentums. Sie kämpften Aug um Aug! Fernangriffe erachteten sie als Feigheit, auch wenn sie den strategischen Vorteil durchaus erkannten und respektierten. Ich verfluche den vermaledeiten Stolz meiner Art! Hätte ich den Umgang mit einem Bogen gelernt, dann hätte ich nun besser Chancen, um das für mich zu entscheiden!, fluchte Argrim und umschloss seine Axt etwas fester. „Ich will auf meiner Axt auch etwas von dem Gift haben, Cazie.“, sagte er und hielt ihr die Klinge entgegen. „Es kann nicht schaden, wenn es sie vielleicht verlangsamt oder sogar tötet.“ „Oh, natürlich... Gute Idee!“ Ganz vorsichtig nahm sie den Pinsel und tunkte es in das Fläschchen. Ihre Meisterin hatte dieses Gebräu wohl ursprünglich hergestellt, um absterbendes Gewebe oder gefährliche Ausschläge zu entfernen, damit die Opfer weiterleben konnten. Da das Zeug aber das Gewebe, die Nerven und auch alles andere unkontrolliert attackierte und eine noch tödlichere Wirkung hatte, als wenn sie es einfach zuließen, hatte sie es als gescheitertes Experiment abgetan. Für ihre Zwecke war es jedoch genau das richtige! Sie durften nur selbst nicht damit in Kontakt kommen... Da sie gerade von diesem extrem starken Gift nicht viel zur Verfügung hatten, gingen sie damit sparsam um. Auf den Stacheln der Barrikaden waren noch andere Kräutergifte zu finden. Manche sorgten für ein Gefühl der Taubheit, andere griffen die Nerven und Sinne an. Ganz andere sollten nur eine beruhigende und einschläfernde Wirkung haben. Alles half, wenn es diese Bestien nur aufhielt! Auch wenn vieles eigentlich nur Schlafstörungen beheben sollten... Nach all dem können diese Verseuchten jedenfalls wieder gut und ruhig schlafen... So haben wir gleich noch etwas Gutes getan., dachte der Zwerg sarkastisch, Aber ob ich danach nochmals schlafen kann? Ich denke, dass ich nach dieser Reise nie wieder eine Schlacht vom nahen sehen möchte... „Geh‘ zur Tür und lass auf keinen Fall irgendwen herein. Vernachlässige aber nicht, regelmäßig nach deinen Patienten zu gucken und ihnen ihre Medizin zu geben! Kontrolliere dabei auch das Feuer... Es darf nicht ausgehen.“, sagte der Axtschwinger und drückte ihr einen Speer in die Hand. „Stich‘ es in das Herz deines Angreifers oder sonst wohin. Hauptsache du hältst sie auf! Ich werde versuchen, dass das nicht nötig sein wird.“ „Ich werde es versuchen.“, versprach die Alchimistin und strich auch die Klinge des Speers mit etwas von dem Nervengift ein. Das war weise, denn vermutlich würde sie ihnen höchstens Fleischwunden zufügen. Mit einem letzten Blick in die Ferne eilte Cazie zu der Tür und stellte sich davor. Der Speer würde ihr als Verteidigung dienen und war ideal für sie geeignet. Die Größe und Länge ermöglichte ihr einen Kampf auf Distanz, doch die Klinge war durch das Gift überaus tödlich! So konnte sie ihre mangelnde Erfahrung ausgleichen. Glücklicherweise waren die meisten der Verseuchten ohnehin Bauern, Schuster und andere Kampfunerprobte und deshalb auch für sie keine ernsthafte Gefahr. Sie selbst hatten höchstens mal den Kochlöffeln geschwungen oder das Schnitzer-Messer, was keinesfalls mit einem gelernten Soldaten zu vergleichen war. Zodiak konnte nichts erschaffen, was nicht bereits da war. Argrim atmete mehrmals tief durch und dann überwand er die zweite und letzte Barrikade, damit er sich hinter den getarnten Graben aufstellen konnte. Die Verseuchten kamen derweil herbei und schlugen auf die erste Blockade ein. Wie von Sinnen, als würde ihr Leben davon abhängen, dass sie es irgendwie durch die Möbel schafften! Er machte sich bereit und sprach ein Gebet zu allen Göttern, an die die Zwerge glaubten und jemals geglaubt hatten. Ein guter Tag zum Sterben...   Niemals hatte Billiana für möglich gehalten, dass ihre Erinnerungen ihr mal so zum Verhängnis werden würden. Sie wusste, dass die meisten Lebewesen niemals sterben wollten, was bei ihr anders war. Ihr war die Langlebigkeit ein Dorn im Auge! Ein gewöhnlicher Selbstmord war nicht möglich und die meisten Leute hatten nicht den Mumm, um es wirklich zu Ende zu bringen. So wollte sie allerdings auch nicht abdanken! Alleine, in den Grundfesten ihres Verstandes gefangen, inmitten ihrer eigenen Illusionen, die ihr nicht besonders gut gesinnt waren. Ihr war schon aufgefallen, dass die Grundregeln hier nur von ihr ausgingen, allerdings schienen sich diese von Moment zu Moment dennoch minimal zu ändern. Das musste bedeuten, dass sie nach und nach Land an Zodiak verlor und er Einfluss erhielt. Deshalb wendeten sich wohl auch diese verdammten Trugbilder ihrer Vergangenheit gegen sie! Es war ein bisschen lächerlich, weil sie diese ja selbst projektzierte, aber trotzdem keinerlei Macht über dessen Handeln mehr bekam. Sie verschwanden auch nicht mehr einfach, wenn eine Waffe sie durchstieß! Kommt mir etwas wie ein wirklich eigenartiger Selbstmordversuch vor. Nur dass ich diese Methode niemals so umsetzen würde!, dachte die Elfe bitter. Die Illusionen ihres Vaters, ihres Onkels und ihres ältesten Bruders kamen auf sie zu. Hades mit dem Großschwert, der schwarzhaarige Lucigar mit einem Dolch und Vento mit einem Schwert. Ihre Blicke waren finster, wobei die weißen, dämonischen Augen klarmachten, dass das nicht wirklich die echten waren. Es war Zodiak! Er hatte die Kontrolle über diese Illusionen und wollte sie zielstrebig auf sie zu lenken. Wenn sie ehrlich war, dann wusste Billiana nicht, was passieren würde, wenn ihre eigenen Erinnerungen es schafften, sie zu töten. Allerdings vermutete die Elfe, dass sie dann nie wieder diesen Ort verlassen würde und Zodiak die Kontrolle über ihren Körper bekam. Egal, was auch geschehen konnte, sie wollte nun nicht so sterben! Deshalb wich sie auch dem Angriff mit dem Großschwert aus, indem sie zur Seite sprang und auf allen Vieren landete. Sie knurrte aus der Kehle heraus und zeigte ihre animalischen Züge. Durch den Stress verfiel sie in alte Muster, was nicht unbedingt verkehrt sein musste. Als nun nämlich Vento vorpreschte und mit dem Schwert nach ihr schlug, konnte sie ideal und schnell ausweichen, um im Anschluss sich auf den Händen zu stützen und mit einer Drehung die Füße des Älteren wegzuziehen. Der Aufprall klang genauso schmerzhaft wie im wirklichen Leben. Leider verschwand die Illusion nicht, sondern rappelte sich keuchend wieder auf, wirkte aber durchaus angeschlagen. Sie mussten sich also den Gesetzen der Realität unterwerfen, was sie auch besiegbar machte. Die Frage war nur, wie sie drei so mächtige Feinde in die Knie zwingen sollte? Gerade welche, die so viel Macht über sie hatten – auf die ein oder andere Weise. Immerhin trugen diese Bildnisse immer noch die Gesichter ihrer Verwandten, was es ungemein belastend machte, sich ihnen zu stellen. „Du wirst sie alle opfern.“, sagte Lucigar mit seiner kratzigen Stimme. Er war ebenso etwa zwei Meter groß, was in der Familie Markrhon lag und sie wusste, dass er ebenso stechend graue Augen hatte wie ihr Vater. Nur waren die zurzeit vollkommen weiß... Außerdem war ihr Onkel unglaublich bleich, als habe er niemals im Leben jemals einen einzigen Sonnenstrahl abbekommen. Dieser Eindruck wurde durch das rabenschwarze Haar und die ebenso schwarze, enge Lederkleidung bestärkt. Eiskalt blickte er sie an, während er fortfuhr: „All jene, die dich zu lieben und zu ehren lernen, wird das Leben genommen werden. Sie werden Marionetten sein. Nur durch dich.“ Das bedrohliche an diesen Worten war nicht nur der Inhalt, sondern auch die Art und Weise, wie er sie sagte. Lucigar hatte stets diese samtige Stimme, die einem Unheil vorhersagte. Selbst dann, wenn er einen bloß grüßte! Es war beinahe so, als wusste er einfach vorher, wenn das Schicksal es nicht gut mit einem meinte. Fast wie ein Seher... Seine Schwester war einst eine Seherin gewesen, doch sie war schon lange tot. Durch ihn erwürgt... Hades schlug wieder mit seinem riesigen Schwert nach ihr und sie wich auf allen Vieren aus. Kurz darauf schlug auch Vento zu, dessen Angriff sie nur taumelnd entkam, aber sie rollte sich schneller wieder auf Hände und Füße. Ihre Augen verengten sich, als sie aufblickte. Just im nächsten Moment besaß sie ein schlankes, aber spitzes Schwert, welches sie ihrem eigenen Bruder direkt in die Brust rammte. Das Weiße in den Augen verlor sich und für einen Moment schien er wieder der gewohnte Vampir zu sein. Vollkommen entsetzt blickte er auf die Klinge herab und dann in das wehmütige Gesicht seiner Schwester. Er wollte etwas sagen, doch es kamen nur gurgelnde Laute durch das Blut hervor, welches er kurz darauf ausspuckte. Natürlich berührte der Tod Ventos die anderen Illusionen nicht. Sie waren nicht wirklich Vater und Onkel! Außerdem waren die Markrhons nicht unbedingt von der familiären oder herzlichen Sorte. Deshalb musste sie direkt die erschaffene Klinge aus dem Brustkorb reißen und erneut dem schwungvollen Angriff des gigantischen Großschwerts ausweichen. Sie wusste sehr wohl, dass ihr Vater damit einen enthaupten konnte, wenn er nur traf. Plötzlich wurde sie vollkommen aus dem Kampfgeschehen gerissen, als ihre Augen sahen, wie die Leiche von Vento aufstand. Hinter ihr standen ebenso untote, vertraute Gesichter... Argrim, Andras und auch Connar. Es war schwer zu sagen, woran sie verstorben waren, doch sie sahen wirklich zerschlagen aus. Aus ihren Verletzungen drang die schwarze Schlacke, ebenso wie aus ihren Augen. Schwarze Tränen, die ihren Tod betrauerten... Das hier waren keine Erinnerungen, sondern Bilder aus ihren Albträumen und Ängsten! Dass er auf so etwas zugreifen konnte, war wirklich beunruhigend. Er wollte an ihr schlechtes Gewissen heran, damit sie aufgab und sich für die schönen Seiten ihres Verstandes entschied. Mit zittriger Hand hob sie das Schwert, welches irgendwie kürzer und stumpfer wirkte als zuvor. Da sie nicht wirklich gegen die Untoten antreten wollte, schien sich das extrem auf die Umgebung und ihre Waffe auszuwirken. Genau das hatte Zodiak gewollt! Er zielte darauf ab, dass sie schwankte und aufgeben musste, um zu überleben! Viel langsamer, als sie es von Andras kannte, schlug sein untotes Ebenbild nach ihr und sie wich nur wahnsinnig knapp aus. Beinahe wäre sie sogar gestürzt! Nur durch Glück konnte sie sich auf den Füßen halten und wehrte den nächsten Angriff mit ihrer eigenen Waffe ab. Direkt im Anschluss griff sie aber auch schon Argrim mit seiner Streitaxt an. Mit taumelnden Schritten sprang die Blondine beiseite und fand sich erneut auf allen Vieren wieder. Just in diesem Augenblick stach Vento nach ihr und riss ihre Seite blutig. Stöhnend warf sich Billie auf den Boden. Es brannte und schmerzte, als habe man ihr die Verletzung tatsächlich zugefügt! Ihr Vater wollte den Moment des Leidens nutzen und versuchte sie mit seinem Großschwert zu enthaupten. Bevor das geschah, rollte sie sich beiseite und verteilte auf dem staubigen Boden ihr eigenes Blut. Hustend zwang sie sich wieder auf die Füße und vermied es, weiterhin nach ihrer Verletzung zu greifen. Als sie die Hand hob, stellte sie fest, dass das Schwert verschwunden war, welches sie sich in ihrem Kopf erschaffen hatte. Ihr Zustand wurde also zunehmend kritisch! Sie verlor die Kontrolle über ihren Verstand und die Dinge, die sie sich darin erschaffen konnte. Es machte sie zunehmend wehrloser... Dabei stand ihr noch solch eine Übermacht gegenüber! Angestrengt versuchte die Elfe, sich eine neue Waffe zu erschaffen oder zumindest einen Schild, doch nichts geschah. Immer, wenn sie meinte, dass es nun endlich klappte, verpuffte jede Möglichkeit, sich zu verteidigen. Sie sah sich einer Streitmacht entgegen und hatte weder Waffen noch Magie auf ihrer Seite. Etwas in ihr wollte den Kampf verlieren, doch ein anderer Teil wollte nicht aufgeben, ehe sie Zodiak von dieser Welt wirklich abgebracht hatte. Er schrie und er kämpfte! Dieser Teil in ihr war wahnsinnig stark. Es erschütterte sie selbst, dass so etwas in ihr war... Plötzlich erschienen in ihren Händen ein Kampfstab, an den sie eben noch gedacht hatte. Er besaß Metalllegierungen, damit er nicht durch scharfe Klingen zu zerschlagen war – oder zumindest nicht so leicht – und an den Enden jeweils größere Metalltropfen, mit denen man Angreifern gut und gerne die Augen ausschlagen konnte. Außerdem gab es Gravierungen von magischen Runen, welche die Waffe stabiler machen würden. Dieser Teil in ihr, der nicht aufgeben wollte, war wirklich mächtig! Und ein Lebensretter in der Not. Schnell riss sie ihre neue Waffe hoch und konnte so den Schlag mit den Degen abwehren, welcher von dem untoten Andras gestartet worden war. Mit Schwung drückte sie sich voran und brachte ihn so zum Taumeln. Ohne auch nur zu zögern, schlug sie mit dem Stab zu und traf erst das linke Auge und rammte die Kugel am oberen Ende schließlich brutal in die Seite. Das Brechen der Knochen war überdeutlich zu hören. Die Illusion von Andras sackte in sich zusammen und wirkte ungläubig. Sie wusste, dass Lucigar ein Nekromant war und ihn weiter gegen sie einsetzen würde, also schlug die Blondine erneut zu und brach ihm brutal die Beine. Das machte ihn als Diener vollkommen unnütz, auch wenn es für sie ein schwieriger Augenblick war. Dieser Teil in mir, der nicht aufgeben will und offenbar überzeugt ist, dass ich Zodiak besiegen kann und muss, ist gar nicht so dumm!, freute sie sich innerlich. So ein Stab ist wirklich praktisch! Ich kann auf Distanz bleiben und trotzdem austeilen. Und wie! Als die besessene Erinnerung ihres Vaters auf sie zustürmte, holte sie mit Schwung aus und rammte ihm den Stab direkt in den Magen. Sie wusste, dass es ihm nicht wirklich etwas ausmachen würde. Aus diesem Grund holte sie wieder aus und schmetterte den Stab etwas versetzt neben der Stelle, die sie zuvor getroffen hatte. Wenn die Elfe immer wieder auf die gleiche Stelle zielte, würde der Schmerz irgendwann nicht mehr wahrgenommen werden, weil das von den Nerven so geregelt wurde. Deshalb musste sie ihre Schläge genau setzen und hoffen, dass ihn die zahlreichen Schmerzimpulse einknicken lassen würden! Nach dem siebten Schlag – es fühlte sich wie hundert hat – wurden die Knie ihres Vaters endlich weich und er sackte in sich zusammen. Seine Schwerfälligkeit wusste nicht viel auf ihre Geschwindigkeit und ihr Geschick zu sagen. Trotzdem fehlte es ihr nicht so an Kraft, dass sie nicht ernsthaft Körper beschädigen konnte, wenn sie es wollte. Nun wollte sie es nicht, aber sie musste! Also holte sie mit dem Kampfstab aus und rammte ihn auf den Hinterkopf von Hades. Das krachende Geräusch machte deutlich, dass sie mehr als einen Knochen gebrochen hatte, während er in sich zusammensackte und Zodiak auch diese Illusion wieder frei ließ. Plötzlich packte sie jemand von hinten. Sie hatte einfach ihre Umgebung zu sehr ausgeblendet und nicht bemerkt, wie Lucigar sich diesen Moment zu eigen gemacht hatte. Sein Dolch lehnte so heftig an ihrer Kehle, dass sie meinte, den Schnitt schon spüren zu können. Ihr schwindelte etwas bei dem Gedanken, dass sie nun umsonst so lange durchgehalten hatte und alles in diesem Augenblick enden würde. Ihre Reise, ihre neugewonnenen Freundschaften, die neuen Erfahrungen... Sie hatte gerade erst begriffen, was es wirklich bedeutete zu leben! Hatte endlich einen Grund gefunden, um nicht den Kopf in den Sand zu stecken... Da passt man eine Sekunde nicht auf und dann das... Auf diese Weise habe ich nie sterben wollen., gestand sich Billie ein und schloss die Augen. Sie wartete nur noch darauf, dass der Dolch ihre Kehle aufschlitzte und das Blut in Strömen ihren Körper verlassen würde. Ihre Gedanken hingen bei Wyrnné und Argrim...   Die Verseuchten versuchten alles, um das Haus zu erreichen. Die erste Barrikade hatten sie bereits gewaltsam eingerissen! Acht von ihnen waren kurz darauf in die Stachelfallen gestürzt. Sie hatten es so eilig gehabt, dass Vorsicht offenbar vollkommen vergessen gewesen war! Von etwa zwanzig Mann waren dennoch weiterhin zwölf übrig, was weiterhin eine enorme Überzahl darstellte. Außerdem nutzten diese etwa zwölf Leute die Leichen ihrer Gefallenen, indem sie über ihre leblosen Körper einfach über den Graben stiegen. So kamen sie unversehrt und ohne Zeitverlust auf die andere Seite. Es überrascht mich immer wieder, dass sie wirklich keinerlei Gefühle mehr aufweisen. Sie haben nicht mal gezögert über ihre Freunde zu steigen!, dachte Argrim bitter und packte seine Axt etwas fester. Als der erste Rutsch Angreifer näherkam, kreiste er die Streitaxt mit viel Schwung und kam dabei auf die Feinde zu. Sie waren weiterhin wie auf Rauschmittel und kamen unbeirrt immer näher und näher. Einen Mann schlug er den Arm ab, der zu übereifrig gewesen war. Dann enthauptete er schließlich auf diese Weise eine Elfenfrau, die nicht mehr ausweichen konnten. Die Besessenen standen sich gegenseitig im Weg. Just in dem Moment, als sie eine neue Formatierung einnehmen wollten, um eine neue Taktik zu erproben, schlug der Zwerg zu. Es war genau die Lücke, die er in diesem Schwarmdenken gebraucht hatte! Sie alle waren in einem solchen Moment hilflos, weil sie die Führung ihres Königs brauchten, um richtig agieren zu können. Das kostete zwei Elfenmännern ihr Leben, während er einen Zwerg verletzte. Das machte nun etwa neun Angreifer, wovon zwei verletzt waren und kurz darauf durch das Gift in sich zusammensackten. Sie zitterten heftig und Zodiak verlor seine Macht über sie. Unter Tränen bettelten sie um Hilfe, doch die weiterhin Verseuchten ignorierten sie einfach. Auch Argrim konnte nichts tun, denn jetzt musste er sich auf jeden Fall hinter die zweite Barriere zurückbegeben. Nochmals schwang er seine Streitaxt in großen, kreisenden Bewegungen. Dieses Mal nicht, um möglichst viele Feinde zu treffen, sondern um Luft zwischen sie zu bekommen. Es gab ihm die Chance, sich schnell rückwärts zurückzuziehen. Er behielt dabei die Gegner im Blick, sah sich aber auch immer wieder um. Argrim wollte nicht, dass ihm noch solche Besessenen in den Rücken fielen! Je näher er dem Haus kam desto deutlicher wurde, dass Cazie ebenfalls allerhand zu tun hatte. Ein Trupp musste sich abseits bewegt und unbemerkt über die erste Barrikade gekommen sein. Vermutlich mit derselben Taktik... Erstmal einige opfern und über deren Leichnam dann die Falle überwinden. Hätten sie doch nur mehr Zeit gehabt! Dann hätten sie nicht nur tiefere Gräben ausheben können, sondern vor allem auch mehr! Außerdem hätten sie auch bessere und zahlreichere Barrikaden errichten können. Nun mussten sie das Beste aus der Situation machen, was nicht wirklich viel war... Wie der Zwerg es bereits vermutet hatte, befand sich die Heilkundige in ernsthafter Bedrängnis. Drei Verseuchte hatten es geschafft, zu ihr vorzudringen und sie stach immer wieder aus möglichst großer Distanz mit dem Speer nach ihnen. So hielt die Rothaarige sie von der Eingangstür und sich fern, verbrauchte aber auch viel Kraft. Ihr Gesicht war bereits schweißnass und in ihrem Haaransatz war auch der feuchte Schimmer zu erkennen. Ihr Atem presste sich unregelmäßig, aber schnell in einem weißen Nebel heraus. Sie würde das nicht mehr lange durchhalten! Gerade als der Axtschwinger eingreifen wollte, sah er, wie einer der Männer eine Flammenkugel in seiner Hand erschuf und auf Cazie schleuderte. Nur sehr knapp konnte sie ausweichen und landete dabei im kalten Schnee. Dieser Mensch war ein Drakonier! Ein Feuermagier, der die Macht über Feuer hatte, welches erzeugen und vermutlich auch zu einer lebenden Fackel werden konnte. Solch eine Magie beherrschten nur Menschen. Sie bezeichneten sie als Essenzmagie... Allerdings konnten nur die besten der Essenzmagier solch besondere Fähigkeiten einsetzen, wie das Feuer aus dem Nichts zu erschaffen oder zur lebenden Fackel zu werden. Jede Essenz besaß ihre eigenen Besonderheiten... Drakonier waren die Herren über das Feuer und wahnsinnig temperamentvoll. Na wunderbar... Ein verdammter Magier! Das hat mir gerade noch gefehlt., fluchte der Zwerg gedanklich und hatte ja doch keine Wahl. Er stürmte los und tackelte den ersten Gegner, damit er zu Boden ging und schlug dann nach dem Drakonier. Der wich sehr knapp aus und feuerte ihm direkt eine Flammensäule entgegen. Argrim spürte, wie ihm etwas der Bart versengt wurde, konnte sich aber durch den Körper des dritten Angreifers schützen. Der verbrannte unter Schreien. Besser er als ich... Sofort warf er die verkohlte Leiche beiseite und machte sich wieder frei für den Kampf. Der andere Kerl stand derweil gar nicht mehr auf. Er krampfte und weinte. Offenbar war er bei der zweiten Barrikade mit dem Gift in Kontakt gekommen, welches nun ausbrach. Zodiak hatte den Sterbenden wieder freigegeben, weshalb also nur noch der Magier als direkte Bedrohung vorhanden war. Schlimm genug! Durch seine Feuermagie war er ganz deutlich im Vorteil. Auch wenn er sicherlich nicht mal ansatzweise so mächtig war, solange Zodiak ihn kontrollierte, wie wenn er selbst seine Entscheidungen fällte. Das konnte Argrims Vorteil werden. Der Drakonier dachte nicht nach, sondern handelte nach den Vorstellungen des Urbösen. Deshalb ignorierte er auch die Verluste und preschte voran. Seine Hände wurden von Feuer umschlossen und würden bei einer Berührung sicherlich für massive Verbrennungen sorgen. Vielleicht konnte er sogar Metall schmelzen... Das wollte der Zwerg lieber nicht erproben und hieb stattdessen nach seinem Angreifer, der auswich und zurücktaumelte. Direkt im Anschluss hob er seine entflammten Hände und schleuderte das Feuer nach ihm. Argrim rollte über den Schnee, spürte aber die Hitze an seinem linken Oberschenkel. Ein Feuerball musste ihn leicht getroffen haben! Sofort sprang er wieder auf die Beine und erblickte genau das, wovor er sich gefürchtet hatte. Der Körper, die Haare – einfach alles – entflammte an dem Verseuchten. Er verwandelte sich in eine lebende Fackel! Obwohl nichts als Asche von ihm übrigbleiben müsste, machte es dem Drakonier einfach nichts aus, in Flammen zu stehen. Stattdessen rannte er auf den Zwerg zu und wollte nach ihm greifen oder sich über ihn werfen. Argrim schlug immer wieder mit der Axt zu und spürte, dass seine Waffe mit jedem Schlag mehr erhitzte. Noch ein paar Hiebe und er musste seine Waffe fallen lassen, um sich nicht die Hände zu verbrennen! So gewann der Magier aber immer mehr Nähe und würde ihn bald schon packen können. Dann wäre es um den Zwerg geschehen... Plötzlich blieb der Drakonier mit aufgerissenen Augen stehen. Irritiert starrte Argrim ihn an und stellte fest, dass das Feuer verebbte. Wie die Glut in der Kohle erlosch das Glimmen ebenso, während die Augen des Mannes nach unten glitten. Aus seinem Brustkorb ragte eine Speerspitze, die zwar etwas verkohlt war, aber eindeutig das Herz getroffen hatte. Wohl mehr ein Glückstreffer als wirkliches Talent! Cazie wirkte nämlich selbst vollkommen überrascht, doch vor allem entsetzt. Zittrig hielt sie die Waffe weiterhin umklammerte und schien wie gelähmt zu sein. Sicherlich der erste, den sie tötet..., sah der Zwerg ein, Aber ich bin dankbar, dass sie den Mut zusammengenommen hat und es versucht hat. Und was für ein verdammt guter Versuch! Sie hat mir den scheiß Arsch gerettet! Vorsichtig ging er um den toten Drakonier herum und griff nach den bebenden Händen der jungen Frau. Ganz behutsam löste er die Kuppen von dem Griff und riss die Waffe schließlich aus der Leiche. Der Mann sackte sofort zusammen. Cazie wirkte nun noch schockierter! In diesem Moment wurde es real, dass er wirklich tot war und sie hatte ihn letztendlich umgebracht. Zumindest in ihrem Kopf... Eigentlich hatte Zodiak sein Todesurteil unterzeichnet und all das verursacht. Die ganzen Toten waren durch seine Klauen entstanden, nicht durch jene, die den Stahl hatten halten müssen, um zu überleben. „Das hast du wirklich gut gemacht, Cazie.“, sagte er mit ruhiger, tiefer Stimme. „Ich danke dir, dass du ihn erledigt hast. Er hatte dich vollkommen vergessen... Ich dachte, dass ich nun sterben würde.“ „Ich... Ich habe... Ich habe ihn...“, stammelte die Rothaarige und bekam doch keinen klaren, ganzen Satz hervor. Sie zitterte immer noch wahnsinnig stark! „Nein, das warst nicht du.“, erwiderte er kopfschüttelnd. „Das war Zodiak. Er hat ihn manipuliert, hierhergeführt und uns gezwungen, uns zu verteidigen. Weder du noch ich haben im Moment eine Wahl.“ Sie nickte, doch er konnte in ihren Mandelaugen erkennen, dass es ihr keinen Frieden schenkte. Das erste Leben, das man nahm, vergaß man nie... Es prägte sich in den Verstand ein. Dabei spielte es keine Rolle, durch welche Umstände man es hatte nehmen müssen. Ob es ein Monster war, das man tötete oder einen Unschuldigen spielte für den Geist einfach keine Rolle. Man dachte nur daran, dass man gemordet hatte! Das war es, was einen nachts begleitete und jeden Albtraum real werden ließ. „Geh‘ ins Haus, Cazie.“, sagte er befehlerisch. „Kümmere dich um deine Patienten. Ich passe weiterhin auf die Tür auf.“ „In... In Ordnung...“ In dem Zustand ist sie mir einfach keine Hilfe. Sie wird eher noch zusammenknicken, als weitere dieser Verseuchten aufzuhalten!   Als Billiana ihre Augen öffnete, hatte Lucigar einen glatten, tiefen Schnitt direkt in seiner Kehle und seine Augen waren vor Schreck geweitet. Hades hingegen war von einer Klinge offenbar mehrmals durchbohrt worden. Diese Verletzungen stammten jedoch nicht von ihr und sie war so mit dem Gedanken befasst gewesen, dass sie nun sterben würde, dass sie offenbar die Umgebung vollkommen ausgeblendet hatte. Es änderte aber nichts daran, dass ihr Onkel vor ihr zusammensackte und das Bewusstsein verlor, genauso wie Hades. Langsam hob sie ihre eisblauen Augen und erblickte schließlich Andras und Connar. Nicht als Untote, Verletzte oder Verstorbene, sondern genauso, wie sie diese auch zuletzt gesehen hatte. Lebendig, grinsend und sehr von sich selbst überzeugt! Sie hielt es für eine weitere Finte von Zodiak, der vielleicht nicht ihr Ableben wollte, sondern nur die Kontrolle über sie. Vielleicht konnte er ohne die Hilfe von Andras oder einem anderen Nekromanten nichts mit Toten anfangen... Sicher sagen konnte sie es nicht. Es gab so vieles, was sie über das Urböse nicht zu wissen schien. „Geht es dir gut, Schwesterherz?“, fragte Connar mit seiner vertrauten Stimme, die sie irgendwie beruhigte. „Hast du die Herausforderungen bis hierhin gemeistert?“ An dem Dolch ihres Bruders klebte Blut. Er hatte vermutlich also die Kehle von Lucigar aufgeschlitzt, um sie vor dem Tod zu bewahren. Falls es denn Connar war... Davon war sie bisher nicht wirklich überzeugt. Es gab für Billiana auch keinen Grund, hier irgendwem oder etwas zu vertrauen. Es wurde von ihr erzeugt oder von Zodiak beeinflusst. Beides blieb aber unreal! „Kannst du noch reden oder hat man dir etwa die Stimmenbänder entfernt?“, erkundigte er sich amüsiert. „In so einem Fall können wir es gerne mal mit Zeichensprache versuchen oder du malst mir deine Gedanken auf.“ „Sie weiß nicht, ob sie uns trauen kann.“, warf Andras ein, der gerade die Leichen von Vento, sich selbst und den anderen untersuchte. „Wir könnten Illusionen sein wie diese hier. Geschickt, um sie zu beeinflussen oder sogar zu töten.“ „Schwesterchen... Ich hatte dich doch davor gewarnt, dass dies geschehen würde! Allerdings hatte ich auch deutlich gemacht, dass ich versuchen werde, dir zu helfen.“ „Alles, was ich weiß, kann auch Zodiak wissen.“, schnaubte die Elfe endlich. „Ich kann mir also nicht sicher sein, ob ihr seid, wer ihr vorgebt zu sein oder eben nicht. Ihr könnt von Zodiak erschaffen worden sein, um mich zu beeinflussen oder in eine bestimmte Richtung zu lenken.“ „Das ist natürlich wahr...“, bestätigte Connar und nickte nachdenklich. „Wie sollen wir dir unsere Echtheit beweisen? Wie können wir dir zeigen, dass wir gekommen sind, um dich zu retten? Immerhin haben wir nicht unbegrenzt Zeit...“ „Sag mir etwas, was ich nicht wissen kann. Etwas, was nur mein Unterbewusstsein als Wahrheit erkennen könnte, aber niemals ein Gesprächsthema zwischen uns war. Es muss überzeugend sein.“ Stille trat ein. Ihre Forderung war durchaus eine harte Nuss! Es durfte nichts sein, worüber sie vielleicht mal gesprochen hatten, doch es musste ihr Herz von der Wahrheit dahinter vollends überzeugen. Also musste, egal was er auch sagte, es sie berühren. Tief in ihr drin... Eine Wahrheit, über die sonst niemand zu sprechen wagte und die dennoch allgegenwärtig blieb. Es war für alle eine Zerreißprobe beieinander zu sein, aber nicht zu wissen, ob und wem sie trauen konnten. Immerhin konnte selbst Billie nur eine Illusion sein, welche die beiden Männer in die Irre führen sollte! Zodiak wollte ja nicht die Macht über sein Goldkehlchen verlieren, welches ihm so viel mehr Möglichkeiten verleihen konnte, wenn er es nur richtig anging. Andras stieß schließlich Connar an und sah ihm tadelnd entgegen: „Nun sag‘ schon etwas. So schwer kann es doch nicht sein, deine eigene Schwester von dir zu überzeugen!“ „Na gut, na gut!“, sagte er theatralisch und hob abwehrend seine Hände. „Ich gestehe! ICH habe an deinem Geburtstag dein Stück Kuchen heimlich gegessen, als du gerade nicht hingeguckt hast! Es war so ungemein köstlich, dass ich nicht widerstehen konnte...“ „Sehr witzig. Das wussten wir alle auch so.“, knurrte die Blondine und zog sich etwas mehr von ihnen zurück. „Das ist keineswegs überzeugend.“ Der Nekromant sah ihn tadelnd an. Er musste keine Gedanken lesen können, um zu wissen, dass er ihm sagen wollte, dass er sich nun endlich zusammenreißen sollte! Damit hatte er nicht unrecht... Billie war von Natur aus misstrauisch und solche Witzchen weckten nur noch mehr ihren Argwohn. Trieb er es zu weit, dann konnte sie sich auch endgültig abwenden. In so einer Situation würden sie sie niemals überzeugt bekommen. Also zwang er sich, mehrmals tief durchzuatmen. Es war nicht angenehm, dass sie bei so etwas einen Zuhörer hatten! Am liebsten wollte Connar Andras einfach verbannen, damit er all das nicht mitanhören konnte. Er würde sich sicherlich noch Wochen später über alles amüsieren, was sich hier abspielte, sofern sie es überlebten. Nur hatte er leider keine wirkliche Wahl. Überzeugte er seine Schwester von sich, dann auch automatisch von seiner Begleitung. „Du warst als Kind immer... klein, schwach und ein bisschen kränklich. Immerzu hast du dich versucht unter Betten zu verkriechen oder auf Schränke zu klettern. Wie eine Katze mochtest du es, wenn du alles im Blick hattest. Noch besser war es, wenn dich dabei keiner sehen konnte und du dich sicher fühlen konntest. Alles um dich herum war immerhin viel größer, gefährlicher und ungemein einschüchternd...“, begann der Schwarzmagier und erinnerte sich wirklich klar an diese Zeiten zurück. „Unser Vater fand es nicht gut, dass du dich auf diese Weise verkrochen hast und verlangte ständig, dass du damit aufhören solltest. Ihm wäre es lieber gewesen, wenn du direkt mit einem Schwert in der Hand auf die Welt gekommen wärst und dich mit ungemeiner Macht selbst beschützen würdest. Ihm war es zu anstrengend, für deine Sicherheit zu sorgen, weshalb er voraussetzte, dass du das schon selbst schaffen wirst. Natürliche Auslese... Die Schwachen sterben. Jedenfalls bist du auf die geniale Idee gekommen, dass du allen beweisen müsstest, dass deine Art des Überlebens vollkommen überragend ist. Also bist du in die Bibliothek gehuscht und dort auf das höchste Regal geklettert, welches du finden konntest. Welcher Teufel dich auch immer geritten hast, als du auf diesen Einfall gekommen bist, es hätte dich fast Kopf und Kragen gekostet! Das zusätzliche Gewicht, welches du dargestellt hast, war zu viel und das Regal krachte um... Du wurdest darunter begraben. Alle gerieten in Panik. Sie wollten sich nicht ausmalen, was passierte, wenn der Herrscher der Unterwelt ihnen die Schuld für diesen Unfall geben würde! Wie die Verrückten wuselten sie durch die halbe Unterwelt, kamen aber nicht auf die Idee, das Regal einfach wegzuschieben. Du wärst darunter gestorben! Also habe ich das Regal... mehr oder minder mit meiner Magie zertrümmert und dich da herausgeholt, bevor du wirklich sterben konntest.“ Ihrem Blick war zu entnehmen, dass sie sich versuchte an jenen Tag zu erinnern. Es war lange her und sie hatte immerhin unter Büchern und Holz lange festgesteckt! Außerdem hatte die Elfe irgendwann das Bewusstsein verloren, während der Tod sich an sie herangeschlichen hatte. Er wusste noch sehr genau, wie leichenblass sie gewesen war, als er sie endlich da heraus hatte... „An sich hätte ich dich einfach dalassen können. Es hätte mir eine Konkurrentin auf den Thron einfach genommen und mir auch sonst vieles erspart, aber das konnte ich nicht. Seit du geboren wurdest, hatte mich Eifersucht geplagt, doch die war sofort verpufft, als ich dich das erste Mal erblickte.“, gestand Connar aufrichtig. „Seither bin ich gepeinigt von meiner Liebe zu dir. Ich kann dich nicht aufgeben und dich erst recht nicht sterben lassen. Vielleicht passiert es irgendwann, dass ich nicht in der Lage sein werde, dich zu beschützen, aber dieser Tag ist nicht heute. Du bist für mich keine Rivalin und auch kein Bastard, der mir im Weg steht, sondern meine süße, kleine Schwester, die ich über alles liebe. Das ist die einzige Wahrheit, die ich nicht gerne ausspreche...“ Wieder wurde es vollkommen still zwischen ihnen, während Billiana ihm tief in die Augen stierte. Sie suchte nach dieser einen Wahrheit und der Möglichkeit, dass er wirklich in ihren Kopf eingedrungen war, um ihr zu helfen. Er hatte sie gewarnt, aber auch angesprochen, dass er ihr dieses Mal vielleicht nicht würde helfen können. Doch wenn nur ein Funke von jenen Worten wahr war, dann hätte er wirklich alles unternommen, um sie zu finden und zu retten! Dann hätte niemand ihn aufhalten können – auch nicht Zodiak persönlich. „Na... Na gut.“, sagte sie schließlich. „Ich denke, dass ich dir glauben kann. Merke ich, dass dem doch nicht so ist, werde ich entsprechend handeln.“ „Einverstanden.“, stimmte Connar erleichtert zu. „Noch mehr schmalzige Geschichten möchte ich auch nicht auspacken müssen. Nicht vor dem da...“ „Wie seid ihr hier hereingekommen? Ich gehe doch davon aus, dass Zodiak den Zutritt in meinen Kopf blockiert.“ „Das ist richtig, aber es gibt da ein Ritual, durch das wir in deinen Verstand gelangen konnten.“, erklärte Andras. „Zwar mussten wir dafür den Weg gehen, den auch du gegangen bist, was natürlich Zeit gekostet hat und mit Hindernissen einherging, doch so konnten wir dich finden.“ „Welche Konsequenzen hat dieser Zauber...?“ „Das spielt doch gar keine Rolle. Wichtig ist nur, dass wir so zu dir stoßen konnten.“ „Mir ist es wichtig.“, knurrte Billiana energisch. „Was kann es für Konsequenzen haben?“ Connar und Andras sahen einander eine Weile schweigsam an, ehe ihr Bruder sie wieder anblickte: „Wir sind nur mit unseren Seelen in dir drin. Bleiben wir zu lange oder sterben in deinem Kopf, kehren unsere Seelen nicht zurück und wir werden in der Zwischenwelt landen.“ „Ich wusste ja, dass du mich um Schatti beneidest, aber dass du so weit gehen würdest...“, murmelte Billie mit einem bitteren Grinsen. „Wie kommen wir denn dann wieder heraus? Möglichst mit allen Seelen?“ „Es muss einen Ort geben, an dem du dich vollkommen sicher fühlst und der eine wichtige Bedeutung für dich hat.“, erklärte der Nekromant. „An diesem Ort wird es eine Tür geben. Wenn wir da durchgehen, können wir wieder zurück in unsere Körper kehren und du kannst heraus aus deinem Gefängnis. Wichtig ist dabei, dass du bereit bist, diese Tür zu öffnen.“ „Was bedeutet das? Wieso sollte ich nicht bereit sein?“ „Zodiak setzt alle Erinnerungen gegen dich ein, die du mal gesammelt hast. Gerade aber die, wo du den Ausgang bereust, den diese genommen haben. Alles, was in deinem Kopf ein >Was wäre, wenn< weckt.“, sagte Andras mit ausdrucksstarker Stimme. „Solange du noch wankst, kannst du die Tür nicht öffnen. Weder für dich noch für uns. Hier musst du dich selbst überwinden, dir verzeihen und einsehen, dass alles ist, wie es sein sollte. Es darf für Zodiak keinerlei Nährboden mehr geben.“ „Woher soll ich wissen, ob ich alles verarbeitet habe?“, wollte die Elfe wissen. „Er durchforscht immerhin weiterhin meinen Verstand.“ „Wenn da keine Fragen mehr offen sind, dann wirst du es wissen, Billie.“ Das war für niemanden wirklich beruhigend. Es machte nur deutlich, dass Billiana noch nicht am Ende ihres Weges angekommen war und noch etwas an ihr nagte. Vielleicht eine Kleinigkeit, doch es konnte auch die größte und allerschlimmste Erinnerung sein, die sie noch plagte. Das waren auch die gefährlichsten Bilder, die der Kopf erzeugen konnte! „Lasst uns einfach zu der Tür aufbrechen.“, schlug Andras vor. „Jeder Gedanke, der dich bis dahin noch plagt, kann dann beseitigt werden und vielleicht bist du im Gleichgewicht, sobald wir die Tür gefunden haben.“ „Ist es wirklich eine Tür?“, hinterfragte sie skeptisch. „Nein, es kann alles Mögliche sein, wird aber als Tür bezeichnet. Es kann auch ein Tor sein, ein Schlupfloch, ein Trampelpfad... Jedoch wird es etwas sein, was dort eigentlich nicht hingehört.“ „Na gut... Das kann ja nicht so schwierig sein.“ „Sag‘ das nicht. Manche suchen über Wochen den Ausgang.“ „Wie lange hast du gebraucht?“ Andras sah sie irritiert an und schüttelte etwas den Kopf: „Wie kommst du darauf, dass ich das schon machen musste?“ „Durch deine Erklärungen.“, antwortete die Elfe gelassen. „Sonst ist Connar immer derjenige, der alles erklärt und alles weiß, aber er überlässt dir das Reden. Du wirkst dabei vollkommen gefasst und musst nicht mal groß darüber nachdenken.“ „Ich weiß nicht, wie lange ich gebraucht habe. Mein Zeitgefühl war zu diesem Moment ziemlich im Keller.“ „Wie hast du die Tür gefunden? Hattest du auch jemanden, der dir zur Hilfe geeilt ist?“ „Nein, mir ist niemand zur Hilfe geeilt. Ich musste so klarkommen und hatte etwas weniger Potenzial für Zodiak.“, erklärte der Nekromant. „Ich habe meine Erinnerungen einfach alle abgearbeitet und immer wieder >Nein< gesagt und irgendwann fiel mir dann der Ausgang auf. Es ist schwer zu beschreiben...“ „Also kannst du mir nicht wirklich sagen, was ich zu beachten habe.“ „Leider nicht.“ „Es wird eben ein schöner und aufregender Ausflug!“, warf Connar locker ein, der wohl nicht länger hier verharren wollte. „Es wird sich schon alles irgendwie ergeben. Es wäre jedenfalls falsch, wenn wir hier weiter herumstehen und über andere Zeiten quatschen. Spätestens jetzt wird Zodiak wissen, dass wir hier sind und er wird nicht erbaut darüber sein.“ Dass er vollkommen recht hatte, wussten sie beide. Deshalb nickte sie zustimmend und ließen das Geschehene endlich hinter sich. Es war wichtig, dass sie möglichst bald den Weg hier herausfanden! Wie viel Zeit den beiden wirklich noch blieb, ehe es für ihre Seelen zu spät war, konnte in diesem Augenblick keiner wirklich sagen. Das Zeitgefühl an Orten wie diesen existierte praktisch nicht. Selbst wenn, war es vermutlich vollkommen falsch! Also mussten sie davon ausgehen, dass sie nicht länger trödeln durften oder sie ihre Leben ließen.   Argrim wusste nicht, wann die nächsten Besessenen eintreffen würden, doch er wusste, dass sie kamen. Wenn er in den letzten Tagen eines gelernt hatte, dann, dass es fatal war, sich nicht darauf vorzubereiten, dass Zodiak alles für sich ausnutzte und seine Feinde auszulöschen versuchte. Dafür opferte er Menschen und Nichtmenschen in gleichen Teilen. Warum sein Interesse gerade an Billiana so massiv stärker war, konnte der Zwerg nicht wirklich sagen, doch er hatte sich geschworen, dass er sie dennoch beschützen würde. Ohne zu wanken! Seine Streitaxt gehörte nun ihr. Es fühlte sich zum ersten Mal in seinem Leben wirklich richtig an... Die meisten der Angreifer waren an den Giften gestorben, welche an den Spitzen der Barrikaden verteilt worden waren. Selbst an kleinere Spitzen und Kanten hatte Cazie welches aufgetragen, um sicherzugehen, dass möglichst wenige die Blockade überwinden konnten. Selbst an der höchsten Stelle hatte sie versucht, welches zu verteilen, um eifrige Kletterer zu hindern, ihr Ziel zu erreichen. Wie effektiv genau das am Ende war, war bemerkenswert! Viele der Verseuchten hangen reglos von der Barrikade... Jene, die es lebend auf die andere Seite geschafft hatten, waren seiner Axt zum Opfer gefallen. Nachdem kein einziger Gegner sich mehr stellte, nutzte er den Durchgang, den sie nur für sich beide gelassen hatten und der gut getarnt war, um zu kontrollieren, ob sie alle tot waren. Bei jenen, die vielleicht nur betäubt waren, schlug er gnadenvoll und schnell zu. Meistens eine Enthauptung, um wirklich sicher zu sein und die armen Besessenen nicht unnötig leiden zu lassen. Sie konnten nichts dafür, dass sich Zodiak ihrer bediente und sie wegwarf! Bei einigen quoll die schwarze Schlacke heraus. Dann wusste Argrim, dass er wirklich jemanden erwischt hatte, der noch lebte und ihnen alsbald in den Rücken fallen könnte. Ihm war klar, dass er ihnen anders nicht mehr helfen konnte. So war es besser. Die meisten der Besessenen waren wirklich und endgültig tot. Cazie hatte keineswegs übertrieben, wenn es um die Wirkung ihrer Mixturen und Gifte ging. Irgendwie war er froh, dass er bisher kaum ärztliche Behandlungen gebraucht hatte, um Verletzungen zu überstehen. Wenn solche Tinkturen entstanden, wenn nach Heilmitteln gesucht wurde, dann wollte er nicht wissen, was man seinen Patienten antat, um die Wirkung zu testen. Wie viele hatten bei den Versuchen ihr Leben gelassen? Wie viele dabei Qualen erlitten...? Arme Schweine..., dachte er wehmütig, Gestern wart ihr noch Bauern, Händler oder sonst was und heute verendet ihr an einem Ort, den ihr vermutlich noch nie gesehen habt an einem tödlichen Gift. Irgendwo an einer Barrikade... Niemand wird euch jemals finden. Gerade für Familien mit Traditionen war das eine Schande oder für jene, die so ihren einzigen Erben verloren. Irgendwann drehte ihr Erbe durch, versuchte alles und jeden umzubringen, um schließlich einfach zu verschwinden! Kehrte niemals zurück, weil er einer Axt, einem Schwert oder einer anderen Waffe zum Opfer fiel. Nur, weil jene sich verteidigen mussten... Tatsächlich entdeckte Argrim bei einem der Leichen eine geprägte Münze, die der Mann um den Hals trug. Es sah aus, wie das Wappen eines Adelshauses, wofür auch seine feine Kleidung sprach, die einst bessere Zeiten gesehen hatte. Als er einen genaueren Blick auf das Gesicht warf, konnte er nicht sagen, wie alt er sein mochte. Die Gesichtsmuskeln waren vollkommen verzerrt, unter den Augen waren schwarze Ringe und er wirkte eher eingefallen. Den braunen Locken zu urteilen und ebenso der Gewandung würde er von einem jungen Mann sprechen, der im heiratsfähigen Alter angekommen war. Höchstens achtzehn Jahre... Seufzend blickte er auf die Münze, welche die Größe einer Medaille hatte und wohl auch eher als solche zu bezeichnen war. Sie schien aus purem Gold zu sein! Der Zwerg fackelte nicht lange und nahm die Münze in den Mund, um daran zu lutschen. Es kam nicht zum metallischen Beigeschmack wie bei Messing, der oft von Betrügern verwendet wird, um ahnungslose Käufer ihren Schmuck anzudrehen. Nein, es war neutral als habe er nichts im Mund. Das bestärkte die Vermutung, dass es wirklich Gold war. Vorsichtig steckte er sich die Medaille in die Tasche. Vielleicht gab es im nächsten Ort einen Juwelier oder Goldhändler, der ihm näheres darüber sagen konnte. Eventuell wusste sogar jemand, zu welchem Haus das Wappen gehörte! Es sah etwas aus, wie ein flammender Rabe auf einem Weizenfeld, doch der Axtschwinger war sich nicht wirklich sicher. Bei solchen Wappen wurden die Entwerfer immer ganz besonders kreativ! Manche hatten auch Fabelwesen auf ihren Bannern, ganz andere nur irgendwelche Symbole aus heiligen Schriften oder von alten Mauerwerken. Auch wenn es nicht schön war, schlug er dem ehemaligen Adligen den Kopf ab. Keine schwarze Schlacke drang hervor, also war er wohl schon tot gewesen. Er kam sich schon so vor, als arbeitete er auf einen verdammten Schlachthof für menschliche Wesen! Fehlte nur noch ein Kannibale, der sich seinen Menschen selbst aussuchen wollte... Nur würden sie diese armen Seelen auf keinen Fall essen oder weiterverarbeiten. Immer wieder warf Argrim einen Blick die Klippen hinunter. Stets mit dem bitteren Beigeschmack, dass er beim nächsten Mal vermutlich etwas erblicken würde. Etwas, was eher einer Armee glich, als diese paar armen Hunde, die zufällig in der Gegend gewesen waren. Nochmals würde Zodiak nicht den Fehler machen und so wenige schicken. Vorher ließ er zahlreiche von ihnen sich zusammenrotten, damit sie gemeinsam den Aufstieg wagen konnten. Am Ende würde niemand ihre Namen wissen... Nicht mal sie selbst! Sie waren nichts mehr, sobald Zodiak seine Pranken um sie schloss und ihre Herzen, Gedanken und Seelen vergiftete wie eine dieser Mixturen. Mit diesem Wissen packte der braunhaarige Zwerg sich die Schaufel und begann zu graben. Sie brauchten hinter der zweiten Barrikade noch einen Graben und er musste wie der erste, mit einer tödlichen Falle ausgebaut sein. Egal, was sich dafür finden ließ, es musste vorerst reichen!   Die Flucht aus Billies Kopf entwickelte sich zu einer wahren Hetzjagd! Fast alle Illusionen, denen sie begegneten, waren ihnen feindlich gesonnen. Sie wurden immer aggressiver und bösartiger. Letztendlich gab es der Elfe das Gefühl, dass Zodiak immer mehr Kontrolle über ihre Erinnerungen erlangte, während sie hingegen einen Kontrollverlust erlitt. Wenn etwas frustrierend war, dann definitiv das! Vor allem weil es schwieriger wurde, sich mit Waffengewalt zu wehren. Auch die Magie versagte immer mal... Gerade, weil sie nicht alle Fähigkeiten ihrer eigenen Retter kannte und es sie in ihren Möglichkeiten einschränkte. Sie selbst fühlte sich einfach zunehmend schwächer und müder. Obwohl sich das Ganze nur in ihrem Kopf abspielte, fühlte es sich einfach vollkommen anders an. Als rannte sie in der Wirklichkeit aus eigener Muskelkraft und schwang dort das Schwert oder den Kampfstab. Trotzdem schafften sie es immer weiter voran. Schneller als sie es selbst erwartet hatte, durchdrangen sie einige ihrer Kindheitserinnerungen, in denen es meistens um dieselbe Thematik ging: Misshandlungen, Vergewaltigung, Einsamkeit und Ignoranz.  Aus viel mehr hatte ihre Jugend immerhin niemals wirklich bestanden. Das war traurig, aber eben nicht zu ändern... Nun hatte sie sich immerhin aus der Unterwelt losgesagt und wagte ihr Glück auf der Oberwelt. Wesentlich besser erschien es ihr im Moment allerdings nicht, auch wenn Zodiak sicherlich viel zu dieser Kälte und Düsternis beitrug. Bisher hatten sie aber nichts gefunden, was als Ausgang dienen könnte. Keine Tür, keine Pforte, keine Pfade... Alles war genauso, wie es in der Wirklichkeit auch war. Andras ermahnte sie immer wieder zur Geduld und erinnerte sie daran, dass sie selbst auch so weit sein musste. War da noch eine offene Erinnerung, die gegen sie verwendet werden konnte, würde Zodiak diesen Ort nicht verlassen und sie genauso wenig. Sobald sie so weit war, konnte sie das Urböse offenbar auch aus sich verbannen. Nicht nur für den Moment, sondern tatsächlich konnte er dann niemals Macht über sie erlangen! Das war zumindest tröstlich. Dann endlich erreichten sie jenen einen Ort, der sich in ihrem Kopf als sicher manifestiert hatte. Es überraschte sie nicht wirklich, dass es das Schlafzimmer war, welches ihr Wyrnné als Zufluchtsort geboten hatte. Nach der Schlacht bekam sie hier Essen, Trinken, frische Kleidung und durfte sich waschen. Dazu kam eine gepflegte Unterhaltung ohne Anzüglichkeiten, Gewalt oder Aufdringlichkeit. Mit mindestens einen dieser Dinge verband die Blondine sonst jeden anderen Ort, welchen sie in ihrem Leben jemals besucht hatte. Meistens sogar mit allen dreien... Hier war es aber zu nichts gekommen, was sie nicht gewollt hatte. Sie war einfach nur eine Elfe gewesen, die eine Schlacht für die richtige Seite entschieden hatte! Ihre eisblauen Augen sahen sich um und sie erkannte, welcher Gegenstand hier nicht hineingehörte. Es gab einen zusätzlichen Schrank! Seine Holztüren waren wundervoll bemalt mit Blumen, Schnörkeln und kleinere Blättchen. Ein richtiges Meisterwerk aus Ebenholz. Von so einem hatte sie schon als kleines Mädchen geträumt! Immerhin hatte sie sich immerzu vorgestellt, sie sei eine kleine Prinzessin und als solche musste sie auch ein entsprechendes Zimmer haben. Hades hatte das als albern abgetan und ihrem Wunsch nie entsprochen. Hätte er es, dann wäre es genau dieser Schrank gewesen, den sie sich eingefordert hätte. „Hier ist es.“, sagte Billiana eher abwesend und ging auf den Schrank zu. „Das muss die Pforte nach draußen sein.“ „Das ist doch schon mal sehr gut.“, meinte Andras und folgte ihr. „Also dann... Öffne die Tür.“ Die Blondine nickte, streckte die Hände aus und griff dann nach dem feinen Metallring, um daran zu ziehen. Erst nur zaghaft, dann immer heftiger. Es tat sich nichts! Keinen Millimeter öffnete sich der Schrank, egal wie viel Kraft sie auch aufbrachte! Kein Spalt, kein Knarren, rein gar nichts... Es war wirklich frustrierend. „Warum tut sich nichts?“, wollte sie verzweifelt wissen. „Ich kann mein ganzes Gewicht einsetzen, aber es bewegt sich trotzdem nicht!“ „Vermutlich bist du noch nicht bereit... Irgendwas ist da, was er noch gegen dich benutzt.“ „Oh ja, das ist wahr.“, sagte eine Stimme, die von tausenden weiteren begleitet wurde. Als sie sich umdrehten, konnten sie den hünenhaften, weißhaarigen Mann mit den ebenso weißen Augen erblicken. Er wirkte dämonisch, düster und absolut kaltherzig! Neben ihm standen noch zwei weitere Männer. Der eine war Argrim, der andere Wyrnné. Billiana war verwirrt, denn Wyrnné war ihr als einer der ersten begegnet und Argrim erschien ihr nicht wie ein guter Hebel gegen ihren Verstand. Eigentlich wirkte es sogar etwas verzweifelt. Das Urböse wollte wohl einfach nicht aufgeben und versuchte nun wirklich alles, egal wie sinnlos es auch war. „Du hast unausgesprochene Sehnsüchte, Billie, die stärker sind als alles andere. Du kannst sie immer und immer wieder niederringen, doch innerlich weißt du, dass das keine dauerhafte Lösung ist.“, schnurrte er mit seinem unheimlichen Chorus. „Es sind die Männer, die dein Herz vergiften. Jeder Mann auf seine eigene Art und Weise, doch nur wenige haben eine tatsächliche Macht über dich. Viele von ihnen eigentlich nur für eine Nacht... Bei diesen Exemplaren ist es anders. Du begehrst sie... Sehnst dich nach ihrer Nähe. Eigentlich hast du es nicht auszusprechen gewagt, doch du wärst lieber an der Seite des starken, tapferen und klugen Wyrnné Ralahur. Sein attraktiver Körper geht dir nicht mehr aus dem Kopf und auch nicht, dass er bereit ist, dich zu beschützen.“ Mit langsamen, gemächlichen Schritten umwanderte der Weißhaarige das besagte Ratsmitglied. Seine Kuppen berührten ihn und es machte sie so ungemein wütend! Etwas in ihr tobte und schrie! Dieser Teil wollte nicht, dass eine andere Person seine gebräunte Haut berührte als sie selbst. Schon gar nicht, wenn es Zodiak war, der sich seiner annahm. Es war schon anmaßend genug, dass er so über Wyrnné sprach! „Dann ist da dieser Zwerg... Dein Held und Retter. Er kam, um dich vor dem Unglück zu bewahren. Zwar im Auftrag von eben diesem zauberhaften Wyrnné, doch er hätte jeder Zeit umkehren können.“, setzte er fort und schlenderte zum Axtschwinger herüber. „Du hast eine Leidenschaft für die Vielfalt der Rassen. Es erregt dich, es mit ihnen zu treiben als gäbe es keinen Morgen! Alles, was dein Vater hasst, treibt dich an, es zu erforschen... Einen Zwerg hattest du noch nicht. Er ist ein besonders stattlicher. Trotzdem sagst du ihm nicht, was in deinem Kopf herumgeht. Du sagst ihm nicht, dass du dich nach seinen rauen, kräftigen und großen Händen sehnst. Nie sprichst du aus, dass du seine Heldentaten und seine Selbstlosigkeit absolut bewunderst. Nach Wyrnné und deinem Versprechen, traust du dich generell nicht, ihn zu betrügen. Doch ist es Betrug, wenn du ihm nicht gehörst? Du bist gegangen, also bist du frei.“ Auch um ihn tänzelte er herum und wagte es, die wettergegerbte Haut zu berühren, den etwas struppigen, braunen Bart mit seinen geflochtenen Zöpfchen und dem zwergischen Schmuck. Er berührte die aufwändig geschmiedete Rüstung. Seine Finger glitten sogar über die Fase der Axtklinge ohne sich zu schneiden. Etwas in der Blondine wünschte sich jedoch innig, dass er sich schwer an der Waffe verletzte. Er durfte auch ihn nicht einfach berühren! Alles in ihr gebar auf. Nichts wollte zulassen, dass er solch eine Widerlichkeit wagte. Seine ganze Existenz war eine einzige Widerlichkeit und entsprach nicht der Natur! Mehrmals atmete sie tief durch. Sie hasste sich für ihre Gedanken... Hasste sich dafür, dass sie gerade fast die Kontrolle verloren hatte. Innerlich musste sie zugeben, dass Zodiak recht hatte: Zu viele Dinge verschwieg sie. Es wurde Zeit, dass sie manche Dinge aussprach und sich die nahm, die sie wirklich wollte. Wenn sie immer nur verzichtete, machte sie sich angreifbar. So, wie sie sich für ihn gerade angreifbar gemacht hatte und nun in ihrem eigenen Kopf solche Momente erleben musste. All das wäre niemals nötig gewesen, wenn sie ihre Sehnsüchte nicht einfach schlucken, sondern aussprechen würde. Wenn sie manchmal einfach mal forderte... „Ich werde aus meinen Fehlern lernen.“, sagte sie mit klarer Stimme. „Das hier war mir eine Lehre. Ich muss mir auch mal etwas nehmen, wenn ich es will und ich muss manchmal einfach mal ausruhen. Meine Bedürfnisse zu stillen, ist keine Schande.“ „Mal sehen, ob du wirklich so einsichtig bist... Kannst du wirklich auf diese Männer verzichten? Willst du dein Herz leichtfertig opfern und nie erfahren, wie es wäre, wenn du ihre Partnerin wärst?“, fragte der dämonische Chor. „Ich denke, dass du dazu nicht bereit bist. Du bist weder bereit, aus dieser Erfahrung wirklich zu lernen noch auf diese Männer zu verzichten. Sie sind deine Achillesferse und das, wonach du dich am meisten sehnst.“ Er musste keinen Befehl aussprechen, damit sich Wyrnné und Argrim in Bewegung setzten. Das Ratsmitglied zog dabei ein langes, mächtiges Schwert – ein Langschwert, welches aus bester Schmiedekunst gefertigt worden war. Sie hatte es in dessen Zimmer gesehen... Im Blatt waren mehrere Elfenrunen eingelesen gewesen, was ihr sofort aufgefallen war und das Metall war ein wirklich hochwertiges Erz, jedoch kein Mithril. Argrim hingegen packte seine Streitaxt, welche ebenfalls ein Meisterwerk war. Jedoch eine zwergische Leistung und aus den Erzen hergestellt, die sie selbst abbauten. Ihr war aufgefallen, dass es aus sogenanntem Damaszenerstahl hergestellt worden war, welches die Verschmelzung verschiedener Eisen- und Stahlsorten war. Dadurch entstand ein wellenartiges Muster. Bei guter Arbeit, konnte so eine ultrascharfe und vor allem langlebige Klinge erschaffen werden. In solchen Dingen waren Zwerge Meister! Es war eine perfekte, ausbalancierte Streitaxt. „Wie schön, dass du dir von den Männern, die du im Bett hattest oder haben möchtest, dir die Waffen immer allzu genau ansiehst, Schwesterherz.“, spottete Connar und zog seinen Dolch. „In Zukunft wäre es mir lieb, wenn du dir auch bei uns solche Details einprägst, damit wir in solchen Fällen nicht so dumm dastehen. Unsere Feinde sind hier alle besser ausgerüstet als wir.“ „Ja, ich bin auch dafür, dass du zukünftig dein Auge auch auf einfache Freunde lenkst.“, stimmte Andras zu und hob seinen Degen. Sie waren bereit für den Kampf. „Ich bitte um Verzeihung, dass ich euch so wenig Aufmerksamkeit geschenkt habe.“, zischte die Blondine nicht gerade begeistert. Ihre Hände umschlossen den Kampfstab so fest, dass ihre Handgelenke schon weiß wurden. Es war zwar schön, dass die Männer an ihrer Seite zu allem bereit waren, aber sie selbst fühlte sich nicht wohl in dieser Lage. Auch wenn es Abbilder ihrer Erinnerungen waren, sahen sie dennoch genauso aus. Jedes Detail, welches sie sich eingeprägt hatte, passte überein! Es war schon bei all den anderen Begegnungen ungemein schwer gewesen, sich gegen sie zu stellen und sie zum Teil sogar zu töten. Besonders bei Selas... Das würde sie ihr Leben lang niemals vergessen können. Und jetzt stellten sich zwei Männer ihr in den Weg, die in ihr einen Platz eingenommen hatten, der größer und bedeutsamer war, als alles, was sie jemals erwartet hätte. Ihre Affinität für Sex war ihr nicht neu und auch nicht, dass sie schnell Interesse an einem potenziellen Partner bekam, dennoch ergründete sie sich hier selbst neu. Würde sich vielleicht auch neu definieren... Was würde ihre Familie sagen, wenn sie als neue Frau zurückkehrte? Ich weiß nicht, ob ich mögen werde, zu was ich hier werden könnte., gestand sich Billie ein. Vielleicht werde ich mir am Ende doch wünschen, dass ich diese Reise niemals angetreten hätte. Eventuell wäre es besser, wenn ich aufgebe... Für diese Gedanken hasste sie sich noch etwas mehr! Solche Zweifel gehörten hier gerade einfach nicht her und würden ihre Sehnsüchte auch nicht befriedigen. Es wurde Zeit, dass sie endlich stark war. Andras und Connar riskierten ihre Leben, indem sie hier waren und sie wankten nicht. Ganz im Gegenteil! Als Wyrnné mit dem Langschwert zuschlug, parierte es Andras mit seinem Degen und der Schwarzmagier versuchte hinter ihn zu kommen. Sie hatten sich also für den schnelleren, erfahreneren Gegner entschieden. Ihr blieb somit Argrim, der wesentlich langsamer, dafür aber kräftiger war. Seine dämonischen, weißen Augen stierten ihr entgegen, doch da lag kein Gefühl in ihnen. Auch seine Bewegungen ähnelten keineswegs denen, die sie bei ihm beobachtet hatte. Unerwartet schnell preschte der Zwerg voran und hob dabei seine Streitaxt. Nur sehr knapp schaffte es Billiana, dem Angriff auszuweichen und stützte sich bei der Landung auf den Kampfstab, während sie die Beine spreizte und leicht beugte. Ihre katzenhaften Augen blickte herauf, während sie störende Haarsträhnen einfach aus dem Gesicht pustete. Der Axtschwinger blieb unbeeindruckt und kam mit klirrenden Geräuschen auf sie zu, um die Axt über seinen Kopf zu schwingen und im Anschluss herabsausen zu lassen. Sie rollte sich zur Seite, spürte aber den deutlichen Luftzug, als die Schneide sich brutal in den Boden bohrte. „Das alles müsste nicht sein.“, säuselte die vertraute Stimme im Chor. „Entscheide dich hier und jetzt für die beiden und ihr könnt glücklich zusammenleben. Keine Kämpfe mehr und keine Zweifel. Ihr würdet heiraten, Kinder bekommen... Es gäbe zwischen ihnen nicht mal Eifersucht. Nicht hier.“ Für einen Augenblick war sie abgelenkt. Geblendet von den Bildern eines glücklichen, harmonischen Zusammenlebens mit zwei Männern. In der Wirklichkeit wäre dies niemals möglich! Sie würden einander mit Eifersucht und Hass begegnen, weil sie die gleiche Frau liebten. Es gab nicht viele Lebewesen, die mit einer offenen Partnerschaft wirklich zurechtkamen. Argrim schlug wieder mit voller Kraft zu und dieses Mal blieb der Elfe nichts Anderes übrig als zu parieren. Natürlich durchschlug die viel stabilere, stärkere Axt einfach den Schaft des Kampfstabes und teilte ihn so in zwei Teile. Fassungslos betrachtete sie die wertlosen Holzstücke in ihren Händen und verfluchte sich selbst. Bei dem nächsten Schlag duckte sie sich unter der Axt weg. Um dem Zwerg direkt an die Stelle der Rüstung zu schlagen, bei der sich die Platten überschnitten. Es war eine der wenigen Schwachpunkte. Jedoch konnte sie mit diesem kleinen Holzstück nicht mal ansatzweise so viel Schwung holen, wie es mit dem ganzen Kampfstab möglich gewesen war. Der Angriff verpuffte zwar nicht völlig, richtete aber auch keinen beachtlichen Schaden an. Stattdessen schlug er ihr den Stiel seiner Axt direkt ins Gesicht und trat ihr im Anschluss direkt in den Brustkorb. Die Blondine spürte kaum, wie sie über den Boden schlitterte und sich die Haut aufriss. Ihr Verstand war vollkommen benebelt von der Brutalität, welche diese Illusion aufbrachte und ihre Unfähigkeit, ihn wirklich zu verletzen. Etwas in ihr schützte diese Männer, denn auch Connar und Andras hatten es nicht leichter. Wyrnné schlug sie immer wieder zurück, indem er mit dem Schwert kreiste und mächtige Rundumschläge ausführte. So kamen sie nicht nah genug heran, um ihn zu verletzen.   „Sie blutet stark...!“, rief Cazie panisch, nachdem sie Argrim hereingeholt hatte. „Aus dem Mund, aus der Nase und sieh‘ mal...“ Die Heilkundige wendete die Elfe und schob die Decke beiseite. Zahlreiche Schürfwunden befanden sich daran. Es wäre nicht eigenartig, doch sie waren frisch und bluteten sogar noch. Überall an ihrem Körper zeichneten sich auch die schwarzen Adern ab und breiteten sich sogar bis zu ihren Augen aus. Der Zwerg war sich langsam ziemlich sicher, dass sie dabei war zu sterben. Als er seinen Blick zu den anderen beiden lenkte, entdeckte er kleinere Schnittwunden in den Gesichtern, an den Hälsen oder den Armen. Sie waren ebenfalls frisch, denn aus ihnen trat Blut heraus. Anders als bei Billiana, befanden sich an ihnen jedoch keine schwarzen Adern, also konnte Zodiak wohl nicht auf sie zugreifen oder sie vergiften. Trotzdem würden sie nicht zurückkehren, wenn die Elfe es nicht schaffte. Keiner von den dreien sah wirklich gut aus. Wenn es ihm möglich gewesen wäre, hätte er sie alle aus diesem tranceartigen Zustand zurückgeholt und ihnen vorgehalten, dass sie alle Idioten waren. Dumme, unbedachte Idioten, die ihr Leben auf diese Weise riskierten! Aber er war nicht sauer auf sie... Argrim war sauer, weil er ihnen partout nicht helfen konnte. Nur, indem er Angreifer fernhielt und die Verteidigungsanlagen des Dorfes ausbaute. „Du musst draußen die neuen Fallen mit deinen Mixturen präparieren und das möglichst wieder so tödlich wie zuvor.“, sagte er mit ruhiger Stimme, obwohl er innerlich keineswegs ruhig war. „So viel, wie du noch erübrigen kannst. Zurzeit taut es ein bisschen, also ist die Gefahr, dass es zu früh einfriert, relativ gering. Schau‘ aber bitte auch, ob du eventuelle Truppen den Pass hochkommen siehst.“ „Aber was ist mit ihnen?“ „Ich bleibe hier und kümmere mich ein bisschen um sie. Schüre das Feuer neu an, versorge grob die Verletzungen. Aber all das bringt nichts, wenn bald neue Verseuchte kommen und wir nicht vorbereitet sind.“ „In Ordnung...“, gab die Rothaarige nach. „Frische Verbände sind da und auch Salben... Es ist alles so weit beschriftet. Sei nicht zu sparsam.“ Cazie warf einen letzten Blick auf ihre Patienten, ehe sie sich die anderen Fläschchen nahm. Auf ihnen waren größtenteils Totenköpfe abgebildet, welche wohl vor der tödlichen Wirkung warnen sollten. Nicht dumm, wenn man im Eifer doch mal zu schnell griff und nicht die Aufschrift las. Sie verschwand draußen in dem leicht antauenden Schnee und würde seiner Bitte entsprechen. Spätestens abends oder nachts würde der Frost wiedereinsetzen, ebenso wie die Massen an Schneeflocken, doch die Zeit bis dahin zu nutzen, war keineswegs dumm. Auch wenn es ihm widerstrebte, kümmerte er sich erstmal um die Blutungen bei Connar und Andras. Sie waren wesentlich leichter und schneller behandelt. Etwas Salbe, ein paar Tücher und Verbände mussten vorerst ausreichen, solange sich nichts Näheres ergab. Wenn sie wirklich zurückkehrten und sie heil aus der Sache herauskamen, dann konnten sie immer noch die korrekten Behandlungsarten anwenden. Bei Billie war es etwas schwieriger... Ihre Wunden waren groß und bluteten unbestimmt stark oder schwach. Er konnte also nichts weiter tun, als die Salbe großzügig überall zu verteilen, wo sich Wunden befanden und es eher grobmaschig zu verbinden. Das Blut, welches aus dem Mund und der Nase drang, tupfte er behutsam weg. Nur wenige Sekunden später zuckte ihr ganzer Körper heftig zusammen. Er sprang erschrocken zurück, weil er glaubte, dass sie erwachte, doch stattdessen blutete ihre Schulter stark. Eine schwere, große Waffe schien sie dort getroffen zu haben, aber hier drin hatte sie nichts und niemand angegriffen. Sofort nahm sich der Zwerg wieder Salbe, verteilte sie sicherlich brennend auf der frischen Verletzung, drückte Tücher darauf und verband es ungeschickt. Was immer sich gerade in ihr abspielte, es wirkte sich inzwischen auch auf ihre wirkliche Hülle aus. Denn auch die Männer bekamen zunehmend neue Wunden, welche heftig bluteten und nach Kampfverletzungen aussahen. Wenn sie nicht bald zurückkehrten, würden sie eine Sepsis bekommen oder sogar verbluten! Wobei das Ende bei beiden Varianten überaus tödlich sein würde... Rasch setzte sich Argrim wieder an die Seite der Elfe und packte dessen rechte Hand. Sie war ganz klamm und wahnsinnig bleich. Alles Anzeichen dafür, dass ihre Herzfunktionen nachgaben und sie nicht mehr allzu lange zu leben hatte. Es machte ihm bewusst, dass sie vielleicht niemals wieder aufwachen würde. Vielleicht musste sie dann für immer in diesem Albtraum ihres Kopfes leben. Jeden Tag diese Verletzungen erdulden... „Bitte... Bitte komm‘ zurück zu mir...“, flüsterte er erschüttert. „Ich weiß, dass wir uns gerade erst kennengelernt haben und du das wahrscheinlich albern findest, doch du bedeutest mir echt viel. Alles an dir ist so... faszinierend. Obwohl du eine Elfe bist! Verdammt... Gerade, weil du eine Elfe bist.! Wach‘ auf... Billie, bitte wach‘ auf.“   Wie ein Mantra drang es in ihren Kopf ein. Nur sie schien es hören zu können. Keiner sonst reagierte darauf! Weder Connar oder Andras noch Zodiak. Aber für sie war es erst ein leises Flüstern, dann fast wie ein bebender Schrei, der ihr Innerstes aufwühlte. „Wach‘ auf... Billie, bitte wach‘ auf.“ Obwohl sie einander nicht lange kannten, wusste sie sehr genau, wie Argrims Stimme klang. Selbst hier, wo sie nur verzerrt zu ihr durchdrang. Doch war das wirklich real? Oder versuchte Zodiak sie irgendwie zu linken. Andernfalls wollte er nicht, dass sie aufwachte und diese Botschaft würde ihm nicht viel bringen... Keuchend umklammerte sie das Heft der Streitaxt, während die Illusion von Argrim über ihr kniete. Mit kaltem Blick drückte er und versuchte die Klinge so zu wenden, dass sie auf ihre Kehle deutete. So wollte er ihr eine tödliche Wunde zufügen, die sicherlich noch mehr Blut verlieren würde, als ihre frisch verletzte Schulter. Diese blutete nicht nur stark, sondern sie brannte auch! Beinahe so, als hätte man ihr gerade erst frischen, puren Alkohol darüber gegossen. Es war ein absurder Gedanke, denn bisher hatten sie den Kampf nicht unterbrochen. Hier ging es um Leben und Tod! „Wach‘ auf... Billie, bitte wach‘ auf.“, hallte es wieder in ihren Ohren. Deutlicher, dringlicher... Wie ein Gebet an die Götter gerichtet. Eigentlich müsste es sie ablenken, doch stattdessen fand sie die Kraft, seine Streitaxt auf mehr Distanz zu bekommen. Dabei schaffte es der Zwerg nicht, die scharfe Klinge auf eine überlebenswichtige Stelle zu richten oder sie erneut zu verwunden. Es fühlte sich etwas so an, als fand sie in diesem Singsang einer vertrauten Stimme Kraft. All die Ereignisse, die sie hier durchlitten hatte, waren auf einmal bedeutungslos. Billiana wollte zu dieser Stimme! Sie wollte heraus und sich der Wirklichkeit stellen. „Tu‘ mir das bitte nicht an, Billie... Du darfst nicht sterben!“ Sie schwitzte, trotzdem hielt sie weiterhin gegen ihren Angreifer an, der nicht Argrim war. In diesem Moment sah sie es klar und deutlich vor sich! Das kühle, reglose Gesicht von Zodiak, der zwei Gestalten. Er wollte ihren Tod und er wollte ihren Körper beherrschen. Ihm war es nicht recht, wenn sie all das abschütteln konnte, um stattdessen bei vollem Bewusstsein zu erwachen. Vielleicht hatte das Urböse recht und er konnte ihr hier alle möglichen Traumwelten erschaffen, in denen sich ihre Wünsche sofort erfüllten. Doch eines konnte er ihr nicht ermöglichen: Das es Realität wurde. All das war nicht echt... Es würde niemals echt sein! Alles, was sie hier fand, waren vorgegaukelte Erinnerungen und Träume, die sie sich aber selbst noch verwirklichen oder umformen konnte. Ihre Vergangenheit konnte sie nicht ändern... Nicht, wie sie es hier könnte! Aber Billiana war es möglich, ihren Blick darauf zu verändern. Es lag bei ihr, den bitteren Beigeschmack von früher zu schlucken und ein positiveres Licht darauf scheinen zu lassen. Nur sie konnte über ihre Zukunft entscheiden, die sich eng mit Vergangenheit und Gegenwart verknüpfte. Die Gegenwart war heute! Heute musste sich die Blondine entscheiden, was sie wollte. Wollte sie leben oder sterben? Eigene Entscheidungen treffen oder in einer Illusion leben? „Bi-Bitte~... Wach‘ doch auf, Billie~... Billie~... Ich... Ich liebe dich.“ Mit einem Aufschrei drückte sie sich mit all ihrem Körpergewicht gegen die Waffe und warf den Zwerg zurück zu Boden. Sofort sprang die Elfe mit den honigfarbenen Locken auf und holte mit der Axt aus. Obwohl Zodiak versuchte, ihm noch einen ängstlichen und flehenden Ausdruck zu verleihen, reichte es nicht aus. Kraftvoll schwang sie die Waffe nieder. Der Kopf des unechten Argrim rollte über den Boden und kurz darauf verpuffte er in einem Nebel, als wäre er niemals hier gewesen. Billiana verharrte nicht, sondern drehte sich um. Die Männer brauchten kein Zeichen, um zu verstehen. Stattdessen wichen sie von Wyrnné zurück, dem sie mit Anlauf und Schwung ebenso den Kopf von den Schultern trennte. Auch er löste sich nur wenige Augenblicke vor ihnen auf. Es war ein viel zu langer, harter Kampf gewesen, doch am Ende hatten sie gewonnen. Das Bildnis von Zodiaks menschlicher Gestalt stand noch da und wirkte etwas panisch. Beinahe so, als könnte das Urböse nicht fassen, dass sie es geschafft hatte, sich ihren intensivsten Gefühlen erfolgreich zu stellen. Und sie war stärker als jemals zuvor daraus hervorgekommen! Wie ein Phönix aus der Asche entstieg sie ihrem sicheren Ende und würde so schnell nicht wieder schwanken. „Alles... Alles kann ich dir geben!“, kreischte der Chorus aufgewühlt. „Du könntest doch endlich glücklich sein und alles bekommen, was du dir wünscht!“ „Es gibt nichts, was du mir geben könntest, was ich nicht längst hätte.“, zischte die Elfe wütend. „Der Schlüssel zum Glück bin ich selbst. Deine Lügen sind blanker Hohn und bringen mir niemals das Glück, welches ich verdient habe. Und nun verschwindest du aus meinem Körper, ansonsten schwöre ich dir, wird es keine Ecke in allen Welten geben, die dich vor mir schützen kann.“ Schwungvoll holte sie aus und schlug zu. Zodiak versuchte nicht mal auszuweichen, als sie auch ihn enthauptete. Damit beendete sie den Spuck in ihrem Verstand und war frei, auch wenn es körperlich sicherlich Nachwirkungen hatte. Das konnte die Elfe deutlich spüren. Nichts, was die Zeit nicht heilen kann. Ich muss da nun durch... Als sich die Blondine umdrehte, öffneten sich die Türen des Ebenholzschrankes von ganz alleine. Ein fließendes, glitzerndes Licht befand sich darin, welches lebendig wirkte. Beinahe wie in einem wunderschönen Traum... „Es ist Zeit, dass wir gehen.“, sagte sie mit fester Stimme. „Es gibt noch viel zu tun.“   Als die drei endlich aufwachten, brach die Nacht bereits an. Sie schreckten keuchend und hechelnd hoch. Alle schwitzten, als seien sie mehrere Ellen weit gelaufen und deren genaue Anzahl wollte keiner von ihnen wissen. Dafür war dieser Ausflug viel zu nervenaufreibend gewesen. Eine Wiederholung würde mit etwas Glück ausbleiben. „Oh... Oh!“, keuchte Cazie vollkommen überrumpelt. „Ihr seid endlich wach! Unglaublich... Endlich!“ Die Rothaarige rannte zur Tür und rief nach Argrim. Der stapfte nur wenige Augenblicke später hinein und wirkte ebenso erleichtert. Zwar wirkten sie alle bleich wie Leichen, doch sie atmeten und lebten! Zumindest schloss er das aus ihrer Haltung, auch wenn sie wohl selbst nicht ganz fassen konnten, dass sie nun hier waren. Sofort untersuchte die Heilkundige ihre Patienten, um zu prüfen, wie ihr Puls war und auch die Körpertemperatur. Soweit schien alles in Ordnung, auch wenn ihr Herzschlag recht heftig schien. In Anbetracht der Situation überraschte es sie auch nicht wirklich. Wenn sie einen Moment bekamen, konnte sich all das wieder von selbst regulieren. Auch die etwas zu kühle Temperatur würde sich wieder einpendeln und normalisieren. „Was ist?“, fragte der Zwerg entsetzt. „Geht es euch gut? Ihr wart ewig weg!“ „Ja...“, keuchte Billie. „Es geht uns so weit gut... Nur etwas erschöpft.“ Ihre eisblauen Augen wirkten ein bisschen trüb, als sie den Blick hob und verwirrt die unbekannte Frau musterte. Als sie diese kennengelernt hatten, war sie immerhin bewusstlos gewesen und wusste nun nicht, mit wem sie es zu tun hatte oder weshalb... Allerdings bestätigte es ihr ebenfalls, dass sie unmöglich noch in ihrem Verstand stecken konnte. Dort traf sie nur auf manifestierte Erinnerungen. Als sie sich nach den Männern erkundigen wollte, stellte sie fest, dass Connar verschwunden war. Keine Neuheit, aber daran gewöhnen, würde sie sich wohl niemals. Andras sah dafür kalkweiß aus, dennoch aber durchaus erleichtert. Die unbekannte Frau tupfte ihm die Schweißperlen von der Stirn und wirkte sehr besorgt. „Wer seid Ihr?“ „Verzeihung!“, keuchte die Rothaarige sofort und sah sie wieder an. „Ich heiße Cazie Muriel. Bevor meine Meisterin starb, war ich die Assistentin der dorfeigenen Heilkundigen. Ich habe euch versorgt.“ „Verstehe...“, murmelte die Elfe müde. „Dann vielen Dank.“ Erstaunt stellte Argrim fest, dass die schwarzen Adern sich immer mehr zurückzogen. Noch waren sie nicht vollkommen verschwunden, doch das war nur noch eine Frage der Zeit. Die Schlacke musste wohl erstmal von dem Körper verarbeitet und ausgestoßen werden. Bis dahin schien aber wohl keine weitere Gefahr mehr davon auszugehen. „Auch, wenn ich mich freue, dass ihr heil wieder da seid, können wir höchstens noch über Nacht bleiben.“, offenbarte der Zwerg schließlich. „Wir wurden bereits einmal von zahlreichen Verseuchten angegriffen und konnten sie nur knapp zurückschlagen. Ich bin sicher, dass uns noch mehr ans Leder wollen.“ „Dann sollten wir sofort aufbrechen.“, meinte Billiana und brach keuchend in sich zusammen, als sie versuchte aufzustehen. In ihrem Zustand konnte sie ohne Hilfe keinen Schritt machen! Andras ging es da garantiert nicht wesentlich besser als ihr. Vorerst saßen sie also in dieser Hütte fest. „Ruht euch diese Nacht hier aus. Ich habe draußen einige Verteidigungsanlagen mit Cazie gebaut und werde mit ihr regelmäßig patrouillieren.“, sagte Argrim streng. „Sollten sie uns doch vorher versuchen anzugreifen, wecken wir euch und müssen so zusehen, wie wir es hier wegschaffen. Vielleicht habt ihr euch bis dahin auch erholt... Spätestens am Morgen müsst ihr allerdings klarkommen.“ Es schmeckte der Elfe nicht, trotzdem nickte sie bleiern und legte sich wieder in das behelfsmäßige Bett. Die Heilkundige begann derweil, einige Kräuter zu zerstoßen und sprach davon, dass sie zwei Mixturen zur Stärkung anfertigen würde. Argrim dagegen nahm sich wieder seine Streitaxt, damit er in die Kälte aufbrechen konnte. Er musste nun die ganzen Zugänge zu diesem Ort im Auge behalten! Wenn ihm nur eine Bewegung entging, könnte es ihr sicheres Ende sein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)